1414. Liebeszauber.

[246] Jä, das ha-n-ich sälber erfahrä, das ha-n-ich mit mynä-n-eignä-n-Aügä gseh! Ich hätt so eppis gar nitt gläubt, wenn-i's nitt sälber gseh hätt. – Ich war auf den Schattdorfer Bergen Magd bei einem jungen, bildhübschen Burschen, der mich gerne hatte. In der Nähe wohnte ein blühend schönes Maitli; das konnte es ihm antun. Jeden Abend, sobald es zu beten[246] geläutet hatte, warf er die Sense, oder was er gerade in den Händen hatte, weg, lief ins Haus, wusch und kämmte sich und kleidete sich an und rannte davon wiän-nes Bysiwätter, dem Mäitli zu. Er musste einfach, obwohl er lieber daheim geblieben wäre. Endlich sagte ich ihm, er solle einmal mit seinem Beichtvater darüber reden. Das tat er, und der Beichtvater sagte ihm, er solle eines Abends nach seinem Besuch das Mädchen vor das Haus hinauslocken, aber dann bis vor das Dachtrauf, und wenn er's soweit habe, ihm mit der Hand auf Mund und Nase schlagen, bis Blut fliesse und das Blut den Erdboden erreiche. Der Bursche machte es so, und seitdem merkte er nichts mehr von dem seltsamen Trieb, und die Besuche fielen jetzt aus. Später ist er nach Amerika ausgewandert, und wäre ich mit ihm, so hätte er mich geheiratet. – Jä, ich lygä denn-ä keis Wort!


Fr. Müller-Imholz, 52 Jahre alt, Unterschächen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 246-247.
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