46. Der Zigeuner als Kuhdieb

[278] Ein Zigeuner und ein Walache stahlen miteinander eine Kuh. Bald darauf begegnete ersterem der bestohlene Bauer, und der Zigeuner begrüßte ihn mit den Worten: »Guten Tag, Bestohlener!« Jener sah den Grüßenden an, erwiderte übrigens den Gruß und ging seines Weges. Da rief ihm der Zigeuner nach: »He! Geh nicht dorthin, wo die Raben und Krähen ab- und zufliegen, deine Kuh ist nicht dort!« Zugleich zeigte er auf eine Stelle, wo wirklich ein Schwarm dieser schwarzen Vögel an einem bestimmten Platze auf der Heide sich beschäftigt hatte. Hierauf stutzte der Bauer noch mehr und kam sogleich auf den Gedanken, daß der Zigeuner wohl um seinen Schaden wissen müsse. Deshalb eilte er ihm nach, jetzt aber lief jener davon.

Der Bauer, der den Fliehenden nicht mehr aus dem Auge ließ, verfolgte ihn bis in ein Bauernhaus, in dem jener zu entwischen gedachte. Als der Verfolger in die Stube trat, fand er nur den Hausherrn, welcher an dem Diebstahl teil-, es aber allein übernommen[278] hatte, sich und den Zigeuner aus der Schlinge zu ziehen. Letzterer hatte sich sogleich auf den Hausboden versteckt und horchte vom Bodenloch herab, was drunten vorging. Er hörte, wie sein Verfolger jetzt den Hausherrn wegen der gestohlenen Kuh zur Rede stellte und wie dieser sich wieder hoch und teuer verschwor, nichts davon zu wissen und daß er ganz unschuldig daran sei.

Natürlich hatte der Bestohlene kein Recht, den Hausherrn des Diebstahls zu zeihen, und fing deshalb an, sich zufriedenzugeben. Dies gab dem andern Mut, und er fing an, den Tröster zu spielen und sagte unter anderem auch: »Schau, Bruder, wenn du deine Kuh nicht mehr finden solltest, so wird sie gewiß der da oben bezahlen!« Bei dieser Redensart, wie sie bei unserem Volke üblich ist, deutete er mit dem Finger nach oben. Als der Zigeuner oben dies sah und hörte, rief er ganz ereifert herunter: »Was? Ich soll die Kuh bezahlen? Alle zwei werden wir bezahlen! Hast denn nicht du das Fleisch von der Kuh gegessen, während ich nur die Brühe davon trank?«

Jetzt natürlich wußte der Bestohlene, wie er daran war, denn der Zigeuner, welcher auf sich bezog, wo der liebe Gott im Himmel gemeint war, hatte sich blöd genug verraten.

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 278-279.
Lizenz:
Kategorien: