73. Der Zigeunerpfarrer

[375] Es war einmal ein Zigeuner, der machte sich eine Kirche, damit er Pfarrer drin wäre. Aber lesen konnte er nicht, so wußte er auch nicht, was er vor dem Altar singen sollte. Als nun der Sonntag in die Nähe kam, ging er in der Nacht und stahl einem Rumänen ein Paar Pferde und band sie in einen Graben an einen Stamm. Am Sonntagmorgen läutete die Glocke, und die Leute kamen in die Kirche. Er stand vor dem Altar und sang: »Weiß, schwarz, rot, weiter weiß ich nichts mehr, schnell sollt ihr euch beeilen und in den Graben gehen, dort sind zwei Pferde angebunden, schnell sollt ihr gehen und nicht mehr stehen.« Die Leute, denen sie gestohlen worden, liefen hinaus und fanden sie wirklich, wie der Pfarrer gesagt, und wunderten sich, wie allwissend er sei. Am nächsten Sonnabend stahl er ein Paar Ochsen und band sie in dem Wald an eine Eiche. Am Sonntag stand er am Altar und sang: »Weiß, schwarz, rot, weiter weiß ich nichts mehr. Schnell sollt ihr euch beeilen, im Wald sind an der Eiche angebunden zwei Ochsen, schnell sollt ihr gehn, sollt nicht mehr stehen.« Die Leute liefen alle aus der Kirche hinaus in den Wald und fanden die Ochsen an der Eiche angebunden.

Nun verbreitete sich die Mär von dem Pfarrer, der alles wußte, was im Lande gestohlen wurde, schnell und gelangte[375] auch zum König. Grade in den Tagen war dem König ein Ring gestohlen worden. Darum schickte er um den Pfarrer, er solle sagen, wer der Dieb sei. Als er angekommen, fragte der König gleich, aber der Pfarrer sagte, er brauchte ein Zimmer für sich allein. Als er jetzt allein war, kamen drei Knechte und standen unterm Fenster, um zu hören, was der sage, denn sie hatten den Ring gestohlen. Er ging im Zimmer auf und ab, da hörte er den Hahn »kukurigu« schreien: »Einen hab' ich«, antwortete der Pfarrer, da krähte der Hahn zum zweiten Male »kukurigu«, der Pfarrer rief wieder: »Auch den zweiten hab' ich«, und als der Hahn zum dritten Male »kukurigu« krähte, rief der Pfarrer: »Gott sei Dank, ich hab' sie alle drei.« Da erschraken die Knechte und kamen zu ihm und baten ihn, er solle sie nicht verklagen, sie gäben ihm den Ring zurück. Der Pfarrer nahm ihn und steckte ihn dem Hahn in den Mund. Ging dann zum König und sagte, er solle dem Hahn den Kopf abschneiden lassen, dann werde er den Ring finden. Der König versprach ihm, falls der Ring da wäre, ein Viertel Dukaten und einen Wagen mit zwei Pferden. Man brachte die Köchin, die schlachtete den Hahn und fand den Ring richtig im Kropfe. Der König freute sich, gab diesem, was er ihm versprochen, und den Laufpaß. Als der Pfarrer fort war, fiel es ihm ein, er hätte für den Ring doch zu viel gegeben, nahm sich ein wenig Lack in die Hand und fuhr hinter ihm: »Herr Pfarrer, he, Herr Pfarrer, ho.« Der stand still. Als der König nahe war, rief er: »Wir sollen noch einmal wetten, wenn du errätst, was ich in der Hand halte, dann gebe ich dir diesen Wagen, mit dem ich dich eingeholt, wenn du nicht kannst, so nehme ich dir auch deinen und die Dukaten.« Der Pfarrer hieß Lak. Da rief er: »O armer Lakusta, wohin bist du geraten, von hier kannst du nicht mehr heraus.«[376] Der König aber dachte, er meine den Lack, den er in der Hand hielt, und gab ihm auch seinen Wagen und mußte zu Fuß heimkehren.


Nicolai Duda, Alzen

Quelle:
Schullerus, Pauline: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal. Bukarest: Kriterion 1977, S. 375-377.
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