60. Warum die Biene nicht mehr weiß ist

[297] Als Gott diese Welt erschaffen wollte, sandte er die Biene an den Teufel ab, damit sie diesen um Rat frage, ob es besser sei, nur eine Sonne zu schaffen oder mehrere.

Die Biene ging, trug dem Teufel die Frage vor und setzte sich dann listigerweise auf seinen Kopf. Der Böse beratschlagte[297] bei sich, wie er die Frage klug beantworten könnte, und sprach vor sich hin: »Gäbe es mehrere Sonnen, so wäre es nicht gut, denn ihre Glut könnte die Flammen der Hölle übertreffen und so hätten die Menschen keine Furcht mehr vor ihr.« Weiter sprach er: »Es wäre nicht gut, wenn es viele Sonnen gäbe, denn sie könnten die Nacht zum Tag erhellen, und so hätten die Werke der Finsternis ein Ende.« Darauf tat nun der Teufel den Ausspruch: »Es ist besser, wenn es nur eine Sonne gibt.«

Als die Biene jetzt aufflog, um dem Herrn diesen Ausspruch zu hinterbringen, und eben anfing zu summen, da erkannte der Meister der Nacht, daß sie auf seinem Haupte gesessen und der Beratung, welche er mit sich gehalten, zugehört hatte. Ergrimmt darüber schlug er sie mit einer Peitsche heftig über den Leib. Durch diesen Schlag wurde sie ganz schwarz; auch rührt von ihm ihre jetzige eingeschnittene Gestalt her. Ehe sie vom Teufel so zugerichtet wurde hatte sie eine weiße Farbe, darum heißt sie noch jetzt in der Sprache der Walachen albina, »die Weiße«. Daß aber am Himmel nur eine Sonne geht, ist das Verdienst der Biene.

Nach einer anderen Sage soll die Biene ihre eingeschnittene Gestalt und ihre schwarze Farbe von der feurigen Himmelsgeißel, dem Blitze haben, mit dem sie der heilige Petrus im Zorne schlug, weil sie mit ihren Eltern als ein ungehorsames Kind gestritten hatte.

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 297-298.
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