14. Der grünbärtige König.

[160] Wo war's, wo war's nicht, siebenmal sieben Königreiche weit von hier und auch noch jenseit davon, wo das kleine Ferkel mit dem kurzen Schwänzchen wühlt, da war ein grünbärtiger König. Dieser grünbärtige König machte sich einstmals auf und zog hinaus auf die Wanderschaft. Er war schon sehr lange gewandert, traun, schon hundert Nadellängen war er gegangen, erst da kam es ihm in den Sinn, dass es gewiss schon siebenzehn Jahre wären, seit er von Hause fortgezogen. Von dem vielen Hin- und Hergehen war er sehr müde; ihn dürstete; er setzte sich am Ufer eines Baches[160] nieder. Dann beugte er sich zum Wasserspiegel nieder, um einen tüchtigen Trank zu tun. Kaum hatte er ein-zwei Schluck getan, da fasste jemand seinen Bart. Er wollte ihn zurückziehen, doch er konnte es nicht. Er schrie ins Wasser:

»Höre, du Ichweissnichtwer! Lass meinen Bart los, solang dir's noch gut geht!«

Doch er wurde nur noch stärker gezogen. Schon verlegte er sich aufs bitten, denn er wurde so niederwärts gezogen, dass er schier erstickte. Da sagte plötzlich jemand im Wasser:

»Wenn du mir gibst, wovon du in deinem Reich nicht weisst, lasse ich deinen Bart los.«

»Von was in meinem Reich sollte ich wohl nicht wissen? Auch von der geringsten Nadel weiss ich!« sagte der grünbärtige König.

»Also versprich mir nur, dass das mein werde, wovon du in deinem Reich nicht weisst,« sagte im Wasser der König der Teufel, denn das war er.

»Nun gut, es sei dein! Davon wirst du aber auch kein Brot backen können, von dem, wovon ich in meinem Reich nicht weiss!« sagte der grünbärtige König.

Doch war ihm schon ganz elend zumute bei diesem wohl oder übel auf dem Bauch liegen müssen, als ihn der König der Teufel los liess. Dann wandte er sich heimwärts und dachte nach, was das wohl sein könnte, wovon er zu Hause, in seinem Reich, nicht wüsste.

Wie er nach Hause kommt, springt ihm ein schöner, grosser Bube entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn wieder und wieder.

»Ach, mein lieber Vater, wie lange hast du uns hier allein gelassen; wie gut, dass du einmal zu Hause bist!«

Der König starrte ihn mit grossen Augen an. Er stiess den Buben fast von sich. »Wessen Vater bin ich? Wessen Sohn bist du? Ich kenne dich nicht.«

Doch seine Gemahlin erzählte ihm drinnen, dass das[161] wirklich sein Kind wäre; er zähle gerade so viele Jahre wie vergangen, seit er von Hause fortgezogen wäre.

Jetzt erst ging ihm ein Licht auf. Er besann sich, dass er dem König der Teufel etwas versprochen hatte, von dem er in seinem Reich nichts wüsste. Also dieser schöner Bursche war es gewesen, von dem er nichts wüsste. Er verzehrte sich schier. Er dachte wohl auch daran, dass es gut wäre, den Knaben nicht hinzugeben, doch im selben Augenblick fürchtete er sich davor, dass dann der König der Teufel selbst kommen würde, ihn zu holen.

Er liess den Buben zu sich rufen. Er erzählte ihm alles, wie es war. Der Jüngling erschrak keineswegs; ja, er beteuerte sogar, es würde schon gut werden, er ginge fort. Anderntags rüstete er sich und ging auch von dannen.

Er geht, geht, wandert durch siebenmal sieben Königreiche, langt bei dem Bach an, wo seines Vaters Bart festgehalten worden war. Im Wasser schwammen sieben wunderschöne, goldene Wildenten, und am Ufer wehte der Wind ein Hemd hin und her. Er bückt sich, nimmt das Hemd auf, will es schon in seinen Ranzen stopfen, da wandelt sich eine der sieben Goldenten in ein zauberschönes Mädchen und spricht zum Königssohn:

»Schöner Königssohn, ich weiss, wer du bist und wohin du eilst. Du bist des grünbärtigen Königs Sohn und gehst zu meinem Vater, denn der hat dich von deinem Vater gewonnen. Gib mir mein Hemd her; für deine gute Tat erwarte Gutes!«

Der Königssohn gab es hin. Das Mädchen kleidete sich an, zog einen Goldring vom Finger, gab ihn dem Königssohn.

»Nun, verwahre den; durch zwölf Burgtore kannst du gehen, ohne dass es jemand merken wird. Dreh nur den Ring, dann öffnet sich das Tor von selbst. Und wenn du hineingelangt bist, dann wird dir schon mein Vater solche Dinge auftragen, die kannst du nicht verrichten und wenn du[162] ein Engel wärst. Ich werde dein Helfer sein. Abends gegen acht Uhr werde ich als Brummfliege dort bei deinem Fenster summen, lass mich ein und fürchte nichts!«

Der Jüngling steckte den Ring an den Finger, verabschiedete sich von dem Mädchen und ging zum Schloss des Teufelkönigs. Zwölf Burgtore versperrten ihm den Weg, doch wenn er den Ring drehte, tat sich jedes von selbst auf. Schliesslich tat sich die Schlosstür auf, und nun stand der König der Teufel vor ihm.

»Erlauchter König, Gnade meinem Haupt! Hier stehe ich vor dir!«

»Nun, wenn du hier bist, ist's gut,« sagte der König, »doch du sprichst sehr keck; du weisst vielleicht nicht, zu wem du gekommen bist?«

»Ich weiss es,« sagte der Königsohn, »doch du bist nichts besseres als mein Vater: der ist König, du bist auch König; so steht's damit!«

Der König wurde sehr wütend.

»Na, warte nur! Drei Aufgaben musst du erfüllen. Kannst du ihrer Herr werden, gut, wenn nicht, ist's aus mit dir. Hier ist dieses Kohlblatt; nimm es! Jetzt werde ich dich in ein Zimmer sperren; wenn du daraus nicht bis morgen früh einen Kranichfederhut machst, so kannst du beten!«

Damit gingen sie in ein Zimmer. Die Türen wurden hinter dem Königssohn zugeschlossen, von allen drei Seiten; Essen und Trinken stellten sie ihm hinein, damit er sich nicht langweile. Als er allein gelassen war, wurden Seine Gnaden wahrlich traurig. »Ach, dass du deine Mutter nicht mehr beweinen könntest, Teufelkönig«, sagte er zu sich, »du trugst mir auf, was ich nimmer vollbringen kann, solange die Welt steht!«

Er hätte sich noch weiter gehärmt und gesorgt, doch da hörte er am Fenster ein Summen. Jetzt kam ihm das[163] schöne Mädchen in den Sinn. Er geht hin, und da hört er, wie die Brummfliege sagt:


»Lass mich, mein Täubchen, ein,

Dein Helfer will ich sein!«


Er öffnete flugs das Fenster. Die Brumme flog hinein, ein wunderschönes Mädchen wurde aus ihr.

»Nun, mein süsses Herz, mein schönes Lieb, sprich, worin kann ich dir helfen?«

Da erzählte Janos, wie bestürzt er wäre, sollte er doch aus einem Kohlblatt einen Kranichfederhut machen!

»Wenn's weiter nichts ist,« sagte das Mädchen, »dann ist's nicht schlimm; wo ist dieses Kohlblatt?«

»Hier ist's.«

»Nun, schau nur!« und im selben Augenblick lag auf dem Tisch ein so schöner Kranichfederhut, wie ihn vielleicht sogar Franz Josef auch noch nicht auf dem Kopf getragen hat.

Der Jüngling schaute sich fast die Augen aus, so schaute er. So etwas hatte er noch nicht gesehen. Dann sprach sie:

»Morgen Abend komme ich auch; aber zögere nicht so lange wie heute; wenn du mein Summen hörst, lass mich ein. Doch jetzt gehe ich, öffne das Fenster!«

Im Augenblick wurde aus ihr eine kleine, winzige-wunzige Brumme.

Und der Königssohn legte sich ruhig nieder; er wusste, dass der Teufelkönig die Augen aufreissen würde, wenn er das erblickt.

Anderntags in aller Frühe kam auch der alte Teufel. Kaum war er eingetreten, so sah er auf dem Tisch den schönen Kranichfederhut. Er sagte zum Jüngling:

»Na, das hast du brav gemacht!«

»Das will ich meinen,« sagte drauf der Jüngling sehr keck.

»Hm, wenn du so übermütig bist, so werde ich dir gleich etwas auftragen, was du sicherlich nicht vollbringen kannst.«[164]

Damit ging der Teufelkönig hinaus und brachte ein Töpfchen Kohlsuppe.

»Na, wenn du daraus nicht bis morgen früh einen silbernen Sporn machst, ist's aus mit dir!«

Der Jüngling zuckte auch daraufhin nur mit den Achseln.

»Das wird auch schon noch werden, wenn der liebe Gott hilft!«

Damit ging der König hinaus, und der Königssohn blieb allein.

»Kohlsuppe und silberner Sporn! Na, daraus kann doch sicher nichts werden. Dieser König ist närrisch im Kopf, wenn er so etwas ausdenkt,« dachte er bei sich. Er erwartete den Abend, die achte Stunde. Kam die kleine Brumme.


»Lass mich, mein Täubchen, ein,

Dein Helfer will ich sein!«


Er liess sie ein, und sie wurde wieder jenes schöne Mädchen, das er vom Bachesrand aus gesehen. Er erzählte ihr, was ihr lieber Vater befohlen hatte. Doch das war ihr auch wie nichts. Aus der Kohlsuppe fertigte sie einen solchen silbernen Sporn, dass, wer auch immer wollte, ihn hätte anschauen können. Ach, wie glücklich war der Königssohn, dass ihm der liebe Gott geholfen hatte! Er umarmte und küsste das Mädchen auch nach Herzenslust. Dann rüttelte sich das Mädchen wiederum, wurde eine kleine Brumme aus ihr, und sie flog von dannen.

Anderntags fiel der Teufelkönig fast auf den Rücken, als er den prächtigen, silbernen Sporn erblickte. Doch er liess nicht ab vom Burschen, um jeden Preis trachtete er ihm nach dem Leben, wollte ihn verderben. Er brachte einen Humpen klaren, reinen Wassers herein.

»Na, wenn du daraus nicht bis morgen früh ein kupfernes Handbeil machst, kannst du dein Testament im voraus schreiben!«

Der Königssohn sagte nichts. Er wartete auf den Abend;[165] er glaubte, da bisher alles gegangen war, so würde es auch nachher gehen. Nun wohl! als jedoch die kleine Brumme sich in ein schönes Mädchen verwandelt hatte und den Befehl erfuhr, da hat sie nur den Kopf geschüttelt: das konnte auch sie nicht zustande bringen!

»Weisst du was?« sprach sie zum Königssohn. »Wir gehen von hinnen, denn hier wird's uns nicht gut ergehen. Ich werde dich mit meinem Stecken schlagen, dann wandelst du dich in einen Goldring, mein schönes, kleines, braunes Pferd wird zu einem goldenen Apfel, ich werde ein Vogel, und wir eilen von dannen.«

Wie sie gesagt hatte, so wurde es. Aus dem Königssohn wurde ein goldener Ring, aus dem schönen, kleinen, braunen Pferd ein goldener Apfel, und das Mädchen wurde ein Vogel, nahm den Ring in den Schnabel, den Apfel in den Fuss und flog, flog wie der Gedanke.

Anderntags in der Frühe merkte ihr Vater, dass weder Tochter noch Königssohn da waren. Sogleich wusste er, dass sie unter einer Decke steckten. Er sagt zu seinem Knecht:

»Auf, ihnen nach! Wenn du nur irgend kannst, bring sie zurück!«

Solch Rennen soll's noch mal geben wie das, was dieser Knecht da anhub! Er rannte wie der Blitz. Plötzlich sagt der Vogel zum Ring:

»Wehe, hinter meinem Rücken weht ein hurtiger Wind! Sie kommen hinter uns her!« Das war auch richtig.

Er sah ein dichtes Gebüsch, gerade mittendrin liess er sich nieder. Bald darauf war der Knecht ihnen auf der Spur; doch vergeblich suchte, stöberte er umher; er fand nichts. Er geht heim, sagt zum König:

»Erlauchter Herr! Ich habe von ihnen nicht soviel gesehen wie das Schwarze unter meinem Nagel! Einzig und allein ein Busch war auf der Puszta und mittendrin ein kleiner Vogel.«[166]

»Der ist's gewesen, du Esel!« sagte der König. »Ich sehe schon, ich muss selbst gehen, denn auf euch ist kein Verlass.«

Doch wenn jemand auch schon ein hurtiges Laufen gesehen, den Teufelkönig hätte er sehen sollen! Der kleine Vogel stürmte wohl auch voran, doch nutzlos wäre es gewesen, wie immer er auch geeilt hätte; wenn dort nicht gleich des Reiches Grenze gewesen wäre, wäre er doch gefangen worden. Doch des Teufelkönigs Macht reichte nur bis zur Grenze seines Reiches, weiter nicht. Als er sah, dass jene die Grenze überschritten hatten, wurde er so wütend, dass er auf der Stelle platzte.

Der kleine Vogel verwandelte sich ins schöne Mädchen, der Ring wurde zum Königssohn, der Goldapfel zum schönen, braunen Pferd. Auf das Pferd setzten sie sich alle beide, zogen heim in des grünbärtigen Königs Reich.

Zu Hause wurden sie getraut, hielten Hochzeit; ich bin auch dort zur Hochzeit gewesen als Bassgeiger; ich habe mich so satt gegessen an Wurst und Bratwurst, dass ich noch anderntags kein Essen brauchte. Hans will ich heissen, wenn's nicht wahr ist. Wenn sie nicht gestorben sind, leben sie auch jetzt noch.

Quelle:
Róna-Sklarek, Elisabet: Ungarische Volksmärchen. Neue Folge. Leipzig: Dieterich 1909, S. 160-167.
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