XV. Die Alte und der Alte.

[192] Es war einmal ein Alter und eine Alte, die hatten bis in ihr Alter nicht ein einziges Kind gehabt, und das kam ihnen schwer an, weil sie gar keine Hülfe hatten, nicht einmal um das Feuer anzumachen; denn wenn sie vom Felde kamen, mußten sie zuerst damit beginnen, Feuer anzuzünden, und dann das Essen herrichten.

Eines Tages, als sie sich so mühten und mit einander beriethen, beschlossen sie, sich nach Kindern umzusehen, was dann auch geschah.

Der Alte schlug einen Weg ein, die Alte einen andern, um irgendwo ein Kind zu finden.

Der Alte traf auf seinem Wege einen Hund, die Alte eine Maus. Als sie einander begegneten, fragte die Alte:

»Alter, was hast Du gefunden?«

»Ein Hündchen! Und Du, Alte?«

»Ein Mäuschen.«

Sie kamen jetzt überein, das Mäuschen als Kind anzunehmen und das Hündchen fortzujagen, und so kehrte der Alte mit der Alten und dem Mäuschen vergnügt nach Hause zurück, weil sie nun gefunden, was sie gesucht, nämlich ein Kind.

Zu Hause angelangt, begann die Alte Feuer anzumachen; dann setzte sie den Topf mit saurer Buttermilch zum[193] Kochen auf und ließ das Mäuschen zurück. Es sollte aufpassen, daß der Topf nicht in's Feuer fiele; darauf ging sie dem Alten nach zur Feldarbeit.

Nachdem sie fortgegangen war, kochte die Suppe und spritzte aus dem Topfe heraus; da fing das Mäuschen, welches auf dem Heerd saß, zu sprechen an:

»Süppchen, spring' nicht auf mich los, sonst spring' ich auf Dich.« Die Buttermilch aber hörte nicht darauf und spritzte immerfort heraus. Als das Mäuschen das sah, ärgerte es sich und sprang stracks in den Topf.

Als die Alten vom Hacken kamen und in's Haus traten, riefen sie ihr Kind, aber nirgends ein Kind! Nachdem sie es längere Zeit gesucht hatten und es nicht fanden, setzten sie sich sehr traurig zu Tisch, um zu essen. Sie aßen jedoch mit großer Lust, bis die Alte, wie sie die Schüssel leerte, auf dem Boden was fand? Das Mäuschen, ihr Kind, todt! Sie begann zu sagen:

»Alter, Alter, hier ist's, unser Kind hat sich in der Buttermilch ertränkt.«

»Aber wie ist das möglich, Alte!« entgegnete der bärtige Alte.

Als sie dieses schreckliche Ereigniß sahen, begannen sie bitter weinend es zu beklagen, und der Alte fing an aus Trauer sich den Bart zu zausen, die Alte aber das Haupthaar.

Der Alte trat mit Thränen in den Augen und zerzaustem Bart aus dem Haus; auf dem Baum aber vor dem Hause, auf einem Zweige saß eine Elster und die fragte ihn, wie sie ihn erblickte:

»Warum hast Du Deinen Bart zerzaust, Alter!«

»Ach, mein Liebling, wie soll ich mir nicht die Haare[194] aus dem Bart reißen, wenn mein Kindchen sich in dem Topf mit Suppe ertränkt hat und todt ist?«

Als die Elster dies hörte, riß sie sich auch alle Federn aus und behielt nur den Schwanz.

Die Alte machte sich mit kahlem Kopf zum Brunnen auf, um einen Krug Wasser zu holen, in dem sie ihr verstorbenes Kind baden wollte.

An diesem Brunnen stand ein Mädchen mit Krügen, um Wasser zu holen; als sie die Alte erblickte, fragte sie:

»Alterchen, warum hast Du Dir die Haare vom Kopf gerissen und Dich ganz kahl gezaust?«

»Ach, mein Liebling, wie soll ich mir die Haare nicht zausen und mich kahlköpfig raufen, wenn mir mein Mäuschen gestorben ist?«

Das Mädchen brach vor Trauer seine Krüge entzwei, dann eilte es zur Kaiserin, um es ihr zu sagen; diese stürzte, sowie sie es hörte, vom Balkon herab, brach sich einen Fuß und starb, der Kaiser aber, aus Liebe zur Kaiserin, ging davon und wurde Mönch im Lügenkloster, jenseits der Wahrheiten; ich aber


Bekanntschaft mit den Großeltern machte.

Denen ich dieses Märchen brachte;

Doch ihnen schien's gar klein, sie lachten

Wenn sie noch wieder daran dachten.

Quelle:
Kremnitz, Mite: Rumänische Märchen. Übersetzt von -, Leipzig: Wilhelm Friedrich, 1882, S. 192-195.
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