Vorwort.

Die vorliegenden proben der syrjänischen volksdichtung sind auf der reise gesammelt worden, die ich schon in den jahren 1901–02 mit den von unserer universität bewilligten mitteln zu den syrjänen unternommen habe, um vorwiegend ihre sprache zu studieren. Ein referat über diese reise gibt: »Kurzer bericht über eine studienreise zu den syrjänen 1901–1902« (Helsingfors 1903, 47 seiten; vgl. auch: Finnisch-ugrische Forschungen, II. Anz. 81–82), in dem ich auch als proben 4 lieder, 2 klageweisen und 4 kinderreime veröffentlichte. Für die im zusammenhange mit den universitätsvorlesungen zu haltenden übungen gab ich ausserdem in demselben jahre (1903) ein textheftchen, »Syrjäänin kieltä«, heraus, das (ausser 2 syrjänischen kunstgedichten) 5 erzählungen, 30 sprichwörter und 21 rätsel enthält. Alle hier erwähnten proben sind auch in dieser sammlung enthalten.

Der grösste teil dieser proben der syrjänischen volksdichtung wurde in der »hauptstadt« der syrjänen, Usťsysoľsk, die zu dem dialektgebiete des mittleren Vyčegda gehört, aufgezeichnet, ein verhältnismässig geringer teil in anderen dialektgebieten. Dies beruht darauf, dass ich mich wegen meiner sprachforschungen in Usťsysoľsk, das mein erster haltepunkt im lande der syrjänen war, viel längere zeit aufhielt als in den anderen syrjänischen gebieten, in denen sicherlich noch viel volksdichtung gesammelt werden könnte. In Usťsysoľsk unterstützten mich bei der sammelarbeit mein erster syrjänischer sprachlehrer, der volksschullehrer ANDREJ ANDREEVIČ CEMBER und besonders die volksschullehrerin fräulein[5] ANTONINA IVANOVNA ZABOEVA, deren geweckte und eifrige schüler mir von grossem nutzen waren. Herr Cember begab sich noch in demselben jahre, im sommer 1902, auf meine aufforderung hin und mit unterstützung der Finnisch-ugrischen gesellschaft in die flussgegenden von Vyčegda und Lökčim, um volkspoesie zu sammeln, und es gelang ihm 12 märchen, 2 kinderreime, 4 lieder, 15 klageweisen, 30 rätsel und einige sprichwörter aufzuzeichnen. Hoffentlich wird auch diese sammlung von herrn Cember der öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Von meinen mitarbeitern ist noch die volksschullehrerin des in der nähe von Usťsysoľsk gelegenen dorfes Vyľgort, fräulein TH. I. ZABOEVA zu erwähnen, die die syrjänische literatur u.a. dadurch gefördert hat, dass sie eine kurzgefasste biblische geschichte und einen katechismus ins syrjänische übersetzt hat. Die proben aus dem dialektgebiete des unteren Vyčegda habe ich von meinem sprachlehrer, dem polizeiaspiranten KLIMUŠEV, aus dem kirchdorfe Kokvic (bezirk Jarensk, circa 70 werst nördlich von Usťsysoľsk, in der nähe von Usť-Vym) erhalten. Auf eine von mir in das Udoragebiet geplante reise verzichtete ich, da in Usťsysoľsk ein syrjäne, der schreiber A. JEREGODSKIJ aus dem dorfe Važgort am flusse Vaška (bezirk Jarensk), mir seine dienste zur verfügung stellte. Die proben aus Udora erhielt ich von ihm und von seiner frau. In Usťsysoľsk hatte ich auch gelegenheit mit hilfe von drei schülern, I. POPOV (aus Trojcko-Pečerskoe), A. MEZENCOV (aus Savenobor) und G. ŠAHTAROV (aus Ščugora), von denen auch die in dieser sammlung vorkommenden märchen erzählt worden sind, mich mit dem Pečoradialekte vertraut zu machen.

Auch die übrigen textproben sind vorwiegend von den jeweiligen sprachmeistern gegeben worden. Es waren: auf dem dialektgebiete von Sysola der gefangenwärter V. A. MITJUŠEV (aus Vizinga), auf dem dialektgebiete von Luza der bauer I. ŠULEPOV (aus Nošuľ) (die rätsel und lieder aus dem dorfe Objačevo gab der branntweinladendiener M. M. JUGOV), auf dem gebiete Letka das bauernmädchen DOVNJA POPOVA (aus dem dorfe Letka) und auf dem gebiete Juśva der dorfschullehrer I. A. BYKOV (aus dem dorfe Trunova, bezirk Solikamsk, gouvernement Perm; er war[6] auch eine zeit lang lehrer im nahegelegenen dorfe Jogva gewesen). – Den dialekt des unteren Ižma lernte ich schon im jahre 1894 in Helsingfors mit hilfe eines im kriegsdienste stehenden syrjänen G. I. TERENŤEV (aus dem dorfe Krasnoborsk) kennen. Die hier gedruckten ižemischen märchen und rätsel stammen von ihm her.

Den grössten teil der hier veröffentlichten texte übersetzte ich gleich nach ihrer aufzeichnung ins finnische. Schon im jahre 1902 übersetzte dr. GUSTAV SCHMIDT sie nach meiner wörtlichen übersetzung mit geschickter feder ins deutsche, wonach ich die deutsche übersetzung nach dem syrjänischen orginal prüfte. Nur einige textstücke habe ich direkt ins deutsche übertragen. Bei der korrektur der übersetzung hat frau dr. PUUKKO mir gute dienste geleistet.

Erwähnt sei noch, dass vor drei jahren in Usťsysoľsk eine kleine syrjänische märchensammlung »Комі мойдан кывъяс« (1913, 40 seiten, ohne übersetzung) erschien, die von meinem obengenannten sprachlehrer, herrn A. A. CEMBER redigiert war. Bald darauf, in demselben jahre, gab der bekannte ungarische sprachforscher dr. D. FOKOS (FUCHS) eine mit ungarischer übersetzung und genauen kommentaren versehene folkloresammlung »Zürjén népköltészeti mutatványok« (sonderabdruck aus Nyelvt. Közlem. XLI und XLII) heraus. Diese sammlung enthält 14 lieder, 44 rätsel, 1 sage, 19 märchen, sowie einen »Anhang« mit 2 liedermelodien, 4 gedichten von dem syrjänen A. A. Čeusov (schon früher in Etnografiče skoe Obozrenie LXI, 1904, in russischer transkription erschienen) und 6 aus dem russischen übersetzten syrjänischen kosmogonischen märchen (früher in Etnografičeskoe Obozrenie LVII, 1903, auf russisch erschienen).

Schliesslich möchte ich der Finnisch-ugrischen gesellschaft meinen dank aussprechen, die die kosten für die herausgabe dieser arbeit gütigst übernommen hat.

Helsingfors 1916. YRJÖ WICHMANN.[7]

Quelle:
Wichmann, Yrjö: Syrjänische Volksdichtung. Helsinki 1916.
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