Tautologie

[270] Tautologie. – Wie so häufig bezeichnen wir mit diesem Worte einen logischen Begriff und vergessen darüber, daß die Griechen das Wort (tautologia) auf die Rhetorik beschränkten; wer das Gesagte wiederholte, ungeschickt oder zum Schmucke seines Vertrages, der redete tautologikôs. Noch Quintilianus (VIII. 3) behandelt den Begriff in dem Kapitel über den Schmuck der Rede und definiert ihn, natürlich tautologisch: eiusdem verbi aut sermonis iteratio. Die Übertragung dieses Ausdrucks, der einst sowohl eine gute Redefigur als einen Fehler bedeuten konnte, auf die Logik scheint recht alt zu sein, wenn ich eine spätere Definition (eadem pluribus verbis significatio) richtig verstehe.

Nun habe ich schon (Kr. d. Spr. III², S. 319 und 391) nachdrücklich darauf hingewiesen, daß alle unsere Definitionen und unsere meisten Urteile, alle nämlich mit Ausnahme der Mitteilung neuer Beobachtungen, solche logische Tautologien sind. Der Begriff läßt uns, sobald wir nur die Aufmerksamkeit darauf richten, seine Definition sofort mitdenken; und der Begriff oder das Wort enthält auch bereits alle Urteile in sich, die wir je nach dem augenblicklichen Interesse aus ihm herausziehen. Die Verschiedenheit des: augenblicklichen Interesses nur hat zur Folge, daß wir bald dieses, bald jenes Urteil aus dem gleichen Begriffe auswickeln können; wie das gleiche Modell im Aktsaal von fünfzig verschiedenen Malern fünfzigmal anders und doch immer richtig gesehen wird, je nach dem Gesichtspunkte des Schülers.

Die Tautologie in einer Definition ist nur bald besser, bald schlechter versteckt; für den Lehrer ist sie immer vorhanden, für den Kenner des Begriffs. Man hat unbewußt auf die Rhetorik zurückgegriffen und behauptet, nur die überflüssige Wiederholung eines Wortes sei fehlerhaft, sei eine Tautologie, ein Diallelon, eine Zirkeldefinition; aber das Kriterium der Überflüssigkeit geht ja eben auf das Interesse zurück, auf die Richtung[270] der Aufmerksamkeit. Weil wir sprechen, sprechen wir fast immer in Zirkelerklärungen und in Zirkelbeweisen (I³, S. 176f.).

Man könnte mit freier Benützung von Kants Terminologie sagen, daß die allermeisten Urteile analytisch und darum tautologisch seien. Und Schleiermacher hat Kants Lehre vom analytischen Urteile bereits in diesem Sinne umgedeutet. Nur hat er nicht dabei bedacht, daß bei der psychologischen Entstehung des Urteils ein Unterschied besteht zwischen den Gesichtspunkten des Sachkenners und des Neulings, des Lehrers und des Schülers. Wo für den Lehrer das Urteil aus dem Begriffe analytisch oder tautologisch hervorgeht, da kann für den Schüler gar wohl der Schein eines synthetischen Urteils sich ergeben. Die Tautologien sind eben nicht immer überflüssig für die Mitteilung; sie helfen nur nicht zum Fortschreiten im Denken.

Je allgemeiner die analytischen Urteile werden, desto deutlicher verraten die Sätze, daß sie Tautologien sind. Die höchsten Denkgesetze, aus denen man die gesamte Schullogik herauszuspinnen versucht hat, sind eitel Tautologien. Und der Satz der Identität (A= A) ist ein schönes Symbol für alle ewigen Wahrheiten oder Tautologien (vgl. I, S. 1, und II², S. 48).

Quelle:
Mauthner, Fritz: Wörterbuch der Philosophie. Leipzig 2 1923, Band 3, S. 270-271.
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