Der rothe Simon.

[121] Vor vielen hundert Jahren ereignete es sich, daß ein Geist im Hause Elidor's von Stackpole erschien, der nicht nur fühlbar, sondern auch sichtbar war und zwar in der Gestalt eines jungen, rothhaarigen Mannes, der sich Simon nannte. Er nahm der Person, welcher sie bisher anvertraut waren, die Schlüßel zu Haus und Hof, maßte sich überhaupt alle Verrichtungen eines Verwalters an, die er aber so gut und verständig besorgte, daß unter seiner Obhut Alles gesegnet zu sein schien und kein Mangel im Hause war. Was sich der Herr oder die Frau vom Hause nur heimlich wünschen mochten, das verschaffte er ihnen mit wunderbarer Geschwindigkeit und durch das bloße Wort: »Ihr wünscht daß dieß geschehen soll, und es wird geschehn!« Auch mit ihren Schätzen und geheimen Vorräthen war er wol bekannt, und wenn sie sich einmal geizig oder knauserig benahmen, so rief er aus: »Warum fürchtet Ihr Euch den Haufen Goldes oder Silbers anzurühren, da doch Euer Leben von so kurzer Dauer ist und die Schätze, die Ihr da so[121] sorglich aufhäuft, Euch nimmer zu Etwas dienen werden!« Das beste Eßen und Trinken gab er den Tagelöhnern und Dienstboten, denn er sagte: man müße den Personen gute und reichliche Nahrung geben, durch deren Arbeit sie erworben würde. Was er für gut hielt, das that er, mochte es nun dem Herrn und der Frau gefallen oder nicht. In die Kirche gieng er nie, sprach auch nie ein christlich Wort, schlief nicht im Hause, war am Morgen aber immer der Erste an der Arbeit. Endlich entdeckte Einer von der Familie, daß er die Nächte an einem verrufenen Teiche, worin böse Geister hausen sollten, zubringe. Auf diese Entdeckung hin beschloßen denn die Eheleute, ihn nicht länger behalten zu wollen und gaben ihm seine Entlaßung, worauf er die Schlüßel ablieferte, die er vierzig Tage wol verwahrt hatte. Da man nun ernstlich fragte, wer er denn eigentlich sei, da sagte er, seine Mutter sei eine Frau aus dem Kirchspiel – sein Vater aber sei ein böser Geist, der sich seiner Mutter einst in Gestalt ihres rechten Ehemannes genähert habe. Seine Mutter lebe noch, fügte er hinzu und nannte ihren Namen. Die Mutter gestand es auf Befragen auch offen ein; der rothe Simon aber gieng weinend fort und kein Mensch hat jemals wieder Etwas von ihm gehört.

Quelle:
Rodenberg, Julius: Ein Herbst in Wales. Land und Leute, Märchen und Lieder. Hannover: Rümpler, 1857, S. 121-122.
Lizenz:
Kategorien: