[638] Rauschbrand (kalter oder fliegender Brand, franz. Charbon symptomatique), eine seit 1875 erkannte, durch den Rauschbrandbazillus verursachte Infektionskrankheit, die hauptsächlich bei Rindern, weniger bei Schafen und Ziegen, sehr selten bei Pferden vorkommt, aber junge Kälber sowie Rinder über 4 Jahre in der Regel verschont. R. kommt nur in gewissen Gegenden vor, namentlich in den Alpen (moorige Almweiden), in Württemberg (Jagstkreis), in Schleswig, am Niederrhein etc. Die Aufnahme des Ansteckungsstoffes erfolgt nur durch kleine Wunden der Haut und Schleimhäute. Nach 13 Tagen bricht die Krankheit aus, die in ebensoviel Tagen fast stets zum Tode führt. Neben schwerer fieberhafter Allgemeinerkrankung bildet sich eine typische Rauschbrandgeschwulst, die sich rasch ausbreitet, beim Überstreichen knistert (daher R.), in der Mitte schwärzlich (brandig) aussieht und eine dunkle, schaumige Flüssigkeit enthält. Der in der Geschwulst sich vermehrende Rauschbrandbazillus entwickelt nämlich Gase und zugleich starke Gifte (Toxine). Da das Überstehen des Rauschbrandes Immunität verleiht, so hat man eine Schutzimpfung gefunden, die sicher wirkt und in Rauschbrandgegenden allgemein angewendet wird. Bei der Lyoner Methode (Arloing, Cornevin und Thomas, 1880) wird durch Erhitzung abgeschwächter Anstekkungsstoff in die Unterhaut der Schwanzspitze eingeimpft. Die Impfung schützt 11/2 Jahr, macht aber selbst einige Verluste. Nach der Wiener Methode (Graßberger und Schattenfroh, 1904) werden die von den Bazillen erzeugten Toxine keimfrei gewonnen und den Rindern eingeimpft, die dadurch giftfest werden, indem in ihrem Blutserum sich Antitoxine (Gegengifte) bilden. Das von solchen Rindern gewonnene antitoxinhaltige Serum wird mit Toxinlösung gemischt und diese Mischung zur praktischen Schutzimpfung verwendet, die jedoch nur für etwa 6 Monate schützt, aber in jeder Hinsicht ungefährlich ist. In Deutschland sind die Verluste an R. gering; 1902 erkrankten 928 Rinder und 2 Pferde. Der R. ist unter das Viehseuchengesetz von 1880 gestellt. Hauptsache ist die unschädliche Beseitigung der Kadaver, deren unzweckmäßige Verscharrung die Verunreinigung des Bodens mit Rauschbrandkeimen bewirken kann. Das Fleisch geschlachteter Tiere ist bei R. unschädlich.
Meyers-1905: Rauschbrand des Weinstocks