XIII.

Der fliegende Holländer.

[409] Dichtung des ›fliegenden Holländers‹. – Der ›Freischütz‹ in Paris. – Annahme des ›Rienzi‹ in Dresden. – Komposition des ›fliegenden Holländers‹. – Rückkehr nach Paris: Rue Jakob Nr. 14. – Bemühungen um die Annahme des ›fliegenden Holländers‹ in Leipzig, München, Berlin. – ›Die Sarazenin.‹ – ›Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg‹ – Heimkehr.


Das wirkungsvolle ›Theaterstück‹ liegt dem fliegenden Holländer gewiß nicht weniger zugrunde, als dem letzten Tribunen. Nur fühlt wohl jeder, daß mit dem Autor etwas bedeutendes vorgegangen war; vielleicht eine tiefe Erschütterung, jedenfalls eine heftige Umkehr, zu welcher Sehnsucht wie Ekel gleichmäßig beitrugen.

Richard Wagner.


Bei dem warmen Herannahen des Sommers verlangte es ihn in innerster Seele wieder nach einer künstlerischen Tätigkeit. Doch hielt ihn zunächst, auch hier in dem ländlichen Asyl mit seinen ›prächtigen Waldanlagen‹, die journalistische Lohnarbeit gefesselt, der er gleichwohl überall den Stempel des Genius einprägte. Die große Oper bereitete eine Aufführung von Webers Freischütz vor: sie wurde von ihm durch jenen poesiedurchströmten Aufsatz für die Gazette musicale eingeführt, der unter der Aufschrift: ›Der Freischütz. An das Pariser Publikum‹ dreißig Jahre später in den ersten Band der ›Gesammelten Schriften‹ aufgenommen ist. Er beginnt mit der Erzählung der Sage vom Freischützen, die sich unter seinen Händen selbst zum ergreifenden Kunstwerk gestaltet. Er erwägt sodann die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten für ein richtiges Verständnis der Weberschen Schöpfung, sobald ihr nach den unverbrüchlichen Bestimmungen des Institutes der Großen Oper ein Ballet und, an Stelle des naiven Dialogs, künstliche Rezitative eingefügt werden sollen. ›Ach, wolltet und könntet ihr unseren wahren Freischütz hören und sehen, vielleicht würdet ihr euch mit dem stillen Hange befreunden, der den Deutschen aus seinem großstädtischen Wesen zur Natur hinzieht, in die Waldeinsamkeit lockt, um dort jene wunderbaren Urempfindungen sich immer wieder neu zu erwecken, für die selbst eure Sprache kein Wort hat!‹ Leider können wir durch die ersten zwei Monate seines Meudoner [410] Aufenthaltes fast von Tag zu Tag verfolgen, wie trotz umgebender Natur und Waldeinsamkeit äußere Sorgen ihn nicht zu deren ruhigem Genuß kommen lassen. Mit dem Datum des 4. Mai hat sich ein abgerissenes Quartblatt Papier erhalten, das auf der einen Seite einen Teil des sehr sorgfältig geschriebenen Personenverzeichnisses zu ›Rienzi‹ aufweist, auf der anderen ein Durcheinander von Notizen der verschiedensten Art, Künstlernamen: ›Berlioz, Liszt, Chopin‹, dazwischen den Ausruf: ›Mein Gott, warum sind wir nur so unerhört unglücklich!‹ Offenbar hat es ihm als Schreibunterlage bei der Ausführung seiner vom 5. Mai datierten Korrespondenz für die ›Abendzeitung‹ gedient, die sich in der Tat mit Berlioz und Liszt beschäftigt.1 Vom 7. Mai ist der Begleitbrief an den Dresdener Hofrat, der zugleich die letzte, ausführliche Darlegung des Planes der Beethoven-Biographie enthält, und seine Empfehlung des Unternehmens bei der Arnoldschen Buchhandlung in Anspruch nimmt. Zum Schluß ist von ›Rienzi‹ die Rede: ›es ist mir von der unendlichsten Wichtigkeit, daß ich bald, – sehr bald – erfahre, ob meine Oper definitiv angenommen und zur Aufführung bestimmt sei!‹

Schneller, als er es sich gedacht, sollte ihm der Anlaß zur Befriedigung jenes sehnsüchtigen Verlangens nach künstlerischem Produzieren kommen. Bei seinem letzten Verkehr mit dem Direktor der großen Oper wart die Angelegenheit des ›fliegenden Holländers‹ aufs neue in Beratung gezogen worden. Wir erinnern uns, daß dieselbe zuletzt vollständig in der Schwebe geblieben war. Pillet wünschte die Abtretung des Entwurfes an einen anderen Komponisten; Wagner hatte sich dieser Zumutung beharrlich erwehrt. Inzwischen hatte er unter der Hand erfahren, daß seine Weigerung ohne Erfolg geblieben, und sein Entwurf tatsächlich bereits einem anderen Dichter übergeben war. Dies war Paul Foucher, ein Schwager Victor Hugos und einer der fruchtbarsten Theaterdichter, damals bereits Verfasser von 50 Stücken verschiedenster Art für die Pariser Boulevardtheater.2 Ein einziger schneller Überblick über die Sachlage belehrte ihn, daß, erklärte er sich nicht zur Abtretung seines Entwurfes bereit, er unter irgend einem Vorwand gänzlich darum gebracht werden würde. Er willigte also gegen die bare Auszahlung der Summe von fünfhundert Francs in den Verkauf seines Textentwurfes und des ihm zugesagten Anrechts zur musikalischen Ausführung desselben für die Pariser Oper ein; mit dieser unbedeutenden Summe war – nach Abzug der dringendsten Schulden – seine Existenz für eine kleine Weile gesichert. Er hatte nun nichts Eiligeres zu tun, als sein Sujet selbst in deutschen Versen auszuführen. ›Meudon, 18. Mai 1841‹ steht auf dem ersten Blatte der Handschrift. In [411] zehn Tagen war die Dichtung vollendet, die fast wörtlich mit der bekannten, endgültigen Fassung übereinstimmt. Bei ihrer Ausführung leitete ihn einzig das Bestreben, mit Beiseitesetzung jeder Ausschmückung seines Gegenstandes durch diese oder jene moderne Opernzutat, die meerdurchbrauste Sage als solche, in größter Einfachheit der Anlage, gleichsam sich selbst erzählen und ihren wunderbaren Duft ungestört über das Ganze sich ausbreiten zu lassen. ›Das unwillkürliche Wissen von jener traditionellen Opernform beeinflußte mich jedoch andererseits noch so sehr, daß jeder aufmerksam prüfend erkennen wird, wie sie mich hier oft noch für die Anordnung meiner Szenen bestimmte.‹ In der ersten Handschrift der Dichtung heißt nicht bloß der Untertitel des Werkes ausdrücklich ›romantische Oper‹ (dieser wurde ja noch bis zum ›Lohengrin‹ beibehalten!), sondern die drei Szenen des ersten Aktes sind betitelt: ›Introduktion‹ ›Arie‹ und ›Szene, Duett und Chor‹; der Schluß des zweiten Aktes, vom Eintritt des Holländers an, ist überschrieben: ›Szene, Duett und Terzett‹ usw.3 Demnach hatte er im allgemeinen nur erst darauf acht, die Handlung in ihren einfachsten Zügen zu erhalten, alles unnütze Detail, wie die dem gemeinen Leben entnommene Intrigue auszuschließen und dafür diejenigen Züge breiter auszuführen, welche eben die charakteristische Farbe des sagmhaften Stoffes in das rechte Licht zu setzen hatten, in der Art, daß ›jene Farbe selbst zur Aktion würde‹. ›Seit Byron hat kein Poet ein so bleiches Phantom in düsterer Nacht aufgerichtet‹ sagt Liszt in seinem Holländer-Aufsatz;4 dafür war aber auch die Gestalt des unseligen Ruhelosen dem Künstler in ›Gewitter und Sturm‹ auf weitem wildem Meer zum Eigentum einer entscheidenen Lebensstimmung geworden und über den Sümpfen und Fluten seiner Pariser Kämpfe und Leiden wiederholt mit unwiderstehlicher Anziehungskraft aufgetaucht, – das erste ›Volksgedicht‹, das ihm tief ins Herz gedrungen war und ihn zu seiner Deutung und Gestaltung gemahnt hatte!

Doch schwebte es noch wie ein letzter leichter Schleier vor dem Produkt seiner dichterischen Anschauung, den seltsamerweise auch die musikalische Ausführung des Werkes nicht völlig wegziehen und auflösen konnte. Noch immer ist, in der vollständig versifizierten Niederschrift, der Ort der Handlung die schottische Küste ›Sandwike‹ heißt noch: Holy Strand! Was in aller Welt ging ihn die ›schottische Küste‹ an, die er nie mit Augen gesehen? Nicht dort hatte er sein Drama innerlich erlebt. Auch hat bloß erst die Erlöserin Senta [412] ihren richtigen, endgültigen Namen erhalten, im Unterschied von dem frühesten, Pillet mitgeteilten Entwurf; Daland und Erik figurieren im Personenverzeichnis noch, in Übereinstimmung mit der Örtlichkeit, als ›Donald, schottischer Seefahrer‹ und ›Georg, ein Jäger‹.5 Der düstere Held des Stückes ist noch als ›der Fremde‹ bezeichnet, dann aber ist diese Bezeichnung durchstrichen und durch ›der Holländer‹ ersetzt.

Am 28. Mai tat er den letzten Federzug daran: wäre es ihm nur vergönnt gewesen, sogleich auch an die Niederschrift der Musik zu gehen, die schon in seinem Innern wogte! Statt dessen trieb ihn die äußere Not zu einem ganz anderen Gebrauch seiner Feder, zu Journalartikeln und fortgesetzten Korrespondenzen wegen seines ›Rienzi‹ in Dresden Ziemlich unmittelbar nach der Vollendung seiner Dichtung muß ihn alsdann der zweite Aufsatz für Lewalds Zeitschrift ›Europa‹: ›Pariser Fatalitäten für Deutsche‹ beschäftigt haben, für den er mitten in bitterer Sorge und Bedrängnis das, bereits für den ersten derartigen Artikel ironisch gebildete Pseudonym W. Freudenfeuer beibehielt.6 Offenbar, weil er sich nicht entschließen konnte, seinen wirklichen Namen unter diese, ihm bloß durch die äußere Not abgerungenen Arbeiten zu setzen! Am 25. Mai, noch während der Arbeit am ›Holländer‹ und drei Tage nach seinem in voller Hoffnungslosigkeit verbrachten achtundzwanzigsten Geburtstage, wandte er sich, da seine Angelegenheit einem völligen Stillstand verfallen schien, abermals in einem Schreiben an die Dresdener Generaldirektion, um – wie sie auch ausfallen mochte! – eine beschleunigte Resolution herbeizuführen. Aus denselben prüfungsreichen Tagen stammt ein warm beredtes Schreiben an Reißiger, worin er diesen in gleicher Sache um seine Vermittelung angeht. ›Die gottlose Dame Schröder-Devrient‹, heißt es da, ›hat mir großen Kummer bereitet, wenn auch nur dadurch, daß sie mich so gänzlich in Ungewißheit läßt über das, was sie mit meinen Sachen angefangen hat. Noch weiß ich nicht, ob sie die Partitur meiner Oper Herrn von Lüttichau in meinem Namen zugestellt habe‹ (die Bedeutung dieses Passus ist uns nicht völlig klar); ›da sie aber verreist ist und ich sie so dringend darum gebeten habe, läßt es sich fast nicht anders denken‹. Er begreift nicht, warum ihm Herr von Lüttichau nicht endlich die Freude bereite, seine Intentionen zu erkennen zu geben. Er verlange ja für den Augenblick nichts weiter, als eine bestimmte [413] Erklärung, ob jener die Oper geben lassen wolle oder nicht. ›Was aber die Gemütsstimmung eines Pariser Privatkomponisten, zumal wenn es Sommer ist und er auf dem Lande lebt, angeht, so möchten Sie und Herr Hofrat W. doch vielleicht ein kleines Unrecht haben, wenn Sie ihm mehr Contenance zutrauen sollten, als ihm die Pariser Lüfte gerade gelassen haben‹. ›Wenn Sie und Herr v. L. in das wunderbare Gewebe von Traurigkeiten, Hoffnungen, Aussichten, Albernheiten, Plänen, Zerstreuungen usw. blicken könnten, welches meine gegenwärtige Situation ausmacht, so würden Sie, ich glaube es fest, plötzlich wissen, ob Sie mir ein schnelles Ja oder Nein zusprechen sollten‹.

Bei einem der geschäftlichen Besuche in der Stadt, die von Zeit zu Zeit seine ländliche Zurückgezogenheit unterbrachen, nahm er denn auch Veranlassung, dem neuesten Ereignis der Pariser großen Oper, der ersten Aufführung des ›Freischütz‹ am 7. Juni beizuwohnen. Uns ist das Konzept des französisch geschriebenen Briefchens erhalten, worin er die Direktion um die Gefälligkeit der Zusendung eines Billets zur ersten Aufführung ersucht, zugleich mit der Bitte, ihn davon rechtzeitig, am Tage vor der Aufführung, zu benachrichtigen und das Billet ›au magazin de Mr. Maurice‹ zu deponieren. Die erste Aufführung des Weberschen Werkes in Frankreich – zwanzig Jahre nach dessen Entstehung! Wirklich kannte die französische Hauptstadt das deutsche Werk noch nicht; die Verunglimpfung desselben durch Castil-Blaze als ›Robin des bois‹, die es bis dahin den Parisern repräsentiert, wird zu ihrer Ehre lieber mit Schweigen übergangen. Eine möglichst getreue Übersetzung des Textes hatte Pacini verfertigt, die für eine Aufführung an der Académie Royale de musique unerläßlichen Rezitative Berlioz hineinkomponiert. So hielt der ›Freischütz‹ in wiederum sehr problematischer ›Originalgestalt‹ seinen Einzug auf die Bühne der großen Oper, für deren Kasse der Vorteil jedenfalls ein größerer war, als für das Werk selbst: bis zum August erlebte es zwölf Wiederholungen, doch war die Darstellung mit geringer Sorgfalt betrieben Wagners Bericht über die Aufführung für die Dresdener ›Abendzeitung‹ hebt die Schwächen derselben deutlich hervor; er ist von jener sehnsüchtigen Vaterlandsliebe durchdrungen, wie sie sich nach allen Irrfahrten der letzten Jahre mächtig in der Seele des Künstlers zu regen begann.7 Ach! und noch immer blieb die ersehnte Entscheidung über die Annahme seines eigenen Werkes in diesem Vaterlande aus! Vergeblich wartete er fünf Wochen lang auf eine Beantwortung seines letzten Schreibens, und ließ dann am 30. Juni ein neues, noch dringlicheres Gesuch an die Generaldirektion ergehen. Es ist ergreifend, wahrzunehmen, mit wie warmem Eifer inzwischen der Arzt, der sich selber nicht helfen kann, um eben diese Zeit wieder einmal für andere alles in Bewegung setzt! Von Dresden aus war ihm die Nachricht [414] zugekommen, die Vermögensumstände der Hinterbliebenen des Freischütz-Tondichters, des geliebten Vorbildes seiner Jugend, seien so mißlich bestellt, daß es geraten sein dürfte, aus dem Erfolge der französischen Aufführungen die Erben Webers einen Vorteil ziehen zu lassen. Mit dem größten Eifer nahm er die Angelegenheit in seine Hand: auf der Stelle begab er sich von Meudon aus zu Léon Pillet, um mit diesem darüber in Unterhandlung zu treten. Er fand den Direktor willig, auf seine Vorschläge einzugehen; nur würde dies auf dem Wege der droits d'auteur nicht möglich sein: diese seien bereits an die Arrangeurs soweit vergeben, daß die Einnahmen durch eine Vermehrung derselben zu sehr geschwächt werden müßten. Dagegen erweckte er dem feurigen Vermittler eine andere Hoffnung: die Aussicht auf die Einnahme einer eigens zugunsten der Weberschen Erben zu veranstaltenden Benefizvorstellung, deren Hälfte (in dem anzunehmenden Betrage von 5–1000 Francs) er willig an Frau v. Weber abtreten würde, sobald diese schriftlich um eine solche Vergünstigung anhielte. Am 1. Juli empfing Wagner diesen Bescheid, und zögerte keinen Augenblick, noch am gleichen Tage, ohne sich erst Zeit zum Heimweg zu gönnen, direkt von Paris aus die Nachricht nach Dresden gelangen zu lassen. ›Ich für mein Teil würde überglücklich sein‹, heißt es in diesem Schreiben ›wenn ich bei diesem Unternehmen von irgend einem Nutzen sein könnte, was mir vielleicht möglich sein wird, weil Herr Pillet einigen Grund hat, mich zumal wegen meiner zweiten Eigenschaft als Literat oder vielmehr Journalist etwas zu respektieren; denn mir würde es, da ich die Sache selbst eingeleitet habe, am leichtesten sein, sein Benehmen zu züchtigen, falls er keine Lust bezeigen sollte, seine gemachten Hoffnungen zu erfüllen; – wozu jedoch kein Grund der Befürchtung vorhanden ist‹.8

Noch war sein Brief unterwegs nach Dresden, als in den ersten Julitagen der langersehnte Bescheid Lüttichaus von der Annahme des ›Rienzi‹ in Dresden – vom 29. Juni datiert – auf seinem Landsitze eintraf. Es hieß darin:


›Nachdem nunmehr sowohl das Textbuch Ihrer anher gesandten Oper »Rienzi«, als die Partitur derselben sorgfältig geprüft worden, ist es mir angenehm, Ihnen die Zusicherung der Annahme dieser Ihrer Oper zu geben, und wird dieselbe, sobald tunlich, hoffentlich im Laufe des nächsten Winters, auf dem Königl. Hoftheater zur Darstellung kommen‹.


Mit ähnlicher Empfindung mochte wohl Odysseus nach tage- und nächtelangem Ringen mit der tobenden Salzflut die Küste der Phäakeninsel vor sich [415] haben aufsteigen sehen, wie sie den jungen Meister beim ersten Empfang des entscheidungsvollen Dokumentes erfüllte! Doch lag noch viel zwischen Verheißung und Wirklichkeit. Einstweilen war er keinen Augenblick müßig gewesen, auch seinem, einstweilen bloß in der Dichtung vorliegenden ›Holländer‹ im voraus die Stätte zu bereiten, indem er eine eigens dazu angefertigte Abschrift des Textbuches nach Berlin an den, Meyerbeer nahe befreundeten dortigen Intendanten, Grafen Redern übersandte. Der Begleitbrief dieser Zusendung ist aus Meudon vom 27. Juni adressiert, er beruft sich darin auf die Empfehlung Meyerbeers und ersucht ganz ergebenst die Aufführung auf den Spätherbst dieses (laufenden) Jahres anzusetzen, ›zu welchem Zweck ich dann die bis dahin gänzlich zu vollendende Partitur‹ (in seinem Kopfe war sie ja längst fertig!) ›Ende dieses Sommers einzusenden haben würde‹.9 Das Manuskriptbuch übergab er, um gegen Postverlust und ähnliche Unfälle sicher zu gehen, seinem Schwager Avenarius, der es durch Vermittlung der Brockhausschen Buchhandlung nach Berlin befördern sollte. Wirklich gelangte es, nicht lange nach dem Briefe, am 8. Juli, in die Hände des Grafen; die Antwort aber ließ fast ein volles Halbjahr auf sich warten, nachdem inzwischen auch die Partitur auf dem gleichen Wege an Herrn von Redern übersandt worden war.10

Zur vollständigen Ausmalung seines ländlichen Aufenthaltes in der Avenue Meudon Nr. 3 gehört die Erwähnung der Tatsache, daß bald nach seiner eigenen Niederlassung daselbst seine Schwester Cäcilie, mit ihrem erstgeborenen Söhnchen Max und – soweit dessen Geschäftstätigkeit es zuließ – ihrem Manne, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft sich niederließen. Von diesem gemeinschaftlichen Landaufenthalt scheinen die unbefangeneren und häufigeren Beziehungen zu der Familie des Schwagers herzurühren, die sich im nächstfolgenden Winter – dem letzten, von Wagner in Paris verbrachten! – zu einer wirklich warmen und innigen Freundschaft gestalteten. Das Söhnchen Max war nicht allein der Stolz und das Entzücken der jungen Mutter, sondern auch die Freude des selbst kinderlosen Ehepaares Wagner und in seinen nachmals aus Dresden nach Paris gerichteten Briefen spielt ›Maxel‹ eine ganz hervorragende Rolle.

Sobald er nur erst wieder von anderen Geschäften zu Atem kam, war das Erste, wozu es ihn drängte, und wozu jene ›fünfhundert Franken‹ ihre guten Dienste leisten mußten, die musikalische Ausführung seines Gedichtes [416] zum ›fliegenden Holländer‹. Zu diesem Zweck bedurfte er eines Klaviers; nach dreivierteljähriger Unterbrechung alles musikalischen Produzierens mußte er sich erst wieder in eine musikalische Sphäre zu versetzen suchen. Er mietete ein Piano. ›Nachdem es angekommen‹, lautet seine eigene Erzählung, ›lief ich in wahrer Seelenangst umher; ich fürchtete nun entdecken zu müssen, daß ich gar nicht mehr Musiker sei. Mit dem Matrosenchor und dem Spinnerliede begann ich zuerst; alles ging mir im Fluge vonstatten, und laut aufjauchzte ich vor Freude bei der innig gefühlten Wahrnehmung, daß ich noch Musiker sei‹. Kann der Beginn eines großen Werkes in rührenderer und anspruchsloserer Einfachheit erzählt werden? ›Meine Eltern, die damals mit Wagner in Meudon wohnten‹, so berichtet F. Avenarius, waren bei jener ersten Probe zugegen; es war in einem Zimmerchen, dessen einzige Ausstattung jenes geliehene Piano und ein paar Tische und Stühle bildeten. Auch meine Eltern erzählten, daß er laut aufjauchzte vor Freude; dann wandte er sich um: ›Hört, klingt das nicht nach etwas?‹ Da habe es geklopft; Monsieur Jadin, der Hauswirt, ein altes Original, das Wagner köstlich geschildert (S. 408 f.), schickte herauf: er ließe bitten, solches Musizieren zu unterlassen. Das sei die erste Kritik der Musik des fliegenden Holländers gewesen.

›Es war eine wollüstig schmerzliche Stimmung‹, sagt Wagner ›die mir damals den längst bereits empfangenen fliegenden Holländer gebar. Alle Ironie, aller bittere oder humoristische Sarkasmus, wie er in ähnlichen Lagen unseren schriftstellernden Dichtern als einzige gestaltende Triebkraft verbleibt, war von mir zuvor in meinen literarischen Ergüssen vorläufig so weit losgelassen und ausgeworfen worden, daß ich nach dieser Entledigung meinem inneren Drange nur durch wirkliches künstlerisches Gestalten genügen zu können in den Stand gesetzt war. Die Annahme meines »Rienzi« in Dresden galt mir im allgemeinen für ein fast überraschend aufmunterndes Liebeszeichen und einen freundlichen Gruß aus Deutschland, die mich um so wärmer für die Heimat stimmten, als die Pariser Weltlust mich mit immer eisigerer Kälte anwehte. Mit all meinem Dichten und Trachten war ich schon ganz nur in Deutschland. Ein empfindungsvoller, sehnsüchtiger Patriotismus stellte sich bei mir ein, von dem ich früher durchaus keine Ahnung gehabt hatte. Dieser Patriotismus war frei von jeder politischen Beifärbung; es war das Gefühl der Heimatlosigkeit in Paris, das mir die Sehnsucht nach der deutschen Heimat erweckte. Diese Sehnsucht bezog sich aber nicht auf ein Altbekanntes, Wiederzugewinnendes, sondern auf ein geahntes und gewünschtes Neues, Unbekanntes, Erstzugewinnendes, von dem ich nur das Eine wußte, daß ich es hier in Paris gewiß nicht finden würde‹. Ist hiermit die sein Inneres tief erfüllende Grundstimmung bezeichnet, in welcher er an die musikalische Ausführung seines fliegenden Holländers ging, so haben wir andererseits schon im Vorhergehenden auf das eigentümlich Neue in der Entstehung dieser Musik hingewiesen, [417] wonach sich diese von der, zu allererst entstandenen, Ballade der Senta als thematischem Keim aus, nach ihren verschiedenen Richtungen ganz von selbst in ihm entwickelte. ›Ich hätte mit eigensinniger Absicht willkürlich als Opernkomponist verfahren müssen, wenn ich in den verschiedenen Szenen für dieselbe wiederkehrende Stimmung neue und andere Motive hätte erfinden wollen; wozu ich, da ich eben nur die verständlichste Darstellung des Gegenstandes, nicht aber mehr ein Konglomerat von Opernstücken im Sinne hatte, natürlich nicht die mindeste Veranlassung empfand‹.

In sieben Wochen war die ganze Oper komponiert. Die letzte Seite des ausgeführten Kompositionsentwurfes weist das Datum des 13. September 1841 auf; das Titelblatt die seine äußere Situation in ergreifender Kürze kennzeichnenden Worte. ›In Nacht und Elend. Per aspera ad astra. Gott gebe es. R. W. Nichtsdestoweniger behielt er guten Mut, um sich noch am Vorabend des soeben genannten Datums der Vollendung seines Werkes, nämlich am Sonntag, den 12. September, nach Jahren der Unterbrechung ihres brieflichen Verkehrs, wieder einmal mit einem Geburtstagsgruß an die Mutter zu wenden. ›Möchtest Du ja nicht glauben‹, so ruft er ihr zu daß ich Dich jemals vergessen hätte, auch wenn ich schwieg und nichts von mir hören ließ! Ach, ich glaube Dir ja schon gesagt zu haben, daß es Zeiten für mich gab, in denen ich wirklich vermied, Deine Teilnahme für mein Schicksal von neuem anzuregen. Ich habe da im stillen zu Gott gebetet, daß er Dir dein Leben und deine Gesundheit erhalten möge, denn mit der Zeit hoffte ich schon selbst meinem Streben einen Preis zu gewinnen, der es mir erfreulicher machen sollte, mich Dir einmal wieder zu zeigen. Mögen, die mich nicht kennen, im merhin sagen: ›er hätte es so machen sollen, – er hätte dies oder jenes tun sollen!‹ – sie haben alle Unrecht! Jeder Mensch, der zur wahren – inneren und äußeren – Selbständigkeit gelangen will, soll durchaus so lange, als sich dies mit dem angeborenen Gefühl von Recht oder Unrecht verträgt, den Weg gehen, den ihn seine ernstere Neigung und ein gewisser innerer unwiderstehlicher Trieb gehen läßt. Die Leiden, die er sich dadurch verschafft, kann ihm die Welt, ohne besonders großmütig zu sein, gut und gern vergeben; bloß wer diese Leiden mildern möchte, hat das Recht. Rat zu erteilen, – wer sie trotzdem aber nicht mildern kann, muß es sich auch gefallen lassen, seinen Rat am Ende nicht befolgt zu sehen. Ich bin gewiß keiner von den starren, unbeugsamen Charakteren, im Gegenteil wird mir mit Recht eine zu weibliche innere Beweglichkeit vorgeworfen. Wohl aber habe ich genug ausdauernde Leidenschaft, um von dem einmal Erfaßten nicht eher abzustehen, als bis ich mich gänzlich vom Wesen desselben überzeugt habe. So ist es mir mit Paris ergangen. Die bloß auf Hörensagen gegründete Voraussage anderer, es würde ihm unmöglich sein durchzudringen, habe für ihn von keinem Belang sein können; habe ihm doch im Gegenteil ein Mann, wie Meyerbeer, [418] Mut gemacht den Kampf aufzunehmen, und so werde sich wohl keiner verwundern, daß er als junger Mann es vorzog, zu versuchen – als ohne Versuch feig abzustehen. Das, was ihm an eigenen Kräften und Eigenschaften mangelte, Geld und Ruf, konnte ihm recht gut durch andere ersetzt werden, und Meyerbeer selbst habe ihm die Hand geboten, durch seinen bedeutenden Einfluß ihm behilflich zu sein. ›Daß nun Meyerbeer‹ – fährt er fort – ›genötigt war, gerade diese ganze Zeit von Paris entfernt zu bleiben, das war nun das Unglück, das ich haben sollte; denn Einwirkungen aus der Ferne gelten in Paris nichts, – die Persönlichkeit tut alles‹. Er sei somit gedrängt gewesen, den im Vertrauen auf fremde Hilfe unternommenen Kampf mit seinen eigenen Kräften fortzuführen; auch den Versuch habe er wagen müssen. ›Wäre ich eines von den frivolen Geschöpfen der heutigen Mode gewesen, hätte ich irgend eine glänzende Gabe für den Salon, so würde es mir wohl möglich gewesen sein, mich in diese oder jene Koterie hineinzupoussieren, die mich endlich vielleicht auch ohne inneres Verdienst gehoben haben würde. – Wohl darf ich sagen: Gott sei Dank, daß ich dazu nicht gemacht war! Wen ich noch auf diesem Wege reüssieren gesehen habe, habe ich verachten müssen! Mich hat ein so unwiderstehlicher Ekel vor diesen Nichtswürdigkeiten erfaßt, daß ich mich wirklich glücklich preise, ihnen keinen Geschmack abgewonnen zu haben. – Was mir für Paris nun noch übrig bleibt, ist, die Quelle eines mühsamen Verdienstes, die ich mir bei einem hiesigen Musikverleger geöffnet habe, für meinen kärglichen Unterhalt zu benutzen, bis mir Glück und Umstände dahin verhelfen, wohin ich will‹. Als ein großes außerordentliches Glück habe er aber schon die bloße Annahme seines ›Rienzi‹ in Dresden anzusehen. ›Es muß einmal gut werden, und Der ist der Würdigste das Glück zu genießen, der aus dem Sturme heimkehrt und das Unglück kennen lernte!‹11 – –

Am Ende dieser Zeit (in Meudon) überhäuften ihn wieder die niedrigsten Sorgen: zwei volle Monate dauerte es, ehe er dazu kommen konnte, die Ouvertüre zu der vollendeten Oper zu schreiben, trotzdem er sie fast fertig im Kopfe herumtrug. Unter anderen quälte ihn die unglückliche Wohnung in der Helderstraße, die er, wie wir uns entsinnen, kurze Zeit zu spät gekündigt (S. 402); er hatte die letzte fällige Mietrate nicht zahlen können, und wurde daher trotz erfolgter Kundigung nicht aus derselben entlassen, obgleich er sie ja seit Anfang Mai nicht einmal mehr bewohnte. Konnte er [419] jene Rate von 300 Francs wenigstens noch vor dem nächsten Termin, dem 15. Oktober entrichten, so stand seiner augenblicklichen Entlassung nichts mehr im Wege, und der Concierge seines Hauses hatte ihm versichert, daß diese dann nicht ausbleiben würde. Um so willkommener mußte es ihm demnach sein, daß er bei einem seiner, jetzt fast täglichen Aufenthalte in der Stadt durch Vermittelung eines gewissen Herrn Vieweg (vielleicht aus der bekannten Buchhändlerfamilie dieses Namens und dann eine durch Avenarius vermittelte Bekanntschaft?) von einem gewissen Herrn von Rochow vernahm, der für eben jenen Betrag (300 Frcs.) von seinen Möbeln kaufen wolle. Mit dem Rest seiner Möbel konnte er alsdann in ein kleineres Logis ziehen. In diesem Sinne teilt er sich am Sonnabend, den 2. Oktober an Avenarius mit: › gestern drängte mich die Zeit zur Abreise, und für heute und morgen‹ (Sonntag) ›möchte ich die Stadt gern einmal unbetreten lassen. Und doch liegt mir die Sache zu sehr auf dem Herzen. Hören Sie also, Liebster! – Wenn Herr von Rochow, wie mich Herr Vieweg glauben gemacht hat, für netto 300 Frcs. Möbel von den meinigen kaufen will, – wenn weiterhin Sie die Güte haben wollten, die Auszahlung dieser Summe sogleich nach abgeschlossenem Kaufe zu übernehmen, und wenn endlich es Herrn von Rochow konveniert, daß Sie ihm dieses Geld auf seine Einnahmen avancieren, – so ist mir aus aller Not geholfen. Sie allein würden durch Ihre Intervention dies möglich machen können‹.12 Das also waren die Sorgen und Gedanken, die nach Vollendung des ›fliegenden Holländers‹ seinen Geist in Anspruch nahmen und ihn nicht zum ruhigen Schaffen auf seinem inzwischen schon recht rauh und unfreundlich gewordenen Landsitze kommen ließen. Es ist sicher anzunehmen, daß er schon mit Beginn der folgenden Woche wieder seine täglichen Gänge in die Stadt angetreten, und mehr Zeit unterwegs und in Paris, als in seinem Asyl verbracht habe. Die Nötigung zu journalistischen Arbeiten trat aufs neue an ihn heran, die Gazette musicale vom 18., 24. Oktober und 7. November bringt unter der Gesamtaufschrift der Caprices esthétiques den in Meudon entstandenen Artikel über BeethovensA dur- und Mozarts Es dur-Symphonie (die er zuletzt in einem seiner Rigaschen Konzerte aufgeführt) unter dem Titel: Une soirée heureuse. Fantaisie sur la musique pittoresque (›Ein glücklicher Abend‹). Auch war seit der offiziellen Nachricht von der Annahme des ›Rienzi‹ keine weitere Kunde von Dresden her an ihn gelangt. Hielt er auch an der Hoffnung fest, daß die ihm eröffnete Aussicht auf eine Aufführung seines Werkes noch im bevorstehenden Winter sich verwirklichen werde, so bemächtigte sich seiner doch bei dem allgemeinen Schweigen von neuem eine quälende Ungeduld. Wir sehen ihn daher bereits am 7. September, [420] noch vor der Vollendung der Komposition des ›fliegenden Holländers‹, zugleich an den Chordirektor Fischer und Ferdinand Heine sich wenden; drei gleichzeitige Briefe vom 14. Oktober an Fischer, Heine und Reißiger sind ebenfalls noch von Meudon aus datiert. Inzwischen machte ein rauher Herbst seinen unfreundlichen Einzug fühlbar. ›Wollten Sie‹, so eröffnet er im Hinblick darauf seine nächste Dresdener Korrespondenz, ›nur Nachrichten über den Herbst in und um Paris haben, so hätte ich Ihnen schon seit geraumer Zeit damit zu Gebote stehen können; ich würde Ihnen vom schaurigen Sausen und Heulen des herbstlichsten und hartnäckigsten aller Winde, der seit drei guten Monden die Pariser Campagne durchstürmt, von lustig flackernden Kaminfeuern, von traurig flatternden Baumblättern, von mutig strömenden Regengüssen erzählt haben, daß Ihnen das beste Hoffmannsche Märchen dabei in den Sinn kommen sollte: dies alles ist hier mit einer erstaunlichen Voreiligkeit eingetreten‹. Vor Windgetöse und Regengüssen, Frost und vergilbten Baumblättern flüchtete er denn auch um diese Zeit endlich wieder in die Stadt zurück, um in ihren dumpfen Mauern seinem letzten entbehrungsreichen Pariser Winter entgegenzugehen ›Sollten Sie‹, schreibt er demnach an die Dresdener Freunde (Fischer und Ferd. Heine), ›sollten Sie noch vor dem 25. d. M. Zeit finden, mich mit einem Briefe zu beehren, so wird mich dieser No. 3, avenue de Meudon, à Meudon près Paris treffen; nach dem angegebenen Zeitpunkte jedoch würden Sie die Güte haben, ihn mit folgender Adresse zu versehen: No. 14, rue Jacob à Paris‹.13

Von hier aus ist am 5. November der eben zitierte siebente Dresdener Korrespondenzbericht datiert, an dessen Entstehung wiederum ein zufällig erhaltenes Notizenblatt erinnert. Witz und Melancholie, wie Regen und Sonnenschein miteinander ringend, bezeichnen so recht die Seelenstimmung des Verfassers bei solcher erzwungenen Beschäftigung, während neben ihm die Partitur seines Holländers ihrer Vollendung harrt. Oben im Text vollführen die prasselnden Funken sarkastischer Ironie ihre graziösen Luftsprünge, auf dem Hilfsblatt darunter ergeht sich in den Pausen die Feder in allerlei unzusammenhängenden Sätzen und melancholischen Schriftproben, darunter wohl zehnmal der Name ›Rothschild‹, einmal mit dem Zusatz: ›O Millionen, goldene Knöpfe...!‹

Am 24. November beging der junge Meister in Sorgen und Nöten die fünfte Wiederkehr seines Hochzeitstages – was lag nicht zwischen damals und jetzt, welche ununterbrochene Kette von Entbehrungen, Wagnissen, Hoffnungen, Prüfungen! ›Ganz schon nur noch mit meiner Rückkehr nach Deutschland, und mit der Beschaffung der dazu nötigen Mittel beschäftigt, mußte ich, gerade um dieser letzteren willen, nach der Vollendung (der Komposition) des [421] fliegenden Holländers noch einmal zur musikhändlerischen Lohnarbeit greifen: ich machte Klavierauszüge von Halévyschen Opern. Ein gewonnener Stolz bewahrte mich aber bereits vor der Bitterkeit, mit der mich früher diese Demütigung erfüllt hatte‹. In den letzten Tagen des November ließ er sich durch Freund Kietz zu einer internen Feier in die École des beaux arts einführen, um daselbst die dem Publikum vorläufig noch nicht zugängliche neueste große Arbeit Delaroches, deren Ausführung dieser vier Jahre des angestrengtesten Fleißes gewidmet hatte, in Augenschein zu nehmen. Die Aufgabe war, für einen eigens zu dem Akte der Preisverteilung an die Zöglinge konstruierten halbrunden, von oben her durch das eindringende volle Sonnenlicht erleuchteten Saal ein Wandgemälde zu schaffen, welches den ganzen Halbkreis desselben ausfüllen und die Verteilung der Preise für die bildenden Künste selbst zum Gegenstand haben sollte. Die vor dem Riesengemälde versammelten Schüler des genialen französischen Meisters waren von dessen mannigfachen Schönheiten so begeistert, daß sie, den endlich ebenfalls in den Saal tretenden Delaroche in Jubel und Enthusiasmus fast zu erdrücken drohten; er selbst so ergriffen ›daß er sich der Tränen nicht erwehren konnte‹. Wen es interessiert, den Schöpfer des fliegenden Holländers als Berichterstatter über ein Meisterwerk der bildenden Kunst kennen zu lernen, den können wir hier freilich nur auf den ausführlichen Bericht über das Ganze und die Details verweisen, den er tags darauf (1. Dezember) an die ›Abendzeitung‹ einsandte. Vom 8. Dezember datiert ist ein umfängliches Schreiben an den Chordirektor Fischer mit beigefügtem eingehenden Promemoria in Sachen der ›Rienzi‹-Aufführung, mit den detailliertesten Vorschlägen hinsichtlich der Rollenbesetzung, Teilung der Chöre u. dgl.; am 15. Dezember widmete er der Schumannschen ›Neuen Zeitschrift für Musik‹ einen Aufsatz über ›Rossinis Stabat mater‹.14 Als Pseudonym für den letzteren erkor er sich launigerweise den Namen jenes Taktschlägers der Salle St. Honoré, H. Valentino (S. 396), der ihm für die verfehlte Aufführung seines Columbus die ›schuldige Rehabilitation‹ noch bis zu diesem Augenblick schuldig geblieben, an diesem ausgeschütteten Füllhorn graziös vernichtender Satire auf die Pariser Modekunst dafür aber so unschuldig war, daß er ihrer vielmehr – in seinem Leben nicht fähig gewesen wäre! Am 22. Dezember endlich fand in der Großen Oper unter vielem Aufsehen die Erstaufführung von Halévys ›Reine de Chypre‹ statt, welcher er in seiner doppelten Eigenschaft als Berichterstatter der Gazette musicale und Klavierbearbeiter dieser neuesten Halévyschen Produktion sich nicht entziehen konnte; seine beiden letzten Dresdener Korrespondenzen (die neunte und zehnte vom 23. und 31. Dezember 1841) beschäftigen sich ebenfalls, die letztere sogar ausschließlich,15 mit diesem Werke. Kurz zuvor hatte er – im [422] Interesse seines Dresdener Gönners Winkler – der Vorführung eines neuesten Scribeschen Lustspieles ›Une chaîne16 im Théâtre français beigewohnt. ›Wirklich‹, so ruft er bei seiner Würdigung desselben aus, ›wirklich, als ich letzthin dieses Lustspiel von den Schauspielern des Théâtre français gespielt sah, wurde es mir recht klar, warum wir Deutschen kein eigentliches Lustspiel haben, und das französische uns immerdar für diesen Mangel aushelfen müssen wird. Es ist eben das ganze Paris: seine Salons, seine Gräfinnen, seine Boulevards, seine Advokaten, Ärzte, Grisetten, Maîtressen, Journale, Cafés – kurz, eben Paris, was jene Lustspiele macht: Scribe und seine Freunde sind in Wahrheit nicht viel mehr als die Handlanger und Kopisten jenes großen, millionköpfigen Lustspieldichters!‹

Wir haben hiermit die äußeren Ereignisse bis zum Schluß des Jahres in gedrängtem Überblick vorgeführt, unter denen inzwischen die Partitur des fliegenden Holländers zur Vollendung gebracht war. ›Natürlich lag mir nun nichts so sehr am Herzen, als die Oper schnell in Deutschland zur Aufführung zu bringen. Von München und Leipzig erhielt ich abschlägige Antwort: die Oper eigne sich nicht für Deutschland, hieß es. Ich Tor hatte geglaubt, sie eigne sich nur für Deutschland, da sie Saiten berührt, die nur bei dem Deutschen zu erklingen imstande sind‹. Er machte daher einen weiteren Versuch nach Ber lin hin, indem er die Partitur seines Werkes mit einem begleitenden Briefe vom 20. November an den dortigen Intendanten, den Grafen Redern, sandte,17 an den er sich bereits von Meudon aus, kurz vor der Annahme des Rienzi in Dresden, vorbereitend gewandt (S. 416). Hier hatte seit einem Jahr die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. vielfach die freudigsten Hoffnungen erregt: manches Gute war inzwischen bereits verwirklicht; für die Pflege der Wissenschaften und Künste schien eine neue Ära angebrochen. Der junge Monarch, für den als Kronprinzen Glucks ›Iphigenie‹ vor den leeren Bänken des Opernhauses aufgeführt worden war, galt als ein hochgebildeter Fürst; die von ihm ausgegebene Losung, welche die Hauptstadt Preußens zum Mittelpunkt für die deutsche Bildung erheben sollte, rief in Wagner ein[423] hoffnungsvolles Vertrauen wach. Der Entwurf einer, gleichzeitig mit seinem Briefe an Redern, an den preußischen König gerichteten Eingabe des jungen deutschen Künstlers gibt diesem Vertrauen in bedeutsamer Weise Ausdruck. In einer dem fremden Einfluß leider wohl zu nachgiebigen Kunstperiode habe es dem deutschen Vaterlande an einem entschieden ausgesprochenen mächtigen Schutze für das Gedeihen der Kunst gefehlt: es sei soweit gekommen, daß beachtenswerte Talente, besonders Musiker, Nahrung und Boden im Auslande – in Paris – haben suchen müssen: wie viele Kräfte mögen darüber noch unentwickelt schlummern, oder der Verkümmerung nahegerückt sein! Nun aber sei das verheißungsvolle Wort des königlichen Schutzes der Künste erklungen, und jeder Tag bringe neue, mannigfache Beweise dafür, in welchem umfassenden Sinne der König das schöne Wort zu erfüllen beschlossen habe. Im Vertrauen darauf und seines redlichen Strebens sich bewußt, ruft er den Schutz des Königs für sein neues Werk an. Wohl ist es für alle Zeiten bezeichnend, daß es gerade der ›fliegende Holländer‹ war, mit welchem sich der deutsche Künstler unter diesen Schutz eines, deutscher Bildung schöpferisch geneigten, kunstsinnigen Fürsten stellt, während er seinen ›Rienzi‹ dem üppigeren Dresdener Hoftheater mit seinen altererbten Traditionen eines mehr sinnlichen Glanzes übersandt hatte. Leider sollte das hierin ausgedrückte ehrenvolle Schätzungsverhältnis sich nicht durch eine ihm entsprechende Wirklichkeit bestätigen. Auch der Berliner Hof hatte seine ›Traditionen!‹ Wie einst Friedrich der Große durch die Wahl eines unbedeutenden, abergläubischen Franzosen zu seinem Bibliothekar (bloß weil dieser ein Franzose war!) die Bewerbung Lessings um diesen Posten abgelehnt hatte, so vermeinte sein erlauchter Abkömmling für den Schutz der heimatlosen deutschen Kunst durch die Ernennung – Meyerbeers und Mendelssohns zu Generalmusikdirektoren der Pflege deutscher Musik ein volles Genüge getan zu haben!

Für den Augenblick zwar stellte sich die Zurückweisung noch nicht so schroff heraus: ließ auch der angerufene preußische Monarch durchaus nichts von sich hören, so machte sich dafür doch das sonderbar gefällige Element derselben Protektion noch ein letztes Mal geltend, der er seit seinem ersten Eintritt in Paris nur die verhängnisvollsten Enttäuschungen verdankte, an welche er den Glauben aber trotzdem noch nicht völlig aufgegeben hatte. Was war natürlicher, als daß er sich – gerade für Berlin! – an den dort allvermögenden Meyerbeer wendete? Das Gegenteil wäre ja fast eine Umgehung des Mannes gewesen, an dessen aufrichtigem Wohlwollen ernstlich zu zweifeln seine vertrauensvolle Natur sich zum Vorwurf gemacht haben würde. Er richtete daher an ihn die inständige Bitte um eine Zeile der Befürwortung beim Grafen Redern: sie werde als ein mächtiges Gewicht in die Wagschale fallen. Und mit welchem herzbewegenden, rührenden Jubel eines dankerfüllten Innern nimmt er nun dessen Zusicherung der erbetenen Befürwortung auf! [424] ›Zwei Worte von Ihnen haben mich aufs neue glücklich und gründlich mit meinem Schicksale ausgesöhnt... Ich armer Narr, der ich immer nur in die Zukunft hineinarbeite, in der Gegenwart aber nichts höre und sehe, ja kaum darin existiere – saß in meinem Stübchen bei meiner armen, von mir und von düsteren Sorgen gequälten Frau und sah auf die Früchte des letztverlebten oder vielmehr durchmarterten Sommers. Diese Früchte, ein dummes Textbuch und ein ziemliches Stück Partitur, lagen vor mir und frugen mich, was mit ihnen werden sollte? Mir fiel nichts Gescheidteres ein, als sie einzupacken und ihnen einen untertänigsten Brief an den Grafen Redern beizugeben; ich wußte, sie würden dort verfaulen, and doch fiel mir nichts Besseres ein. Da ging mir das Evangelium auf, denn von Ihrer gepriesenen Hand stand da: »Ich werde dasselbe bei dem Grafen von Redern zu erlangen suchen!!« – Ach, wenn Sie wüßten, welche unermeßliche Wohltat Sie mir dadurch angedeihen ließen!‹ Aber Freude und Dankbarkeit waren abermals verfrüht.18 Er hatte erst später Gelegenheit wahrzunehmen, wie sehr er wiederum getäuscht worden war, wenn er diese ›künstlich veranlaßte, wohlfeile und durchaus erfolglose Gefälligkeit‹ für eine ernstliche Annahme seines Werkes gehalten hatte. Für jetzt durfte er sich der Hoffnung einer baldigen Aufführung zweier seiner Werke auf den ersten Bühnen Deutschlands hingeben, und unwillkürlich drängte sich ihm die Ansicht auf, daß sonderbarerweise Paris, so grausam es sich all seinen Bestrebungen verschlossen, ihm doch für Deutschland von größtem Nutzen gewesen sei.

Leider fuhr Dresden fort, seiner von Woche zu Woche, von Monat zu Monat harrenden Geduld die schwersten Proben aufzuerlegen. Die offizielle Ankündigung der Annahme seines ›Rienzi‹ hatte von einer Aufführung im Laufe dieses Winters gesprochen; die Notwendigkeit, vorher noch eine Reißigersche Oper einzustudieren (›Adele de Foix‹ aufgef. 26. Nov. 1841),19 und [425] dieser noch Halévys ›Guitarrero‹ und – des Gastspieles einer Sängerin halber – eine beliebige italienische Oper von Mercadante folgen zu lassen, rückte jedoch den Aufführungstermin immer weiter und weiter hinaus. ›Wenn Sie oder irgend Jemand‹, schreibt er am 4. Januar an den alten Freund Heine, ›ganz genau wüßten, wie meine ganze Lage, alle meine Pläne und Beschlüsse durch ein solches Verzögern vernichtet werden, so würde man Erbarmen haben. Sollte es wirklich so weit kommen, daß man meine Oper für dieses Winterhalbjahr noch ganz beiseite legen müßte, so wäre ich in der Tat untröstlich, und Der- oder Diejenige, die an dieser Verzögerung Schuld trüge, hätte eine große Verantwortung, vielleicht für unsägliche mir bereitete Leiden, auf sich gewälzt‹. Nun kam es dennoch so weit, Schritt für Schritt; und inmitten all seiner materiellen Bedrängnis ist die Fassung des jungen Meisters, mit der er kaum vier Wochen später die definitive Hinausschiebung der Aufführung bis zum Herbst entgegennimmt, um so höher anzuschlagen.20

Ganz dasselbe, wie in Dresden mit dem ›Rienzi‹, hatte er nun aber auch in Berlin mit dem ›Holländer‹ zu erleben. Auch hier war ihm Alles an einer Aufführung im Laufe ›dieses Winters, vielleicht im Monat Februar‹ gelegen gewesen; statt dessen verging Monat auf Monat, ohne daß die Angelegenheit um einen Schritt gefördert worden wäre.21 So verstrich ein volles Vierteljahr, die Monate Dezember, Januar, Februar schlichen ohne die mindeste Entscheidung vorüber. Endlich, am 2. März, nach mühsam und schwierig verbrachtem Winter, konnte er diesen Zustand nicht mehr ertragen. Seine inzwischen an Meyerbeer gerichteten Bitten und Anfragen waren unerwidert geblieben; um eine Antwort, wie sie nun auch ausfalle, zu erzwingen, verfiel er daher auf das einzig übrigbleibende Auskunftsmittel, welches durch sein an Avenarius gerichtetes Briefchen vom 2. März deutlich bezeichnet wird. ›O mein teurer Schwager‹, so lautet dasselbe, ›möchtest Du nicht einmal den früher mir gemachten [426] Vorschlag ausführen, und diesen Brief an Meyerbeer, mit ein paar Zeilen an Deinen Berliner Vertrauten begleitet, nach Berlin abschicken? – Den Herrn möchtest Du jedenfalls ersuchen, mit dem Briefe zu Meyerbeer selbst zu gehen und auf Antwort zu warten: – ich habe meine Zeilen sehr kurz eingerichtet, und ihm angezeigt, daß ich, um ihm die Antwort zu erleichtern, einen Freund meines Schwagers ersucht hätte, diese von ihm mündlich in Empfang zu nehmen und mir hierher zu berichten. Er soll sich nur kurz erklären, ob er meinen »fliegenden Holländer« erhalten hat, und ob er etwas damit im Sinne führt? – Tue es doch noch heute! – Gott segne Dich mit Weib und Kind! – Dein immerwährender Richard‹.22 Das ›sehr rege Interesse‹ (!), welches Meyerbeer ›wenigstens damals‹ an Wagner genommen, wird durch diese Tatsachen wohl in ein genügend helles Licht gestellt. ›Ohne seine Fürsprache‹, heißt es, ›wäre der fliegende Holländer wohl kaum in Berlin angenommen worden‹. Aber hatte denn Wagner ihm diese Fürsprache nicht in jedem einzelnen Falle erst buchstäblichst abringen müssen? Hätte er, der rücksichtsvolle Diplomat, der insbesondere von Nebenbuhlern – nach dem Urteil des Menschenkenners Laube – immer nur ›mit bestrickender Hingebung sprach‹, – sich etwa gar noch ausdrücklich gegen die Holländerpartitur und ihren Autor aussprechen sollen? Um sie, wenn sie ihm unbequem würde, zu Falle zu bringen, dazu standen dem in Berlin, wie Paris, Allmächtigen doch noch ganz andere Mittel zur Verfügung. Diejenigen nämlich, welche er, wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, tatsächlich dagegen in Anwendung gebracht hat. Das erste davon war, die Sache hinauszuziehen, d. h. dem langsamen Gang der Dinge seinen Lauf zu lassen. Wirklich gelangte nun erst, infolge von Wagners erneutem Drängen, unter dem Datum des 14. März die Nachricht Rederns an ihn, daß ›in Anerkennung seiner erfindungsreichen, effektvollen (!) Musik‹ die Oper ›der fliegende Holländer‹ zur Darstellung angenommen worden sei, und gab dem jungen Meister Veranlassung, in freudiger Erwiderung dieser außerordentlich gewogenen Zuschrift für eine ›so schnelle und günstige Entscheidung seinen gerührtesten Dank auszusprechen‹.23 [427] Unmöglich konnte er damals wissen, daß diese, durch Meyerbeer erwirkte ›Annahme‹ seiner Partitur von seiten des soeben im Abgang begriffenen Grafen Redern, der die von ihm getroffene Maßnahme selbst nicht mehr durchführen konnte und ihre Ausführung seinem Nachfolger im Amt überlassen mußte, so viel als – gar Nichts bedeutete. Besonders, wenn dieser Nachfolger derselbe Herr v. Küstner war, der soeben dieselbe Oper – von München aus – als ›für Deutschland ungeeignet‹ abgelehnt hatte!

Wohl bleibt es erstaunlich, mit welcher Zähigkeit sich derartige einmal in Umlauf gesetzte Mythen, wie die von dem äußerst regen Interesse des Berliner Hofmusikdirektors für Wagner und seinen ›fliegenden Holländer‹ am Leben und im Umlauf erhalten, wenn ihnen nur in einem einzigen vergilbten Blättchen eine neue Nahrung zugeführt wird! Selbst die Tatsache kommt nicht dagegen auf, daß der Holländer trotz allem ferneren Drängen Wagners faktisch erst volle zwei Jahre später auf die Berliner Bühne gelangte und nach den ersten Vorstellungen, trotz allen im Publikum gewonnenen Beifalls, so lange Meyerbeer am Leben war, unwiderruflich vom Repertoire verbannt blieb. Vielleicht ist es nicht ungeeignet, um dem verstocktesten und mythengläubigsten Leser die Augen zu öffnen, wenn wir diese Episode mit den Worten beschließen, mit denen bei einer früheren Gelegenheit H. S. Chamberlain über dieselben Empfehlungszeilen zugunsten des Holländers sich geäußert hat: ›Der Wortlaut jenes Briefes gibt uns über den Grad und die Art von Meyerbeers Wohlwollen nicht den geringsten Aufschluß. Er ist ein Empfehlungsbrief wie andere – d. h. in Herrn Kohuts Meyerbeer-Biographie habe ich ganz andere gesehen, wie wenn er z. B. einen seiner Freunde an Baron Rothschild empfiehlt. Nur Eines scheint mir in diesem Brief wirklich beherzigenswert. Meyerbeer schreibt nämlich, die großen Hoftheater, als offizielle Beschützer deutscher Kunst, sollten Wagner nicht ihre Szenen verschließen. Das ist eine interessante Äußerung – wenn man bedenkt, daß vom folgenden Jahre ab und bis zu seinem Tode kein Mensch so viel wie Meyerbeer getan hat, um Wagner die großen und kleinen Szenen zu verschließen! Wenn man bedenkt, daß in Berlin z. B. kein Wagnersches Werk sich hat halten können bis zu Meyerbeers Tod, wo mit einem Male der Bann gebrochen war! Wenn man bedenkt, daß, als Wagner – zwanzig Jahre später – in der äußersten Not der Verbannung in Paris die Gelegenheit hatte sich zur Geltung zu bringen, Meyerbeer Alles in Bewegung setzte, um diese Hoffnung zu zerstören, – was ihm denn auch gelang!‹

Zu einer so weitgehenden Abschweifung hat uns der fromme Mißbrauch veranlaßt, der in dieser Sache in wohlmeinendster Weise, aber zum Nachteil der geschichtlichen Wahrheit, mit einem solchen zufällig erhaltenen Blatte Papier, wie jener wirkungslose Empfehlungsbrief, durch eine irrtümliche Unterschiebung aufrichtiger Motive und die ebenso unrichtige Annahme eines spontanen [428] Handelns von Meyerbeers Seite getrieben worden ist. In unserer Erzählung hat sie uns inzwischen nicht um einen Schritt vorwärts gebracht und wir müssen in derselben von der täuschenden Nachricht des 14. März zu der nicht minder täuschenden des 14. Dezember, mithin um ein volles Vierteljahr, zurückgreifen, um uns die Art und Weise zu vergegenwärtigen, wie der junge Meister in beständiger Erwartung des Kommenden, in der düsteren Rue Jakob den Winter zubrachte: nämlich unter beständigen Arrangements Halévyscher Opernmusiken und journalistischer Lohnarbeit; aber dennoch guten Mutes, im regen Verkehr mit seinen Freunden, den Wenigen, die seinem Genius ihren Glauben bewahrten. Diesem Kreise gesellten sich nun aber auch, worauf schon das plötzliche ›Du‹ in dem oben zitierten Briefe an Avenarius deutet, Schwester und Schwager in wirklicher Traulichkeit hinzu. Die beiden Frauen, Cäcilie und Minna, scheinen schon früher in dieses engere schwesterliche Verhältnis getreten zu sein – genau läßt es sich nicht bestimmen, doch könnte der zweiunddreißigste Geburtstag Minnas, der 5. September 1841, dazu Anlaß gegeben haben, dessen Feier – kurz bevor das Avenariussche Paar Meudon hinter sich ließ, um nach Paris zurückzukehren – Wagner noch eigens in einem späteren, aus Deutschland an sie gerichteten Briefe erwähnt.24 Von der ›göttlichen Macht‹ der aus den Pariser Leiden herausgeborenen Freundschaft handeln gar manche spätere Äußerungen; z. B.: ›Es leben die Schmerzen von Paris, sie haben uns herrliche Früchte getragen!‹ Oder: ›Oh, Paris! Oh Leiden und Freuden! Oh, ihr Freunde! Oh, Erinnerungen!!‹ Kietz, Anders, Lehrs nebst Cäcilie und Eduard, sie bilden nun in Freuden und in Schmerzen ›den heiligen Rat der Fünfe‹. Auch ist in jenen Briefen wiederholt von einer, jedenfalls Avenarius nahestehenden, uns weiter nicht bekannten Familie Kühne die Rede, einem Herrn und einer Mad. Kühne, ›vortrefflichen Menschen‹, deren sie – Wagner und Minna – ›mit der größten Liebe und Dankbarkeit sich erinnern‹.

Über alledem, d. h. über Arrangements und Freundesumgang, war der schaffende Künstler in ihm nicht müßig geblieben: neue Gegenstände hatten unausgesetzt seine dichterische Phantasie beschäftigt. Mit wie wenig willkürlichem und absichtlichem Bewußtsein er sich in dem fliegenden Holländer einen mythischen Stoff zur Behandlung erkoren, wird aus dem Umstande ersichtlich, daß er nach dessen Vollendung noch einmal nach einem der Geschichte zu entnehmenden ›Opernstoffe‹ sich umsehen konnte. Er fand ihn in einem der letzten Momente der Hohenstaufenzeit und hatte bereits einen ersten Entwurf davon ausgearbeitet, als eine tiefer anregende, neue Bekanntschaft diesen unwiderstehlich [429] in den Hintergrund drängte. Manfred, der Sohn Friedrichs II., reißt sich, von äußerster Not gedrängt, aus dem Zustande der Mutlosigkeit und Versunkenheit in lyrische Ergötzung und wirst sich nach Luceria, der Stadt, die von seinem Vater den aus Sizilien versetzten Sarazenen mitten im hochheiligen Kirchenstaat zum Wohnort angewiesen ist. Mit Hilfe der streitbaren, leicht zu begeisternden Söhne Arabiens gewinnt er das ganze, vom Papst und den herrschenden Welfen ihm bestrittene Reich Apulien und Sizilien; mit seiner Krönung schloß der dramatische Entwurf. In diesen rein geschichtlichen Vorgang wob er eine erdichtete weibliche Gestalt; er entsann sich nachmals, daß ihm diese aus dem Anschauen einer ihm zu Gesicht gekommenen Zeichnung als Erinnerung entsprungen war: einer Darstellung Friedrichs II., umgeben von seinem fast ganz arabischen Hofe, aus welchem namentlich singende und tanzende Frauengestalten lebhaft seine Phantasie gefesselt hatten.25 Den Geist dieses Friedrichs, seines Lieblings, verkörperte er nun in der Erscheinung einer jungen Sarazenin, der Frucht einer Liebesumarmung des Kaisers und einer Tochter Arabiens während seines friedlichen Aufenthaltes in Palästina. Das Mädchen hatte daheim von dem tiefen Falle des ghibellinischen Hauses Kunde erhalten; mit dem Feuer des arabischen Enthusiasmus macht sie sich nach Apulien auf. Dort in Capua,26 am Hof des entmutigten Manfred, erscheint sie als Prophetin, begeistert, reißt zu Taten hin. In einem Liede, dessen Refrain in den entscheidenden Situationen der dramatischen Handlung wiederkehrt, singt sie ihm zur Laute von Friedrichs Ruhm und seiner Liebe zu Zelima: ›Als sich die Macht der Christenheit, geführt von ihm, auf Palästina warf, das Kreuz, das ihr verehrt, zu erobern, – was waren eure Schwerter, eure grimmen Waffen, wenn Er allein nicht war und Frieden euch gewann? Verrat spann wider ihn der Templer nied're Rotte; um schnödes Gold hatten dem Sultan ihn auszuliefern sie geschworen: doch Zelima war's, der Gläubigen Schönste, die der Verräter Plan zernichtete. Sie hatte ihn geseh'n, den großen Kaiser, und den Sultan vermochte sie, den Verrat von sich zu weisen; voll Edelmut entdeckte [430] er selbst dem Kaiser, was ihm drohte. Da wollte dieser des Sultans Feind nicht länger sein; sie schwuren ew'ge Freundschaft sich, und herrliche Lieder priesen bald die Liebe Friedrichs und Zelimas. Beglückt umarmte sich Christ und Muselmann; denn Er, der große Kaiser, war nicht Muselmann, noch Christ: er war ein Gott, und als ein Gott verehrt lebt er noch heut' im Morgenland‹. Ihr Lied, ihre wunderbare Erscheinung erfüllt Manfred mit Begeisterung, er gewinnt sich in hartem Kampf das väterliche Reich Apulien wieder; und Fatima, die Araber in Luceria mit dem Feuer ihres Enthusiasmus entzündend, überall die gleiche Begeisterung ausgießend, führt ihn, den Sohn des Kaisers, von Sieg zu Sieg, bis zum Thron. Geheimnisvoll verbirgt sie ihre Abkunft, um auch auf Manfred selbst durch das Rätsel ihrer Erscheinung zu wirken; er liebt sie heftig und will das Geheimnis durchbrechen: sie weist ihn prophetisch zurück. Er beschwört sie, durch deren Wunderkraft er sein Reich erobert, deren Blick im blutigen Gewühl, wo der Mord am heißesten ihn umstürmte, ihm entgegengeflammt ist und neuen Mut in seine Seele gestrahlt hat, nunmehr am Ziele seines Strebens die Seine zu werden. ›Macht, Ehre, Kronen kann ich entsagen, doch nicht dir! ich frage nicht mehr, wer du bist; dies Einz'ge fleh‹ ich nur: sei mir nicht Wunder mehr ›sei mir ein Weib!‹ Vergebens, sie weist seine Werbung zurück. Bei einem Anschlage auf sein Leben fängt sie den tödlichen Streich mit ihrer Brust auf: sterbend bekennt sie sich als Manfreds Schwester und verrät ihre volle Liebe zu ihm. Der gekrönte Manfred nimmt für immer von seinem Glücke Abschied.

Dieses, nach seinen eigenen Worten ›wohl nicht glanz- und wärmelose Bild‹, das seine heimatsehnsüchtige Phantasie ihm in der Beleuchtung eines historischen Sonnenuntergangscheines zuführte, verwischte sich aber sogleich, als seinem inneren Auge eine andere Gestalt, diejenige des Tannhäuser sich darstellte. Um diese Zeit fiel ihm das alte Tannhäuserlied in die Hände. Die wunderbare Gestalt der Volksdichtung, wie sie ihm daraus unmittelbar entgegentrat, ergriff ihn sogleich auf das Heftigste. Wir entsinnen uns, daß ihm der Tannhäuser keineswegs eine völlig unbekannte Erscheinung war: er war ihm schon in früher Jugendzeit durch Tiecks Erzählung bekannt geworden (S. 116). Er hatte ihn damals in der phantastisch mystischen Weise angeregt, wie Hoffmanns Erzählungen auf seine jugendliche Einbildungskraft gewirkt hatten; nie aber war von diesem Gebiete aus auf seinen künstlerischen Gestaltungstrieb ein Einfluß ausgeübt worden. ›Das durchaus moderne Gedicht Tiecks las ich jetzt wieder durch, und begriff nun, warum seine mystisch kokette, katholisch frivole Tendenz mich zu keiner Teilnahme bestimmt hatte; es ward mir dies aus dem Volksbuche27 und dem schlichten Tannhäuserliede ersichtlich, [431] aus dem mir das einfache echte Volksgedicht der Tannhäusergestalt in so unentstellten, schnell verständlichen Zügen entgegentrat‹. Was der Meister jedoch in seiner späteren Erinnerung mit der, wenn auch losen, Verbindung gemeint, in die er den Tannhäuser eben in jenem ›Volksbuche‹ mit dem ›Sängerkriege auf Wartburg‹ gebracht gefunden habe, ist den bisherigen Forschungen aufzuklären nicht gelungen. Denn hier ist tatsächlich der Punkt, wo erst sein eigener schöpferischer Dichtergenius für alle Zeiten eine Verbindung zweier gesonderter Sagenmomente zu einem unlöslichen Ganzen geschaffen hat, die vor ihm in keiner Art nachweislich bestand. Mit der alten Sage vom Tannhäuser und dem Venusberg hat die Überlieferung vom Sängerkriege an sich nichts gemein; ihr Held ist vielmehr Heinrich von Ofterdingen. Vor Wagner hatte einzig E. T. L. Lucas in seiner gelehrten Abhandlung ›Über den Krieg von Wartburg‹, Königsberg 183828 auf S. 270 ff. die Hypothese einer Gleichsetzung des Heinrich von Ofter dingen mit dem Tannhäuser auf rein philologischem Wege durch allerlei Gründe zu erhärten gesucht: beide stammten aus der Salzburger Gegend, beide stünden in Zusammenhang mit dem österreichischen Hofe, dessen Lob sie verkündeten u. dgl. mehr. Die Beweisführung steht natürlich auf sehr schwankem Grunde: sie dokumentiert sich eben als das bloße Produkt der ›Wissenschaft‹, der ›vermittelnden, suchenden, forschenden, daher willkürlichen und irrenden‹; wogegen auch hier wiederum erst das lebendige Kunstwerk an die Stelle der gelehrten Hypothese, etwas Wirkliches, sich selbst Bestimmendes ›Unmittelbares‹ gesetzt hat, nachdem ›der Künstler im Gegenstande sich selbst wiedergefunden‹.29 ›Auch das dichterische Moment des Wartburgkrieges hatte ich bereits früher durch eine Erzählung Hoffmanns kennen gelernt; aber, gerade wie die Tiecksche vom Tannhäuser, hatte sie mich ganz ohne Anregung zu dramatischer Gestaltung gelassen. Jetzt geriet ich darauf, diesem Sängerkriege, der mich mit seiner ganzen Umgebung so unendlich heimatlich anwehte, in seiner einfachsten, echtesten Gestalt auf die Spur zu kommen. Dies führte mich zu dem Studium des mittelhochdeutschen Gedichtes vom »Sängerkriege«, das mir glücklicherweise einer meiner Freunde, ein deutscher Philolog, der es zufällig in seinem Besitze hatte (– also der treffliche Lehrs!), verschaffen konnte. Dieses Gedicht ist, wie bekannt, unmittelbar mit einer größeren epischen Dichtung »Lohengrin« in Zusammenhang gesetzt: auch dies studierte ich, und hiermit war mir mit einem Schlage eine neue Welt dichterischen Stoffes erschlossen, von der ich zuvor, meist nur auf bereits Fertiges, für das Operngenre Geeignetes ausgehend, nicht eine Ahnung gehabt hatte‹.

[432] Mit dem Entwurfe der ›Sarazenin‹ war er im Begriff gewesen, mehr oder weniger in die Richtung seines ›Rienzi‹ sich zurückzuwerfen, um eine große fünfaktige ›historische Oper‹ zu verfertigen; erst der überwältigende, sein individuelles Wesen weit energischer erfassende Stoff des Tannhäuser erhielt ihn im Festhalten der, im ›fliegenden Holländer‹ mit Notwendigkeit eingeschlagenen neuen Richtung. ›Jenes Bild (der »Sarazenin«) war mir von außen vorgezaubert, diese Gestalt (des Tannhäuser) entsprang aus meinem Innern. In ihren unendlich einfachen Zügen war sie mir umfassender, und zugleich bestimmter, deutlicher, als das reichglänzende, schillernde und prangende historisch-poetische Gewebe, das wie ein prunkend faltiges Gewand die wahre, schlanke menschliche Gestalt verbarg, um deren Anblick es meinem inneren Verlangen zu tun war‹.

Inzwischen hatte die Angelegenheit des ›Rienzi‹ insoweit nicht völlig geruht, als wenigstens der ehrliche Chordirektor Fischer das bereits begonnene Studium des Werkes unter allen Schwankungen niemals ganz eingestellt, und auch Heine in seiner Eigenschaft als Kostümzeichner in der Stille stetig weiter gearbeitet hatte. Waren doch, wie Winkler zu melden nicht ermangelte, an 537 neue Kostüme für die glanzvolle Inszenierung des letzten Tribunen veranschlagt! So viel sich in des jungen Meisters Plänen durch die erneute Hinausschiebung der Aufführung geändert hatte, so änderte er doch seinen Reiseplan nicht. Gegen Ostern gedachte er Paris zu verlassen, um nach fünfjähriger Entfernung sein Vaterland wieder zu betreten. Hierzu galt es mit aller Gewalt neben den laufenden Bedürfnissen sich das Reisegeld zu erarbeiten. Diesem Impulse des journalistischen Lohnerwerbs entsprungen scheint insbesondere der umfangreiche Artikel über Halévys neue Oper für die Gazette musicale, der sich in vier Fortsetzungen bis in den Monat März hineinzieht.30 ›Halévys Reine de Chypre ist nicht übel,‹ läßt er sich (5. Febr. 1842) darüber gegen Schumann vernehmen. ›Einzelnes schön, Manches trivial – als Ganzes ohne besondere Bedeutung. Der Vorwurf des Lärmens ist ungerecht; [433] im 4. Akte ist er am rechten Flecke (zumal für unsere Zeit), im übrigen durchgehends das Streben nach Einfachheit, und besonders in der Instrumentation bemerkbar. Vergessen Sie nicht: Halévy hat kein Vermögen. Er hat mich versichert, daß, wäre er vermögend, er nie mehr für das Theater, sondern Symphonien, Oratorien u. dgl. schreiben würde; denn an der Oper sei er gezwungen, Sklave des Interesses des Direktors und der Sänger (zu werden), und genötigt, mit Absicht schlechtes Zeug zu schreiben. Er ist offen und ehrlich, und kein absichtlich schlauer Filou wie M(eyerbeer).‹ Die letzteren Ausführungen haben für uns ein zwiefaches Interesse. Einerseits sind sie uns das einzige vorliegende Dokument dafür, daß die ihm aufgezwungene Beschäftigung mit Halévyschen Kompositionen auch persönliche Beziehungen zu diesem, besonders wegen seiner ›Jüdin‹ von ihm hochgehaltenen, älteren Meister angebahnt hatten. Andererseits entnahmen wir ihr aber auch, als einen bedeutsamen Erfolg der harten Pariser Kämpfe und Enttäuschungen, die – wohl schon vorher durch das künstlerische Gefühl antizipierte, nun aber zur bestimmten Erkenntnisgewordene – Einsicht in die Nichtigkeit jener Kunsterscheinung, die ihren blendenden internationalen Ruhmesglanz mit Ausnutzung aller Mittel einer korrumpierten Presse noch Jahrzehnte hindurch zu behaupten gewußt hat. Noch bei seinem Einzug in die Weltstadt hatte er sich über ihren wahren Wert zu täuschen vermocht. Seine eigene mächtige Entwickelung während dieser drei Pariser Jahre hatte ihm die Augen geöffnet. Somit bietet uns diese Äußerung die Ergänzung und das notwendige Korrelat zu jener anderen früher zitierten, ebenfalls an Schumann gerichteten (S. 391). Dort ist es die Aufwallung eines verfrühten Dankbarkeitsgefühles, die ihn auch gegen den Künstler milde zu stimmen scheint; die seitdem gemachten Erfahrungen haben die tiefere, bleibende Auffassung in ihm angebahnt, die es ihm zeitlebens als eine wahre Erleichterung hat erscheinen lassen, gerade gegen diesen unter allen lebenden Kunstgenossen am wenigsten Ursache zu persönlicher Dankbarkeit zu haben.

Aber noch unter einem anderen Gesichtspunkte hat jene ausführliche Besprechung des Halévyschen Werkes für die Gazette musicale, so sehr sie an sich aus der bloß äußerlichen Veranlassung des journalistischen Frondienstes hervorging, ein charakteristisches Interesse für ihn selber behalten. Es verknüpfte sich damit für ihn eine besondere Erfahrung, die ihm noch dreißig Jahre später in der Erinnerung fortlebte. Anläßlich dieser Besprechung war es ihm begegnet, daß er – in voller Aufrichtigkeit der französischen Opernmusik gegenüber der italienischen das Wort redend – die Verseichtigung des Geschmackes an der ›großen Oper‹ beklagte, in welcher damals Donizetti mit seiner ungenierten schlaffen Manier die vorhandenen Ansätze zur Ausbildung eines eigentümlichen, spezifisch französischen Stiles für diese große Oper, immer fühlbarer verdrängte. So wies er denn auf [434] die ›Stum me von Portici‹ und fragte, wie sich dieser gegenüber, sowohl in betreff des dramatischen Stiles, als selbst auch der musikalischen Erfindung, die sonst auf jenem Theater heimischen Opern italienischer Komponisten, und selbst Rossinis verhielten? ›Ich mußte nun erfahren, daß ein Satz, in welchem ich diese Frage zugunsten der französischen Musik beantwortet hatte, von dem Redakteur jener Zeitschrift unterdrückt worden war; Herr Ed. Monnais, damals zugleich Generalinspektor aller königlichen Theater in Frankreich, erklärte mir auf meine hierüber erhobene Beschwerde, er könnte unmöglich einen Passus durchgehen lassen, in welchem Rossini zum Vorteile Aubers kritisiert würde. Vergebens war es, dem Mann zu bedeuten, daß es mir ja nicht eingefallen sei, Rossini und seine Musik zu kritisieren, sondern nur dessen Verhältnis zur großen französischen Oper und deren Stil; daß ich außerdem an sein patriotisches Herz zu appellieren habe, dem es doch fühlbar wohltun müßte, einen Deutschen für den Wert und die Bedeutung seines Landsmannes Auber mit Energie eintreten zu sehen. Mir ward entgegnet, wenn ich auf das Gebiet der Politik übertreten wollte, so stünden mir politische Zeitungen zur Aufrechterhaltung Aubers gegen Rossini genügend zu Gebote: nur in einer musikalischen Zeitung sei so etwas unmöglich zu gestatten. Ich blieb abgewiesen, und Auber sollte nie erfahren, in welchen Konflikt ich für ihn geraten war‹.

Die sonderbar geringschätzige Ansicht der ›höheren Pariser Musikwelt‹ über den französischesten aller Opernkomponisten stand in genauem Zusammenhang damit, daß, wie nach Wagners eigenem Ausdruck die ›Stumme‹ selbst als ein Exzeß ihres, sonst so witzig kühlen, Autors zu betrachten sei, auch der damit so eng zusammenhängende politische Vorgang der ›Julirevolution‹ von den französischen Politikern, ja genau genommen von der ganzen Bevölkerung, als ein ›Exzeß des Pariser Volksgeistes‹ betrachtet wurde: die bloße Erinnerung daran degoûtierte. ›Die Stumme ward dann und wann als Lückenbüßer und zwar in so vernachlässigter Aufführung gegeben, daß man mir von einem Besuche derselben abriet. Sollte mich Auber amüsieren, so habe ich, sagte man mir, in den Domino noir oder die Diamants de la couronne31 zu gehen‹. Ganz folgerichtig war denn auch die für die Translation der Juli-Gefallenen zu komponierende Symphonie dem eigentlichen ›Exzedenten‹ der französischen Musikwelt – Berlioz – überwiesen worden. Wagner hatte sie in diesem seinem letzten Pariser Winter in einem Konzert, womit der phantastische Komponist das Publikum ›systematisch aus der Haut trieb‹, zum zweiten Male gehört, nachdem sie ihn schon im Juli 1840, bei ihrer ersten öffentlichen Aufführung, zu lebhaftem Ausdruck sei nes Entzückens veranlaßt hatte. ›Wer vor Langeweile und Degoût‹, so berichtet er über diese Musikaufführung, [435] ›noch nicht aus der Haut gefahren war, der mußte zum Schluß seiner Apotheose in der Juli-Symphonie – es vor Freude tun; denn das ist das Merkwürdige: in diesem letzten Satze sind Sachen, die an Großartigkeit und Erhabenheit von nichts übertroffen werden können‹...

Schlimmer als die Nötigung, in der Gazette musicale als rezensierender Journalist sich vernehmen zu lassen, war der fortdauernde Zwang des, Frondienstes bei Schlesinger als Arrangeur von Opernmelodien. Über dieser emwürdigenden Tätigkeit – während ihm im Innern bereits der ›Tannhäuser‹ sich regte! – den Humor nicht zu verlieren, dazu gehörte nun schon die Aussicht auf die baldige Wendung seines Schicksals, mit der er im Geiste schon ganz in der bald zu betretenden heimischen Welt lebte. Immer näher rückte die dafür angesetzte Zeit; der Frühling sandte seine ersten warmen Boten und – bis zum letzten Augenblick seines Pariser Aufenthaltes schenkte ihm dieses nicht eine Note dieser fatalen ›Arrangements‹. Es nötigte ihn vielmehr dazu, einen Teil dieser traurigen Zeugen seiner schlimmsten Leiden, deren vorschußweise Vorausbezahlung ihm die Mittel zur Heimkehr verschaffte, noch nach Deutschland mit sich zu nehmen!32

Am Donnerstag den 7. April schlug die ersehnte Abschiedsstunde: er verließ Paris, 29 Jahre alt, nach fast dreijährigem Aufenthalt. ›Kinder, Kinder! wie mir euer Paris vorkam!‹ so ruft er aus der erreichten Heimat den zurückgebliebenen treuen Freunden zu, – ›diese große Mördergrube, wo wir mit unseren naiven und einfältigen Bestrebungen in aller Stille und Unbeachtetheit zu Tode gehetzt wurden!‹ – Unaufhaltsam ging es der Grenze zu: ›zum ersten Male sah ich den Rhein: mit hellen Tränen im Auge schwur ich armer Künstler meinem deutschen Vaterlande ewige Treue‹. Seine direkte Reise nach Dresden führte ihn durch das thüringische Tal: dort oben auf belaubter Höhe, im ersten Grün des erwachenden Frühlings prangend, begrüßte er die ihm bereits gefeite Wartburg mit ihren Zinnen und Türmen. Wie unsäglich heimisch und anregend wirkte ihr Anblick auf den lange Verschlagenen!

Fußnoten

1 Der ausführliche Abschnitt über Berlioz ist in den ›Bayr. Blättern‹ 1884, S. 65 ff. reproduziert, das Fragment über Liszt auf S. 386 des gegenwärtigen Bandes.


2 Den Text zum ›Vaiaseau fantôme‹ von Pierre Dietsch soll er übrigens nicht selbst verfaßt, sondern nur nach Pariser Gebrauch seinen klangvolleren Namen dazu hergeliehen haben.


3 Auch daß jeder der drei Akte mit einem Chor beginnt, bemerkt in treffender Beobachtung H. S. Chamberlain, beruhe noch auf der althergebrachten Operngewohnheit; nach dem ›Holländer‹ hat Wagner fast nie mehr einen Chor im Anfange eines Aufzuges angebracht (Chamberlain, ›R. Wagner‹ S. 241 der illustrierten Ausgabe, wo auch als Faksimile das Personenverzeichnis des ›fliegenden Holländers‹ in dieser ersten Fassung mitgeteilt ist).


4 Franz Liszt, Gesammelte Schriften Band III, 2, S. 149–247.


5 Daß jenen letzten, leichten Schleier selbst auch die musikalische Ausführung des Werkes (im Juli und August 1840) nicht völlig zu heben und aufzulösen vermochte, – das erfahren wir durch einen in mehr als einer Beziehung interessanten Brief des jungen Meisters an Herrn v. Küstner vom 14. Juni 1842, wo immer noch, anläßlich der voraussichtlichen Berliner Besetzung der Partien von ›Donald‹ und ›Georg‹ die Rede ist! (veröffentlicht durch Dr. W. Altmann in der Zeitschrift, ›Die Musik‹ 1903, II, S. 343).


6 Offenbar durch einen bloßen Druckfehler der ›Europa‹ ist das dem Namen Freudenfeuer vorausgesetzte W. beim Abdruck des zweiten Artikels in ein V. verwandelt.


7 ›Le Freischutz, Bericht nach Deutschland‹, Ges. Schr. I, S. 274 ff.


8 Das Original dieses Briefes, ebenfalls an den Hofrat Winkler, als Vormund der Weberschen Familie gerichtet, befindet sich im Nachlaß des Herrn Alfred Bovet in Valentigney. Über den weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. Briefe an Uhlig, Fischer, Heine, S. 369–71.


9 In seinem vollen Wortlaut veröffentlicht ist dieser Brief, der erste von Wagner an eine Berliner Intendanz gerichtete, durch Dr. Wilhelm Altmann in seiner ausführlichen Abhandlung ›Richard Wagner und die Berliner Generalintendantur, Verhandlungen über den fliegenden Holländer und Tannhäuser‹ (›Die Musik‹ 1903, II, S. 333/34).


10 Alle einzelnen Phasen dieser Verhandlungen, die trotz der am 14. Dezember 1842 erfolgten Annahme erst im Januar 1844 ihren Abschluß fanden, sind in dem ebengenannten Artikel genau zu verfolgen.


11 Das ungedruckte Original, drei Seiten Oktav, eng geschrieben in feinster Schrift, mit der Adresse: ›An die Mutter‹ ist im Besitz des Herrn Ferdinand Avenarius. Das Doppelblatt in Oktav war dreifach zusammengefaltet und mit einer Oblate verschlossen; beim schnellen Öffnen durch die Empfängerin ist in dem zweiten Blatte ein unbedeutendes Loch im Papier entstanden und drei fehlende Zeilenausgänge sind, gerade in dem Satze. ›Der ist der Würdigste‹ – deutlich lesbar – an den oberen Rand desselben Blattes übertragen.


12 Das ungedruckte Original, eine Seite Oktav seingeschrieben, ist im Besitz des Herrn Ferd. Avenarius.


13 Briefe an Uhlig, Fischer, Heine, S. 260 u. 367.


14 Ges. Schr. I, S. 231–39.


15 ›Bericht über eine neue Pariser Oper‹, Ges. Schr. I. S. 301–319. Man beachte die im Beginn desselben enthaltenen Umriß-Porträtskizzen des ›Mr. Maurice‹ und der eigenen Person des Verfassers: ›Wer ist jener Mann mit dem schwarzen Haar und geschäftig umherstreifenden Blicke? usw. Das ist niemand anders als der Musikverleger, der bereits im voraus dem Komponisten 30000 Franken für die neue Partitur bezahlt hat. Seht ihr dort den jungen Musiker, mit bleicher Miene und verzehrendem Ausdruck der Augen? Mit besorgter Hast hört er der Aufführung zu: ist das Enthusiasmus oder Eifersucht? Ach, es ist die Sorge um das tägliche Brot: – denn wenn jene neue Oper Glück macht, hat er zu hoffen, daß jener Verleger bei ihm »Phantasieen« und »Airs variés« über »Lieblingsmelodieen« derselben bestellt‹.


16 Von Th. Hell unter dem Titel ›Fesseln‹ für die deutschen Theater übersetzt.


17 Veröffentlicht in vollem Wortlaut durch Dr. W. Altmann (›Die Musik‹ 1903, II, S. 335/36) in dem bereits zitierten Aufsatz ›R. Wagner und die Berliner Generalintendantur‹.


18 Die obigen Zitate aus diesem tief ergreifenden Schriftstück genügen, um auf das deutlichste zu erweisen, wie sehr auch in diesem Falle die gar nicht genug zu schätzenden Darlegungen Chamberlains (›Bayr. Blätter‹, 1894 S. 26–27) über Wagners briefliche Herzensergießungen im Rechte sind. ›Diese beweisen zunächst immer nur sein leidenschaftliches Bedürfnis nach Liebe, und sodann seine gänzliche Vereinsamung; sie als ein Zeugnis von dem Wert des Adressaten aufzufassen ist mehr naiv als weise‹. ›Wer geflissentlich übersieht, daß das Genie nicht bloß in seinen Werken, sondern in allen Lebensäußerungen, »Genie« – d. h. schöpferisch – ist und bleibt, wird es hier schwerlich jemals bis zum Verständnis bringen: die Phantasie hat bei fast allen Freundschaftsverhältnissen Wagners die Hauptrolle gespielt.‹ Wenn in irgend einem Verkehr, so gilt dies aber namentlich von demjenigen mit einem so kalten Spekulanten, als Meyerbeer, über dessen wahre Gesinnung gegen ihn er sich schon aus dem Grunde immer wieder täuschen mußte, weil er zu ihrer Beurteilung in seinem Innern auch nicht den mindesten Maßstab fand.


19 Vgl. Ges. Schr. X, 198: ›Mein seliger Kollege in der Dresdener Kapellmeisterei, Gottlieb Reißiger, der Komponist des letzten Gedanken Webers, beklagte sich bei mir einmal bitter, daß ganz dieselbe Melodie, welche in Bellinis »Romeo und Julia« stets das Publikum hinriß, in seiner »Adele de Foix« gar keine Wirkung tun wollte.‹


20 Vgl. die Briefe an Fischer (5. Febr.) und an Ferd. Heine (vom 16. März), von denen der erstere irrtümlicher Weise vom 5. Januar 1842 datiert ist.


21 Alle einzelnen, bloß durch des jungen Meisters Antreiben und die Beredtsamkeit seiner brieflichen Mitteilungen bewirkten, Schritte der Berliner Intendanz in dieser Sache sind in dem mehrerwähnten Artikel von W. Altmann (›Die Musik‹ 1903) dokumentarisch festgehalten: am 7. Dezember Meyerbeers mündliche Unterredung mit dem Grafen Redern; am 9., offenbar durch Wagners feurigen Brief veranlaßt, Meyerbeers schriftliche Verwendung zugunsten des Werkes; am 14. Rederns Mitteilung an Wagner, daß Buch und Partitur richtig eingegangen und von Meyerbeer besonders empfohlen seien; dann schleppt sich die Angelegenheit zunächst vier Wochen lang bis zum 8. Januar hin, wo seitens des Kapellmeisters Henning und des Regisseurs Bon Lichtenstein ein Gutachten mit mancherlei Bedenken gegen die bühnentechnische Ausführbarkeit des ›ebenso genialen als originellen Werkes‹ abgegeben wird, dann – eine verhängnisvolle Stockung, die ohne Wagners erneutes Eingreifen leicht zum völligen Vergessen der Angelegenheit hätte führen können!


22 Die Adresse des obigen Briefchens lautet: ›Sr. Wohlgeboren dem ausgezeichneten Buchhändler und vortrefflichen Schwager zu Paris‹; es enthält außer dem oben mitgeteilten noch einen Satz, in welchem er dem Empfänger in rührender Weise das Porto zu seinem nach Berlin zu richtenden Briefe aufdrängt! ›Wiederum ist uns auf der Rückseite von Avenarius‹ zierlich-feiner Handschrift das Konzept seines am folgenden Tage (3. März) an die ›Herren Asher & Co. in Berlin‹ gerichteten Schreibens erhalten.A1


23 ›Die Musik‹ 1903 II, S. 338. Zu dem von Wagner gebrauchten Ausdruck ›schnelle Entscheidung‹ macht allerdings der verdiente Herausgeber jenes Briefes von sich aus ein verwundertes sic‹!


24 ›Ach glaubt nur, uns wird es immer butterweich ums Herz, wenn wir Eurer gedenken: dieser 5te September, und der im vorigen Jahre!!! O Himmel, welch ein Abstand!!‹ (briefl. 11. Sept. 1842).


25 Die noch in der ersten Ausgabe dieses Buches erwähnte zweifelhafte Möglichkeit, ob Immermanns 1828 erschienenes Drama ›Kaiser Friedrich II.‹ (worin die beiden Söhne des Kaisers, Enzio und Manfred, die schöne Roxelane lieben, von der sie erfahren müssen, daß sie ihre Schwester und die Tochter Kaiser Friedrichs sei) an der Entstehung der ›Sarazenin‹ irgendwelchen Anteil habe, hat uns seitdem nicht an Wahrscheinlichkeit gewonnen; doch möge sie an dieser Stelle mit angeführt sein.


26 Der Jahrgang 1889 der ›Bayreuther Blätter‹, S. 6–28 enthält den vollständigen Abdruck dieses, seinerzeit von dem Meister selbst zur Aufnahme in die ›Gesammelten Schriften‹ bestimmt gewesenen Entwurfes, – leider nicht nach der, bis jetzt spurlos verschwundenen Originalhandschrift, nach welcher bereits im Jahre 1871 alle Nachforschungen vergeblich geblieben waren, sondern nach einer von fremder Hand genommenen Abschrift mit mancherlei Schreibfehlern und Auslassungen. Zu den ersteren gehört u. a. der durch eine irrtümliche Lesung der Schriftzüge Wagners entstandene Name ›Laxua‹ statt ›Capua‹. Er ist auch in den Ergänzungsband der ›Ges. Schr.‹ übergegangen.


27 Diese ausdrückliche Erwähnung eines Volksbuches vom Tannhäuser beruht nach der Annahme eines, mit genauester Fachkenntnis ausgestatteten Beurteilers, des Dr. Wolfgang Golther (›Bayr. Blätter‹ 1889, S. 139, 141, 147–48), da es ein eigentliches ›Volksbuch‹ vom Tannhäuser nicht gibt, sehr wahrscheinlich auf einer Verwechselung mit der Prosa-Erzählung der Tannhäusersage in den ›Deutschen Sagen‹ der Brüder Grimm (I, Nr. 171).


28 Sie bildet den letzten Teil der nicht weiter fortgesetzten ›Abhandlungen der kgl. Deutschen Gesellschaft zu Königsberg‹.


29 Wagner, Ges. Schr. III, 57.


30 ›Halévy et la Reine de Chypre‹ (Gazette musicale 1842, S. 75, 100, 179, 187). Das Original dieses, von dem in die ›Gesammelten Schriften‹ aufgenommenen ganz verschiedenen Aufsatzes – vgl. den doppelten Freischütz-Artikel für Paris und für Deutschland! – wurde nachmals als Autograph in dem widrigen Händlerdeutsch als ›prachtvolle Pièce von schönster Erhaltung‹ angepriesen und für 150 Mark an einen unbekannten Liebhaber verkauft! Es ist kaum anzunehmen, daß das einst dafür empfangene Honorar des jungen Meisters dafür sehr viel mehr betragen haben sollte! Auf der Rückseite des zwölften Blattes findet sich die Notiz: ›Im Auftrage des Herrn Schlesinger sende ich Herrn Düesberg (als Übersetzer?) die Fortsetzung meines Artikels über Halévy, welche in der nächsten Nummer erscheinen soll usw. Paris, 26. Februar 1842. Richard Wagner‹. – Von jenem ›unbekannten Liebhaber‹ ist es alsdann durch Vermittlung des Herrn Chamberlain (kurz nach dem Erscheinen der letzten Auflage dieses Bandes) für den wiederum erhöhten Kaufpreis von 200 Mark in den Besitz des Hauses Wahnfried gelangt.


31 Wagners Urteil über diese Erzeugnisse der Auberschen Muse siehe auf S. 353 Anm.


32 Vgl. den Brief an Uhlig vom Mai 1852: ›Als ich vor zehn Jahren Paris verließ schleppte ich die Hugenotten (Quatuor), Robert le Diable (2 Violons), la Reine de Chypre und Zanetta mit, weil ich darnach und davon noch Arrangements zu machen hatte: da mir diese Arbeiten in Deutschland unmöglich wurden, zahlte ich später die Vorschüsse zurück, behielt aber die Mustermusikalien, die Deine Phantasie jetzt allerdings grausam beschäftigt haben mögen‹. (Briefe an Uhlig, S. 190.)


A1 ›Die vorliegende Zuschrift‹, heißt es darin, ›ist von Herrn Richard Wagner, welcher mit Herrn Meyerbeer bekannt und in Verbindung, ihm schon vor längerer Zeit die Partitur einer Oper »Der fliegende Höllander« gesandt hat, ohne von Herrn Meyerbeer, der kein sehr pünktlicher Korrespondent zu sein scheint, bis jetzt darüber Nachricht zu erhalten. Herr Wagner wünschte nun zu wissen, ob er die Oper empfangen, und was er damit zu tun gedenke, und ich nehme Ihre Güte in Anspruch, um meinem Freunde und Verwandten diese Auskunft zu verschaffen, ihm wenigstens keinen Zweifel über den Empfang der Partitur zu lassen.‹

Quelle:
Glasenapp, Carl Friedrich: Das Leben Richard Wagners in 6 Büchern. Band 1, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1905, S. 409-436.
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