IV. Das Beutelchen mit zwei Dreiern.

[42] Es war einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Die Alte hatte eine Henne und der Alte einen Hahn; die Henne der Alten legte zweimal täglich, und sie aß eine Menge Eier, dem Alten aber gab sie kein einziges. Eines Tages verlor der Alte die Geduld und sagte: »Hör', Alte, Du lebst wie im Schlaraffenland, gieb mir doch auch mal ein paar Eier, daß ich wenigstens einen Geschmack davon bekomme!«

»Warum nicht gar!« sagte die Alte, die sehr geizig war. »Wenn Du Lust auf Eier hast, schlag Du auch Deinen Hahn, damit er Dir Eier lege, und dann iß sie; ich habe meine Henne geprügelt, und sieh nur, wie sie jetzt legt!«

Der Alte, gierig und happig wie er war, hörte auf der Alten Rede, nahm ärgerlich seinen Hahn vor, gab ihm eine gehörige Tracht Prügel und sagte:[42]

»So, jetzt leg' mir Eier, oder geh mir aus dem Hause, denn ich will Dich nicht mehr umsonst füttern«.

Der Hahn, sowie er aus den Händen des Alten entkam, lief vom Hause weg und spazierte auf der Landstraße einher. Als er so seines Weges ging, schau an! da fand er ein Beutelchen mit zwei Dreiern. Und wie er es gefunden hatte, nahm er es in den Schnabel, wandte um und machte sich nach dem Hause des Alten auf. Unterwegs stieß er auf einen Wagen mit einem Herrn und einigen Damen. Der Herr erblickte den Hahn, sah in seinem Schnabel ein Beutelchen und sagte dem Kutscher:

»Du, hör', steig ab und sieh, was dieser Hahn da im Schnabel hat.«

Der Kutscher stieg schnell vom Bock herunter, nahm das Beutelchen aus dem Schnabel des Hahns und gab es dem Herrn. Der Herr nahm es, steckte es in die Tasche und fuhr weiter. Der Hahn hierüber erbost, ließ nicht nach, sondern lief hinter dem Wagen her und sagte unaufhörlich:


Kikerikieh, Herr, Kikerikück,

Gebt mir's Beutelchen zurück.


Der aufgebrachte Herr sagte dem Kutscher, als sie an einen Brunnen gelangten:

»Du, nimm diesen unverschämten Hahn und wirf ihn in jenen Brunnen.«

Der Kutscher stieg wieder vom Bock herab, ergriff den Hahn und warf ihn in den Brunnen. Als der Hahn die große Lebensgefahr sah, in der er steckte, was sollte er da machen?

Er begann das Wasser einzuschlucken und schluckte und[43] schluckte, bis er alles Wasser aus dem Brunnen eingeschluckt hatte. Dann flog er aus ihm heraus und lief dem Wagen wieder nach mit seinem Geschrei:


Kikerikieh, Herr, Kikerikück,

Gebt mir's Beutelchen zurück.


Als der Herr dies sah, wußte er sich vor Verwunderung nicht zu lassen und sagte: »Hoho! dieser Hahn ist doch rein des Teufels! Laß nur gut sein! Du Hahnenkamm, Dir werd' ich an den Kragen kommen!« Und so wie er zu Hause angelangt, sagte er der Alten in der Küche, den Hahn zu nehmen und ihn in den Heerd zu werfen, in die glühenden Kohlen, und einen großen Stein vor die Heerdöffnung zu schieben. Die Alte that nach Befehl, wie ihr der Herr gesagt hatte. Als der Hahn diese neue große Ungerechtigkeit sah, begann er das Wasser auszuspeien und goß so das ganze Wasser aus dem Brunnen auf die glühenden Kohlen, bis er das Feuer ausgelöscht und den Heerd ausgekühlt hatte; ja, noch mehr, eine ganze Wassersnoth hatte er auf dem Fußboden angerichtet, so daß die Küchenalte vor Aerger rein verging. Dann gab er der Heerdthür einen Schups, kam heil auch von dort heraus, eilte an das Fenster des Herrn, begann mit dem Schnabel an die Scheibe zu hämmern und sagte:


Kikerikieh, Herr, Kikerikück,

Gebt mir's Beutelchen zurück.


»Weiß Gott, daß ich mir eine Plage mit diesem Unthier von einem Hahn aufgehalst habe«, sagte der Herr. »Kutscher, befreie mich von ihm und wirf ihn mitten in die Ochsen- und Kuhheerde: vielleicht kommt er einem Stier[44] gerade recht, der nähme ihn auf die Hörner, und wir wären ihn los.« Der Kutscher ergriff wiederum den Hahn und warf ihn in die Viehheerde. Da hättest Du die Freude unseres Hahns sehen sollen! Wie der die Stiere, die Ochsen, die Kühe und Kälber einschluckte, bis er die ganze Heerde verschluckt hatte, und sein Bauch so groß wie ein Berg geworden war. Dann ging er wieder ans Fenster, breitete seine Flügel vor die Sonne, so daß er das Zimmer des Herrn verdunkelte, und begann von Neuem:


Kikerikieh, Herr, Kikerikück,

Gebt mir's Beutelchen zurück.


Als der Herr auch dies noch sah, platzte er vor Aerger und wußte nicht, was er anfangen sollte, um den Hahn los zu werden. So stand er also da und dachte nach, bis ihm etwas einfiel:

»Ich werde ihn in die Geldkammer sperren. Vielleicht wird er nach den Dukaten schlucken, ihm einer im Halse stecken bleiben und er dran ersticken, so wäre ich ihn los!« Gesagt, gethan, er nimmt den Hahn und wirft ihn in die Geldkammer! Der Hahn schluckt darauf alles Geld ein und läßt alle Kasten leer zurück. Dann geht er auch von da heraus, begiebt sich ans Fenster des Herrn und beginnt wiederum:


Kikerikieh, Herr, Kikerikück,

Gebt mir's Beutelchen zurück.


Als der Herr sieht, daß ihm nichts anderes zu thun übrig bleibt, wirft er ihm das Beutelchen hin. Der Hahn liest es auf, geht seinen Angelegenheiten nach und läßt den Herrn in Ruhe. Da läuft alles Federvieh dem Hahn nach,[45] daß es aussieht wie eine Hochzeit, wahrhaftig; der Herr aber sieht grün vor Aerger dem Federvieh nach und sagt seufzend:

»Mög' es Alles bis auf den letzten Pips davon rennen, ich bin nur froh, daß ich die Plage los bin; denn das ging nicht ganz mit rechten Dingen zu!«

Der Hahn aber schritt aufgebläht und stolz einher, er voran, das Geflügel alles ihm nach, und er ging, immer munter weiter, bis er am Hause des Alten anlangte, und vom Thorweg her fing er an zu krähen: Kikerikieh!

Wie der Alte die Stimme des Hahnes hört, läuft er ihm mit Freuden entgegen; da er aber über das Thor sieht, was erblickt er! Sein Hahn war etwas Erschreckliches geworden! Ein Elephant neben diesem Hahne hätte wie ein Floh ausgesehen; und dann kamen hinter ihm her ungezählte Heerden von Vögeln, von denen einer immer schöner und schillernder als der andere war. Als der Alte den Hahn so groß und dick sah, öffnete er ihm die Thore. Darauf sagte der Hahn: »Herr, breite ein Leintuch hier mitten in den Hof.«

Der Alte, schnell wie ein Kreisel, spreizte das Tuch aus. Der Hahn nahm auf ihm Platz, breitete die Flügel aus, und sogleich füllte sich der Hof des Alten mit Vögeln und mit Heerden von Vieh, auf das Tuch aber schüttete er einen Haufen von Dukaten, die so in der Sonne glänzten, daß sie Einen blendeten. Als der Alte diese großen Schätze sah, wußte er gar nicht, was er vor Freude machen sollte und küßte und herzte den Hahn.

Doch da, sieh mal an, tauchte auch die Alte von irgendwo her auf, und als sie so etwas Unerhörtes sah,[46] funkelten ihr die Augen im Kopfe und sie platzte fast vor Aerger.

»Alterchen«, sagte sie, »gieb mir auch ein paar Dukaten.«

»Laß Dir die Lust danach vergehen, Alte; als ich Dich um Eier bat, weißt Du noch, was Du mir da geantwortet hast? Jetzt prügle Du auch Deine Henne durch, damit sie Dir Dukaten bringt, denn ich hab' den Hahn geprügelt, und sieh, was er mir gebracht hat!«

Darauf ging die Alte in den Hühnerstall, schüttelte die Henne, nahm sie beim Schwanz und versetzte ihr eine Tracht Prügel, daß man vor Mitleid hätte weinen können. Als die arme Henne aus den Händen der Alten entkommen war, entfloh sie auf die Landstraße. Und als sie so des Weges ging, fand sie auch ein Perlchen und schluckte es ein, dann kehrte sie schleunigst nach Hause, zur Alten zurück und fing schon vorm Thor ihr Gackgack an. Die Alte lief ihr freudig entgegen. Die Henne sprang übers Thor, lief schnell an der Alten vorbei und setzte sich ins Nest; nach so einer Stunde sprang sie gackernd vom Nest herunter. Drauf ging die Alte eilig nachsehen, was ihr die Henne gelegt. Als sie aber in's Nest schaute, was sah sie? Ein Glasperlchen! Die Henne hatte ein Glasperlchen gelegt! Als die Alte nun merkte, daß die Henne sie zum Narren gehabt hatte, fing sie an sie zu prügeln und prügelte sie, bis sie sie todtgeprügelt hatte. Und so blieb die dumme Alte arm wie eine Kirchenmaus. Von jetzt an kann sie gebratene Nichtschen und goldene Warteinweilchen statt der Eier essen, denn sie hat die Henne verhöhnt und sie gemordet, ohne daß sie im Geringsten schuldig war.

Der Alte aber war sehr reich; er hatte sich große Häuser[47] gebaut und schöne Gärten angelegt und lebte sehr behäbig. Die Alte hat er zur Hühnermagd gemacht, den Hahn aber nahm er überall mit sich, mit einem goldenen Halsband und mit gelben Stiefeln und Sporen an den Hacken, daß man hätte meinen können, er sei einer von den drei Königen aus dem Weihnachtsspiel und nicht ein Hahn, gut zur Borschsuppe.

Quelle:
Kremnitz, Mite: Rumänische Märchen. Übersetzt von -, Leipzig: Wilhelm Friedrich, 1882, S. 42-48.
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