10.

So war der Stand der musikalischen Angelegenheiten als Mozart nach Paris kam. Natürlich hatten weder die Erfolge auf beiden Seiten noch die Streitschriften eine endgültige Entscheidung herbeigeführt. Wir wissen jetzt daß Gluck Sieger geblieben ist, und daß, so wie fortan von einem Einfluß von Lully und Rameau nicht mehr die Rede sein kann, Gluck den wesentlichen Charakter der großen französischen Oper bis heute bestimmt hat, wie sehr auch zu verschiedener Zeit und auf verschiedene Art italiänische Elemente modificirend hinzugetreten [256] sind. Damals aber standen Gluckisten und Piccinisten einander erbitterter und einseitiger gegenüber als je, und die altnationale Partei, obwohl zurückgedrängt, suchte sich beider zu erwehren1. Das Interesse des Publicums war dadurch allerdings lebhafter als je erregt, aber wie gewöhnlich mehr für den litterarischen Skandal und die Personen, welche sich an demselben betheiligten, als für die Kunst; und wenn man sich in die Opern drängte, so wollten die Meisten nicht genießen sondern mitreden können.

Das waren keine günstigen Umstände für einen jungen Künstler, der sich Anerkennung und eine ehrenvolle Stellung erwerben wollte, da es, um nur gehört zu werden, nothwendig war sich zu einer der Parteien zu schlagen, also auf das zu verzichten, worauf die wahre Auszeichnung beruht, auf Selbständigkeit. Denn um den Kampf der erbitterten Parteien niederzuschlagen und durch einen außerordentlichen Erfolg alle zur Anerkennung zu vereinigen, das konnte in diesem Augenblick in Paris auch das überlegene Genie durch sich allein nicht erreichen: und nur dieses war es, was Mozart mit nach Paris brachte.

Eine Empfehlung an die Königin Marie Antoinette von Wien aus zu erlangen war ihm nicht geglückt und die vornehme Welt zu gewinnen war unter diesen Umständen keine leichte Aufgabe. Ebenso wenig durfte er von seinen Kunstgenossen sich bereitwillige Unterstützung versprechen, da einer gegen den andern stand und jeder Alles aufbot um sich selbst [257] durchzuschlagen. Gluck war nicht mehr in Paris, als Wolfgang dorthin kam, einen näheren Verkehr mit Piccinni, dem er von Italien her bekannt war (I S. 191), suchte er nicht2 und von einer Bekanntschaft mit Gretty findet sich keine Spur3; vor ihrer Eifersucht hatte der Vater ihn gewarnt. Auf Künstlerneid war er gefaßt und hatte ihn bereits erfahren; allein in Paris waren damals die Schriftsteller, die gens de lettres, die eigentlich tonangebende Macht; die Kritik in Journalen und Flugschriften, die Epigramme und Bonmots der litterarischen Cirkel beherrschten die öffentliche Meinung, und gründliche Kenntniß der Musik war auch damals in der Regel das geringste Erforderniß für eine wirksame Thätigkeit auf diesem Gebiet. Das war eine neue Welt für Wolfgang, in welcher er sich schwerlich mit Erfolg und Behagen bewegt haben würde, wenn er auch den Zugang zu derselben gefunden hätte. Grimm, der ihn hätte einführen können, war in musikalischen Angelegenheiten selbst Parteimann und galt daher auch nur bei seiner Partei; überdieß mußte er sich bald überzeugen daß Mozart für diese Art von Verkehr nicht geeignet war. Indeß nahm er ihn sehr freundlich auf und suchte für ihn durch Empfehlungen zu wirken wo er konnte; in ihrer Ansicht über die französische Musik stimmten sie ganz mit einander überein. »Baron Grimm und ich« schrieb Mozart (5. April 1778) »lassen oft [258] unsern musikalischen Zorn über die hiesige Musik aus, NB. unter uns; denn im Publico heißt es: Bravo, Bravissimo, und da klatscht man, daß einem die Finger brennen.« Und ein andermal sagt er: »Was mich am meisten bey der Sache ärgert, ist, daß die Herren Franzosen ihrenGoût nur in so weit verbessert haben, daß sie nun das Gute auch hören können. Daß sie aber einsähen, daß ihre Musik schlecht scy – ey bey Leibe! – Und das Singen! oimè! – Wenn nur keine Französin italienische Arien sänge, ich würde ihr ihre französische Plärrerey noch verzeihen; aber gute Musik zu verderben, das ist nicht auszustehen«4.

Ihre äußere Situation war nicht eben angenehm. Um zu sparen – denn die Mutter fand alles in Paris um die Hälfte theurer geworden – behalfen sie sich mit einem Logis, welches unfreundlich und dunkel und so klein war daß nicht einmal ein Klavier darin Platz fand. Was aber ihnen und namentlich Wolfgang das Leben anfangs sehr erleichterte war der Umstand, daß sie ihre Freunde aus Mannheim dort fanden. Wendling, – von dessen Irreligiosität nun nicht mehr die Rede ist – »Wendling« schreibt die Mutter (5. April 1778) »hat Wolfgang in großen Credit vor seiner Ankunft gesetzt und jetzt hat er ihn bey seinen Freunden aufgeführt. Er ist doch ein wahrer Menschenfreund und Mons. v. Grimm hat [259] dem Wendling auch zugesprochen, weil er als ein Musicus mehr Credit hat als er, sein Möglichstes zu thun, damit er bald bekannt wird.« Auch mit Raaff wurde er nun in Paris erst näher bekannt und lernte ihn als Künstler und als seinen Freund hoch schätzen. Nicht wenig trug dazu bei daß Raaff sich für die Familie Weber interessirte, die Leistungen Aloysias würdigte, ihr Unterricht zu geben versprach und Mozarts Neigung für sie billigte; was für ihn ein um so größerer Trost war, da er gegen seinen Vater sich nicht bestimmt darüber auszusprechen wagte, obwohl er kein Hehl daraus hatte daß er mit Webers in Correspondenz stehe und gelegentlich Aeußerungen that, die wohl nur ihm als versteckte Andeutungen seiner Wünsche und Gefühle erscheinen konnten5. Seine Stimmung war begreiflicherweise nicht die beste. »Ich befinde mich« schreibt er (29. März 1778) »Gott Lob und Dank so erträglich; übrigens aber weiß ich oft nicht, ist es gehauen oder gestochen, mir ist weder kalt noch warm, finde an nichts viel Freude; was mich aber am meisten aufrichtet und guten Muths erhält ist der Gedanke, daß Sie, liebster Papa, und meine liebe Schwester sich gut befinden6, daß ich ein ehrlicher [260] Teutscher bin und daß ich, wenn ich schon allezeit nicht reden darf, doch wenigstens denken darf was ich will; – das ist aber auch das Einzige.« Um so erquicklicher war ihm dann eine gemüthliche Unterhaltung mit musikalischen Landsleuten. Eine solche fand er beim pfälzischen Gesandten, Grafen von Sickingen, an welchen ihn Gemmingen und Cannabich empfohlen hatten und bei dem ihn Raaff auch persönlich einführte. »Er ist«, schreibt Mozart (29. März 1778) »ein charmanter Herr, passionirter Liebhaber und wahrer Kenner der Musik. Ich habe ganz allein bey ihm 8 Stunden zugebracht; da waren wir vormittags und nachmittags bis abends 10 Uhr immer beym Clavier – allerley Musique durchgemacht, belobet, bewundert, recensirt, raisonnirt und critisirt; er hat so beyläufig 30 spartiti von Opern«7.

[261] Durch die Mannheimer Freunde, welche für das Concert spirituel8 engagirt waren, wurde er auch mit dem Director derselben, Le Gros9, bekannt gemacht und erhielt von demselben [262] auch sogleich einen Auftrag, worüber er dem Vater berichtet (5. April 1778). »Herr Kapellmeister Holzbauer hat ein Miserere her geschickt; weil aber zu Mannheim die Chöre schwach und schlecht besetzt sind, hier aber stark und gut, so hätten seine Chöre keinen Effect gemacht: daher hat Mr. Le Gros (Directeur vom Concert spirituel) mich ersucht, andere Chöre zu machen10. – Ich kann sagen, daß ich recht froh bin, daß ich mit dieser Schreiberey fertig bin; denn wenn man nicht zu Haus schreiben kann, und noch dazu pressirt wird, so ist es verflucht. Nun bin ich, Gott Lob und Dank, damit fertig, und hoffe, es wird seinen Effect machen. Mr.[263] Gossec11, den Sie kennen müssen, hat, nachdem er meinen ersten Chor gesehen hat, zum Mr. Le Gros (ich war nicht dabey) gesagt, daß er charmant sey und gewiß einen guten Effect machen wird, daß die Wörter so gut arrangirt seyen und überhaupt vortrefflich gesetzt sey. Er ist mein sehr guter Freund und ein sehr trockener Mann.«

Dem Vater machte diese Hetzerei – denn es waren Wolfgang nur einige Tage dazu gegeben – bei der ersten Arbeit, mit welcher dieser vor das Pariser Publicum treten sollte, große Unruhe; sie war überflüssig, denn im nächsten Brief berichtet ihm der Sehn (1. März 1778): »Das muß ich Ihnen geschwind im Vorbeygehen sagen, daß meine Chöre-Arbeit, so zu sagen, umsonst war; denn das Miserere von Holzbauer ist ohnedieß lang und hat nicht gefallen, mithin hat man anstatt vier, nur zwey Chöre von mir gemacht, und folglich das Beste ausgelassen. Das hat aber nicht viel zu sagen gehabt, denn Viele haben nicht gewußt, daß Etwas [264] von mir dabey ist, und Viele haben mich auch gar nicht gekannt. Uebrigens war aber bey der Prob ein großer Beyfall, und ich selbst (denn auf das Pariser Lob rechne ich nicht) bin sehr mit meinen Chören zufrieden.«

Eine andere Arbeit wurde ebenfalls durch die Anwesenheit der Mannheimer Virtuosen veranlaßt, zu denen sich noch der berühmte Hornist Punto12 gesellte, der auch nach Mozarts Urtheil »magnifique blies«. Mozart machte sich sogleich daran eine Sinfonie concertante für Flöte (Wendling), Oboe (Ramm), Waldhorn (Punto) und Fagott (Ritter) zu schreiben, die in einem der nächsten Concerte aufgeführt werden sollte. Indessen mußte er bald seinem Vater melden (1. Mai 1778): »Nun aber mit der Sinfonie concertante hat es wieder ein Hickl-Hackl. Da aber, glaube ich, ist wieder was Anderes dazwischen, denn ich habe auch hier meine Feinde; wo habe ich sie aber nicht gehabt? – Das ist aber ein gutes Zeichen. Ich habe die Sinfonie machen müssen in größter Eile, habe mich sehr beflissen, und die vier Concertanten waren und sind noch ganz darin verliebt. Le Gros hat sie vier Täg zum Abschreiben, ich finde sie aber noch immer am nämlichen Platz liegen. Endlich den vorletzten Tag finde ich sie nicht, – suche aber recht unter den Musikalien, und finde sie versteckt. Thue nichts dergleichen, frage den Le Gros: à propos, haben Sie die Sinfonie concertante schon zum Schreiben geben? – Nein, ich habs vergessen. – Weil ich ihm natürlicher Weise nicht befehlen kann, daß er sie abschreiben [265] und machen lassen soll, so sagte ich nichts. Ging die zwey Täg, wo sie hätte executirt werden sollen, ins Concert, da kam Ramm und Punto im größten Feuer zu mir und fragten mich, warum denn meine Sinfonie concertante nicht gemacht wird? – Das weiß ich nicht, das ist das Erste, was ich höre, ich weiß von Nichts. – Der Ramm ist fuchswild geworden, und hat in dem Musiquezimmer französisch über den Le Gros geschmält, daß dieß von ihm nicht schön seye u.s.w. Was mich bey der ganzen Sache am meisten verdrießt, ist, daß der Le Gros mir gar kein Wort davon gesagt hat, nur ich habe davon nichts wissen dürfen. Wenn er doch eine Excuse gemacht hätte, daß ihm die Zeit zu kurz wäre, oder dergleichen; aber gar nichts13. Ich glaube aber, da ist der Cambini14, ein welscher Maestro hier, Ursache; dann dem habe ich unschuldiger Weise die Augen in der ersten Zusammenkunst beym Le Gros ausgelöscht. Er hat Quartetti gemacht, wovon ich eines zu Mannheim gehört habe, die [266] recht hübsch sind, und die lobte ich ihm dann und spielte ihm den Anfang; da waren aber der Ritter, Ramm und Punto, und ließen mir keinen Frieden, ich möchte fortfahren, und was ich nicht weiß, selbst dazu machen. Da machte ich es denn also so, und Cambini war ganz außer sich und konnte sich nicht enthalten zu sagen: Questa è una gran testa! Nun, das wird ihm halt nicht geschmeckt haben«15.

»Wenn hier ein Ort wäre, wo die Leute Ohren hätten, Herz zu empfinden, und nur ein wenig Etwas von der Musique verständen und Gusto hätten, so würde ich von Herzen zu allen diesen Sachen lachen, aber so bin ich unter lauter Viecher und Bestien (was die Musique anbelangt). Wie kann es aber anders seyn? Sie sind ja in allen ihren Handlungen, Leidenschaften und Passionen auch nicht anders – es giebt ja kein Ort in der Welt, wie Paris16. Sie dürfen nicht glauben, daß ich ausschweife, wenn ich von der hiesigen Musique so rede. Wenden Sie sich, an wen Sie wollen [267] – nur an keinen gebornen Franzosen – so wird man Ihnen (wenns Jemand ist, an den man sich wenden kann) das Nämliche sagen. Nun bin ich hier. Ich muß aushalten, und das Ihnen zu Liebe. Ich danke Gott dem Allmächtigen, wenn ich mit gesundem Gusto davon komme. Ich bitte alle Tage Gott, daß er mir die Gnade giebt, daß ich hier standhaft aushalten kann, daß ich mir und der ganzen deutschen Nation Ehre mache, und daß er zuläßt, daß ich mein Glück mache, brav Geld mache, damit ich im Stande bin, Ihnen dadurch aus Ihren dermaligen betrübten Umständen zu helfen, und daß wir bald zusammen kommen und glücklich und vergnügt mit einander leben können.«

Durch Grimms Vermittelung wurde er dem Herzog de Guines17 empfohlen, der wie Mozart selbst sagt, unvergleichlich [268] die Flöte, die Tochter aber magnifique die Harfe spielte18. Dies verschaffte ihm zunächst den Auftrag ein Concert für Flöte und Harfe zu componiren. Nun waren es zwar gerade diese beiden Instrumente, welche Mozart durchaus nicht leiden konnte19; allein das hinderte ihn nicht seine Aufgabe zur Zufriedenheit zu lösen20. Außerdem gab er der[269] Tochter täglich zwei Stunden in der Composition Unterricht, wofür eine glänzende Bezahlung in Aussicht stand21. »Sie hat« schreibt er (14. Mai 1778) »sehr viel Talent und Genie, besonders ein unvergleichliches Gedächtniß, indem sie alle ihre Stücke, deren sie wirklich 200 kann, auswendig spielt. Sie zweifelt aber stark, ob sie auch Genie zur Composition hat – besonders wegen Gedanken – Ideen; ihr Vater aber[270] (der, unter uns gesagt, ein Bischen zu sehr in sie verliebt ist) sagt, sie habe ganz gewiß Ideen, es seye nur Blödigkeit – sie habe nur zu wenig Vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. Wenn sie keine Ideen oder Gedanken bekömmt (denn jetzt hat sie wirklich gar – keine), so ist es umsonst, denn – ich kann ihr, weiß Gott, keine geben. Die Intention vom Vater ist, keine große Componistin aus ihr zu machen. Sie soll, sagte er, keine Opern, keine Arien, keine Concerte, keine Symphonieen, sondern nur große Sonaten für ihr Instrument und für meins schreiben. Heute habe ich ihr die vierte Lection gegeben, und was die Regeln der Composition und das Setzen anbelangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden, – sie hat mir zu dem ersten Menuett, den ich ihr aufgesetzt, ganz gut den Baß dazu gemacht. Nun fängt sie schon an, dreystimmig zu schreiben. Es geht, aber sie ennuyirt sich; doch ich kann ihr nicht helfen, denn ich kann ohnmöglich weiter schreiten, es ist zu früh, wenn auch wirklich das Genie da wäre, so aber ist leider keines da – man wird Alles mit Kunst thun müssen. Sie hat gar keine Gedanken, es kömmt Nichts. Ich habe es auf alle mögliche Art mit ihr probirt; unter andern kam mir auch in Sinn, einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben, und zu versuchen, ob sie nicht eine Variation darüber machen könnte? – Ja, das war umsonst. – Nun, dachte ich, sie weiß halt nicht, wie und was sie anfangen soll – ich fing also nur den ersten Tact an zu variiren, und sagte ihr, sie solle so fortfahren und bey der Idee bleiben – das ging endlich so ziemlich. Wie das fertig war, so sprach ich ihr zu, sie möchte doch selbst Etwas anfangen, – nur die erste Stimme, eine Melodie – ja, sie besann sich eine ganze Viertlstund – und es kam nichts. Da schrieb ich also vier Täcte von einem Menuett und sagte zu ihr: Sehen Sie, was ich für ein Esel bin; [271] jetzt fange ich einen Menuett an, und kann nicht einmal den ersten Theil zu Ende bringen. Haben Sie doch die Güte und machen Sie ihn aus. Da glaubte sie, das wäre unmöglich. Endlich mit vieler Mühe – kam Etwas am Tag. Ich war doch froh, daß einmal Etwas kam. Dann mußte sie den Menuett ganz ausmachen, das heißt, nur die erste Stimme. Ueber Haus aber habe ich ihr nichts anders anbefohlen, als meine vier Tacte zu verändern und von ihr Etwas zu machen – einen andern Anfang zu erfinden, wenn es schon die nämliche Harmonie ist, wenn nur die Melodie anders ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist«22.

Er hatte außerdem noch einige Schüler, und hätte deren mehr haben können, wenn nicht in Paris Alles so weit entlegen und seine Zeit dadurch gar so sehr beschränkt worden wäre. Wir kennen schon die Abneigung, welche er hatte Unterricht zu geben, und so schrieb er denn auch von Paris (31. Juli 1778): »Lection zu geben ist hier kein Spaß – [272] Sie dürfen nicht glauben, daß es Faulheit ist – nein! sondern weil es ganz wider mein Genie, wider meine Lebensart ist. Sie wissen daß ich so zu sagen in der Musique stecke, daß ich den ganzen Tag damit umgehe, daß ich gern speculire, studire, überlege. Nun bin ich hier durch diese Lebensart dessen verhindert; ich werde freylich einige Stunden frey haben, allein die wenigen Stunden werden mir mehr zum Ausrasten als zum Arbeiten nothwendig sein.«

Auch Besuche bei vornehmen Leuten zu machen und ihre Gunst zu suchen war ihm höchlich zuwider, er empfand nur die Unannehmlichkeiten davon. »Sie schreiben mir« sagt er (1. Mai 1778) »daß ich brav Visiten machen werde, um Bekanntschaften zu machen und die alten wieder zu erneuern. Das ist aber nicht möglich. Zu Fuß ist es überall zu weit und zu kothig, denn in Paris ist ein unbeschreiblicher Dreck; in Wagen zu fahren – hat man die Ehre, gleich des Tages vier bis fünf Livres zu verfahren, und umsonst, denn die Leute machen nur Complimente und dann ist es aus; bestellen mich auf den und den Tag, da spiele ich, dann heißts: O c'est un prodige, c'est inconcevable, c'est étonnant – und hiermit à Dieu. Ich hab hier so anfangs Geld genug verfahren – und oft umsonst, daß ich die Leute nicht angetroffen habe. Wer nicht hier ist, der glaubt nicht, wie fatal daß es ist. Ueberhaupt hat sich Paris viel verändert; die Franzosen haben lange nicht mehr so viel Politesse, als vor funfzehn Jahren, sie gränzen itzt stark an die Grobheit, und hoffärtig sind sie abscheulich.«

Das Beispiel, welches er seinem Vater erzählt, rechtfertigt allerdings diesen Stoßseufzer vollkommen, und ist ebenso bezeichnend für die Impertinenz der vornehmen Gesellschaft gegen einen Künstler, den sie meint als ihren Clienten betrachten zu dürfen, wie für die völlige Wehrlosigkeit Mozarts [273] einem solchen Benehmen gegenüber, welche an einem Ort wie Paris jede Aussicht auf Erfolg abschneiden mußte.

»Mr. Grimm« schreibt er »gab mir einen Brief an Mad. la Duchesse de Chabot23, und da fuhr ich hin. Der Inhalt dieses Briefes war hauptsächlich, mich bey der Duchesse de Bourbon24 (die damals25 im Kloster war) zu recommandiren, und mich neuerdings bey ihr wieder bekannt zu machen und sich meiner erinnern zu machen. Da gingen acht Täg vorbey, ohne mindeste Nachricht. Sie hatte mich dort schon auf über acht Täg bestellt, und also hielt ich mein Wort und kam. Da mußte ich eine halbe Stund in einem eiskalten, ungeheizten und ohne mit Kamin versehenen großen Zimmer warten. Endlich kam die D. Chabot mit größter Höflichkeit, und bat mich mit dem Clavier vorlieb zu nehmen, indem keines von den ihrigen zugerichtet sey, ich möchte es versuchen. Ich sagte, ich wollte von Herzen gern Etwas spielen, aber jetzt sey es ohnmöglich, indem ich meine Finger nicht empfinde für Kälte, und bat sie, sie möchte mich doch aufs wenigste in ein Zimmer, wo ein Kamin mit Feuer ist, führen lassen. O oui, Monsieur, vous avez raison – das war die ganze Antwort. Dann setzte sie sich nieder und fing an, eine ganze Stunde zu zeichnen en Compagnie anderer Herren, die [274] alle in einem Zirkel um einen großen Tisch herum saßen. Da hatte ich die Ehre, eine ganze Stunde zu warten. Fenster und Thür waren offen; ich war nicht allein in Händen, sondern im ganzen Leib und Füßen kalt, und der Kopf fing mir auch gleich an wehe zu thun. Da war also altum silentium, und ich wußte nicht, was ich so lange vor Kälte, Kopfwehe und Langeweile anfangen sollte. Oft dachte ich mir, wenn's mir nicht um Mr. Grimm wäre, so ging ich den Augenblick wieder weg. Endlich, um kurz zu seyn, spielte ich auf dem miserabeln elenden Pianoforte. Was aber das Aergste war, daß die Madame und alle die Herren ihr Zeichnen keinen Augenblick unterließen, sondern immer fort machten und ich also für die Sesseln und Tisch und Mäuern spielen mußte. Bey diesen so übel bewandten Umständen verging mir die Geduld – ich fing also die Fischer'schen Variationen an, spielte die Hälfte und stand auf. Da waren eine Menge Eloges. Ich aber sagte, was zu sagen ist, nämlich daß ich mir mit diesem Clavier keine Ehre machen könnte, und mir sehr lieb seye, einen andern Tag zu wählen, wo ein besseres Clavier da wäre. Sie gab aber nicht nach, ich mußte noch eine halbe Stunde warten, bis ihr Herr26 kam. Der [275] aber setzte sich zu mir und hörte mit aller Aufmerksamkeit zu, und ich – ich vergaß darüber alle Kälte, Kopfwehe, und spielte ohngeachtet dem elenden Clavier so – wie ich spiele, wenn ich guter Laune bin. Geben Sie mir das beste Clavier von Europa, und aber Leute zu Zuhörern, die nichts verstehen, oder die nichts verstehen wollen, und die mit mir nicht empfinden, was ich spiele, so werde ich alle Freude verlieren. Ich hab dem Mr. Grimm nach der Hand Alles erzählt.«

Eine Aussicht auf die Organistenstelle zu Versailles, welche ihm durch Rudolf27 eröffnet worden war, erwies sich bei näherer Erwägung als nicht annehmbar; vielleicht war auch die Sache nicht so leicht gemacht, als sie anfangs erschienen war28.

[276] Mozarts einziger Wunsch war eigentlich Gelegenheit zu bekommen sich als Componisten geltend zu machen, vor allen Dingen durch eine Oper. Auch hierzu eröffneten sich sehr bald nach seiner Ankunft in Paris die besten Aussichten. Es war [277] ihm gelungen die Bekanntschaft Noverres zu machen, der, nachdem er das Ballet in Wien 1775 aufgegeben hatte, durch den Einfluß der Königin 1776 als Balletmeister an der großen Oper angestellt worden war29. Dieser hatte an Mozart so großes Wohlgefallen daß er ihn nicht allein einlud so oft als er wollte bei ihm zu speisen, sondern ihn aufforderte eine Oper zu schreiben. Er selbst gab als einen passenden Stoff Alexander und Roxane an und veranlaßte einen Dichter sich an die Bearbeitung desselben zu machen; dieser war mit dem ersten Act auch schon anfangs April fertig. Einen Monat später hoffte Mozart die ganze Poesie nächstens zu bekommen. Sie mußte dann freilich erst dem Director der großen Oper de Vismes30 zur Billigung vorgelegt werden; allein an dieser schien nicht zu zweifeln, da Noverre die Oper angegeben hatte, der einen entscheidenden Einfluß auf den Director besaß. Trotz aller Schwierigkeiten, die er hier zu überwinden hatte, wünschte er nichts mehr als nur Hand anlegen zu können. »Ich versichere« schreibt er dem Vater (31. Juli 1778) »daß, wenn ich eine Opera zu schreiben bekomme, mir gar nicht bang ist. Die Sprache hat der Teufel gemacht, das ist wahr, und ich sehe all die Schwierigkeiten, die alle Compositeurs gefunden haben, gänzlich ein; aber ohngeachtet dessen fühle ich mich im Stande diese Schwierigkeiten so gut als alle andern zu übersteigen – au contraire, wenn ich mir öfters vorstelle, [278] daß es richtig ist mit meiner Opera, so empfinde ich ein ganzes Feuer in meinem Leibe und zittere auf Hände und Füße für Begierde den Franzosen immer mehr die Teutschen kennen, schätzen und fürchten zu lehren«31.

So wie der Vater von der Aussicht auf eine Oper hört, schreibt er (12. April 1778): »Ich bitte Dich, höre nur, bevor Du für's Theater schreibst, ihre Opern und was ihnen sonderlich gefällt. Nun wirst Du ein ganzer Franzose werden und hoffentlich bedacht seyn, den wahren Accent der Sprache Dir anzugewöhnen«32. Und in derselben Weise fährt er fort in ihn zu dringen (29. April 1778): »Da Du mir schreibst, Du solltest eine Opera schreiben, so folge meinem Rathe, und gedenke, daß an dem ersten Stücke Dein ganzer Credit hängt. Höre, bevor Du schreibst, und überlege den Geschmack der Nation, höre oder betrachte ihre Opern. Ich kenne Dich, Du kannst Alles nachahmen. Schreib nicht in Eyle, – kein Vernünftiger thut das. Ueberlege die Worte [279] vorher mit Bar. v. Grimm und mit Noverre, mach Schizzi und laß solche sie hören. Alle machen es so: Voltaire liest seinen Freunden seine. Gedichte vor, hört ihr Urtheil und ändert«33.

Indessen erfuhr er, daß Noverre zu der Zeit, als er sich so warm für Mozarts Oper interessirte, sich mit einem neuen Ballet beschäftigte, zu welchem dieser die Musik schreiben sollte (14. Mai 1778). Als er nach geraumer Zeit sich erkündigte, wie es mit dem Ballet geworden sei und was es ihm eingebracht habe, hatte Wolfgang es beinahe schon wieder vergessen. »Wegen des Ballets des Noverre« antwortet er (9. Juli 1778) »habe ich ja nichts Anderes geschrieben als daß er vielleicht ein neues machen wird. Er hat just ein halbes Ballet gebraucht, und dazu machte ich die Musik, – das ist, sechs Stücke werden von Andern darin seyn, die bestehen aus lauter miserabeln französischen Arien; die Sinfonie und Contredanses, überhaupt zwölf Stücke werde ich dazu gemacht haben. – Dieses Ballet ist schon vier Mal mit größtem Beyfalle gegeben worden34. – Ich will aber jetzt absolument[280] nichts machen, wenn ich nicht voraus weiß, was ich dafür bekomme, denn dieß war nur ein Freundstück für Noverre.« Um dieses Freundsstück aber war es Noverre hauptsächlich zu thun gewesen; es war ihm, wie Le Gros, bequem, sich des Talents eines jungen Künstlers zu bedienen, der immer eifrig war zu componiren, immer bereit zu dienen und sich statt baarer Bezahlung mit der Aussicht und Hoffnung auf Protection abspeisen ließ, den man gar nicht einmal nannte, da er nur aushalf, so daß man auch dem Publicum gegenüber nichts wagte. Allein demselben unbekannten jungen Mann dazu verhelfen mit eigenen Arbeiten, gar mit einer Oper vor das Publicum zu treten, wo im Fall des Mißlingens den Gönner eine ebenso schwere Verantwortung traf als den Begünstigten, während dieser Ehre und Ruhm allein zu gewinnen hatte – das war eine Aufgabe, der man sich nicht so leicht unterzog. Nichts ist bezeichnender für die Arglosigkeit mit welcher Mozart sich gebrauchen ließ und nun auch darauf rechnete daß man ihn mit gleichem Eifer, gleicher Aufrichtigkeit zu fördern beflissen sei, als die sorglose Erklärung über die nie fertig werdenden Operntexte (9. Juli 1778). »Mit der Opera ist es dermalen so. Man findet sehr schwer ein gutes Poeme; die alten, welche die besten sind, sind nicht auf den modernen Styl eingerichtet, und die neuen sind alle nichts nutz; denn die Poesie, welches das Einzige war, wo die Franzosen haben drauf stolz seyn können, wird jetzt alle Tage schlechter, und die Poesie ist eben das Einzige hier, was gut seyn muß, weil sie die Musique nicht verstehen. – Es sind nun zwey Opern in aria, die ich schreiben könnte, eine en deux actes, die andere en trois. Die en deux actes ist [281] Alexandre et Roxane – der Poet aber, der sie schreibt, ist noch in der Champagne. Die en trois actes ist Demofont35 (von Metastasio), übersetzt und mit Chören und Tänzen vermischt, und überhaupt auf das französische Theatre arrangirt, von dieser habe ich auch noch nichts sehen können«36. Es war nur der natürliche Lauf der Dinge, daß Noverre nach monatelangem Warten ihm erklärte, zu einem Text wolle er ihm verhelfen, aber die Sicherheit daß die Oper auch aufgeführt [282] werde, wenn sie fertig sei, könne er ihm nicht verschaffen.

Einen Erfolg als Componist sollte er indeß doch in Paris haben. Er hatte begreiflicherweise Le Gros nicht wieder besucht, seitdem dieser die Sinfonie concertante so rücksichtslos bei Seite gelegt hatte, war aber alle Tage zu Raaff gekommen, der dort im Hause wohnte. Bei diesem hatte er dann auch zufällig einmal Le Gros getroffen, der ihm nun die höflichsten Entschuldigungen machte und ihn von Neuem einlud eine Symphonie für das Concert spirituel zu schreiben. Wie hätte Mozart dem widerstehen können? Am 12. Juni brachte er die eben fertig gewordene Symphonie mit zum Grafen Sickingen, wo auch Raaff war; »sie hat« schreibt er »allen Beyden überaus wohlgefallen. Ich bin auch sehr wohl damit zufrieden. Ob sie aber gefällt, das weiß ich nicht, – und die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig daran; denn, wem wird sie nicht gefallen? den wenigen gescheidten Franzosen, die da sind, stehe ich gut dafür, daß sie gefällt; den Dummen, – da sehe ich kein großes Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt. – Ich habe aber doch Hoffnung, daß die Esel auch Etwas daran finden, das ihnen gefallen kann; und dann habe ich ja den premier coup d'archet nicht verfehlt! – und das ist ja genug. Da machen die Ochsen hier ein Wesen daraus! Was Teufel! ich merke keinen Unterschied – sie fangen halt auch zugleich an – wie in andern Orten. Das ist zum Lachen«37.

[283] Allein die Symphonie gefiel allgemein ganz außerordentlich; »sie wurde« berichtet er (3. Juli 1778) »am Frohnleichnamstage mit allem Applauso aufgeführt. Es ist auch, so viel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen. – Sie hat also ausnehmend gefallen. Bey der Prob war es mir sehr bange, denn ich habe meine Lebetag nichts Schlechters gehört; Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Sinfonie zwey mal nach einander herunter gehudelt und herunter gekratzt haben. – Mir war wahrlich ganz bang, ich hätte sie gern noch einmal probirt; aber weil man allezeit so viel Sachen probirt, so war keine Zeit mehr. Ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem und zornigem Gemüth ins Bett gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht ins Concert zu gehen; es wurde aber Abends gut Wetter und ich entschloß mich endlich, mit dem Vorsatz, daß, wenn es so schlecht, wie bey der Prob ging, ich gewiß auf das Orchestre gehen werde, und dem Hrn. La Houssaye38, erstem Violin, die Violin aus der Hand nehmen und selbst dirigiren werde39. Ich bat [284] Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, indem alles zu seiner höchsten Ehre und Glorie ist, und ecce! die Sinfonie fing an. Raaff stund neben meiner, und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl wußte, daß sie gefallen müßte: alle Zuhörer wurden davon hingerissen, und war ein großes Applaudissement. – Weil ich aber wußte, wie ich sie schrieb, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie zuletzt noch einmal an, – da gings nun da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, daß hier alle letzte Allegros, wie die ersten, mit allen Instrumenten zugleich, und meistens unisono anfangen, so fing ichs mit den zwey Violinen alleinpiano nur acht Tacte an, – darauf kam gleich einForte, mithin machten die Zuhörer (wie ich es erwartete) beym Piano sch! – dann kam gleich das Forte. – Sie das Forte hören und die Hände zu klaischen war Eins. Ich ging also gleich vor Freude nach der Sinfonie ins Palais Royal, nahm ein guts Gefrornes, betete den Rosenkranz, den ich versprochen hatte, und ging nach Haus.«

Die Wirkung eines solchen Beifalls blieb auch nicht aus. »Der Mr. Le Gros ist erstaunlich für mich portirt«40 schreibt er (9. Juli 1778). »Meine Sinfonie fand allen Beifall, und Le Gros ist so damit zufrieden, daß er sagt das sey seine beste Sinfonie. Das Andante hat aber nicht das Glück gehabt ihn zufrieden zu stellen; er sagt, es sey zu viel Modulation [285] darin, und zu lang – das kam aber daher, weil die Zuhörer vergessen hatten, einen so starken und anhaltenden Lärmen mit Händeklatschen zu machen, wie bey dem ersten und letzten Stücke; denn das Andante hat von mir, von allen Kennern und Liebhabern und den meisten Zuhörern den größten Beyfall – es ist just das Contraire, was Le Gros sagt, – es ist ganz natürlich und kurz. Um ihn aber (und wie er behauptet Mehrere) zu befriedigen, habe ich ein anderes gemacht. – Jedes in seiner Art ist recht, denn es hat jedes einen andern Charakter – das letzte gefällt mir aber noch besser«41.

[286] Diese Symphonie ist unter dem Namen der Pariser oder französischen wohlbekannt42. Sie besteht aus drei Sätzen in der gewöhnlichen Form, nur daß nirgends ganze Theile wiederholt werden, obgleich dieselben völlig abgeschlossen werden, wie bei der Wiederholung43. Der erste und letzte Satz sind ungemein lebhaft und angeregt, die rasche Bewegung geht fast in einem ununterbrochenen Strom fort und die einzelnen Motive treten einander nicht, wie sonst gewöhnlich, als ihrem Charakter nach unterschiedene gegenüber, alle haben ein leichtes, bewegliches Wesen mit einander gemein. Die thematische Bearbeitung ist, mit Ausnahme des durchgeführten Mittelsatzes im Finale, leicht und mehr andeutend; dafür ist eine große Fülle von Melodien ausgestreut, die auf sehr anziehende und oft originelle Weise mit einander verbunden sind; mit großer Geschicklichkeit ist durch starke Contraste von forte und piano, durch plötzliches Abbrechen und unmerkliches Verschmelzen, durch überraschende harmonische Wendungen fortwährend die Spannung erhalten. Der Gesammteindruck dieser Sätze ist ein lebhafter und glänzender, aber mehr der einer geistig angeregten als tief empfundenen Stimmung, und das mochte in Paris die rechte sein. [287] Das Andante ist zart und sein, aber ebenfalls im Ausdruck mit Ausnahme einiger Stellen, wo wie verstohlen ein tiefes Gefühl hervordringt, mehr anmuthig als innig. Die Behandlung des Orchesters zeigt deutlich daß Mozart nicht umsonst die Mannheimer Kapelle gehört hatte; die verschiedenen Instrumente bilden hier ein wohlgeordnetes Ganze, in dem jedes einzelne seine individuelle Bedeutung hat. Man darf nur im letzten Satze die thematische Durchführung (Part. S. 54ff.) ansehen, um wahrzunehmen wie gerade hier, wo das rein melodische Element durch die contrapunktische Behandlung in volle Wirkung tritt, so wesentlich auch der Effect der verschiedenen Klangfarben berechnet worden ist; und so wird man durchgängig in der Massen- und Einzelanwendung die vollkommene Beherrschung der Orchesterkräfte erkennen44. Nicht allein in der Benutzung der Instrumente dem Klange nach zeigt sich dies Studium, sondern namentlich auch darin, daß auf einen sein nuancirten Vortrag durch das Orchester gerechnet ist. Wenn bei manchen Stellen die Wirkung wesentlich auf dem gut ausgeführten Crescendo beruht – wie sie früher in dieser Art nicht vorkommen –, so mag dies als ein mehr äußerlicher Effect erscheinen, aber von manchen Motiven kann man mit Sicherheit sagen, daß sie gar nicht so gedacht worden wären, ohne die Vorstellung von ihrer Darstellung durch ein gut organisirtes Orchester45.

[288] Während der Zeit waren auch die in Mannheim angefangenen Klaviersonaten mit Violinbegleitung fertig geworden und Mozart war bemüht einen Verleger zu finden, der sie ihm gut bezahlte46; auch fand er die Muße für seine Schwester zum Namenstag ein Capriccio zu componiren (vgl. I S. 136)47.

Fußnoten

1 Eine kleine Schrift, die von diesem Standpunkt ausgeht Le brigandage de la musique italienne (Amsterd. 1780), ist zwar zunächst gegen die italiänische Musik gerichtet, deren Verfall – auch in den Künstlern – sie mit starken Zügen schildert, begreift aber»le général Gluck et son lieutenant général Piccini et tous les autres noms en ini« unter derselben Kategorie.


2 »Mit Piccinni habe im Concert spirituel gesprochen« meldet Wolfgang (9. Juli 1778). »Er ist ganz höflich mit mir und ich mit ihm, wenn wir so ungefähr zusammen kommen; übrigens mache ich keine Bekanntschaft weder mit ihm noch anderen Componisten – ich verstehe meine Sache und sie auch – das ist genug.«


3 Gretry erwähnt in seinen Memoires nie Mozart, während er viel von Haydn spricht; sowie er auch nie auf Piccini, wohl aber auf Sacchini Rücksicht nimmt.


4 Der erfahrne Vater schrieb ihm darauf (12. April 1778): »Daß die Franzosen ihren gusto noch nicht ganz geändert haben, höre nicht gern; allein, glaube mir, es wird doch nach und nach geschehen, denn es ist keine kleine Sache, eine ganze Nation umzuschmelzen. Es ist schon genug daß sie das Gute auch hören können, sie werden nach und nach den Unterschied schon bemerken.« Und später einmal (29. April 1773): »Wendling sagte Dir, die Musik habe sich geändert; ich glaubte nicht viel davon. Die Instrumentalmusik, ja, die war damals schon besser, aber die Singmusik wird noch so bald nicht besser werden.«


5 So schreibt er dem Vater (3. Juli 1778): »Bey mir fehlt es nicht und wird es niemalen fehlen, ich werde aus allen Kräften meine Möglichkeit thun. – Nun, Gott wird Alles gut machen! – Ich habe etwas im Kopf, dafür ich Gott täglich bitte – ist es sein göttlicher Wille, so wird es geschehen; wo nicht, so bin ich auch zufrieden, ich habe dann aufs Wenigste doch das Meinige gethan. Wenn dieß dann Alles in Ordnung ist und so geschieht, wie ich es wünsche, dann, müssen Sie erst das Ihrige darzu thun, sonst wäre das ganze Werk unvollkommen; ich hoffe auch von Ihrer Güte daß Sie es gewiß thun werden. Machen Sie sich nur itzt keine unnützen Gedanken, denn um diese Gnade will ich Sie schon vorher gebeten haben, daß ich meine Gedanken nicht eher ins Klare setze bis es Zeit ist.«


6 »Ich und die Nannerl« hatte der Vater geschrieben (12. April 1778) »sind Gott Lob gesund, und ich bin nun jetzt außer aller Sorge und recht vergnügt, da ich weiß, daß unser bester Freund, Baron von Grimm, sich Deiner annimmt, und Du an dem Platze bist, der Dich durch Deinen Fleiß, der Dir angeboren ist, von dort aus in der ganzen Welt in großen Ruhm bringen kann. Wenn ich mich nicht so viel für Euch zu sorgen habe, dann bin ich gesund: und Du kennst mich, ich halte Alles auf Ehre und Ruhm. Du hast Dir solchen in der Kindheit erworben – das muß nun so fort gehen. – Das war allezeit und ist immer meine Absicht; dieß sind nun Deine Jahre, die Du für Dich und für uns Alle benutzen mußt.« Wolfgang sehnte sich freilich von Paris fort und während er versichert Alles aufbieten zu wollen sich dort geltend zu machen, bittet er doch zugleich den Vater (1. Mai 1778), »sich zu impegniren unterdessen, daß ich bald Italien zu sehen bekomme, damit ich doch hernach wieder aufleben kann. Machen Sie mir doch diese Freude, ich bitte Sie darum. Nun bitte ich Sie aber recht lustig zu sein – ich werde mich hinaushauen, wie ich kann, wenn ich nur ganz davon komme.«


7 Diese Bekanntschaft unterhielt er eifrig. »Ich habe nun schon gewiß sechsmal bei Graf Sickingen gespeist«; schreibt er (12. Juni 1778) »da bleibt man allezeit von 1 Uhr bis 10. Die Zeit geht aber bey ihm so geschwind herum, daß man es gar nicht merkt. Er hat mich sehr lieb. Ich bin aber auch sehr gerne bey ihm – das ist ein so freundlicher und vernünftiger Herr, und der eine so gesunde Vernunft und eine wahre Einsicht in die Musik hat. Heute war ich abermals mit Raaff dort; ich brachte ihm, weil er mich darum gebeten hat, schon längst einige Sachen von mir hin. Heut nahm ich die neue Sinfonie mit, die ich just fertig hatte; diese hat allen beyden überaus wohlgefallen.«


8 Das Concert spirituel wurde im Jahr 1725 gegründet, indem Philidor, der ältere Bruder des oben erwähnten Componisten, das Privilegium erhielt gegen eine bestimmte Pachtsumme an den hohen Festtagen, an welchen keine große Oper gegeben werden durfte, in einem Saale der Tuilerien Concerte, etwa vier und zwanzig im Laufe des Jahres, zu geben. Instrumentalmusik und geistliche Compositionen für Chor und Sologesang wurden hier zur Aufführung gebracht (vgl.Histoire du théatre de l'opéra en France I p. 164ff.). Burney giebt ausführlichen Bericht über ein Concert spirituel, welches er im Jahr 1770 besuchte (Reise I S. 11ff.). Es begann mit einer Motette von de la Lande Dominus regnavit, dann blies Besozzi ein Oboenconcert; »nach diesem vollkommnen Stück schrie Mlle. Delcambre ein Exaudi Deus mit aller Kraft der Lunge, deren sie habhaft werden konnte, und erhielt soviel Lob, als wenn Besozzi nichts gethan hätte.« Darauf spielte Traversa ein Concert für die Geige, und Mad. Philidor sang »eine Motette von ihres Mannes Composition, der tief aus Welschlands Quellen trinkt; allein ungeachtet dies mehr als alle vorige Singstücke gutem Gesange und guter Musik ähnlich war, so erhielt es doch nicht den feurigen Beifall, der keinen Zweifel übrig läßt daß es ans Herz gedrungen sei.« Den Beschluß machte eine große MotetteBeatus vir mit Solo und Chören. »Der erste Alt hatte einige Zeilen Solo zu singen, welche er mit solcher Gewalt herausschrie, als wenn er unter dem Messer an der Kehle um Hülfe riefe. Allein so betäubt ich auch war, so sahe ich doch deutlich, – daß dies grade das war, was ihr Herz empfand und ihre Seele liebte.C'est superbe! hallte durch das ganze Haus von einem zum anderen wieder. Doch mit dem letzten Chor nahm das Concert ein Ende mit Schrecken; es übertraf an Geschrei allen Lärm, den ich je in meinem Leben gehört habe.«


9 Jos. Le Gros, geb. 1739, zeichnete sich durch eine schöne hohe Tenorstimme (haute-contre) aus und trat 1764 als Sänger in der großen Oper auf, die er 1783 wegen seiner außerordentlichen Corpulenz verließ. Die Direction des Concert-spirituel übernahm er 1777 und verwaltete sie bis 1791, wo dasselbe aufgehoben wurde. Er starb 1793 in La Rochelle.


10 Die nähere Angabe, welche er seinem Vater darüber macht, ist diese. »Der Anfangs-Chor bleibt von Holzbauer. Quoniam iniquitatem meam ego etc. ist der erste von mir, Allegro. Der zweyte, Adagio: Ecce enim in iniquitatibus, dann Allegro: Ecce enim veritatem dilexisti, bis zum: Ossa humiliata. Dann ein Andante für Soprano, Tenore und Basso soli: Cor mundum crea; und itedde mihi laetitiam aber Allegro bis ad te convertentur. Dann habe ich ein Recitativ für einen Bassisten gemacht: Libera me de sanguinibus, weil eine Baßarie von Holzbauer darauf folgt:Domine labia mea. Weil nun Sacrificium Deo spiritus eine Aria Andante für Raaff (Tenore) mit Oboe und Fagott Solo ist, so habe ich ein kleines Recitativ:Quoniam si voluisses, auch mit concertirender Oboe und Fagott dazu gemacht; denn man liebt jetzt die Recitative hier. Benigne fac bis muri Jerusalem Andante moderato, Chor. Dann Tunc acceptabis bis Super altare tuum vitulos, Allegro, Tenor Solo (Le Gros) und Chor zugleich. Finis.« Von dieser Musik ist, soviel ich weiß, nie etwas bekannt gewerden; Mozart scheint sie gar nicht selbst behalten und daher auch nicht mit nach Salzburg gebracht zu haben.


11 Franc. Jos. Gossec, geb. 1733, kam als tüchtiger Violinspieler 1751 nach Paris, leitete anfangs das Orchester des Hrn. La Popeliniere, dann des Prinzen von Conti. Er bildete in Paris die Instrumentalmusik aus, trat 1754 – zu gleicher Zeit mit Haydn – mit den ersten Symphonien, 1759 mit Quatuors auf und erwarb sich auch durch geistliche Compositionen, namentlich ein Requiem, einen geachteten Namen. Hauptsachlich um für Instrumentalmusik den Sinn zu bilden gründete er 1770 das Concert des amateurs, leitete auch einige Jahre das Concert spirituel. Als er 1766 die komische Oper Les Pêcheurs aufführte, fand diese außerordentlichen Beifall; auch Grimm begrüßte ihn mit Anerkennung als ein vielversprechendes Talent der italiänisch-französischen Schule (corr. litt. V p. 115); später als Gossec sich auch in der großen Oper versuchte, minderte sich die Gunst Grimms (VIII p. 298), um so mehr als Gossec sich als einen eifrigen Vertreter Glucks bekannte (XI p. 63). Im Jahr 1734 übernahm Gossec die Direction der nach seinem Plan gegründeten Ecole royale de chant, und blieb Inspector des 1791 an deren Stelle getretenen Conservatoire. Er starb 1829 in Passy.


12 Joh. Stich, geb. 1748 in Böhmen, war Mitglied der Capelle des Grafen Thun, der ihm die sorgfältigste Ausbildung auf dem Horn zu Theil werden ließ. Heimlich entfernte er sich aus dessen Diensten und machte lange Kunstreisen (auf denen er den Namen Punto annahm) bis er 1782 in den Dienst des Grafen Artois trat. Im Jahr 1799 verließ er wieder Paris, reiste in Deutschland, und starb 1893 in Prag.


13 Auch diese Sinfonie concertante ist meines Wissens spurlos verschwunden; Mozart hatte sie später noch an Le Gros verkauft und keine Abschrift behalten; er meinte zwar, er habe sie noch frisch im Kopf und könne sie, sobald er nach Hause komme, wieder aufsetzen (3. Oct. 1778); aber wahrscheinlich hatte er dort soviel Neues zu componiren daß er nicht dazu kam, alte Sachen wieder aufzuschreiben; um so weniger, da in Salzburg die Virtuosen fehlten um diese Symphonie auszuführen.


14 Giov. Gius. Cambini, geb. 1746 in Livorno, zeichnete sich als Violinspieler aus, machte seine Studien unter Pad. Martini in Bologna, und ging dann nach Neapel. Auf der Rückreise nach Livorno wurde er mit seiner Geliebten von Piraten gefangen genommen (Grimm corr. litt. IX p. 159). Nachdem er freigekauft war, kam er 1770 nach Paris, wurde durch den neapolitanischen Gesandten dem Prinzen von Conti empfohlen und durch diesen mit Gossec bekannt. Er schrieb eine außerordentliche Menge von Instrumentalmusik, Symphonien, Quartetts u.s.w., leicht und gefällig; mit Opern und Ballets drang er nicht durch.


15 Hierauf antwortet der Vater (29. April 1778): »Daß Du aller Orten Deine Feinde haben wirst, ist eine unvermeidliche Sache, das haben alle Leute von großem Talente. Alle, die dermalen in Paris in Credit stehen und im Neste sitzen, wollen sich nicht aus dem Neste treiben lassen; sie müssen sich fürchten, ihr Ansehen werde herabgesetzt, an welchem ihr Interesse hängt. Nicht nur Cambini, sondern Stamitz, Piccini und Andere müssen eifersüchtig werden. Ist denn Piccini noch in Paris? Und wird Gretry nicht eisern? – Uebxigens mußt Du Dich durch Deine Neider nicht niederschlagen und aus der Fassung bringen lassen; das geht aller Orten so. Denke nur auf Italien, auf Deine erste Opera, auf die dritte Opera, auf d'Ettore, auf die Intrigue der de Amicis zurück u.s.w.; man muß sich durchschlagen.«


16 »Ich ging zu Hause«, schreibt er dem Vater (3. Juli 1778) »wie ich allezeit am liebsten zu Hause bin, und auch allezeit am liebsten zu Haus seyn werde, oder bey einem guten, wahren redlichen Teutschen, der, wenn er ledig ist, für sich als ein guter Christ gut lebt, wenn er verheyrathet ist, seine Frau liebt und seine Kinder gut erzieht.«


17 Frau von Genlis macht vom Grafen, später Herzog de Guines folgende Beschreibung, die freilich in frühere Jahre gehört (mém. I p. 233f.): Il passait pour être l'un des hommes de la cour les plus brillans et les plus aimables; sa figure et sa taille n'avaient de remarquable qu'une extrême recherche de coiffure et d'habillement. Toute sa réputation d'esprit tenait à une sorte d'espionnage de toutes les petites choses et de mauvais ton, qu'il contait en peu de mots d'une maniere plaisante, qu'il dénonçait à la marechale de Luxembourg, et dont il se moquait fort agréablement avec elle et Madame de Boufflers. Mais ce genre de moquerie n'attaquait jamais la réputation, il ne tombait jamais que sur des niaiseries. Le duc de Guines avait des talens agreables; il était bon musicien et jouait fort bien de la flûte. Er war Gesandter in Berlin (ebend. I p. 367ff.) und seit 1770 in London (L. de Lomenie Beaumarchais II p. 89f.). Als solcher hatte er 1775 mit seinem Secretair Tort, der ihn beschuldigte seine diplomatische Stellung zum Börsenspiel mißbraucht zu haben, einen famösen Proceß, mit dem die Marquise du Deffand sich viel beschäftigt (lettr. III p. 172ff.). Obgleich er endlich den Sieg behauptete, wurde er doch 1776 zurückberufen, erhielt aber bald darauf den Herzogstitel (ebend. III p. 297). Die Königin begünstigte ihn und liebte seine Gesellschaft (ebend. IV p. 107). Deshalb schreibt auch Leop. Mozart (28. März 1778): »Mein lieber Sohn! Ich bitte Dich, suche die Freundschaft des Duc de Guines zu erhalten und sich bey ihm in Credit zu setzen; ich habe ihn oft in Zeitungen gelesen, er gilt Alles am Königl. Hofe; da jetzt die Königin schwanger ist, so werden dann bey der Geburt große Festivitäten seyn, da könntest Du Etwas zu thun bekommen, so Dein Glück machen könnte, da in solchen Fällen Alles geschehen wird, was die Königin nur verlangt.« (Die Königin wurde am 11. Dec. 1778 von der Dauphine entbunden.)


18 Die Tochter des Herzogs de Guines heirathete noch im Sommer 1778, vom Könige ausgestattet, Herrn de Chartus (später Herzog de Castries) und starb bei der Entbindung (du Deffandlettr. IV p. 52).


19 Jos. Frank erzählt in seinen Denkwürdigkeiten (Prutz deutsch. Mus. II S. 28): »Als wir einst von Instrumenten sprachen, sagte Mozart, daß er die Flöte und die Harfe verabscheue.«


20 Das Concert, welches er auch in einem Briefe (20. Juli 1778) erwähnt, ist vorhanden (André Verz. 259); es ist mit kleinem Orchester, den Saiteninstrumenten, Oboen und Hörnern begleitet, in C dur und besteht aus den üblichen drei Sätzen. Die Natur der Instrumente brachte es mit sich, daß hier nichts Großes und tief Bedeutendes geschaffen werden konnte, sondern der Charakter des Heitern und Anmuthigen vorwalten mußte. In dieser Weise ist das Concert vortrefflich, ganz und gar Mozartsch. Jeder Satz hat eine Fülle schöner Melodien, die durch die harmonische Behandlung, den wechselnden Charakter der Begleitung und der Variation durch die Soloinstrumente gehoben werden, und ist meisterhaft gegliedert und abgerundet. Die thematische Behandlung ist mehr andeutungsweise und leicht skizzirt, um das Interesse rege zu erhalten, als eigentlich durchgeführt, aber im Mittelsatz des ersten Theil verräth sich in der harmonischen Führung die sichere Meisterhand; zum Schluß desselben läßt er schon, wie späterhin regelmäßig, eine frische Melodie eintreten, welche die Aufmerksamkeit von Neuem wieder rege macht. Ganz besonders anmuthig und zart ist das nur vem Quartett begleitete Andantino. Die Soloinstrumente sind brillant ohne – soweit ich das beurtheilen kann – besonders schwer zu sein. Die Flöte tritt vielleicht noch etwas mehr hervor; sie geht selten bis in die höchste Höhe, dagegen ist mitunter von den tiefen Tönen ein eigenthümlicher, schöner Gebrauch gemacht. Das Orchester ist sehr discret verwendet um den zarten Soloinstrumenten eine Grundlage zu geben und ihre Wirkung nicht zu stören; diese leichte Fassung à jour ist aber im Detail mit der größten Gewandtheit und Sicherheit gearbeitet, sowohl was die Figuren und Wendungen der Begleitung als die Klangwirkung betrifft. Auch hier finden wir das Pizzicato häufiger angewendet, als Mozarts spätere Weise war (vgl. I S. 574. 584). – Ein Concert für Instrumente von weichem, etwas schwachlichem Charakter, welche durch ihre Technik dem Componisten mancherlei Beschränkungen z.B. in den zu berührenden Tonarten auferlegten, mußte, zumal da es für vornehme Dilettanten bestimmt war, um die richtige Wirkung zu thun, im Umfang und in der ganzen Anlage und Ausführung mit geschickter Berechnung das rechte Maaß beobachten. Hier zeigt sich wiederum die echte Künstlernatur Mozarts, der in seiner Composition gewissermaßen die Summe dieser Bedingungen zog, und ein Musikstück schrieb, welches in sich harmonisch zusammenstimmt, so daß es, indem es jenen äußeren Anforderungen entspricht, auch die Erfordernisse eines wahren Kunstwerks erfüllt. Es ist Schade, daß dies Concert nicht zu rechter Zeit bekannt geworden ist; es würde seinen Platz neben den übrigen würdig ausgefüllt haben.


21 Später wollte ihn der Herzog de Guines mit – 3 Louisdor abfinden, die er aber zurückwies; die Franzosen, schreibt er seinem Vater dazu (31. Juli 1778), dächten noch immer, daß er noch sieben Jahr alt se und behandelten ihn wie einen Anfänger, – nur die Musiker nicht.


22 Der Vater war mit Recht erstaunt über die Ansprüche, welche Wolfgang an das Talent seiner Schülerin machte, und über den Ernst, mit dem er diese Aufgabe betrachtete. »Du schreibst« antwortet er ihm (28. Mai 1778) »heute habe ich der Madselle des Herzogs die vierte Lection gegeben, und Du willst, daß sie schon selbst Gedanken aufschreiben soll, – meinst Du, alle Leute haben Dein Genie? – Es wied schon kommen! Sie hat ein gutes Gedächtniß. Eh bien! Laß sie stehlen – oder höflich, appliciren; von Anfang thut es nichts, bis daß Courage kommt. Mit Variationen hast Du einen guten Weg genommen, nur fortgefahren! – Wenn Mr. le Duc nur etwas Kleines von seiner Mlle Tochter sieht, wird er außer sich sein; das ist wirklich eine vortreffliche Bekanntschaft!« Aber Wolfgang verstand es nicht solche Bekanntschaften zu cultiviren, so wenig als talentlose junge Damen componiren zu lassen; er fand auch später daß seine Scolarin von Herzen dumm und von Herzen faul sei (9. Juli 1778).


23 Die Herzogin de Chabot, Tochter des Grafen Stafford, erwähnt die Marquise du Deffand (lettr. I p. 148) als eine Bekannte von Grimm und Mad. Epinay auch Abbate Galiani (corr. inéd. II p. 305).


24 Sie war die Tochter des Herzogs von Orleans, Schwester des damaligen Herzogs von Chartres, nachherigen Egalito. Kurze Zeit vorher hatte das Duell zwischen dem Herzog von Bourbon und dem Grafen von Artois, welches durch sie veranlaßt war, großes Aufsehen gemacht (Du Deffand lettr. IV p. 28ff. Grimm corr. litt. X p. 1ff.).


25 Damals d.i. bei dem ersten Aufenthalt in Paris. Die Herzogin war im Alter von funfzehn Jahren ins Kloster gegangen und blieb dort einige Jahre (Genlismém III p. 84).


26 Frau von Genlis entwirft von ihm folgende Schilderung (mém. I p. 289): Un autre homme de ce temps, qui avait aussi des grands succès auprès des femmes, était le comte de Chabot: il n'était ni beau, ni de la première jeunesse; il ne parlait jamais tout haut, il bégayait, ce qu'on trouvait en lui une grâce, il avait une galanterie mystérieuse, qui ne s'exprimait que par des petits mots assez fins, toujours dits à demi-voix; elle était un peu banale, car elle s'adressait à presque toutes les jeunes personnes, mais elle ne paraissait pas l'être, parce qu'elle était toujours confiée tout bas à l'oreille, et avec un air de sentiment et de vérité, qui avait quelque chose de séduisant (vgl. ebend. II p. 185).


27 Joh. Jos. Rudolf (Rodolphe), geb. in Straßburg 1730, bildete sich zum Virtuosen auf dem Horn und auf der Violine. Im Jahr 1754 trat er in die Kapelle zu Parma ein, wo Traetta, 1769 ging er nach Stuttgart, wo Jomelli ihm Unterweisung gab, 1763 kam er nach Paris und wurde Mitglied der königl. Kapelle. Mehrere Opern und Ballets hatten geringen Erfolg, desto größeren seine mittelmäßigen Anleitungen zum Gesang und Generalbaß. Er starb 1812 in Paris. Gretry bezeichnet ihn als homme d'esprit (mém. I p. 296); Mozart sagt: »er versteht die Composition ans dem Grund und schreibt schön.«


28 »Rudolph (der Waldhornist)« schreibt Wolfgang (14. Mai 1778) »ist hier in königlichen Diensten, und mein sehr guter Freund. Dieser hat mir die Organisten-Stelle zu Versailles angetragen, wenn ich sie annehmen will. Sie trägt das Jahr 2000 Livres, da muß ich aber sechs Monate zu Versailles leben, die übrigen sechs zu Paris, oder wo ich will; ich glaube aber nicht, daß ich es annehmen werde. Ich muß guter Freunde Rath darüber hören; denn 2000 Livres ist doch kein so großes Geld. In deutscher Münze freylich, aber hier nicht; es macht zwar das Jahr 83 Louisd'or und 8 Livres, das ist unsriges Geld 915 fl. 45 Xr. (das wäre freylich viel), aber hier nur 333 Thlr. und 2 Livres – das ist nicht viel. Es ist erschrecklich, wie geschwind ein Thaler weg ist! Ich kann mich gar nicht verwundern, wenn man aus dem Louisd'or nicht viel hier macht; denn es ist sehr wenig; 4 Thaler oder ein Louisd'or, welches das Nämliche, sind gleich weg.« Der Vater, der wie wir wissen eine gesicherte Stellung namentlich seinem Sohn für so wünschenswerth hielt, daß man sich einige Unzuträglichkeiten schon gefallen lassen könne, rieth ihm diesen Antrag wohl zu überlegen. »Rudolph hat Dir die Organisten-Stelle in Versailles angetragen?« antwortet er (28. Mai 1778) »steht es bey ihm? – – er will Dir dazu verhelfen! Das mußt Du nicht sogleich wegwerfen. Du mußt überlegen, daß die 83 Louisd'or in sechs Monat verdient sind, – daß Dir ein halbes Jahr zu andern Verdiensten übrig bleibt, – daß es vermuthlich ein ewiger Dienst ist, Du magst krank oder gesund seyn, – daß Du ihn allezeit wieder verlassen kannst, – daß Du am Hofe bist, folglich täglich in den Augen des Königs und der Königin, und dadurch Deinem Glücke näher, – daß Du bey Abgang eine der zween Kapellmeister-Stellen erhalten kannst, – daß Du seiner Zeit, wenn Succession da seyn sollte, Claviermeister der königl. jungen Herrschaften seyn würdest, das sehr einträglich wäre, – daß Dich Niemand hinderte, für's Theater und Concert spirituel etc. Etwas zu schreiben, Musik graviren zu lassen und den gemachten großen Bekanntschaften zu dediciren, da in Versailles Viele der Minister sich aufhalten, wenigstens im Sommer; – daß Versailles selbst eine kleine Stadt ist, oder wenigstens viele ansehnliche Bewohner hat, wo allenfalls sich ein oder der andere Scolar oder Scolarin finden würde; – und endlich ist das der sicherste Weg, sich der Protection der Königin zu versichern und sich beliebt zu machen. Lese dieses dem Herrn Baron Grimm vor, und höre seine Meinung.« Diesmal aber behielt Wolfgangs Ansicht Recht. »Wegen Versailles« antwortet er (3. Juli 1773) »war es nie mein Gedanke; ich habe auch den Rath des Baron Grimm und anderer guten Freunde darüber gehört, sie dachten Alle wie ich. Es ist wenig Geld, man muß sechs Monate in einem Orte verschmachten, wo nichts sonst zu verdienen ist, und sein Talent vergraben. Denn wer in königlichen Diensten ist, der ist zu Paris vergessen, und dann Organist! – Ein guter Dienst wäre mir sehr lieb, aber nicht anderst als Kapellmeister und gut bezahlt.«


29 Grimm corr. litt. IX p. 174ff.


30 De Vismes erhielt im Frühjahr 1773 durch die Gunst der Königin die Direction der großen Oper, und suchte mit Eifer verjährte Mißbräuche abzustellen und durch Abwechslung alle Parteien zufrieden zu stellen; er engagirte auch italiänische Sänger und ließ außer französischen Opern jeder Richtung auch italiänische aufführen; dafür hatte er denn mit großer Unzufriedenheit seiner Operisten und Tänzer zu kämpfen (Grimm corr. litt. X p. 37f. 112ff. 162ff.).


31 Ganz ähnlich schrieb er schon vorher (9. Juli 1778): »Wenn ich eine Opera zu machen bekomme, so werde ich genug Verdruß bekommen – das würde ich aber nicht viel achten, denn ich bin es schon gewohnt, wenn nur die verfluchte französische Sprache nicht so hundsföttisch zur Musik wäre! Das ist was Elendes – die teutsche ist noch göttlich dagegen, und dann erst die Sänger und Sängerinnen – man sollte sie gar nicht so nennen – denn sie singen nicht, sondern sie schreyen, heulen, und zwar aus vollem Halse, aus der Nase und Gurgel.«


32 »Mit der Opera« heißt es kurz vorher »wirst Du Dich wohl nach dem Geschmacke der Franzosen richten. Wenn man nur Beyfall findet und gut bezahlt wird, das Uebrige hole der Plunder! Wenn Du mit der Opera gefällst, so wird bald Etwas in Zeitungen seyn; das möchte mit der Zeit wünschen, dem Erzbischof zum Trotze!« Man sieht daß er alle Mittel versuchte um Wolfgangs gefürchteten Idealismus zu besiegen und daß er nicht wußte, wie schwierig es in jener Zeit war dem Geschmack der Franzosen gemäß zu componiren, wo Alles miteinander im Kampf war.


33 »Es ist um Ehre und Geldeinnahme zu thun«, fährt er fort »und dann wollen wir nach Italien wieder gehen, wenn wir Geld haben.« So wies er ihn darauf hin, auf welchem Wege er selbst das erreichen könne und müsse, wonach er so sehr trachtete. Später kommt er wieder auf denselben Rath zurück (28. Mai 1778): »Wegen der Opera, die Du schreiben sollst, habe ich Dir letztlich schon meine Erinnerungen gemacht. Ich wiederhole Dir zu sagen, die Materie wohl zu überlegen, die Poesie mit Baron Grimm durchzulesen, und wegen Expression der Affecten mit Noverre Dich zu verstehen, dem Geschmacke der Nation im Gesange zu folgen, welches Deine Modulation und Deine Stimmensetzung alsdann erheben und von andern unterscheiden wird.«


34 Im Juni 1778 wurde das Ballet Les petits riens von Noverre gegeben (zugleich mit Piccinis Finte gemelle von italiänischen Sängern italiänisch aufgeführt), welches Grimm lobend anführt, ohne etwas von der Musik zu erwähnen (corr. litt. X p. 53). Auch diese Composition Mozarts ist spurlos verschwunden.


35 Bekanntlich wurde im Jahr 1789 eine von Marmontel vorgenommene Bearbeitung dieser Oper Metastasios von Cherubini (Grimm corr. litt. XIV p. 222) und eine zweite von Deriaux mit der Musik von Vogel (Grimm corr. litt. XIV p. 458) aufgeführt.


36 Der Vater sah klarer in der Angelegenheit und erkannte sehr wohl daß Wolfgang, wenn er in Paris dazu gelangen sollte eine Oper zu schreiben, sich vorher auf alle Weise dort bekannt machen müsse. »Man muß sich« schreibt er (27. Aug. 1778) »in Ruf bringen. Wann ist Gluck – wann ist Piccini – wann sind alle die Leute hervor gekommen? – Gluck wird 69 Jahre auf dem Halse haben, und es sind erst 26 oder 27 Jahre, daß man angefangen hat, von ihm zu reden, und Du willst, daß jetzt das französische Publicum, oder auch nur die Directeurs der Spectakel von Deiner Compositions-Wissenschaft schon sollen überzeugt seyn, da sie in ihrem Leben noch Nichts gehört hatten, und Dich nur von Deiner Kindheit an als einen vortrefflichen Clavierspieler und besonderes Genie kennen. Du mußt also unterdessen Dir Mühe geben, durchzudringen, um Dich als Componist in allen Gattungen zeigen zu können, – und da muß man die Gelegenheiten dazu aufsuchen und unermüdet Freunde suchen, solche anspornen, und ihnen keine Ruhe lassen, solche, wenn sie einschlafen, wieder aufmuntern, und nicht das, was sie sagen, schon für gethan glauben; ich würde langst an Mr. de Noverre selbst geschrieben haben, wenn ich seinen Titel und Adresse wüßte.« Es scheint, als wenn er sie auch nicht erfahren hat, denn diese Art sein Talent geltend zu machen war Wolfgang nun einmal versagt. Das einzige Mittel schien ihm durch Componiren und Klavierspielen zu zeigen was er vermöchte und dazu war er immer bereit; die kleinen Mittelchen um dies Hauptmittel zu erreichen verstand er nie anzuwenden, und wenn er es versuchte, verrieth er nur seine Ungeschicklichkeit.


37 Der imposante Eindruck, den das präcise Einsetzen eines starken Orchesters im Tutti machte, hatte dieses Stichwort veranlaßt. Raaff hatte ihm darüber noch ein pikantes Bonmot erzählt. »Er ist von einem Franzosen in München oder wo befragt worden: Mr. vous avez été à Paris? – Oui. – Est-ce que vous étiez au Concert spirituel? – Oui. – Que ditez vous du premier coup d'archet? avez vous entendu le premier coup d'archet?Oui, j'ai entendu le premier et le dernier. – Comment, le dernier? que veut dire cela? – Mais oui, le premier et le dernier, et le dernier même m'a donné plus de plaisir


38 Pierre Lahoussaye, geb. in Paris 1735, ging nach Italien um sich bei Tartini auszubilden und hielt sich dort und in London auf, bis er 1775 nach Paris zurückkam. Er starb 1818.


39 »Ich wünsche Dir Glück«, antwortet der Vater (13. Juli 1778) »daß Du mit Deiner Sinfonie im Concert spirituel so glücklich durchgekommen. Ich stelle mir Deine Angst vor. – Dein Entschluß, wenn es nicht gut gegangen wäre, ins Orchester zu laufen, war wohl nur ein erhitzter Gedanke. Behüte Gott! diese und alle derley Einfälle mußt Du Dir ausschlagen; sie sind ohnüberlegt, ein solcher Schritt würde Dir das Leben kosten, und das setzt doch kein vernünftiger Mensch auf eine Sinfonie. Ein dergleichen Affront – und zwar öffentlichen Affront, würde und müßte nicht nur ein Franzose, sondern jeder Andere, der auf Ehre hält, mit dem Degen in der Faust rächen.«


40 Er trug ihm auch bereits an ein französisches Oratorium für das Concert spirituel zu den nächsten Fasten zu schreiben.


41 Jenes erste Andante ist wie es scheint nicht erhalten, von dem zweiten sind aber zwei Bearbeitungen in Mozarts Handschrift vorhanden, die eine längere nicht ganz vollendet, die zweite abgekürzte ganz fertig. Man erkennt aus der Vergleichung dieser Handschriften seine Weise zu arbeiten. Er hat – wie er regelmäßig that, er mochte vorher schon Skizzen gemacht haben oder nicht – in die Partitur das ganze Stück hindurch (das hier Andantino bezeichnet ist) die melodieführende Stimme vollständig eingetragen und außerdem meistens den Baß und einzelne Stellen in anderen Instrumenten um ein bestimmtes Motiv anzudeuten. Nachdem so die Grundlinien vollständig gezogen waren, führte er das Einzelne aus, wobei im Ganzen sehr wenig verändert wird. Hier aber, weil man das erste Andante zu lang gefunden hatte, war er zugleich darauf bedacht, wie er etwa noch abkürzen könnte. Wenn er beim Ausarbeiten an eine Stelle kam, die ihm entweder an sich gedehnt erschien oder doch entbehrt werden konnte, hörte er im Ausarbeiten auf, strich die Stelle durch und führte das folgende aus. Außer einigen kleineren Stellen sind es ein längerer durch eine imitatorische Figur bewirkter Uebergang ins Thema (nach S. 36 Tact 6 der Partitur) und bald darauf ein längerer Mittelsatz mit Flöten- und Oboensolo. Nachdem so der ganze Satz durchgearbeitet war hat er dann mit flüchtiger Hand das Ganze, wie es nun gedruckt ist, noch einmal abgeschrieben. Es ist klar daß es sich bei dieser Bearbeitung nur um Abkürzung eines im Entwurf zu lang gerathenen Satzes handelt; jenes von Mozart erwähnte erste Andante war aber ein in der Anlage und Ausführung verschiedener Satz. – Auch im ersten Satz dieser Symphonie hat Mozart zum Theil erhebliche Kürzungen beim Ausarbeiten der Partitur in der oben angegebenen Weise vorgenommen. Der dritte Satz ist in der Sammlung von André (Verz. 120) nur in einer alten Abschrift vorhanden. Dieses frühere Andante ist in Stuttgart in einer alten Pariser Ausgabe wieder aufgefunden wordem (süddeutsche Mu. Ztg. VI. S. 175).


42 Die Partitur ist gedruckt als N. 9 in der Sammlung bei Breitkopf und Hartel.


43 Dies war eine Concession an den Pariser Geschmack. Er schreibt seinem Vater (11. Sept. 1778), seine früheren Symphonien würden dort nicht gefallen; »bei uns in Teutschland ist der lange Geschmack, in der That aber ist es besser kurz und gut.« Mir sind leider keine französischen Symphonien aus jener Zeit bekannt um danach zu beurtheilen, wieweit Mozart etwa auch sonst dem französischen Geschmack nachgegeben habe.


44 Man kann schon denken, daß Mozart sich hier die Gelegenheit nicht entgehen ließ den herrlichen Effect einer Symphonie mit Flöten, Oboen und Clarinetten zu versuchen (vgl. S. 93). Die Clarinetten sind aber noch mit einer gewissen Schonung, wie ein fremdes Gewürz, behandelt und bleiben gleich den Trompeten und Pauken im Andante fort.


45 Es bedarf ja wohl nicht erst der Erinnerung, daß man bei der Würdigung von Instrumentalcompositionen aus früherer Zeit bis auf einen Grad von den Effecten abstrahiren muß, an welche wir durch die vorgeschrittenen Leistungen des Orchesters gewöhnt sind. Zwar wird die Musik, welche vor achtzig Jahren mit Kenntniß der Instrumente geschrieben wurde, auch heute noch gut klingen und die rechte Wirkung wird an der rechten Stelle nicht ausbleiben; aber was damals durch Neuheit und Glanz überraschte, kann diese Wirkung heute nicht mehr machen.


46 »Meine Sonaten werden bald gestochen werden« schreibt er (20. Juli 1778). »Bis dato hat mir noch keiner das geben wollen, was ich dafür verlangte – ich werde doch endlich nachgeben müssen und sie um 15 Louisdor hergeben: auf diese Art werde ich doch am leichtesten bekannt hier.« So geichah es auch, denn der Vater schreibt an Breitkopf (10. Aug. 1781): »Die der Churfürstin von Pfalzbayern zugeeigneten 6 Sonaten sind vom Hrn. Sieber in Paris verlegt. Er übernahm sie von meinem Sohn in Paris gegen 15 Louis neuf. 30 Exemplare und freye Dedication. Die wir also hatten, sind alle vergriffen, oder eigentlich gegen Douceurs vergeben.«


47 Mozart muß nachher noch eine Symphonie für Le Gros geschrieben haben. Denn in einem späteren Brief (11. Sept. 1778) spricht er von zwei Symphonien, die ihm viel Ehre gemacht hätten und von denen die letzte am 8. September aufgeführt worden sei. Damit stimmt auch seine Angabe (3. Oct. 1778) überein, er habe an Le Gros zwei Ouverturen (d.i. Symphonien) und die Sinfonie concertante verkauft. Von dieser Symphonie finde ich weiter keine Spur.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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