1080. Strafe für Verleumdung.

[43] Als ein Bristner Ratsherr früh am Morgen talauswärts schritt, begegnete ihm ein Maitli, das ihm gut bekannt war. »Wo witt etz dü hi?« fragte er. »Ich bin soeben gestorben«, antwortete es, »und muss auf den Bristenstock, meine Sünden dort abzubüssen. Dort muss ich leiden für meine Verleumdungen und üblen Nachreden.« Hierauf las es einen Stein[43] auf und zerrieb ihn zwischen seinen Händen und sagte: »Gut, dass du nicht gewusst hast, dass ich gestorben bin, sonst hätte ich dich zerrieben wie diesen Stein, weil du einen Geist angeredet hast.« Dann wanderte es weiter; der Ratsherr aber erschauderte. Zu Silenen wurde es ihm schlecht; er musste in ein Haus gehen und eine Krankheit ergriff ihn, die ihn bald dem Tode auslieferte.


Josefa Imhof-Aschwanden.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 43-44.
Lizenz:
Kategorien: