Schreibkrampf

[34] Schreibkrampf (Fingerkrampf, Mogigraphie, Grapho- oder Cheirospasmus), ein Krampf der beim Halten und Führen der Feder beteiligten Muskeln, tritt reflektorisch durch das Ermüdungsgefühl der letztern ein, aber nur beim Versuch zu schreiben oder bald nach Beginn des Schreibens, während son st auch seine Arbeit mit der Hand ungestört ausgeübt wird. Am häufigsten äußert er sich in den Beugemuskeln durch krampfhaftes Andrücken des die Feder haltenden Daumens gegen den Zeige- und Mittelfinger, das die Federhaltung stört und endlich so stark wird, daß sich die ganze Hand beim Schreiben klauenartig zusammenballt (spastische Form). Seltener wird die Feder plötzlich nach der Hohlhand hineingeschnellt. Sind die Streckmuskeln der Finger der Sitz des Schreibkrampfes, so öffnen sich bei dem Versuch zu schreiben plötzlich die Finger, oder nur der Zeigefinger streckt sich aus, und dem Schreibenden entfällt die Feder. Selten werden die Unterarmmuskeln zusammengezogen, wobei mitten im Schreiben die Hand plötzlich über das Papier hinweggeschnellt wird. Endlich ist der S. eine Folge des Zitterns und beginnender Lähmung der Unterarmmuskeln (tremorartige und paralytische Form), wo dann die krampfartige Anstrengung beim Federhalten Rückwirkung gegen den muskelschwachen Zustand des Armes ist. Der S., der stets als eine Störung des Koordinationsapparates aufzufassen ist, ist äußerst lästig und bei der letztern Form auch von einem schmerzhaften Gefühl vom Arm bis zur Schulter begleitet. Die Ursache ist in der Regel Überanstrengung der Hand; nur Leute, die regelmäßig lange Zeit und ohne Unterbrechung schreiben müssen, also Kaufleute, Schreiber, Lehrer, Gelehrte, erkranken am S. Zur Behandlung des Leidens sind viele Apparate angegeben, die sämtlich darauf abzielen, die Fingerbewegungen beim Schreiben auszuschließen. Daher wird auch der Gebrauch sehr dicker, rauh gearbeiteter Federhalter, sogar das Einschließen des Federkiels in einen Kork oder in ein dickeres Rohr als Erleichterungsmittel für die Federhaltung angeraten. Am besten ist das von Nußbaum angegebene Bracelet. Maas' Atremograph (hergestellt von S. Roeder in Berlin) ist der Hohlhand genau nachgebildet und macht jede willkürliche wie auch unwillkürliche, beim Schreiben unnötige Bewegung der Finger unmöglich. Unter Umständen ist der Gebrauch einer Schreibmaschine das beste Mittel gegen S. In hartnäckigen Fällen ist elektrische Behandlung mit dem konstanten Strom anzuraten. Ganz besonders aber sind mit Hilfe der von tüchtigen Spezialisten ausgeübten Massage vorzügliche Heilerfolge erzielt worden. Vgl. Nußbaum, Einfache und erfolgreiche Behandlung des Schreibkrampfes (4. Ausg., Münch. 1898); Wolff, Heilung des Schreibkrampfes etc. durch Massage (2. Aufl., Hamb. 1901); Buchheim, Zur Entstehung und Behandlung des Schreiberkrampfes (Leipz. 1896); Zabludowski, Über Schreiber- u. Pianistenkrampf (das. 1901); Borchardt, Der S. (Berl. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 34.
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