Gevatter Tod.

[358] Es lebte einmal ein mann, der war sehr reich. alles ging nach seinem wunsch von statten; jedermann liebte ihn, er hatte viele freunde, war angesehn und verständig – er war ja reich. es dauerte aber nicht lange und er wurde arm. sein vieh ging zu grunde, wurde von den wölfen zerrissen oder gestohlen, kurz er verarmte ganz. das maas war aber noch nicht voll, und nach der hand brannte ihm auch das haus ab. in die welt hinauszugehen und zu betteln, konnte er sich nicht entschließen, umsoweniger, da gerade jetzt sein weib einen knaben geboren hatte. ›das kind ungetauft zu lassen, dachte er bei sich selbst, wird gott an mir rächen‹. er machte sich daher auf, ging zu seinen früheren freunden und lud sie ein zu taufpathen seines neugebornen kindes. keiner kannte ihn aber jetzt, auch wollte sich niemand herbeilassen, diesen dienst ihm zu erweisen. betrübt durch den gedanken über seine so leidige lage, geht er tiefsinnend an einem manne vorüber. dieser wünscht ihm einen guten tag. der arme war in gedanken[358] vertieft und hatte es nicht gehört der fremde ging auf ihn näher zu, betrachtete ihn und sagte: ›ich habe dich gegrüßt und keine antwort erhalten. Warum bist du so betrübt?‹ ›Warum soll ich nicht trauern! Ich war einmal reich, sehr reich, habe mehr freunde gezählt als jeder andere, und nun weil ich arm geworden, schämen sich alle meiner, so daß niemand sich herablassen will, mein kind aus der taufe zu heben‹. ›Beruhige dich, tröstete ihn der fremde mann, ich werde dir diesen dienst erweisen‹. Sie gingen beide in die hütte, die gar elend aussah, und nachdem die taufzeremonien vorüber waren, sagte der fremdling zu seinem wirthe: ›Ich will dich lehren wie du wieder reich werden kannst. gehe ins gebirge, sammle alle möglichen kräuter zusammen, und wenn du erfährst, daß irgendwo ein großer, reicher herr schwer krank darniederliegt, dann gehe hin und gebe vor, du seiest ein bewährter arzt. wenn du dann den kranken zu gesicht bekommst, gib genau acht, wo ich stehe, ob bei den füßen oder bei dem kopfe des patienten. Siehst du mich ihm zu füßen stehen, dann kannst du unternehmen, ihn zu heilen, im gegentheile muß er sterben‹. ›Und wie werde ich ihn heilen können?‹ fragte der bauer. ›Koche die kräuter, die du gesammelt haben wirst und bereite daraus für den kranken ein bad. Ueberdies werde ich stets um dich sein, von niemanden gesehen, denn – ich bin der tod!‹

Kaum hatte der fremde ausgeredet, als er auch verschwand. anfangs war der mann betrübt, daß er mit dem sensenmann brüderschaft getrunken, allein die aussicht auf reichthum tröstete ihn bald. er zog nun herum, dorf aus, dorf ein, behandelte viele kranke glücklich, und wurde auf diese weise nicht nur allgemein bekannt, sondern auch wieder reich. endlich aber – es geschah nicht so schnell, als ich es erzähle – endlich besuchte auch ihn der tod und sprach mit ernster miene: ›dein stündlein hat geschlagen, nun mußt auch du sterben‹. der mann bat, flehte, weinte, schluchzte und nicht ohne erfolg, denn freund tod vergönnte ihm noch eine woche lebensfrist. während dieser zeit ließ sich der bauer ein bett verfertigen, welches[359] nach allen seiten in der runde gedreht werden konnte. die woche war zu ende und der jammermann legte sich mit todesangst in das bett. alle hoffnung gab er doch nicht auf: denn er glaubte durch das so eingerichtete bett dem tode sein geschäft zu verleiden. der tod erschien wirklich, wie er zugesagt, und stellte sich bei dem kopfe des mannes auf. dieser drehte das bett und wies dem hungrigen gast die füße. der tod trat wieder an den kopf und der mann drehte wieder das bett. beide, jeder in seiner art, zeigten sich recht geschäftig und ausdauernd. der mann hätte aus reiner lebenslust die defensive nicht so bald aufgegeben. der tod war aber bald des spiels, das der bauer mit ihm trieb, satt, und rief:


›mein freund! dreh' hin, dreh' her,

ich bin der tod, komm' her!‹


streckte seine knochenhand aus und – der mann starb.

Quelle:
Waldburg, R. O.: Zwei Märchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 1 (1853) 358-362, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 358-360.
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