119. Der Löffelzigeuner

[518] Es ritt einmal ein schöner Zigeunerbursche mit Löffeln an einem Haus vorbei; im Fenster lag eine vornehme Soldatentochter. Der Bursche gefiel ihr so gut, daß sie rief: »Komm herein zu mir, mein Haus ist von außen geweißt, von innen gemalt.« Er antwortete: »Komm du zu mir, mein Haus sieht von außen grün aus wie eine Wiese, innen sind die Wände aus lauter Süßigkeiten.« Sie kam heraus, er nahm sie aufs Pferd und ritt mit ihr davon, weit, weit über Berg und Tal, durch Gräben und durch Felder. Da fragte sie: »Wo ist denn dein Haus?« – »Siehst du den Rauch? Wo der aufsteigt, da ist meine Wohnung«, antwortete er. Bald hatten sie sein Zelt auf freiem Feld erreicht. Nun merkte sie den Betrug, sprang vom Pferd, nahm den[518] Besen und kehrte. Als sie bis vor die Türe gekehrt, erhob sie den tränenden Blick und sah eine Taube. »Lieb' Taube mein, kommst du nicht vielleicht aus meiner Heimat, hast du nicht meine Mutter gesehen und meinen Vater?« – »Deine Mutter knetet Teig zu weißem Brot und mischt das Mehl mit ihren Tränen auf; dein Vater läßt zwei Pferde beschlagen mit festen Hufen, um dich zu suchen.« – »Mein liebes Täubchen, flieg zu meinen Eltern und sag ihnen, sie sollten mich nicht suchen, sie würden doch keine lebende Tochter mehr finden.«

Dodosie Preda, Alzen

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 518-519.
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