Im engern Sinne ist Segelsport die Beteiligung an Segelwettfahrten, wobei es sich um möglichst schnelle Durchsegelung einer vorher genau bestimmten Strecke handelt. Die Erzielung der besten Leistung hängt dabei nicht allein von der geschickten Führung des Fahrzeugs, von der richtigen und schnellen Bedienung der Segel ab, sondern wird mindestens in der gleichen Weise von der Bauart und der Bauausführung des Fahrzeugs wie vom Schnitt und Stande der Segel beeinflußt. Die Kunst des Jachtbauens und des Segelmachens hat sich mit der Zeit so sehr eigenartig entwickelt und verfeinert, daß sie in den segelsporttreibenden Ländern zu besondern Zweigen ihrer Gewerbe geworden sind. Von zwei sonst völlig gleichen, aber verschieden großen Jachten segelt, gleich gute Führung vorausgesetzt, die größere schneller als die kleinere. Diesem Umstande verdankt die beim Wettsegeln übliche Vergütung ihr Dasein, und ihre Höhe wird nach dem durch die Jachtvermessung festgestellten Kennwert der Fahrzeuge ermittelt. Während man früher als maßgebend allein die Größe einer Jacht betrachtete, hat man dann 1894 nach Vorschlag des Dänen Benzons ein Meßverfahren eingeführt, das die Größe der Jacht in Segeleinheiten ausdrückt.
Aber da dieses Verfahren sportlich ungesunde, unnatürliche Jachtformen begünstigte, bestimmt man seit 1899 den Rennwert (R; in Segellängen ausgedrückt) für Segeljachten in Deutschland nach der Formel: R = 1/2 (L + B + 3/4G + 1/4vs), wobei L Länge 5 cm über der Bauwasserlinie, B größte Breite, G größter Umfang, S Segelfläche; für Kreuzerjachten gilt eine etwas erweiterte Formel, um deren Bau durch das Meßverfahren zu begünstigen. Man unterscheidet sechs Segelklassen: I. Klasse Jachten mit mehr als 16 Segellängen, II. 1612, III. 1210, IV. 108, V. 86, VI. 6 Segellängen und weniger. Zur Sonderklasse (international) rechnet man kleine Jachten, von je drei Herrenseglern des Landes bemannt, in dem die Jacht gebaut ist; für diese hat der deutsche Kaiser einen Wanderpreis gestiftet.
Außer dem Meßverfahren wirkt auch die Beschaffenheit des Fahrwassers auf Form und Besegelung der Jachten ein. So gestatten z.B. flache Binnengewässer nicht die Anwendung fester tiefer Kiele; die Jachten müssen hier mit beweglichen Kielen (Schwerter) ausgerüstet werden, die je nach der Fahrwassertiefe aufgeholt oder hinabgelassen werden. Dagegen erlaubt die offene See mit ihren meist stärkern Winden nicht die Verwendung so großer Segelflächen, wie sie auf den Binnenseen und Flüssen gefahren werden. Man baut deshalb Kieljachten (Fig. 1) und Wulstkieljachten (Fig. 2) mit tiefliegendem Bleikiel als Ballast für den Gebrauch auf See und Schwertjachten (Fig. 3) für die flachen Binnengewässer. Das Baumaterial für Segeljachten und Boote ist zurzeit meist Holz, Dampfjachten werden meist aus Stahl gebaut. Sehr beliebt ist der Kompositbau, bei dem das Gerippe (Kiel, Steven, Spanten und Deckbalken) Stahl, die Beplankung dagegen Holz ist; ganz aus Eisen und Stahl sind wenige Segeljachten erbaut. Die Form der Segeljachten zeigte bis gegen 1890 scharfe Wasserlinien mit tiefliegenden schweren Bleikielen. Ingenieur Säfkow erkannte zuerst, daß die Bootsform unter Wasser möglichst wenig Fläche haben muß, um den Reibungswiderstand so gering wie möglich zu machen. Nach ähnlichen Grundsätzen bauten die berühmten amerikanischen Jachtbaumeister Herreshoff und Watson vorzügliche Kieljachten, ersterer erfand auch die Wulstkieljachten. Die amerikanischen Schwertboote (Flundern) bürgerten sich auf allen Binnengewässern sehr ein, blieben aber in ihrer Form hinter der günstigen Entwickelung des Kielboots zurück; denn nur im modernen Kielboot sind die höchsten Anforderungen: große Segelfläche, große Standfestigkeit bei kleinster Reibungsfläche unter Wasser zu erreichen.
Die für Lustsegelfahrzeuge gebräuchlichsten Besegelungen sind Kutter und Slup (Fig. 4 u. 5); für größere Jachten, namentlich solche, die mit wenig Mannschaft mehr zu Vergnügungsfahrten als zu Regatten verwendet werden, wählt man auch die Schu-ner-, Yawl- und Ketschtakelung (Fig. 6, 7 u. 8). Sie sind bequem und handlich, leisten aber beim Segeln gegen den Wind (Kreuzen) nicht das gleiche wie Kutter und Slup. Eine Abart ist auch noch die aus nur einem Großsegel bestehende Cattakelung, die in Nordamerika für kleinere Fahrzeuge (catboats) sehr beliebt ist; sie leistet dasselbe wie Kutter- und Sluptakelungen, ist aber unhandlicher. Die Takelung eines Kutters (Fig.4) hat fünf Segel: Flieger, Klüver, Stagsegel, Toppsegel und Großsegel; bei sehr schwachem Wind wird statt der drei Vorsegel der große Leichte Ballonklüver gesetzt.
Kaiser Wilhelm besitzt in der 1902 von Watson entworfenen und in New York erbauten, als Schoner getakelten Segeljacht Meteor die zurzeit schnellste und größte Rennjacht der Welt. Die Jacht ist die zweite Nachfolgerin der vom Kaiser angekauften berühmten schottischen Jacht Thistle, die von ihm in Meteor umgetauft wurde und jetzt in der deutschen Marine als Schulboot zur Heranbildung von Jachtmatrosen unter dem Namen Komet dient, wie auch der zweite, 1896 in Schottland erbaute Meteor, jetzt Orion genannt.
Meteor, die schönste und größte Segeljacht Deutschlands, ist aus Stahl 1902 erbaut; beim Stapellauf gab ihr die Tochter des Präsidenten Roosevelt den Namen. Ihre Besatzung zählt 42 Mann; ihre Rennmastgröße beträgt 31 Segellängen. Die innere Einrichtung und Ausstattung dieser Jacht ist mustergültig. Durch das sogen, versenkte Deckhaus, das die Haupttreppe enthält, gelangt man in die untern Räume. Ein mittlerer Korridor führt nach vorn in den großen Salon, der die ganze Breite der Jacht einnimmt und reich mit Schränken, einem Piano und einem Kamin ausgestattet ist; die Seitenwände haben Polstersitze, der große Speisetisch hat Raum für 24 Personen. Eine Tür führt in die vor dem Salon gelegene kaiserliche Kombüse (Küche), mit großem Kochherd, Anrichten, Spültischen sowie großem Eisraum für die Vorräte; Kabinen für zwei Stewards und zwei Köche liegen nebenan. Nach vorn folgt die Mannschaftskombüse, neben der zu beiden Seiten die Kabinen für den Kapitän der Jacht sowie für den Boots- und Steuermann liegen; davor befindet sich ein Waschraum mit Klosett, dann folgt der Mannschaftsraum, das Volkslogis. Im Bug der Jacht liegt ein großer Öltank, aus dem bei Sturm Öl zum Glätten der See entnommen wird. Hinter dem in der Schiffsmitte gelegenen Salon liegt am Steuerbord (rechte Schiffsseite) die sehr geräumige Privatkajüte des Kaisers, mit Schlingerbett, Sofa, Schränken und Schreibtisch; daneben liegt die Badekabine des Kaisers. Hinter dem Baderaum (mit Marmorwanne unter dem Fußboden) liegt die Kabine für zwei Kammerdiener zur persönlichen Bedienung des Kaisers sowie ein großer Kartenschrank. An der Backbordseite des Korridors liegen drei Kabinen für Gäste nebst Badekammer. Nach hinten führt der Korridor in den Damensalon, ebenfalls mit besonderer Badekammer. Die meisten Räume haben Oberlicht, die Seitenräume auch Seitenfenster (sogen. Ochsenaugen).
Meyers-1905: Segelsport
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