62. Wie der April den März besuchte.

Aus Rußland.


Es ist schon lange her, da lud einmal der März den April zu Gaste. Dieser machte seinen Wagen zurecht und fuhr fort, aber der März schickte Schnee und Frost, und so konnte der April mit dem Wagen nicht durchkommen und mußte umkehren. Im nächsten Jahr um dieselbe Zeit wollte der April es noch einmal versuchen und holte seinen Schlitten hervor, um zum März zu fahren. Aber der März machte es warm, und die Flüsse traten aus, so daß der April wieder umkehren mußte. Da begegnete er unterwegs dem Mai und klagte ihm seine Not: ›Wie oft schicke ich mich an, den März zu besuchen, und nie kann ich ihn erreichen, weder zu Wagen noch zu Schlitten! Fahre ich mit dem Wagen, so wird es wieder Winter, und nehme ich den Schlitten, so kommt warmes Wetter, und es taut und regnet so stark, daß man weder mit dem Schlitten noch mit dem Wagen vorwärts kommt.‹ Da sagte der Mai: ›Ich will dir raten, wie du es machen mußt: nimm den Wagen, den Schlitten und ein Boot, dann kannst du schon durchkommen.‹ Der April wartete bis zum nächsten Jahre, dann tat er, wie der Mai ihm geraten. Er fuhr [79] mit dem Schlitten und hatte noch einen Wagen und ein Boot darauf gepackt. Da sandte der März warmes Wetter, und der Schnee taute. Sogleich befestigte der April den Schlitten und das Boot auf dem Wagen und fuhr weiter. Nach einer Weile wurde es wieder kalt, es fror und schneite tüchtig, aber der April packte wieder alles auf den Schlitten und kam ein gut Stück weiter. Zuletzt trat Tauwetter ein, und es ergossen sich die Wasser überall, da konnte man nicht zu Schlitten und nicht zu Wagen reisen. Der April aber nahm sein Boot, packte die beiden überflüssigen Fahrzeuge hinein und gelangte so zum März. Dieser war sehr erstaunt, er hatte den April ja doch foppen wollen. ›Wer hat dir denn geraten, wie man zu mir kommen muß?‹ fragte er ärgerlich. ›Das war der Mai,‹ sagte der April. Da rief der März: ›Na warte nur, Mai, das will ich dir eintränken!‹ und schickte dem Mai ein paar tüchtige Nachtfröste. Und das tut er nun jedes Jahr, weil er dem Mai noch immer zürnt.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Naturgeschichtliche Märchen. 7. Aufl. Leipzig/Berlin: 1925, S. 79-81.
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