Kautschuk

Zur Tafel ›Kautschukpflanzen I u. II‹.

Tafel I.

Fig. 1. Hevea guianensis Aubl. (Siphonia elastica Pers.), ein 15–18 m hoher Baum aus der Familie der Euphorbiazeen, mit langgestielten Blättern, die aus drei an einem Punkt entspringenden, ganzrandigen, fiedernervigen Blättchen zusammengesetzt sind, kleinen, unscheinbaren, teils männlichen, teils weiblichen Blüten, die rispig angeordnet sind, und dreifächerigen Kapseln, deren Fächer mit zwei Klappen aufspringen und je einen großen, länglichen, gescheckten Samen enthalten. Die Samen werden beim Aufspringen der Kapseln eine Strecke weit fortgeschleudert. Sie enthalten ein dem Leinöl ähnliches fettes Öl und wie die Blätter Aceton und Blausäure. Hevea guianensis liefert einen Teil des Parákautschuks, der aber auch von mehreren andern Arten der Gattung Hevea, namentlich von Hevea brasiliensis (H.B.K.) Müll.-Arg. (Hevea Sieberi Warb.), gewonnen wird. Hevea guianensis wächst in Französisch-Guayana und weiter bis zum Rio Negro, die übrigen Hevea-Arten verbreiten sich über das ganze Amazonas- und das Orinokogebiet bis zu den peruvianischen und bolivianischen Anden. Sie bilden keine kompakten Wälder, sondern wachsen zerstreut zwischen andern Bäumen, so daß man nur selten zwei oder drei Heveabäume nebeneinander findet. Sie sind auf die Niederungen beschränkt, in denen eine gleichmäßige Temperatur und stark ausgeprägte Regenzeit herrschen. Infolge unausgesetzter, rücksichtsloser Ausbeutung sind die Heveabäume vielfach ausgerottet, doch ist das Gebiet, in dem sie wachsen, so groß, daß die Möglichkeit einer Erschöpfung von vielen Autoritäten geleugnet wird. Immerhin ist auffallend, daß trotz der enormen Bedeutung des Kautschuks für das Amazonasgebiet der Baum in seiner Heimat kaum irgendwo kultiviert wird. Kulturversuche auf der malaiischen Halbinsel, Ceylon, Java, in Kamerun etc. haben erwiesen, daß die Bäume hier gut gedeihen, doch scheinen die Ernteergebnisse ungenügend gewesen zu sein, und erst in den letzten Jahren hat sich das Interesse diesen Kulturen wieder zugewandt.

Fig. 2. Manihot Glaziovii Müll.-Arg. (Cearakautschukbaum, Manicoba), ein 8–15 m hoher Baum aus der Familie der Euphorbiazeen mit rötlichgrauer Rinde, von der sich silberweiße Querstreifen in derselben Weise wie bei der Birke ablösen, abwechselnden, langgestielten, schildförmigen, tief fingerteiligen Blättern, ganzen Abschnitten, kleinen Brakteen und nicht sehr ansehnlichen Blüten, von denen männliche und weibliche an denselben Blütenständen sitzen. Die dreifächerige, fast kugelige, 2- 3 cm große, mit drei Längsschlitzen aufspringende Kapselfrucht besitzt in jedem Fach einen gescheckten, überaus hart- und dickschaligen Samen. Die Pflanze enthält in fast allen Teilen Blausäure, der Milchsaft ist frei davon. Der Baum ist heimisch in der Provinz Ceara, wo man ihn jetzt auch zu kultivieren beginnt. Er läßt sich sehr leicht aus Samen und Stecklingen erziehen und wächst außerordentlich rasch. Diese guten Eigenschaften zeigten sich auch bei der Überführung des Baumes nach den Tropenländern der Alten Welt; überall, wo man den Baum angepflanzt hat, auf Ceylon, in Vorder- und Hinterindien, auf Java, in Ost- und Westafrika, ist er vortrefflich gediehen. Bis zu einer Meereshöhe von 1000 m wächst er auch auf ganz geringwertigem Boden sehr schnell; nur ist eine lange Trockenzeit von etwa 5–6 Monaten Bedingung für sein Gedeihen. Leider aber ist bisher der Ernteertrag an Kautschuk bei allen kultivierten Bäumen ein ganz minimaler gewesen, und man muß die zahlreichen Anpflanzungsversuche als vorläufig mißlungen bezeichnen. Kultur in den feuchten Teilen Asiens und Westafrikas lohnt nicht, wenigstens nicht in eignen Plantagen, sondern nur dann, wenn etwa Aufforstungszwecke damit verbunden werden.

Fig. 3. Landolphia florida Benth. (auch als Varietät von Landolphia comorensis Schum. betrachtet), ein Schlinggewächs aus der Familie der Apocynazeen mit 10 und mehr Zentimeter langen kreuzgegenständigen, oblongen oder eioblongen, am Grunde gerundeten, ganzrandigen Blättern, großen, bis 35 mm langen trichterförmigen Blüten mit aufrechten Zipfeln in dichten Blütenständen und kugeliger Beere von Faustgröße, in deren gelben säuerlichem Fruchtfleisch die großen polyedrischen Samen eingebettet sind. Die Frucht wird von den Eingebornen gern gegessen. Die Pflanze ist im tropischen Afrika, namentlich in West- und Mittelafrika, sehr verbreitet, aber in der Nähe der ostafrikanischen Küste wird eine Abnahme der Behaarung bemerkbar, und auf den Komoren fehlt die Behaarung vollständig (Landolphia comorensis). Auch mehrere andre Arten der Gattung Landolphia, deren man etwa 22 kennt, liefern Kautschuk. Über die Ausbeute, welche die Landolphien liefern, weiß man sehr wenig, auch gehen die Urteile über die Brauchbarkeit der einen oder der andern Art weit auseinander. Offenbar sind von den Reisenden die verschiedenen Arten miteinander verwechselt worden, und die Angaben müssen daher als unsicher bezeichnet werden. Sicher ist wohl, daß die ostafrikanische Landolphia florida guten Kautschuk liefert, die vom Kongo gar keinen und die aus Kamerun sehr vortrefflichen. Die Neger verfahren bei der Gewinnung des Kautschuks sehr unvernünftig, und die Bestände der Kautschuklianen nehmen deshalb sehr schnell ab. Die bisherigen Anbauversuche sind so gut wie gänzlich mißlungen.

Fig. 4. Castilloa elastica Cerv., ein 12–18 m hoher Baum aus der Familie der Morazeen, mit 15 bis 30 cm langen, länglichen, am Grunde herzförmigen, ganzrandigen Blättern, achselständigen Blütenständen (von denen die weiblichen einzeln, die männlichen häufig zu mehreren stehen) und flachen, 3–5 cm breiten Früchten, die mit den kleinen Einzelfrüchten bedeckt sind. Der Baum wächst vom südlichen Mexiko bis Ecuador und dem nördlichen Peru, meist in Wäldern, aber auch auf den Grasflächen. Seit etwa 25 Jahren hat man sich bemüht, die Castilloa in Westindien und Zentralamerika plantagenmäßig anzupflanzen, in den südlichen Staaten von Mexiko beginnt man jetzt, die Kultur in größerm Maßstab aufzunehmen, und in Neuguinea hat man vorzügliche Erfolge erzielt. Da der Baum sich überall kultivieren läßt, wo der Anbau von Kakao mit Erfolg betrieben werden kann, dabei in betreff des Bodens nicht allzu wählerisch ist und eine 3–4monatige Trockenzeit verträgt, so sind Aussichten auf erfolgreiche Kultur in vielen Tropenländern vorhanden; allerdings scheinen angepflanzte Bäume im Ertrage wildwachsenden nachzustehen, ein Übel stand, dem ohne Zweifel bei bessern Erfahrungen abgeholfen werden kann. Auch sind die Versuche, den Baum als Schattenbaum für Kaffee und Kakao zu verwenden, beachtenswert.


Tafel II.

Fig. 1. Kickxia elastica Prouss. (Funtunia elastica Stapf.), ein 30 m hoher Baum aus der Familie der Apocynazeen, mit kreuzgegenständigen, bis 25 cm langen, lanzettlichen, lang zugespitzten, lederartigen, dunkelgrünen Blättern und gelblichen Blüten in dichten Trugdolden. Die Frucht besteht aus zwei spreizenden, bis 15 cm langen, zylindrischen, am Ende abgerundeten Balgkapseln von ovalem Querschnitt, mit vielen Samen. Diese laufen am Grund in eine Granne mit langen Seidenhaaren, oben in eine kurze Spitze aus. Der Baum wächst in Westafrika von der Goldküste bis zum Kongo und wird in neuester Zeit in Kamerun an Wegen und Wasserläufen stark angebaut, weil man größere Erfolge erwartet als von der Kultur der lianenartigen Landolphien. Die beiden andern afrikanischen Arten, Kickxia africana Benth. und Kickxia latifolia Stapf., die nebst Kickxia elastica als besondere Gattung (Funtunia) von der Gattung Kickxia mit zwei asiatischen Arten getrennt worden sind, besitzen zwar auch reichlich Milchsaft, liefern aber kein brauchbares Kautschuk. Kickxia africana wurde früher vielfach mit K. elastica verwechselt.

Fig. 2. Hancornia speciosa Gom. (Mangabeira), ein 5–7 m hoher Baum aus der Familie der Apocynazeen, mit schlaffen, hängenden Ästen, kreuzgegenständigen, eioblongen, spitzen, zweifarbigen, unterseits hellern und dort enggenervten Blättern, ziemlich großen, präsentiertellerförmigen Blüten mit zylindrischer, schuppenloser, von Haaren fast geschlossener Röhre und schmalen, herabhängenden Zipfeln in armblütigen, endständigen Dichasien. Die gelbe, rotgestreifte Frucht (Manguba) ist kugelförmig, beerenartig, von der Größe einer Pflaume, mit einem Fruchtbrei gefüllt, in dem die Samen liegen; sie schmeckt sehr angenehm süß-säuerlich und wird hoch geschätzt. Der Baum wächst in den trockenen Gegenden Brasiliens von Rio de Janeiro bis Pernambuco, besonders in den Campos cerrados der Provinz Bahia und Pernambuco, geht aber auch durch Goyaz und Minas Geraes bis nach S. Paulo und westwärts durch Matto Grosso bis zu den Grenzen Perus. Die gelernten Kautschuksammler zapfen zwar nur erntereiche Bäume sachgemäß an, die herumziehenden Sammler aber haben arg gehaust und die Bestände stark gelichtet. Der Staat S. Paulo hat daher ein Gesetz zum Schutz und zur Ermunterung der Anpflanzung dieser Bäume erlassen, das weiteste Beachtung verdient. Über die Kultur des Baumes ist wenig bekannt, doch ist sein Anbau entschieden empfehlenswert. Seine Anspruchslosigkeit an Boden und Klima, die frühe Ergiebigkeit und der verhältnismäßig hohe Ertrag lassen ihn für die trocknen Gebiete von Deutsch-Ostafrika und Togoland geeignet erscheinen. Der Baum verspricht bedeutend mehr als die Manicoba und die Heveas, ja er dürfte bessere Resultate geben als Castilloa.

Fig. 3. Willoughbya coriacea Wall., eine Liane aus der Familie der Apocynazeen, mit kreuzgegenständigen, lanzettlichen, lederartigen, weitgenervten Blättern, achselständigen Blütenrispen, präsentiertellerförmiger Blumenkrone mit breiten Zipfeln und großer, kugelförmiger, innen saftiger Beere, mit harter Schale und schmackhaftem Fruchtfleisch. Die den Blütenständen homologen Ranken sind hochgradig verändert, indem sie lange, fadenförmige Organe darstellen, mit abwechselnden kurzen Seitenästen, die in ein- oder zweimal gespaltene, kurz gekrümmte Ranken auslaufen. Die etwa zehn Arten dieser Gattung bewohnen Hinterindien und den Malaiischen Archipel, es sind große, relativ dickstämmige Lianen des Urwaldes, die aber niemals in Masse an einem Ort auftreten, was die Ausbeutung erschwert. Es ist ziemlich wahrscheinlich, daß der größte Teil des von Borneo ausgeführten Kautschuks von diesen Lianen stammt. Am häufigsten werden benutzt W. firma Blume, W. flavescens Dycr. und W. coriacea Wall. Die zuerst genannte Art soll den besten Kautschuk liefern.

Fig. 4. Ficus elastica L. (Gummibaum), ein riesiger, bis 60m hoher Baum aus der Familie der Morazeen, der in der Jugend meist als Epiphyt auf andern Bäumen wächst, später ein Baumwürger (Mörderfeige), schließlich ein selbständiger Baum mit stark zerklüfteten Scheinstämmen ist, der vielfach noch von zahlreichen stammartigen Luftwurzeln gestützt wird. Diese Luftwurzeln sind oft 25 m hoch und erlangen 1,5 m Umfang. Die Zweigenden sind bedeckt mit tutenförmig eingerollten, schön roten oder weißen Nebenblättern, die nach dem Abfallen eine Ringnarbe hinterlassen. Die abwechselnd stehenden Blätter sind länglich-elliptisch, lederartig, dunkelgrün, starkglänzend mit zahlreichen, fast senkrecht auf der Mittelrippe stehenden, wenig deutlichen, parallelen Seitenrippen. Die Blätter sind an Wasserschossen und an Zimmerpflanzen (der Gummibaum ist eine unsrer beliebtesten und dankbarsten Zimmerpflanzen, s. Tafel ›Blattpflanzen II‹, Fig. 10) bis 30 cm lang, an ausgewachsenen Bäumen viel kleiner, oft nur 10cm lang. Die bis 1 cm langen, dick elliptischen, im reifen Zustand gelbgrünen Feigenfrüchte sitzen paarweise in den Blattachseln und werden in der Jugend von einem Nebenblättchen eingehüllt, später nur an der Basis von einem napfartigen Blättchen umgeben. Männliche, weibliche und Gallenblüten bedecken die Innenfläche der Feige. Der Baum wächst vom östlichen Himalaja, Sikkim über Assam, Tschittagong durch das ganze westliche gebirgige Hinterindien bis zur malaiischen Halbinsel, sowie über Sumatra bis Java und auf Borneo. Er bevorzugt den untern Bergwald, steigt aber im Himalaja bis 1600 m. Nirgends bildet er Wälder; er findet sich vielmehr zerstreut im Urwald, und in den kautschukreichern Wäldern wachsen auf 1 Hektar nicht mehr als 1–2 Gummibäume. Seit einigen Jahrzehnten hat man in Assam, auf Java, Sumatra und Borneo, in neuerer Zeit und mit bestem Erfolg auch auf Neuguinea Pflanzungen des Baumes angelegt, da infolge des Raubbaues die Produktion des Kautschuks aus wildwachsenden Bäumen stetig abnimmt und trotz der Bemühungen der Forstverwaltungen ein Schutz der Bäume schwer durchzuführen ist. Ein ungünstiger Umstand für die Rentabilität solcher Pflanzungen ist die beträchtliche Anzahl von Jahren, die vergehen müssen, ehe man den Milchsaft in ausreichender Menge gewinnen kann.

Fig. 5. Sapium verum Hemsl., ein hoher Waldbaum aus der Familie der Euphorbiazeen, mit abwechselnden, gestielten, lanzettlichen, ganzrandigen Blättern, einfachen Blütenähren und einer außen fleischigen Frucht, mit kugelförmigen Samen. Er wächst vornehmlich in Höhen von 2–3000 m in den Kordilleren und liefert den größten Teil des aus Kolumbien kommenden Kautschuks. Auch andre Arten derselben Gattung, die in niedern Regionen heimisch sind, geben guten Kautschuk, während es zweifelhaft ist, ob Sapium biglandulosum Müll.-Arg. in Mittel- und Südamerika, von der man zuerst die Herkunft des kolumbischen Kautschuks ableiten wollte, überhaupt ein brauchbares Produkt liefert.


Kautschukpflanzen I.
Kautschukpflanzen I.
Kautschukpflanzen II.
Kautschukpflanzen II.
Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907.
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