Adiáphora

[109] Adiáphora (griech., »nicht zu Unterscheidendes«) heißen nach dem Vorgange der Stoiker in der Ethik Dinge und Handlungen, die weder als Güter noch als Übel, bez. weder als gut noch als schlecht zu bezeichnen sind, so daß in Bezug auf die erstern so wenig Grund vorliegt, sie zu begehren als sie zu verabscheuen, in Bezug auf die letztern das Tun und das Lassen gleicherweise statthaft sind. – Der sogen. adiaphoristische Streit entspann sich über »die Mitteldinge, die man ohne Verletzung göttlicher Schrift halten mag«, infolge des Leipziger Interims 1548, in dem Melanchthon und seine Freunde in die Beibehaltung der bischöflichen Jurisdiktion und gewisser katholischer Kultusgebräuche eingewilligt hatten, während Flacius u.a. darin eine Verleugnung des evangelischen Glaubens sahen. Der mit Heftigkeit geführte Streit schied zuerst die strengen Lutheraner von den Melanchthonianern und wurde erst durch die Konkordienformel beendigt. In einem zweiten adiaphoristischen Streit zwischen den Orthodoxen und den Pietisten aus Speners Schule handelte es sich um die Zulässigkeit von Spiel, Tanz, Theaterbesuch u. dgl., was jene als Mitteldinge verteidigten, diese aber, indem sie den Begriff A. überhaupt verwarfen, für des Christen unwürdig erklärten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 109.
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