Waffe und Werkzeug sind ursprünglich ein und dasselbe. Beide sind zudem nur dem Menschen eigentümlich; kein Tier fertigt sich Werkzeuge zum Bau von Nest und Höhle. Lediglich bei Affen hat man den Gebrauch von Steinen zum Aufschlagen von Nüssen u. dgl. beobachtet; doch handelt es sich hier stets um unbearbeitete, von dem Tier einfach vorgefundene Geräte. Zur Erfindung von Waffen und Werkzeugen hat den Menschen die Befähigung zur Selbstbeobachtung geführt. Als Maßstab für die Zweckmäßigkeit des Gerätes hatte er lediglich seine Gliedmaßen, und demgemäß erscheinen die ersten Werkzeuge durchaus als Verlängerung, Verstärkung oder Verschärfung leiblicher Organe unter Benutzung der zur Hand befindlichen Gegenstände. Diese Theorie der sogen. Organprojektion wird ergänzt durch die Theorie der Nachahmung. Der Mensch findet in allen drei Naturreichen Muster für die Herstellung seiner Werkzeuge und Waffen; so lagern die Grundtypen des Keils, des Meißels, der Axt- und Beilklinge in Gestalt der Geschiebe massenhaft an den Ufern der Gewässer; einige Minerale, besonders Quarze und Feuersteine, kommen sogar häufig in durchlöcherten Stücken vor. Durch Einfügung eines Stabes werden derartige Stücke ohne weiteres zum Hammer. Der Baumast bietet den Haken und das Modell der Hacke, des Hammers, der Axt. Mehrzackige Zweige stellen sich als Gabeln, Dornen als Pfriemen und Nadeln, Wurzelknollen als Keulen dar. Als Vorbild für Schutzrüstungen finden sich die Schuppenpanzer der Fische, der Saurier, des Schuppen- und des Gürteltieres und die Schalen der Krebse.
Die Urformen der Trutzwaffen sind Stein und Stock. Älteste Fernwaffe ist der mit der Hand geworfene Schleuderstein. Für größere Steine wird früh die Form der Scheibe gewählt. Als Kriegswaffe finden wir sie bei den Akkadern Alt-Babyloniens und den modernen Indern. Sie ist durchlocht und wird, in schnelle Rotation um den durchgesteckten Finger versetzt, horizontal geschleudert. In Indien heißt sie Tschakra oder Quoit. Bei den heutigen Sikhs ist sie aus Eisen hergestellt (Fig. 2). Sehr alt ist auch die Verbindung des Wurfsteins mit dem Stock im Moment des Wurfes. Entweder beflügelte man den mit der Linken geschwungenen Stein durch einen Stockschlag, oder man kerbte den Stock oben ein und klemmte den Stein derart ein, daß er sich beim Schwunge lösen mußte. Wird der Stock durch einen Riemen oder, bei mehreren Steinen, durch ein System von solchen ersetzt, so entsteht die Wurfkugel (Bola).
Ebenso alt wie der Wurfstein ist der Handstein (Fig. 1). Ursprünglich stiellos, verbindet er sich überall mit dem Stock zum Hammer, der zum Wurf wie zum Schlage dient. Früh schon werden die Schlagflächen des Hammers geschärft, in der jüngern Steinzeit vorwiegend nur eine, und es entsteht die Hammeraxt (Fig. 3). Ihren Urtypus finden wir noch heute in dem Pareh der Australier (Fig. 4). Durch Zuschärfen beider Schlagflächen entsteht die Doppelaxt (Fig. 5 u. 6).
Die eigentliche Axt hat ihren Ursprung im eckzahnbewehrten Kiefer der großen Säugetiere. Der Ersatz der Zahnklinge durch Stein, Knochen, Horn, Metall bewahrt dabei stets den Charakter der Spaltklinge, des Celts oder Kelts (Fig. 7; s. Steinzeit und Metallzeit).
Das Steinmesser geht auf die Urformen des flachen Dreikants und des Blattes zurück. Aus jenem haben sich das einschneidige Messer und das einschneidige Schwert, aus dem Blatte der Dolch, die Speer- und Pfeilspitze (Fig. 16 u. 17) und das zweischneidige Schwert entwickelt.
Der Stock wird ursprünglich zum Schlag und zum Stoß gebraucht. Durch Verstärkung wird er zur Keule, durch Zuspitzung zum Dolch und zum Spieß. Jene ist lediglich eine Organprojektion der Faust; auch sie dient zu Schlag und Wurf (Fig. 19), aber auch als kurzer Pfriem oder als langer Spieß zum Stoß. Auch der Spieß ist die einfache Verlängerung des Armes; er dient ebenfalls zu Wurf und Stoß, und zwar zu Fuß und zu Pferde.
Die weitere Stufe der Waffenentwickelung zeigt eine bunte Mannigfaltigkeit der Waffenformen. Das Bestreben des Menschen, beim Wurf nicht nur den Schwungarm zu verlängern, sondern auch die sich schließende und öffnende Hand nachzuahmen, führte zur Erfindung der Bandschleuder. Aus der Verbindung der Axt mit dem Spieß entsteht die Helmbarte (Hellebarde); aus derjenigen der Keule mit der Schleuder der Kettenmorgenstern (Fig. 8) und der Kriegsflegel (Fig. 9); aus der eigentlichen Wurfkeule endlich die Kehrwiederkeule (s. Bumerang). Durch das Hineintragen des Moments des Schneidens und des Stoßes entstehen die im Stillen Ozean noch mehrfach übliche Schneidekeule (Fig. 10, 11 u. 18) und die vereinzelt auftretende Stoßkeule (Fig. 12). Das Schwert ist an die Metallzeit geknüpft (s. Schwert und die Tafeln Kultur der Metallzeit I-IV). Wird sein Handgriff zum Schaft verlängert, die Klinge dann aber schräg oder rechtwinklig zum Schaft angesetzt, so entsteht der sogen. Schwertstab (Fig. 13). Ihm äußerlich ähnlich ist das auf Afrika beschränkte Wurfeisen (s.d. und Fig. 14 u. 15). Fügt das Schwert sich dem Stock als dessen Verlängerung an, so entsteht das Stabschwert (Fig. 29).
Als weiterer Fortschritt des Wurfspeers stellt sich seine Verbindung mit einer Schleudervorrichtung dar. Die bekanntesten dieser Vorrichtungen sind der Wurfstock (Fig. 20 u. 21), die Wurfschlinge und der Rollriemen, das Amentum der Römer (Fig. 22). Eine ganz einzigartige Stellung nimmt das Blasrohr ein; es beruht ebenfalls auf einer Organprojektion, indem es die Lippen des Menschen verlängert.
Eine dritte Stufe der Waffenentwickelung zerfällt in zwei Gruppen. Die erste umfaßt lediglich den Pfeilbogen mit seiner Abart des Kugelbogens; der andern gehört die ganze Masse der antiken und mittelalterlichen Maschinengeschütze an. Diese letztern Fernwaffen bestehen aus einem außerhalb des Menschen stehenden Krafterzeuger und dem Geschoß, das die von jenem erzeugte Kraft in der Ferne ausübt. Für die Entstehung des Bogens läßt sich am ehesten noch der Wurfstock heranziehen, denn wie dieser will auch er eine leichtere und kräftigere Fortschleuderung des Speeres herbeiführen, als sie mit der bloßen Armkraft möglich ist. Über Bau und Anatomie des Bogens s.d.; einen einfachen Bogen s. Fig. 28, einen zusammengesetzten Fig. 26. Der Pfeil stellt sich lediglich als kleiner Wurfspieß dar. Tritt an seine Stelle das Prinzip der Schleuder zum Bogen, so entsteht der Kugelbogen (s. Bogen).
Die älteste und ursprünglichste der Maschinenwaffen ist die Armbrust. Aus dieser sind dann alle die mannigfachen Maschinengeschütze hervorgegangen, deren sich Altertum und Mittelalter bedienten; die Katapulte, Euthytona, Palintona, Balliste, Skorpione, Bleiden und Wagenarmbrüste. Nur der Onager (tormentum) beruht auf dem Prinzip des Schleuderstockes.
Die vierte Stufe der Waffenentwickelung umfaßt endlich die Feuerwaffen (s. Geschütz u. Handfeuerwaffen).
Die Schutzwaffen zerfallen in die Bedeckung des Körpers selbst und eine bewegliche Pariervorrichtung, den Schild. Jene besteht aus dem Kriegskleid oder der Rüstung und dem Helm. Eine der Urformen des Schildes ist der Knüppel oder die Keule, mit der das Wurfgeschoß des Gegners zur Seite geschlagen oder dessen Hieb pariert wurde, eine andre das um den Arm geschlungene rohe Tierfell, ein Stück Rinde, Holz oder Flechtwerk, das den Stoß oder Wurf auffing. Belege sind der schmale, hölzerne Parierschild der Obernilvölker (Fig. 24) und der Australier sowie die Fellschilde, Holzplatten und Geflechte aller primitiven Völker. Stock und Fell nähern sich einander: jener beginnt mit einer kleinen Fellscheibe als Schutz der Hand gegen Keulenschläge (Fig. 23), dieses mit einem kurzen Stab als Versteifungs- und Tragriegel. Dort wächst das Fellstück, hier der Stab. Das Ende der Entwickelung ist der ostafrikanische Schild aus Fell oder Leder mit durchgestecktem Vertikalstab (Fig. 25). In ähnlicher Richtung erfolgt auch die Entwickelung des Schildes aus andern Materialien (Fig. 27).
Brockhaus-1911: Waffen · Blanke Waffen
Herder-1854: Waffen · Blanke Waffen
Meyers-1905: Waffen Christi · Waffen · Blanke Waffen
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