[170] Boito, 1) Camillo, ital. Architekt und Kunstschriftsteller, geb. 30. Sept. 1836 in Rom, widmete sich anfangs auf der Universität zu Padua wissenschaftlichen Studien und besuchte dann die Kunstakademie[170] in Venedig, wo er sich zum Architekten ausbildete. 1856 ging er zur Fortsetzung seiner Studien nach Florenz, wo er später auch für den »Spettatore« Aufsätze über Kunst schrieb, und 1859 nach Mailand, wo er 1860 zum Professor der Architektur an der Akademie der Brera ernannt wurde. Mit seiner Lehrtätigkeit verband B. auch die Lösung praktischer Aufgaben und errichtete unter anderm das Schulgebäude in Padua, das Museo civico, den städtischen Palast an der Piazza d'Erbe und das Gebäude für Elementarschulen in Mailand. Seit 1872 ist er zugleich Mitglied des Consiglio superiore per le belle arti im Unterrichtsministerium. Als Schriftsteller verschaffte er sich Ansehen durch die Werke: »Scultura e pittura d'oggi« (Turin 1877); »Leonardo e Michelangelo« (Mail. 1878); »L'architettura del medio evo in Italia« (1880); »Gita di un artista« (1884); »Il Duomo di Milano« (1888); »Questioni pratiche di belle arti« (1893); »La ricomposizione dell' altare di Donatello« (1895); »L'altare di Donatello e le altre opere nella Basilica Antoniana di Padova« (1897) u. a.; auch mit Erzählungen: »Storielle vane« (187679, 2 Bde.) und »Senso« (1884) ist er hervorgetreten. Er ist Herausgeber der Monatsschrift »Arte italiana decorativa e industriale«.
2) Arrigo, ital. Komponist und Dichter, Bruder des vorigen, geb. 24. Febr. 1842 in Padua, erhielt seine musikalische Ausbildung am Mailänder Konservatorium besonders durch Mazzucato. Wiederholte Reisen nach Paris sowie nach der Heimat seiner Mutter (einer polnischen Komtesse Radolinska) machten ihn mit der deutschen Musik bekannt und erweckten seine Begeisterung für Wagner. Nachdem er sich zuerst mit den Kantaten: »Der 4. Juni« (1860) und »Le sorelle d'Italia« (1862 mit Fr. Faccio) bekannt gemacht, trat er 1868 mit der Oper »Mefistofele« (nach Goethes »Faust«) hervor, die in Mailand (wo B. lebt) vollständig durchfiel, in der Folge aber mehr Beachtung fand (1875 in Bologna, 1880 in Hamburg). Seither kam nur noch eine neue Kantate Boitos: »Oda all' arte« (1880), zur Ausführung. Als Dichter (unter dem Pseudonym Tobia Gorrio) gehört B. der realistischen Schule an. Er verfaßte außer den Texten für seine Opern und Gesangswerke noch eine Reihe Operndichtungen: »La Gioconda« (von Ponchielli komponiert), »Alessandro Farnese«, »Zoroastro«, »Tram«, »Otello« (von Verdi komponiert); ferner ein »Libro dei versi« (Gedichtsammlung), ein Epos: »Re orso« (1877), sowie Novellen (»L'alfiere nero«, »Il pugno chiuso«, »Honor«, »Il trapezio«, »Iberia« etc.), seltsam und phantastisch wie ihre Titel.