3.

Am 11. October Mittags verließen die Reisenden München und kamen Abends nach Augsburg1. Dort fanden sie in der Familie des Oheims, eines braven Buchbindermeisters, freundliche und herzliche Aufnahme und Wolfgang schloß mit dessen munterer Tochter Marianne eine Freundschaft, die ihn für den ungünstigen Empfang schadlos halten mußte, der [59] ihm von anderen Seiten her in der Vaterstadt seines Vaters zu Theil wurde.

Dem bestimmten Auftrag seines Vaters gemäß ließ er sich sogleich zu »Ihro Gnaden« dem Herrn Stadtpfleger von Langenmantel führen, mit welchem Leop. Mozart von früheren Jahren her gut bekannt war. Wolfgang war aber wenig erbaut von dieser Audienz, über welche er seinem Vater folgenden Bericht erstattet: »Mein erster Gang war zum Hrn. StadiosiegerLongotabarro; mein Hr. Vetter, der ein rechter braver, lieber Mann und ein ehrlicher Burger ist, hat mich hin begleitet, und hatte die Ehre, oben im Vorhause wie ein Laquais zu warten, bis ich von dem Erzstadtpfleger heraus kommen würde. Ich ermangelte nicht, gleich von Anfang die unterthänigste Empfehlung vom Papa auszurichten. Er erinnerte sich allergnädigst auf Alles, und fragte mich: Wie ist's dem Herrn immer gegangen? Ich sagte gleich darauf: Gott Lob und Dank, recht gut, und Ihnen, hoffe ich, wird es auch ganz gut gegangen seyn? – Er wurde hernach höflicher und sagte Sie, und ich sagte Euer Gnaden, wie ich es gleich vom Anfang gethan hatte. Er gab mir keinen Fried', ich mußte mit ihm hinauf zu seinem Schwiegersohn (im zweyten Stock), und mein Hr. Vetter hatte die Ehre, unterdessen über eine Stiege im Pflez zu warten. Ich mußte mich zurückhalten mit allem Gewalt, sonst hätte ich mit der größten Höflichkeit Etwas gesagt. Ich hatte oben die Ehre, in Gegenwart des gestärzten Hrn. Sohnes, und der langhalsigten gnädigen jungen Frau, und der einfältigen alten Frau so beyläufig drey Viertelstunden auf einem guten Clavicord von Stein zu spielen. Ich spielte Phantasien und endlich Alles, was er hatte, prima vista, unter andern sehr hübsche Stücke von einem gewissen Edlmann. Da war Alles in der größten Höflichkeit, und[60] ich war auch sehr höflich; denn meine Gewohnheit ist, mit den Leuten so zu seyn, wie sie sind, so kömmt man am Besten hinaus«2.

Sein nächster Gang war zu dem berühmten Orgel-und Klavierbauer Stein3. Der Vater – welcher nicht vergaß ihm den vorsichtigen Rath zu geben, er möge die Gelegenheit vermeiden in Steins Gegenwart von ihrem Instrument zu [61] reden das Friederici in Gera verfertigt hatte, weil Stein auf diesen eifersüchtig sei – hatte den Einfall, Wolfgang solle sich bei Stein, der ihn seit seinem siebenten Jahr nicht gesehen habe und gewiß nicht erkennen werde, unter fremdem Namen einführen und vorgeben, er komme aus Inspruck und habe Commission Instrumente anzusehen. So ein Spaß war ganz in Wolfgangs Sinne; er berichtet seinem Vater wie derselbe ausgegangen sei. Während seines Besuches beim Stadtpfleger hatte er geäußert, daß er nach dem Essen zum Stein gehen wolle. »Der junge Herr trug sich also gleich selbst an, mich hinzuführen. Ich dankte ihm für seine Güte, und versprach nach Mittag um 2 Uhr zu kommen. Ich kam, und wir gingen mit einander in Gesellschaft seines Hrn. Schwagers, der einem völligen Studenten gleich sieht. Obwohlen ich gebeten hatte, still zu halten, wer ich sey, so war Hr. von Langenmantel doch so unvorsichtig, und sagte zum Hrn. Stein: Hier habe ich die Ehre Ihnen einen Virtuosen auf dem Claviere aufzuführen, und schmutzte darzu. Ich protestirte gleich und sagte, ich wäre nur ein unwürdiger Scolar von Hrn. Sigl aus München, von dem ich viele tausend Complimente auszurichten habe. Er sagte Nein mit dem Kopf – und endlich: Sollte ich wohl die Ehre haben, den Hrn. Mozart vor meiner zu haben? – O nein, sprach ich, ich nenne mich Trazom, ich habe auch hier einen Brief an Sie. Er nahm den Brief und wollte ihn gleich erbrechen. Ich ließ ihn aber nicht Zeit, und sagte: Was wollen Sie denn jetzt da den Brief lesen? machen Sie dafür auf, daß [62] wir im Saal hinein können, ich bin so begierig, Ihre Pianofortes zu sehen. – – Nu, meinetwegen. Es sey, wie es wolle; ich glaube aber, ich betriege mich nicht. Er machte auf. Ich lief gleich zum einen von den drey Clavieren, die im Zimmer stunden. Ich spielte; er konnte kaum den Brief aufmachen, vor Begierde überwiesen zu seyn; er las nur die Unterschrift. O, schrie er und umarmte mich, er verkreuzigte sich, machte Gesichter und war halt sehr zufrieden.«

Ebensosehr war Mozart mit den Steinschen Pianofortes zufrieden, von deren Vorzügen er seinem Vater einen ins Einzelnste gehenden Bericht abstattet4, und die er für sein [63] eigenes Spiel trefflich zu nutzen wußte. Durch dieses wie durch sein einsichtiges Urtheil gewann er Steins Beifall und Zustimmung so sehr, daß dieser auch in Hinsicht auf die Ausbildung der Tochter seinem Rath folgte. Die Kritik welche er über ihr Spiel an seinen Vater richtet, ist etwas »schlimm«, aber für seine Ansichten von dem, worauf es beim Klavierspiel ankommt, so wichtig daß sie ganz mitgetheilt werden muß – das Andenken der trefflichen Frau Nannette Streicher5 wird durch die muthwillige Charakteristik des jungen Mozarts nicht gekränkt.

[64] »A propos« schreibt er (24. Oct. 1777) »wegen seinem Mädl. Wer sie spielen sieht und hört und nicht lachen muß, der muß ein Stein wie ihr Vater seyn. Es wird völlig gegen den Discant hinauf gesessen, und nicht mitten, damit man mehr Gelegenheit hat, sich zu bewegen und Grimassen zu machen. Die Augen werden verdreht, es wird geschmutzt; wenn eine Sache zwey Mal kömmt, so wird sie das zweyte Mal langsamer gespielt; kommt selbe drey Mal, wieder langsamer. Der Arm muß in alle Höhe, wenn man eine Passage macht, und wie die Passage markirt wird, so muß es der Arm, nicht die Finger, und das recht mit allem Fleiße schwer und ungeschickt thun. Das Schönste aber ist, daß, wenn in einer Passage (die fortfließen soll wie Oel) nothwendiger Weise die Finger gewechselt werden müssen, so braucht's nicht viel Acht zu geben, sondern wenn es Zeit ist, so läßt man aus, hebt die Hand auf und fängt ganz commod wieder an, durch das hat man auch eher Hoffnung, einen falschen Ton zu erwischen, und das macht oft einen curiosen Effect. Ich schreibe dieses nur, um dem Papa einen Begriff vom Clavieripielen und Instruiren zu geben, damit der Papa seiner Zeit einen Nutzen daraus ziehen kann.«

»Herr Stein ist völlig in seine Tochter vernarrt. Sie ist 8thalb Jahre alt; sie lernt nur noch Alles auswendig. Sie kann werden, sie hat Genie; aber auf diese Art wird sie nichts, sie wird niemalen viel Geschwindigkeit bekommen, weil sie sich völlig befleißt, die Hand schwer zu machen. Sie [65] wird das Nothwendigste und Härteste und die Hauptsache in der Musique niemalen bekommen, nämlich das Tempo, weil sie sich von Jugend auf völlig beflissen hat, nicht auf den Tact zu spielen. Herr Stein und ich haben gewiß zwey Stund mit einander über diesen Punct gesprochen. Ich habe ihn aber schon ziemlich bekehrt. Er fragt mich jetzt in Allem um Rath. Er war in den Beecké völlig vernarrt. Nun sieht und hört er, daß ich mehr spiele als Beecké6, daß ich keine Grimassen mache und doch so expressive spiele, daß noch Keiner, nach seinem Bekenntnisse, seine Pianoforte so gut zu tractiren gewußt hat, daß ich immer accurat im Tact bleibe. Ueber das verwundern sie sich Alle. Das tempo rubato [66] in einem Adagio, daß die linke Hand nichts darum weiß, können sie gar nicht begreifen; bey ihnen giebt die linke Hand nach«7.

Nicht allein durch sein Klavierspiel, mochte er eigene Compositionen vortragen oder fremde vom Blatt spielen, setzte er Alles in Erstaunen8, auch als Orgel-und Violinspieler erregte er allgemeine Bewunderung. »Als ich Herrn Stein sagte«, schreibt er »ich möchte gern auf seiner Orgl spielen, denn die Orgl sey meine Passion; so verwunderte er sich groß, und sagte: Was, ein solcher Mann wie Sie, ein solcher Clavierist, will auf einem Instrumente spielen, wo keine Donceur, keine Expression, kein Piano noch Forte statt findet, sondern immer gleich fortgehet? – Das hat Alles nichts zu bedeuten. Die Orgl ist doch in meinen Augen und Ohren der König aller Instrumenten. – Nun, meinetwegen. – Wir gingen halt mit einander. Ich merkte schon aus seinen Discoursen, so daß er glaubte, ich würde nicht viel auf seiner Orgl machen; ich würde per exemple völlig Claviermäßig [67] spielen. Er erzählte mir, er hätte auch Choberten9 auf sein Verlangen auf die Orgl geführt, und es war mir schon bange (sagte er), denn Chobert sagte es allen Leuten, und die Kirche war ziemlich voll; dann ich glaubte halt, der Mensch wird voll Geist, Feuer und Geschwindigkeit seyn, und das nimmt sich nicht aus auf der Orgl, aber wie er anfing, war ich gleich anderer Meynung. Ich sagte nichts als dieß: Was glauben Sie, Hr. Stein, werde ich herumlaufen auf der Orgl? – – Ach Sie! das ist ganz was Anderes. Wir kamen auf den Chor, ich fing zu präludiren an, da lachte er schon; dann eine Fuge. Das glaube ich, sagte er, daß Sie gern Orgl spielen, wenn man so spielt«10. Auch im Kloster St. Ulrich spielte er die Orgel11, und verkehrte öfter im Kloster zum heiligen Kreuz, wo man ihn am 19. October zum Speisen einlud und unter Tafel Musik machte. »So schlecht als sie geigen« erzählt er (24. Oct. 1777) »ist mir die Musique in dem Kloster doch lieber als das Orchester von Augsburg. Ich machte eine Symphonie, und spielte auf der Violine das Concert ex B von Wanhall mit allgemeinem Applauso. Der Hr. Dechant ist ein braver lustiger Mann; er ist ein Vetter von Eberlin, heißt Zeschinger, er kennt den [68] Papa ganz gut. Auf die Nacht beym Souper spielte ich das Strasburger Concert12. Es ging wie Oel. Alles lobte den schönen reinen Ton. Hernach brachte man ein kleines Clavicord. Ich präludirte und spielte eine Sonate und Variationen von Fischer. Dann zischerten die andern dem Hrn. Dechant ins Ohr, er sollte mich erst orglmäßig spielen hören. Ich sagte, er möchte mir ein Thema geben, er wollte nicht, aber einer aus den Geistlichen gab mir eines. Ich führte es spaziren und mitten darin (die Fuga gieng ex G minor) fing ich miaior an, und ganz etwas Scherzhaftes, aber im nämlichen Tempo, dann endlich wieder das Thema, und aber arschling; endlich fiel mir ein, ob ich das scherzhafte Wesen nicht auch zum Thema der Fugae brauchen könnte? – – Ich fragte nicht lange, sondern machte es gleich, und es ging so accurat, als wenn es ihm der Daser13 angemessen hätte. Der Hr. Dechant war ganz außer sich. Das ist vorbey, da nutzt nichts (sagte er), das habe ich nicht geglaubt, was ich da gehört habe, Sie sind ein ganzer Mann. Mir hat freylich mein Prälat gesagt, daß er sein Lebetag Niemand so bündig und ernsthaft die Orgl habe spielen hören. Denn er hat mich etliche Tage vorher gehört, der Dechant war aber nicht hier. Endlich brachte Einer eine Sonata her, die fugirt war, ich sollte sie spielen. Ich sagte aber: Meine Herren, das ist zu viel; das muß ich gestehen, die Sonate werde ich nicht gleich so spielen können. Ja, das glaube ich auch (sprach der Dechant mit vielem Eifer, denn er war ganz für mich), das ist zu viel, da giebts keinen, dem das möglich wäre. Uebrigens aber, sagte ich, will ich es doch probiren. Da hörte ich aber immer hinter meiner den Dechant ausrufen: O Du Erzschufti! [69] O Du Spitzbube! o du du! Ich spielte bis 11 Uhr. Ich wurde mit lauter Fugenthemata bombardirt und gleichsam belagert.« Und weil er dort so gut aufgenommen wurde und man solche Freude an seiner Musik hatte, so beschenkte er den Prälaten mit mehreren Compositionen14: was ihm dafür geworden sei, erfahren wir nicht.

Trotz dieses Beifalls der Kenner sah es doch mit einem Concert schließlich übel aus. Anfangs erwartete man eine brillante Akademie; Herr v. Langenmantel, der Sohn des Stadtpflegers, hatte die Sache in die Hand genommen und versprochen eine Akademie »auf der Stube« bloß für die Herren Patricii zu veranstalten. Allein nach einigen Tagen lud er ihn zu sich ein und erklärte ihm, nachdem Wolfgang der Gesellschaft hinreichend vorgespielt hatte, mit der Akademie wäre es nichts, indem die »Patricii nicht bei Cassa seien.« Noch nicht genug, die Patricii fanden es passend bei Tisch ihn aufzuziehen. Dem Rath seines Vaters gemäß trug Wolfgang in Augsburg sein Ordenskreuz15; dies nahm man als Veranlassung ihn zu necken, besonders wurde ein Officier, Namens Bach, so zudringlich und unartig, daß Wolfgang die Geduld verlor und ihn auf derbe Art in seine Schranken [70] wies: den Orden aber scheint er später nicht wieder getragen zu haben. Er hatte versprochen in das gewöhnliche Patricier-Concert zu kommen und vielleicht zu spielen; indignict über diese Behandlung erklärte er nun, er wolle vom ganzen Patriciat nichts wissen und nur für wenige eingeladene Freunde und Kenner eine Akademie geben. Es waren aber die katholischen Patricier, welche ihn so unwürdig behandelt hatten; Stein setzte nun die lutherischen Patricier in Vewegung16 und man kam ihm von dieser Seite mit soviel Artigkeit entgegen, daß er doch in die »vornehme Bauernstub-Akademie«17 ging, eine von seinen Symphonieen aufführen ließ, in der er selbst mitgeigte und dann ein Concert und eine Sonate spielte. An Complimenten und Lobeserhebungen ließ man es auch nicht fehlen, schließlich wurden ihm zwei Ducaten eingehändigt. Der Vater war mit Wolfgangs Nachgiebigkeit gar nicht zufrieden; »das ist bey alle dem gewiß:« schrieb er ihm (20. Oct. 1777) »mich würden sie schwerlich in ihre Bettl-Academie gebracht haben.«

Indessen war durch die Bemühungen seiner Freunde, namentlich des Grafen Wolfegg18, auch das öffentliche Concert [71] am 22. October zu Stande gekommen19. »Was meynt der Papa, was das erste war nach der Sinfonie? – Das Concert auf drey Clavieren20. Herr Demmler21 spielte das erste, ich das zweyte, und Herr Stein das dritte. Dann spielte ich allein die letzte Sonate ex D fürn Dürnitz, dann mein Concertex B, dann wieder allein ganz regelmäßig eine Fugeex C minor, und auf einmal eine prächtige Sonate ex C major so aus dem Kopfe mit einem Rondo am Ende. Es war ein rechtes Getös und Lärmen. Hr. Stein machte nichts als Gesichter und Grimassen für Bewunderung; Hr. Demmler mußte beständig lachen. Dieser ist ein so curioser Mensch, daß, wenn ihm Etwas sehr gefällt, so muß er ganz entsetzlich lachen. Bey mir fing er gar zu fluchen an. – Graf Wolfegg lief immer im Saal herum und sagte: so habe ich mein Lebetag nichts gehört. Er sagte zu mir: Ich muß Ihnen sagen, daß ich Sie niemals so spielen gehört, wie heute; ich werde es auch Ihrem Vater sagen, so bald ich nach Salzburg komme«22.

[72] Die Einnahme war nicht glänzend23 und Wolfgang hatte nicht Ursache zu widerrufen was er seinem Vater im Aerger über das Benehmen der Patricier geschrieben hatte (16. Oct. 1777): »Das kann ich sagen, wenn nicht ein so braver Herr Vetter und Base und so liebes Bäsle da wäre, so reuete es mich so viel als ich Haare im Kopf habe, daß ich nach Augsburg bin. Nun muß ich von meiner lieben Jungfer Bäsle etwas schreiben; das spare ich mir aber auf morgen, dann man muß ganz aufgeheitert seyn, wenn man sie recht loben will wie sie es verdient. – Den 17ten in der Frühe schreibe und betheure ich daß unser Bäsle schön, vernünftig, lieb, geschickt und lustig ist; und das macht weil sie brav unter die Leute gekommen ist, sie war auch einige Zeit zu München. Das ist wahr, wir zwey taugen recht zusammen, denn sie ist auch ein bischen schlimm24; wir foppen die Leute mit einander [73] daß es lustig ist.« Gegen ein hingeworfenes Wort des Vaters nimmt er sie eifrig in Schutz (24. Oct. 1777): »Mein lieb Bäsle, welches sich beiderseits empfiehlt, ist nichts weniger als ein Pfaffenschnitzl25. Gestern hat sie sich mir zu Gefallen französisch angezogen; da ist sie um 5 p. Cento schöner.« Er schenkte ihr sein Portrait26 und sie mußte ihm versprechen sich für ihn in französischer Tracht zeichnen zu lassen27; damit noch nicht zufrieden bittet er seinen Vater, er möge ihr von den vielen Bijouterien, die von den früheren Reisen her bei ihnen aufbewahrt wurden, etwas zum Andenken schicken28. Es gab daher nach dem fröhlichen Zusammensein [74] einen sehr traurigen und betrübten Abschied, von dem auch Stein nebst dem erstaunlichsten Lob über Wolfgangs Leistungen dem Vater berichtete. Das gab diesem Veranlassung bei dem nächsten Pölzlschießen »den traurigen Abschied in den zwey in Thränen zerfließenden Personen des Wolfgang und des Bäsle« auf der Scheibe erscheinen zu lassen. »Die Scheibe war allerliebst«, meldet er (17. Nov. 1777). »Eine Augsburgerin stand rechter Hand und präsentirte einem jungen Menschen, der Stiefl anhatte und reisefertig war, einen Reisebusch, in der anderen Hand hatte sie ein erstaunlich auf dem Boden nachschleppendes Leinlach, womit sie die weinenden Augen abtrocknete. Der Chapeau hatte auch ein dergleichen Leinlach, that das nämliche und hielt in der anderen Hand seinen Hut. Oben stand geschrieben:


Adieu mein Jungfer Baas! – Adieu mein lieber Vetter!

Ich wünsch zur Reise Glück, Gesundheit, gutes Wetter:

Wir haben 14 Täg recht fröhlich hingebracht;

Das ists, was beyderseits den Abschied traurig macht.

Verhaßtes Schicksaal! – – ach! ich sah sie kaum erscheinen;

So sind sie wieder weg! – wer sollte nun nicht weinen?«29


Wenn er so in bester Laune an den kleinen Abenteuern des Sohnes Theil nahm, so legt der folgende Brief, welchen er zu dessen Namenstag (31. Oct.) schrieb, von seiner ernsten Sorge für ihn ein schönes Zeugniß ab.

»Ich soll Dir zu Deinem Namenstage Glück wünschen. Aber was kann ich Dir itzt wünschen, was ich Dir nicht [75] immer wünsche? – – Ich wünsche Dir die Gnade Gottes, die Dich aller Orten begleite, die Dich niemals verlassen wolle, und niemals verlassen wird, wenn Du die Schuldigkeit eines wahren katholischen Christen auszuüben beflissen bist. Du kennst mich. – Ich bin kein Pedant, kein Betbruder, noch weniger ein Scheinheiliger; allein Deinem Vater wirst Du wohl eine Bitte nicht abschlagen. Diese ist, daß Du für Deine Seele so besorgt seyn wollest, daß Du Deinem Vater keine Beängstigung in seiner Todesstunde verursachst, damit er in jenem schweren Augenblicke sich keinen Vorwurf machen darf, als hätte er an der Sorge für Dein Seelenheil etwas vernachlässigt. Lebe wohl! Lebe glücklich! Lebe vernünftig! Ehre und schätze Deine Mutter, die in ihrem Alter nun viele Mühe hat. Liebe mich, wie ich Dich liebe als Dein wahrhaft sorgfältiger Vater


Leopold Mozart


Die Antwort des Sohnes ist in dem Tone der Ehrerbietung gehalten, welche in so ernsten Angelegenheiten die Kinder den Eltern erwiesen. »Ich küsse dem Papa die Hand«, schreibt er »und danke gehorsamst für den Glückwunsch zu meinem Namenstage. Lebe der Papa unbesorgt; ich habe Gott immer vor Augen, ich erkenne seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn; ich erkenne aber auch seine Liebe, sein Mitleiden und Barmherzigkeit gegen seine Geschöpfe; er wird seine Diener niemalen verlassen. Wenn es nach seinem Willen geht, so geht es auch nach meinem; mithin kann es nicht fehlen – ich muß glücklich und zufrieden seyn. Ich werde auch ganz gewiß mich befleißigen, Ihrem Befehle und Rathe, den Sie mir zu geben die Güte hatten, auf das Genaueste nachzuleben.«

Am 26. October reiste Wolfgang mit seiner Mutter von Augsburg über Donauwörth, Nördlingen nach Hohenaltheim, [76] wo sich der Fürst von Wallerstein30 damals aufhielt. Die Musik wurde an diesem kleinen Hofe mit Vorliebe gepflegt; nicht allein einzelne Virtuosen – Janitsch als Violinist, Reicha als Violoncellist, Perwein als Oboist genossen eines bedeutenden Russ – befanden sich dort, sondern das ganze Orchester zeichnete sich durch nuancirten Vortrag aus. Der Director desselben Rosetti hatte, wie Schubart versichert (Aesthetik S. 169), die feinsten und fast unmerklichsten Abstufungen des Tons oft mit pedantischer Gewissenhaftigkeit angemerkt. Der Fürst war damals in melancholischer Stimmung und konnte keine Musik hören; sie mußten aber wegen eines Katarrhs der Mutter sich mehrere Tage dort aufhalten. Dem Vater war berichtet worden, Wolfgang habe den Spaßmacher gemacht, sei auf der Violine spielend herumgetanzt, und als ein lustiger aufgeräumter närrischer Mensch dort bekannt, was denn für Beecké31 die willkommene Veranlassung gewesen sei seine Verdienste als Künstler herabzusetzen. Das stellte aber Wolfgang entschieden in Abrede, [77] er sei »an der Offizier-Tafel mit einer rechten auctorité da gesessen und habe mit keinem Menschen ein Wort geredet; auch bei Beecké sei er ganz serios gewesen.« Dieser hatte ihn freundlich aufgenommen, ihm für den Fall daß er nach Paris gehen würde Rath und Unterweisung gegeben, und ließ sich von ihm vorspielen. Auch über Wien hatten sie sich unterhalten und daß Kaiser Joseph ein Kenner des Satzes, aber nicht eigentlich Liebhaber der Musik sei, daher ihm Beecké Fugen und dergleichen Sachen vorgespielt habe. Sie theilten sich auch die Erfahrung mit, daß sie beide leicht Kopfweh von der Musik bekämen, Beecké bei guter, Mozart bei schlechter.

Fußnoten

1 Leop. Mozart hatte ihnen genaue Instructionen gegeben (25. Sept. 1777): »Heute frühe ließ ich Hrn. Glatz von Augsburg zu mir kommen und wir kamen überein daß Ihr in Augsburg beim Lamb in der heil. Kreuzgasse absteigen sollt, wo Ihr Mittags die Person 30 Kr. bezahlt und schöne Zimmerl sind, auch die ansehnlichsten Leute, Engländer, Franzosen etc. da einkehren. Von da habt Ihr auch ganz nahe die Kirche zum heil. Kreuz und mein Bruder Franz Aloys ist auch in der Nähe, nämlich in der Jesuitergasse. Ihr dürft also beim Hrn. Albert nichts sagen; denn bey den drey Mohren ist es zu theuer; er fordert erstaunlich für die Zimmer und jede Mahlzeit kommt die Person auf 45 und auch 48 Kr.«


2 »So oft ich an Deine Reise nach Augsburg dachte«, antwortet ihm der Vater hierauf (18. Oct. 1777) »so oft fielen mir Wielands Abderiten ein: man muß doch was man im Lesen für pures Ideal hält Gelegenheit haben in natura zu sehen.« Und dann klärt er ihn auf über die große Würde eines Stadtpflegers und den Respect der Bürger vor ihrem »regierenden Schellenkönig.«


3 Georg Andreas Stein, geb. 1728 zu Heidelsheim in der Rheinpfalz, ein Schüler Silbermanns, war Organist in Augsburg und zeichnete sich als erfinderischer und sorgfältiger Instrumentenmacher aus. Er hatte in den Jahren 1755 bis 1757 eine vortreffliche Orgel für die evangelische Pfarrkirche bei den Barfüßern gebauet, erfand mehrere Instrumente, wie das Melodikon, von dem Schubart meinte (Aesthetik S. 217), wenn das Geheimniß desselben allgemein geworden sei, »werde der Klavierspieler dicht an den Sänger gränzen und wie Orpheus die Bäume tanzen machen.« Dauernder sind die Verdienste geblieben, welche er sich um die Vervollkommnung des Klaviers erworben hat, indem er der Begründer des später so genannten Wiener Mechanismus ist. »Er erfand ein neues Hammerwerk, wobei die Hammerchen in Messingkapseln gehen, sowie die Auslösung und den Fänger für diese Mechanik; erstere war um so wichtiger, als durch sie Anschlag und Tonbildung des Klaviers das Rohe und Unvollkommene verloren, was vordem der Tangenten- und der frühere Stoßzungen-Mechanismus eigen hatten. Ihm wird auch das Verdienst zugeschrieben, die Belederung der Hämmer zuerst angewandt zu haben« (C. André, der Clavierbau S. 22). Wie hoch er zu seiner Zeit geschätzt wurde mögen Schubarts Worte beweisen (Aesthetik S. 216): »Sein Geschmack ist vortrefflich. Er spielt selbst nach Bedürfniß nicht übel und kennt alles Große, besonders was das Klavier- und Orgelspiel betrifft; als Mechaniker aber hat er schwerlich seines Gleichen in Europa. Seine Orgeln, Flügel, Fortepianos und Clavikorde sind die besten die man kennt. Stärke mit Zartheit, Tiefsinn mit Hoheit, Dauer mit Schönheit gepaart – diesen Stempel drückt er allen seinen Instrumenten auf.« Er war mit ihm während seines Aufenthalts in Augsburg nahe befreundet gewesen (Selbstbiogr. 17 II S. 23ff.). Stein starb im Jahr 1792.


4 »Nun muß ich gleich bey die Steinischen Pianoforte anfangen. Ehe ich noch vom Stein seiner Arbeit etwas gesehen habe, waren mir die Späthischen Claviere die liebsten, nun aber muß ich den Steinischen den Vorzug lassen; denn sie dämpfen noch viel besser, als die Regensburger. Wenn ich stark anschlage, ich mag den Finger liegen lassen oder aufheben, so ist halt der Ton in dem Augenblicke vorbey, da ich ihn hören ließ. Ich mag auf die Claves kommen, wie ich will, so wird der Ton immer gleich seyn, er wird nicht schebern, er wird nicht stärker, nicht schwächer gehen, oder gar ausbleiben; mit einem Worte, es ist Alles gleich. Es ist wahr, er giebt so ein Pianoforte nicht unter 300 fl.; aber seine Mühe und Fleiß, die er anwendet, ist nicht zu bezahlen. Seine Instrumente haben besonders das vor andern eigen, daß sie mit Auslösung gemacht sind, da giebt sich der Hundertste nicht damit ab; aber ohne Auslösung ist es halt nicht möglich, daß ein Pianoforte nicht schebere oder nachklinge. Seine Hämmerl, wenn man die Claves anspielt, fallen in dem Augenblick, da sie an die Saiten hinaufspringen, wieder herab, man mag den Clavis liegen lassen, oder auslassen. Wenn er ein selch Clavier fertig hat, (wie er mir selbst sagte) so setzt er sich erst hin, und probirt allerley Passagen, Läufe und Sprünge, und schabt und arbeitet so lange, bis das Clavier Alles thut; denn er arbeitet nur zum Nutzen der Musique, und nicht seines Nutzens wegen allein, sonst würde er gleich fertig seyn. Er sagt oft: Wenn ich nicht selbst ein so passionirter Liebhaber der Music wäre, und nicht selbst etwas Weniges auf dem Claviere könnte, so hätte ich gewiß längst schon die Geduld bey meiner Arbeit verloren: allein ich bin halt ein Liebhaber von Instrumenten, die den Spieler nicht ansetzen, und die dauerhaft sind. Seine Claviere sind auch wirklich von Dauer. Er steht gut davor, daß der Resonanzboden nicht bricht und nicht springt. Wenn er einen Resonanzboden zu einem Clavier fertig hat, so stellt er ihn in die Luft, Regen, Schnee, Sonnenhitze und allen Teufel, damit er zerspringt, und dann legt er Späne ein und leimt sie hinein, damit er stark und recht fest wird. Er ist völlig froh, wenn er springt; man ist halt hernach versichert, daß ihm nichts mehr geschieht. Er schneidet gar oft selbst hinein, und leimt ihn wieder zu, und befestigt ihn recht. Er hat drey solche Piano forte fertig und ich habe erst heute wieder darauf gespielt. – – – Die Machine, wo man mit dem Knie drückt, ist auch bey ihm besser gemacht, als bey den Andern. Ich darf es kaum anrühren, so geht es schon; und sobald man das Knie nur ein wenig wegthut, so hört man nicht den mindesten Nachklang.«


5 Maria Anna (Nannette) Stein, geboren 1769, zeigte schon in früher Jugend ein hervorragendes Talent zur Musik und wurde von ihrem Vater mit der hingebendsten Sorgfalt erzogen, daß sie nicht allein als Kind sich auf dem Klavier und als Sängerin mit großem Beifall hören ließ (Fr. Nicolai Beschreibung e. Reise VIII S. 156f.), sondern auch den Klavierbau gründlich kennen lernte. Sie konnte nach dem Tode des Vaters, den sie mit musterhafter Liebe gepflegt hatte, die Leitung des Geschäfts übernehmen; und als sie 1794 mit Streicher, dem Jugendfreunde Schillers, vermählt nach Wien übersiedelte, stand sie auch hier der neubegründeten Instrumentenfabrik selbst vor, bis ihr Sohn dieselbe übernahm. Bis zu ihrem Tode im J. 1833 behauptete sie den Ruhm einer ausgezeichneten Klavierspielerin und einer Frau von hoher geistiger Bildung, ohne den Pflichten der Hausfrau und Mutter das Geringste zu vergeben. Die treue Freundschaft welche sie Beethoven, da wo er am schwersten zugänglich war, durch unermüdete, echt weibliche Sorge für sein Hauswesen bewährte, ist ein schöner Beweis ihres Verständnisses für das künstlerisch und menschlich Echte und Große. Vgl. A.M.Z. XXXV S. 373ff.


6 Vgl. S. 77. Diese Aeußerung, die dem Vater vertraulich gethan, nicht anmaßend erscheinen kann, war der Wiederhall von dem was Andere urtheilten. »Graf Wolfeck und mehrere, die ganz passionirt für Beecké sind, sagten neulich öffentlich im Concert, daß ich den Beecké im Sack schiebe« schreibt Wolfgang ebenfalls seinem Vater. Sogar der Erzbischof Hieronymus sagte, aber nur zu seinen Lieblingen, daß Beecké ein Charlatan und Schwänkemacher sei und Mozart alle weit übertreffe, wie Leopold Mozart seinem Sohn berichtet (29. Juni 1778). Man kann begreifen daß Beecké, wenn ihm dergleichen Urtheile zu Ohren kamen, nicht sehr zufrieden war und wohl auch über den jungen Mann, dem er in ungewohnter Weise nachgesetzt wurde, seiner Unzufriedenheit gemäß urtheilte; wie denn Leop. Mozart später schrieb (26. Jan. 1778): »Beecké muß sehr eifersüchtig auf Wolfgang seyn; er sucht ihn so klein zu machen als es immer möglich ist.« Wie man sonst über ihn urtheilte mag folgende Charakteristik Schubarts (Aesthetik S. 166) beweisen: »Herr von Beecké gehört nicht nur unter die besten Flügelspieler, sondern auch unter die vorzüglichsten und originalsten Componisten. Seine Hand ist klein und brillant, sein Vortrag deutlich und rund, seine Phantasie reich und glänzend und – was ihn am meisten ehrt – seine ganze Spielart selbst geschaffen. Er hat im Clavier eine Schule gebildet, die man die Beeckische nennt. Der Charakter dieser Schule ist: eigenthümlicher Fingersatz, kurzes etwas affectirtes Fortrücken der Faust, deutlicher Vortrag, spielender Witz in den Passagen und sonderlich ein herrlicher Pralltriller.«


7 Hier erkennen wir den Schüler seines Vaters; man sehe was dieser über das tempo rubato des wahren Virtuosen sagt I S. 17f.


8 Er erzählt seinem Vater (14. Oct. 1777), daß Stein ihn in ein Kaffehaus geführt habe, wo er vor Tabacksqualm geglaubt habe in der Türkei zu sein, und dann zu dem Flötisten Fr. Hartm. Graf (geb. 1730, seit 1772 Kapellmeister in Augsburg, gest. 1797). Dieser habe sehr nobel gethan und ihm ein Concert vorgespielt, das ihm gewiß viel Mühe gemacht habe; darauf habe auch er zu allgemeiner Verwunderung gespielt. Ein anderesmal spielte er »prima vista eine Sonate von Beecké, die ziemlich schwer war, miserabile al solito; was sich da der Herr Capellmeister und Organist verkreuzigten ist nicht zu beschreiben.« Auch seine eigenen Sonaten (I S. 611) spielte er oft auswendig. Er hatte dieselben in Abschrift nach Salzburg geschickt, allein ohne nähere Angabe durch wen; da sie nun nicht anlangten, schrieb ihm der Vater (13. Oct. 1777): »Wo sollen wir jetzt nachfragen? wer soll sie uns nun einhändigen? zu Zeiten fehlts noch am Ellnbogen!«


9 Vgl. I S. 50.


10 »Vom Anfang« fügt er hinzu »war mir das Pedal ein wenig fremd, weil es nicht gebrochen war. Es fing C an, dann D E in einer Reihe. Bei uns aber ist D und E oben, wie hier Es und Fis. Ich kam aber gleich darein.«


11 »Ich war auch« schreibt er (17. Oct. 1777) »zu St. Ulrich auf der alten Orgl. Die Stiege ist was Abscheuliches. Ich bat, es möchte mir auch wer darauf spielen, ich möchte hinabgehen und zuhören; denn oben macht die Orgl gar keinen Effect. Ich nahm aber nichts aus, denn der junge Regens Chori, ein Geistlicher, machte Läufe auf der Orgl herum, daß man nichts verstand, und wenn er Harmonieen machen wollte, waren es lauter Disharmonieen, denn es stimmte nicht recht.«


12 Vgl. I S. 604.


13 Daser war ein Schneider in Salzburg.


14 Es ist in den Zeitungen von einer Messe in C-moll berichtet worden, die Mozart in Augsburg für das Kloster zum heil. Kreuz geschrieben habe, deren Handschrift wieder zum Vorschein gekommen sei, welche Gathy (Revue et gazette music. 1856 p. 90 f.) für echt erklärte. Nachdem ich diese durch die Güte des Hrn. Speyer habe prüfen können, ist mir kein Zweifel geblieben, daß weder Handschrift noch Composition von Mozart sei. Es waren die Messen in F (Beilage VIII, 8), in C (Beil. VIII, 9) und »das Offertorium in Contrapunkt in D minor«, wahrscheinlich das Misericordias Domini (Beil. VIII, 44). Wegen einer Litanei de venerabili hatte er sie an seinen Vater verwiesen, dem er schreibt (20. Nov. 1777), die letzte ex E b (Beil. VIII, 23) würde passend sein.


15 »An den Höfen« schreibt er (25. Sept. 1777) »mußt Du Dein Kreuz nicht tragen; aber in Augsburg mußt Du es alle Tage nehmen; da macht es Dir Ansehn und Respect und so an allen Orten, wo kein regierender Fürst ist.« Und später (13. Oct. 1777): »Weil es mir eben einfallt, muß ich Dich erinnern (denn Du giebst auf solche Sachen nicht Acht), daß der Pabst, von dem Du den Orden hast, der berühmte und große Pabst Ganganelli, Clemens XIV war«.


16 Der Gegensatz der Katholiken und Protestanten in dem paritatischen Augsburg war damals bis zum Fanatismus gesteigert und äußerte sich im Großen wie im Kleinen; Schubart Selbstbiogr. 17 II S. 15ff. K. R[isbeck] Briefe über Deutschland II S. 55ff.


17 Das Verzeichniß der Theilnehmer, welches Wolfgang seinem Vater mittheilt, ist ein Seitenstück von Goethes Personenverzeichniß zu Haeswursts Hochzeit.


18 Vgl. oben S. 9. »Graf Wolfegg war fleißig dabey« schreibt Wolfgang (24. Oct. 1777) »und brachte etliche Stiftsdamen mit [ins Concert]. Ich war schon gleich die ersten Tage in seinem Logement um ihm aufzuwarten, er war aber nicht hier. Vor etlichen Tagen ist er wieder angelangt und da er erfahren daß ich hier bin, so erwartete er nicht daß ich zu ihm kam, sondern da ich just Hut und Degen nahm um ihm meine Visite zu machen, trat er eben zur Thüre hinein.«


19 »Diesen Augenblick« schreibt Leop. Mozart (23. Oct. 1777) »schickt mir der Hr. Hagenauer das Intelligenzblatt und in eben der Minute die Frau von Ehrlichs die Zeitung, weil in beyden das Concert angekündigt ist. Es ist gut daß zwey Einlagsplätze sind. Die Ankündigung ist sehr gut gemacht. Ihr werdet also das Concert à 3 Clavecius spielen?«


20 S. I S. 615ff.


21 Joh. Mich. Demmler starb 1734 als Organist an der Domkirche zu Augsburg und stand als tüchtiger Klavier- und Violinspieler in Ansehen. Wolfgang empfahl ihn angelegentlich als man später in Salzburg einen Organisten suchte (18. Dec. 1778).


22 Leop. Mozart hatte seinen Sohn erinnert, er möge für einen Artikel in den Augsburger Zeitungen sorgen, das würde in Salzburg »Jemanden viel Galle machen«; er hatte ihn deshalb an Hrn. Christoph von Zabuesnig gewiesen, der das schöne Gedicht auf Wolfgang gemacht hatte (I S. 146ff.) Von dem mochte denn wohl der »unvergleichliche Artikel in der Maschenbauerischen Zeitung n. 213« sein, von dem Leop. Mozart seinem Sohn ganz erfreuet berichtet.


23 »Das Concert« schreibt Wolfgang (24. Oct. 1777) »hat 99 fl. getragen, ohne Abzug der Unkösten. Wir haben also nun mit die 2 Ducaten auf der Stube 100 fl. eingenommen. Die Unkösten vom Concerte haben nicht mehr als 16 fl. 30 Xr. gemacht. Den Saal hatte ich frey, und von der Musik, glaube ich, werden halt Viele umsonst gegangen seyn. Wir haben nun in Allem 26 oder 27 fl. verloren, das geht noch an.«


24 Schlimm wurde Wolfgang gern genannt. Mad. Duschek hatte auf die Nachricht daß er Salzburg verlassen habe geschrieben »daß ihr dieser Verdruß von Salzburg ebenfalls berichtet worden, daß er und sie den empfindsamsten Antheil nehmen; der nun noch schlimmere Wolfgang möge nur grade oder über die Queere nach Prag kommen, so werde er allezeit mit dem freundschaftlichsten Herzen empfangen werden«; so berichtet der Vater (28. Sept. 1777). Bei seiner Neigung sich über die Leute aufzuhalten und bei dem Ton, welchen er häufig in seinen Späßen anschlug, läßt sich ungefähr denken, was man unter schlimm verstand.


25 Zum Beweis dient eine Geschichte, wie sie in einer lustigen Gesellschaft im Gastzimmer den Pater Emilianus »einen hoffärtigen Esel und einfältigen Witzling«, der glaubte seinen Spaß mit ihr treiben zu können, nach Herzenslust foppte; und wie sie dann, als er »rauschig« einen Canon anstimmte, sotto voce ziemlich freie Textesworte zu seiner Verhöhnung improvisirten; »dann lachten wir wieder eine halbe Stunde.«


26 Das kleine, etwas beschädigte Medaillon liegt vor mir. Es zeigt Mozart im rothen Frack mit einfacher Frisur; das sehr jugendliche Gesicht mit den klugen Augen hat einen munteren und offenen Ausdruck. Wenn man dieses Portrait mit dem Bilde Leop. Mozarts vor der Violinschule vergleicht, so wird es begreiflich, daß die alten Bekannten desselben eine Aehnlichkeit zwischen Vater und Sohn bemerkten, die in späteren Portraits nicht zu finden ist (I S. 24).


27 Das Bild langte im Februar 1778 in Salzburg an, nicht zur Zufriedenheit des Vaters, der seinem Bruder die unnütze Ausgabe gern erspart gesehen hätte, und befindet sich jetzt dort im Archiv des Mozarteums. Es ist eine Bleistiftzeichnung, die von keinem großen Meister herrührt. Sie zeigt das gutmüthige und lustige Gesicht des Bäsle, das etwas derbe Formen hat und ohne schön zu sein doch recht angenehm aussieht. Uebrigens trägt sie die gestickte Riegelhaube, die ihr gut steht, und keine Frisur; ein kleines schwarzes Tuch ist um den Hals geschlagen; näher ist die Tracht nicht charakterisirt.


28 »Meine Mama und ich« schreibt er (4. Nov. 1777) »bitten den Papa recht schön, Sie möchten doch die Güte haben und unserer lieben Base ein Angedenken schicken; denn wir haben alle zwey bedauert daß wir nichts bey uns haben, aber versprochen dem Papa zu schreiben daß er ihr was schickt. Aber zweierley: im Namen der Mama so ein Doppelbüchel wie die Mama eins hat, und im Namen meiner eine Galanterie, eine Dose, oder Zahnstocherbüchsl etc. oder was es ist, wenn es nur schön ist; denn sie verdient es.«


29 Mozart unterhielt nachher mit seinem Bäsle einen Briefwechsel, von dem in Beilage XI nähere Nachricht gegeben ist.


30 Man kennt seine Charakteristik in Langs Memoiren I S. 56ff.


31 Ignaz von Beecké war Hauptmann in einem würtembergischen Dragonerregiment, sowie Kammerherr, Intendant und Musikdirektor am Fürstlich Oetting-Wallersteinschen Hofe. Als ausgezeichneter Klavierspieler und fruchtbarer Componist in den verschiedensten Gattungen der Vocal- und Instrumentalmusik konnte er damals wohl mitunter als ein Rival Mozarts gelten und dessen Vater trauete ihm nicht immer die freundlichsten Gesinnungen gegen Wolfgang zu (S. 66). Seine Stellung in Wallerstein scheint ihm zu Reisen viele Zeit gegeben zu haben, er hielt sich öfter in Mainz und in Wien auf; im Jahr 1790 spielte er mit Mozart, der ihn den Papa der Klavierspieler zu nennen pflegte, ein vierhändiges Concert. Sein Briefwechsel mit Dalberg aus den Jahren 1732–1735, der in der königl. Bibliothek zu München aufbewahrt wild, zeigt ihn als einen gebildeten Mann von munterem, lebhaftem Sinn. Er starb in Wallerstein 1892.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 2, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1856, S. 1.
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