1532. Z'altä Samschtig.

[301] Unser drei Gespanen – keine Neulinge – wilderten einst am Balmergrätli. Es war z'altä Samschtig. Nachdem wir lange Zeit einen feisten Gemsbock hin und her gejagt hatten, ruhten wir endlich bei einem grossen Steine aus. Nie hätten wir gedacht, dass sich eine Gemse zu diesem Punkte verirren würde, und doch kam nach einiger Zeit eine solche direkt auf uns zu gelaufen. So dicht stellte sie sich vor uns auf, dass sie einer mit dem Gewehr hätte erreichen können. Ich wollte schiessen, aber ich konnte nicht, ganz unbegreiflicherweise. Auch von den zwei andern Kameraden schoss keiner. Plötzlich machte das Tier kehrum und rannte davon. Keiner sandte ihm eine Kugel nach. Totaschenbleich schauten wir einander an und fragten uns: »Jä, worum hem-miär etz nitt gschossä?« Wir konnten keinen andern Grund finden als: Weil es z'altä Samschtig, d.h. Fronfastensamstag war.


Martin Planzer, 36 Jahre alt, Unterschächen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 301.
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