Einzelne biografische Züge aus seinem Leben.

[83] Haydn trat seine zweite Reise nach England den 15ten Januar 1794 an, und sein Aufenthalt daselbst dauerte ein und ein halbes Jahr.


Als er nach Scharding an der österreichischen Gränze kam, erkundigten sich die Mauthbeamten nach seinem Karakter. Haydn antwortete, er wäre ein Tonkünstler.

Was ist das? fragte der Eine.

Ein Hafner! (Thonkünstler, Töpfer) antwortete der andere. Allerdings, fügte Haydn hinzu, und dieser da, der neben mir im Wagen sizt (sein Bedienter) ist mein Geselle.
[83]

Den 4ten Mai 1795. gab er ein Benefiz-Konzert in Haymarket-Theater. Der Saal war voll von auserlesener Gesellschaft. »Ich machte,« sagt' er in seinem Tagebuche, »diesen Abend 4000 Gulden. So etwas kann man nur in England machen.«


In englischer Sprache fügte Haydn seinem Tagebuche noch ein eignes Verzeichniß der Werke bei, welche er vom Januar 1791 bis 1795 komponirt und selbst geschrieben hatte. Es sind in Summa 768 Blätter. Durch diesen Fleiß und die Ersparnisse, die er in England machte, gewann er so viel, daß er sich in Wien ein Haus und Garten kaufen konnte, und überdies noch ein weit gemächlicheres Leben als zuvor führte.

Herr Dr. Griesinger bemerkt noch folgendes von ihm gehört zu haben.

Ich fragte ihn einst im Scherz, ob es wahr wäre, daß er das Andante mit dem Paukenschlage komponirt habe, um die in seinen Konzerten eingeschlafenen Engländer zu wekken?[84]

Nein, erhielt ich zur Antwort, sondern es war mir daran gelegen, das Publikum durch etwas Neues zu überraschen, und auf eine brillante Art zu debütiren, um mir nicht den Rang von Pleyl, meinem Schüler, ablaufen zu lassen, der zur nämlichen Zeit bei einem Orchester in London angestellt war (im Jahre 1792) und dessen Konzerte acht Tage vor den meinigen eröffnet wurden. Das erste Allegro meiner Simfonie wurde schon mit unzählichen Bravos aufgenommen, aber der Enthusiasmus erreichte bei dem Andante mit dem Paukenschlag den höchsten Grad. Ancora! Ancora! schallte es aus allen Kehlen, und Pleyl selbst machte mir über meinen Einfall sein Kompliment.


Nepire, ein englischer Musikhändler, hatte zwölf Kinder, und sollte Schulden halber in Arrest kommen. Haydn richtete für ihn ein volles Hundert schottischer Lieder auf moderne Art, in Begleitung eines Basses und einer Violine, manchmal mit Zusaz eines Ritornells u.d.m. ein. Diese Lieder fanden so guten Absaz, daß Nepire aus seiner Geldverlegenheit gerissen wurde, und anstatt funfzig Guineen, die er Haydn für die erste Lieferung bezahlt hatten,[85] nachher für eine zweite das Doppelte bieten konnte. Für den Musikverleger Georg Thomson in Edinburg bearbeitete Haydn nachher, und noch bis ins Jahr 1803 in allen 230 solcher altschottischen Lieder, das Stük zu einer auch zwei Guineen.


Haydn hatte sehr gewünscht, in den vom König jährlich veranstalteten großen Musiken in London, wobei nichts als Händelsche Komposizionen aufgelegt wurden, etwas von seiner Arbeit hören zu lassen. Man machte ihm Hoffnung dazu, aber bald erschien ein Befehl, daß bei diesen Musiken nichts, als was seit dreißig Jahren komponirt wäre, aufgeführt werden dürfe. Bei seinem zweiten Aufenthalt in England drang Haydn doch durch. Es wurde eine seiner Simfonien aufgelegt, und von dem königlichen Orchester ganz vortrefflich gespielt. Nun verlangte der König, Haydn möchte einen Händelschen Psalm auf der Orgel aufführen; Haydn, der Händels Werke fleißig studirt hatte, entledigte sich dieses Auftrags zur allgemeinen Zufriedenheit.

Er mußte sich einigemale bei der Königin hören lassen, die ihn mit dem Manuskripte eines[86] deutschen Oratoriums von Händel, der Erlöser am Kreuz betitelt, beschenkte, das einzige, welches er in dieser Sprache komponirt hatte.

Eines Abends, als Haydn der Königin lange auf dem Fortepiano vorgespielt hatte, sagte der König, der immer deutsch redete, er wisse, daß Haydn sonst ein guter Sänger gewesen sey, und er möchte doch einige deutsche Lieder von ihm hören. Haydn zeigte auf ein Gelenk seines kleinen Fingers und sagte: Ew. Majestät, meine Stimme ist jezt nur noch so groß. Der König lachte, und Haydn sang sein Lied: »ich bin der Verliebteste.«

Der König und die Königin wünschten ihn an England zu fesseln. Ich räume Ihnen des Sommers eine Wohnung in Windsor ein, sagte die Königin, und dann, sezte sich schalkhaft gegen den König schielend hinzu, machen wir zuweilen téte à tète Musik.

O! auf Haydn eifre ich nicht, versezte der König, der ist ein guter ehrlicher deutscher Mann.

Diesen Ruf zu behaupten, antwortete Haydn, ist mein größter Stolz.[87]

Auf wiederholtes Zureden, in England zu bleiben, führte Haydn an, daß er aus Dankbarkeit an das Haus seines Fürsten gebunden sey, und daß er sich auch nicht auf immer von seinem Vaterlande noch von seiner Frau trennen könne. Der König erbot sich leztere kommen zu lassen.

Die fährt nicht über die Donau, noch weniger übers Meer, versezte Haydn.

Er blieb unbeweglich, und glaubte, daß er deswegen nie vom König beschenkt worden sey.


In sein Benefizkonzert kam von der königlichen Familie nur die Herzogin von York, und sie schikte ihm funfzig Guineen.

Er wurde einigemal sehr gütig von ihr aufgenommen, denn sie wußte, daß ihr Vater, der König von Preußen, auf Haydn viel halte.

Bei dem Prinzen von Wallis dirigirte er sechs und zwanzig Musiken, und das Orchester mußte oft mehrere Stunden warten, bis der Prinz von der Tafel aufgestanden war. Da[88] diese Bemühung ganz unbelohnt blieb, schikte Haydn auf den Rath seiner Freunde von Deutschland aus eine Rechnung von hundert Guineen ein, als das Parlament die Schulden des Prinzen bezahlte, und er erhielt diese Summe ohne Verzug.

Er gewann durch einen dreijährigen Aufenthalt in England gegen vier und zwanzig tausend Gulden, wovon ungefähr neun tausend für die Reise, seinen Unterhalt und die übrigen Kosten aufgiengen. Er ertheilte mehrern Personen Unterricht im Klavierspielen, und jede Lekzion wurde mit einer Guinee bezahlt. »Da machte ich große Augen.«

Haydn wiederholte öfters, daß er in Deutschland erst von England aus berühmt geworden sey. Der Werth seiner Werke war anerkannt, aber jene lauten Huldigungen, welcher sich das überwiegende Talent sonst zu erfreuen hat, erfolgten erst spät. Selbst Joseph II. wurde nur während seiner Reisen auf Haydn aufmerksam gemacht. Der Kaiser wollte seine Oper:La vera costanza hören; durch Kabalen wurden aber die Rollen so schlecht vertheilt, daß Haydn seine Partitur wieder zurüknahm.

Ein Lord führte ihn zu dem großen ViolinspielerGiardini. Sie standen im Vorzimmer,[89] ließen sich melden, und hörten es sehr deutlich, daß Giardini dem Bedienten antwortete: »ich mag den deutschen Hund nicht kennen lernen.«

Der Lord war darüber äußerst aufgebracht, Haydn fand aber den Vorfall nur komisch, und gieng bald darauf in ein Konzert um, Giardini spielen zu hören.

Durch lange Praxis hatte er überhaupt gelernt, wie Musiker behandelt werden müssen, und daher gelang es ihm, durch viele Bescheidenheit, durch wohl angebrachtes Lob und sorgfältige Schonung des Künstlerstolzes das Gallinische Orchester so zu gewinnen, daß seine Komposizionen immer gut vorgetragen wurden.

Quelle:
Arnold, Ignaz Ferdinand Cajetan: Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn. Nachträge zu ihren Biographien und ästhetischer Darstellung ihrer Werke. In: Gallerie der berühmtesten Tonkünstler des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts. Erster Teil, Erfurt 1810, S. 83-90.
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