Man hat oft darauf hingewiesen daß Mozart die Entführung als Bräutigam geschrieben habe und manche Aehnlichkeit seines eigenen Liebesverhältnisses mit dem in der Oper dargestellten hervorgehoben um, bei der verbreiteten Neigung die aus wirklichen Umständen des Lebens hervorgehende Stimmung des Künstlers mit der künstlerisch productiven zu identificiren, die Tiefe und Wahrheit im Ausdruck der Liebe in seiner Musik daraus zu erklären. Vergegenwärtigt man sich den Verlauf der Begebenheiten, die Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten, mit denen Mozart unausgesetzt zu kämpfen hatte, so wird [128] man sich vielmehr wundern, wie er unter solchen Umständen überhaupt componiren konnte und die Entführung wird ein glänzender Beweis, wie die Kraft zu schaffen den Künstler von dem Druck des wirklichen Lebens frei macht und ihn in die Region des Schönen erhebt, in welcher das wahre Kunstwerk geboren wird.
Wir sahen bereits, wie erwünscht es Mozart war, als er das Haus des Erzbischofs verlassen mußte eine Wohnung bei Mad. Weber, seiner alten Freundin von Mannheim her, zu finden. Sie lebte, nachdem Aloysia mit dem Schauspieler Lange verheirathet war, mit ihren übrigen drei Töchtern in keiner bequemen Lage und war zufrieden, wenn sie ein Paar Zimmer vermiethen konnte; er fand sich dort behaglich, weil man ihm bei seinen kleinen Haushaltungssorgen, mit denen er selbst sich schlecht abzufinden wußte, freundlich zur Hand ging. Allein dem Vater war diese Gesellschaft gar nicht recht, er fürchtete eine Geschichte wie in Mannheim, wo Webers nach seiner Ueberzeugung Wolfgang ins Garn gelockt hatten, und bei dem leicht empfänglichen Herzen und der Arglosigkeit desselben mochte er auch jetzt nicht für ihn einstehen. Er fühlte sich durch das was dieser ihm zur Beruhigung schrieb keineswegs befriedigt und drang in ihn sich eine andere Wohnung zu nehmen; Wolfgang erklärte sich dem nicht abgeneigt, wenn er ein gutes Logis finden könnte; da sich nicht gleich eines fand, wohl aber das Gerücht nach Salzburg kam, Mozart werde eine Tochter der Mad. Weber heirathen, bestand der Vater mit großem Nachdruck auf seinem Verlangen. »Ich sage noch einmal«, antwortet ihm nun Wolfgang (25. Juli 1781) »daß ich schon längst im Sinn gehabt ein anderes Logis zu nehmen, und das nur wegen dem Geschwätze der Leute; und mir ist leyd, daß ich es wegen einer albernen Plauderey, woran kein wahres [129] Wort ist, zu thun gezwungen bin. Ich möchte doch nur wissen, was gewisse Leute für Freude haben können ohne allen Grund so in den Tag hinein zu reden. Weil ich bei ihnen wohne, so heyrathe ich die Tochter! Von Verliebtseyn war gar die Rede nicht; über das sind sie hinausgesprungen, sondern ich logire mich ins Haus und heyrathe. Wenn ich mein Lebtage nicht aus Heyrathen gedacht habe, so ist es gewiß jetzt! Denn (ich wünsche mir zwar nichts weniger als eine reiche Frau) wenn ich jetzt wirklich durch meine Heyrath mein Glück machen könnte, so könnte ich ohnmöglich aufwarten: weil ich ganz andere Dinge im Kopf habe. Gott hat mir mein Talent nicht gegeben, damit ich es an eine Frau henke und damit mein junges Leben in Unthätigkeit dahin lebe1. Ich fange erst an zu leben und soll mir es selbst verbittern? Ich habe gewiß nichts wider den Ehestand, aber für mich wäre er dermal ein Uebel. – Nun, da ist kein anderes Mittel, ich muß, wenn es schon nicht wahr ist, wenigstens den Schein vermeiden, obwohl der Schein auf nichts Anderem beruht als – daß ich da wohne. Denn wer nicht ins Haus kommt der kann nicht einmal sagen, daß ich mit ihr soviel Umgang habe wie mit allen anderen Geschöpfen Gottes; denn die Kinder gehen selten aus, nirgends als in die Comödie und da gehe ich niemals mit, weil ich meistens nicht zu Hause bin zur Comödienstunde. Ein paarmal waren wir im Prater, da war die Mutter auch mit; und ich, da ich zu Hause bin, konnte es nicht abschlagen mitzugehen, und damals hörte ich noch keine solche Narrensreden. Darum muß ich aber auch sagen, daß ich nichts als meinen Theil zahlen durfte2; [130] und da die Mutter solche Reden selbst gehört und auch von mir aus weiß, so muß ich sagen, daß sie selbst nicht mehr will daß wir zusammen wo hingehen, und mir selbst gerathen hat wo anderst hinzuziehen, um fernere Verdrüßlichkeiten zu vermeiden; denn sie sagt, sie möchte nicht gern unschuldigerweise an meinem Unglück Schuld sein. – Das ist also die einzige Ursache, warum ich schon längst (seitdem man so schwätzt) im Sinn gehabt habe wegzuziehen, und insoweit Wahrheit gilt habe ich keine; was aber die Mäuler anbelangt, habe ich Ursache. Wenn diese Reden nicht gingen, würde ich schwerlich wegziehen, denn ich werde freilich leicht ein schöneres Zimmer bekommen, aber die commodité und so freundschaftliche und gefällige Leute schwerlich. Ich will auch nicht sagen, daß ich im Hause mit der mir schon verheyratheten Demoiselle trotzig seie und nichts rede, aber, verliebt auch nicht; ich narrire und mache Spaß mit ihr, wenn es mir die Zeit zuläßt – und das ist nur Abends, wenn ich zu Hause soupire; denn Morgens schreibe ich in meinem Zimmer und Nachmittags bin ich selten zu Hause, und also – sonst weiter nichts. Wenn ich die alle heyrathen müßte, mit denen ich gespaßt habe, so müßte ich leicht hundert Frauen haben.« – »Nun leben Sie wohl, liebster Vater«, schließt er diesen Brief »glauben [131] Sie Ihrem Sohne, der gewiß gegen alle rechtschaffenen Leute die besten Gesinnungen hat! Glauben Sie ihm mehr, und trauen ihm mehr als gewissen Leuten, die nichts Besseres zu thun haben als ehrliche Leute zu verläumden«3.
Die Familie Mesmer hatte ihm eine Wohnung in ihrem Hause angeboten, allein Mozart konnte sich nicht entschließen darauf einzugehen; Mesmer hatte Righini4, »weiland Operabuffa-Sänger und dermalen Compositeur5 bey [132] sich im Quartier, war sein großer Freund und Beschützer und die gnädige Frau noch mehr« (13. Juli 1781)6. Auch eine andere musikalische Familie wünschte ihn in ihr Haus zu ziehen und der Vater schien eine nähere Verbindung mit derselben nicht ungern zu sehen. Er war an Herrn Aurnhammer empfohlen, dessen »dicke Fräulein Tochter« Josephine für eine der ersten Klavierspielerinnen galt, wurde dort sehr freundlich aufgenommen und oft eingeladen, so daß er seinem Vater melden konnte (27. Juni 1781): »Ich bin fast täglich nach Tische bei Hrn. v. Aurnhammer; die Fräulein ist ein Scheusal – spielt aber zum Entzücken, nur geht ihr der wahre seine singende Geschmack im Cantabile ab, sie verzupft alles«7. Es wäre ihnen gelegen gewesen Mozart in ihre unmittelbare Nähe zu [133] ziehen, allein dieser war mit der Wohnung, welche man ihm aufschwatzen wollte, ebensowenig zufrieden8, als er Neigung fühlte auf einen allzu intimen Verkehr mit dieser Familie und die Intentionen, welche er dort wahrzunehmen glaubte, einzugehen. »Weil ich in Ihrem letzten Schreiben eine Graf Daunische Eloge von diesem Hause gelesen«, schreibt er seinem Vater (22. Aug. 1781) »so muß ich Ihnen doch auch etwas davon schreiben. Ich hätte dies Alles was Sie lesen werden mit Stillschweigen übergangen und als etwas das nicht kalt und nicht warm macht, weil es nur eine Privatseccatur für mich ist, betrachtet; – da ich aber aus Ihrem Schreiben ein Vertrauen auf dieses Haus entdecke, so sehe ich mich gezwungen Ihnen sowohl das Gute als das Ueble davon aufrichtig zu sagen.«
Die nun folgende Schilderung der Familie ist allerdings etwas »schlimm«, aber so charakteristisch für den Beobachter [134] derselben, daß sie hier nicht fehlen darf. »Er ist der beste Mann von der Welt«, fährt er fort »nur gar zu gut, denn seine Frau, die dümmste und närrischste Schwätzerin von der Welt, hat die Hosen, so daß, wenn sie spricht, er sich kein Wort zu sagen traut; er hat mich, da wir öfters zusammen spatzieren gegangen, gebeten, ich möchte in seiner Frauen Gegenwart nichts sagen, daß wir einen Fiacre genommen oder Bier getrunken haben9. – Nun, zu so einem Mann kann ich ohnmöglich Vertrauen haben; er ist ganz brav und ein guter Freund von mir, ich könnte öfters bei ihm zu Mittage speisen, ich pflege mir aber meine Gefälligkeiten niemalen bezahlen zu lassen, – sie wären freilich auch mit einer Mittagsuppe nicht bezahlt. Doch glauben solche Leute Wunder was sie damit thun. Ich bin nicht wegen meinem Nutzen in ihrem Haus, sondern wegen dem ihrigen. Ich sehe dabei gar keinen Nutzen für mich und habe noch keine einzige Person dort angetroffen, die so viel werth wäre, daß ich sie auf dieses Papier hersetzte. Uebrigens sind es gute Leute, und sonst weiter nichts; Leute die Vernunft genug haben einzusehen, wie nützlich meine Bekanntschaft für die Tochter ist, welche, wie alle Leute die sie bisher gehört haben, sagen, seit der Zeit da ich zu ihr gehe sich ganz verändert hat. – Von der Mutter will ich gar keine Beschreibung machen. Genug, daß man über Tisch genug zu thun hat um das Lachen zu halten – basta! Sie kennen die Frau Adlgasserin, [135] und dieses Meuble ist noch ärger, denn sie ist dabey medisante, also dumm und boshaft. Von der Tochter also. Wenn ein Maler den Teufel recht natürlich malen wollte, so muß er zu ihrem Gesicht Zuflucht nehmen. Sie ist dick wie eine Bauerndirne, und geht so bloß – daß man ordentlich lesen kann: ich bitte euch, schauet hierher! Das ist wahr, zu sehen ist genug daß man blind werden möchte, aber man ist auf den ganzen Tag gestraft genug, wenn sich unglücklicherweise die Augen drauf wenden – pfui Teufel! – Nun ich habe Ihnen geschrieben, wie sie Clavier spielt; ich habe Ihnen geschrieben, warum sie mich gebeten ihr beyzustehen10. Mit vielem Vergnügen thue ich Leuten Gefälligkeiten, aber nur nicht seckiren! Sie ist nicht zufrieden, wenn ich zwey Stunden alle Tage mit ihr zubringe, ich soll den ganzen Tag da zubringen und da will sie die artige machen! oder wohl noch mehr: sie ist serieusement in mich verliebt. Ich hielt es für Spaß, aber nun weiß ich es gewiß; als ich es merkte – denn sie [136] nahm sich Freyheiten heraus, z.B. mir zärtliche Vorwürfe zu machen, wenn ich etwas später kam als gewöhnlich oder mich nicht lange aufhalten konnte, und dergleichen Sachen mehr –, ich sahe mich also gezwungen, um sie nicht zum Narren zu haben, ihr mit Höflichkeit die Wahrheit zu sagen. Das half aber nichts, sie wurde noch immer verliebter; endlich begegnete ich ihr allzeit sehr höflich, ausgenommen sie kam mit ihren Possen, dann wurde ich grob – da nahm sie mich aber bey der Hand und sagte: Lieber Mozart, seyen Sie doch nicht so böse, und Sie mögen sagen was Sie wollen, ich habe Sie halt doch gern. – In der ganzen Stadt sagt man daß wir uns heyrathen, und man verwundert sich nur über mich, daß ich so ein Gesicht nehmen mag. Sie sagte zu mir, daß wenn so was zu ihr gesagt würde, sie allzeit dazu gelacht habe; ich weiß aber von einer gewissen Person daß sie es bejahet habe, mit dem Zusatz daß wir alsdann zusammen reisen werden. Das hat mich aufgebracht. Ich sagte ihr also letzthin die Meynung wacker, und sie möchte meine Güte nicht mißbrauchen. Und noch komme ich nicht mehr alle Tage, sondern nur alle anderte Tage zu ihr, und so wird es nach und nach abnehmen. – Sie ist nichts als eine verliebte Närrin; denn bevor sie mich gekannt, hat sie im Theater als sie mich gehört gesagt: Morgen kommt er zu mir und da werde ich ihm seine Variationen mit dem nämlichen Gusto vorspielen. Aus dieser Ursache bin ich nicht hingegangen, weil das eine stolze Rede war, und weil sie gelogen hat, denn ich wußte kein Wort davon daß ich den anderen Tag hingehen sollte«11.
[137] Im September hatte er denn wirklich eine neue Wohnung bezogen12, in der es ihm freilich gar nicht behagte; es kam ihm vor, »als wenn einer von seinem eigenen bequemen Reisewagen sich in einen Postwagen setzte.« Er hatte seinem Vater dies Opfer gebracht und durfte nun auch gegen diesen die Bitte aussprechen ihm Vertrauen zu schenken, nicht dem Geschwätz anderer Leute zu glauben und sie mit in ihre Sachen zu ziehen, an deren Reden er sich freilich nicht kehren, sich nicht um ein Haar ändern und der nämliche ehrliche Kerl bleiben werde (5. Sept. 1781). Allein die Unbehaglichkeit seiner häuslichen Existenz bei unausgesetzter, durch äußeren Erfolg zunächst wenig befriedigender Thätigkeit, drängte ihm den Wunsch nach einer eigenen Häuslichkeit immer entschiedener auf; das Gerede der Leute, die Einsprache des Vaters, die dadurch bewirkte Trennung wirkten selbst mit dahin, daß eine Neigung zu Constanze Weber sich in ihm immer bestimmter ausbildete; er gewann die feste Ueberzeugung, daß sie ihn glücklich machen würde und da sie seine Neigung erwiederte, verlobte er sich mit ihr. Daß es schwer sein würde die Billigung des Vaters für diesen Schritt zu gewinnen konnte ihm nicht zweifelhaft sein; mit großer Offenheit legt er ihm Alles vor was ihn zu diesem Schritt bewegen mußte. Nachdem er ihm die Aussichten, welche er damals auf eine gesicherte Stellung zu haben glaubte und die Schritte, welche [138] er in dieser Absicht gethan, auseinandergesetzt hat, fährt er fort (15. Dec. 1781): »Mein Bestreben ist unterdessen etwas weniges Gewisses zu haben – dann läßt es sich mit der Hülfe des Unsicheren ganz gut hier leben – und dann – zu heyrathen. Die Natur spricht in mir so laut wie in jedem Anderen und vielleicht lauter als in manchem großen starken Lümmel13. – Ich weiß wohl, daß diese Ursache (so stark sie immer ist) doch nicht erheblich genug ist. Mein Temperament aber, welches mehr zum ruhigen und häuslichen Leben als zum Lärmen geneigt ist; – ich, der von Jugend auf niemalen gewohnt war auf meine Sachen, was Wäsche, Kleidung und dergleichen anbelangt, Acht zu haben, kann mir nichts nöthiger denken als eine Frau. Ich versichere Sie, was ich nicht Unnützes oft ausgebe, weil ich auf nichts Acht habe. Ich bin ganz überzeugt, daß ich mit einer Frau (mit dem nämlichen Einkommen, das ich allein habe) besser auskommen[139] werde als so. Und wie viele unnütze Ausgaben fallen nicht weg? Man bekommt dafür wieder andere, das ist wahr; allein man weiß sie, kann sich darauf richten, und mit einem Wort, man führt ein ordentliches Leben. – Ein lediger Mensch lebt in meinen Augen nur halb – ich hab halt solche Augen, ich kann nicht dafür; ich hab es genug überlegt und bedacht, ich muß doch immer so denken. – Nun aber, wer ist der Gegenstand meiner Liebe? – Erschrecken Sie auch da nicht, ich bitte Sie. – Doch nicht eine Weberische? – Ja, eine Weberische; aber nicht Josepha, nicht Sophia, sondern Constanze, die mittelste. Ich habe in keiner Familie eine solche Ungleichheit der Gemüther angetroffen wie in dieser. Die älteste14 ist eine faule, grobe Person, die es dick hinter den Ohren hat; die Lange ist eine falsche, schlecht denkende Person und eine Coquette15; die [140] jüngste16 ist noch zu jung um etwas seyn zu können, ist nichts als ein gutes, aber leichtsinniges Geschöpf – Gott möge sie vor Verführung bewahren! Die mittelste aber, nämlich meine gute, liebe Constanze ist die Marterin darunter, und eben deswegen vielleicht die gutherzigste, geschickteste und mit einem Worte die beste darunter. Die nimmt sich um Alles im Hause an – und kann doch nichts recht thun. O mein bester Vater, ich könnte ganze Bögen voll schreiben, wenn ich Ihnen alle die Auftritte beschreiben sollte, die mit uns beyden in diesem Hause vorgegangen sind; wenn Sie es aber verlangen, werde ich es im nächsten Briefe thun. Bevor ich Ihnen aber von meinem Gewäsche frey mache, muß ich Sie doch noch näher mit dem Charakter meiner liebsten Constanze bekannt [141] machen. Sie ist nicht häßlich, aber auch nichts weniger als schön. Ihre ganze Schönheit besteht in zwey kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachsthum17. Sie hat keinen Witz, aber gesunden Menschenverstand genug um ihre Pflichten als Frau und Mutter erfüllen zu können. Sie ist nicht zum Aufwand geneigt, das ist grundfalsch; im Gegentheil ist sie gewohnt schlecht gekleidet zu seyn, denn das Wenige was die Mutter ihren Kindern hat thun können, hat sie den zwey anderen gethan, ihr aber niemalen. Das ist wahr daß sie gern nett und reinlich, aber nicht propre gekleidet wäre; und das Meiste was ein Frauenzimmer braucht, kann sie sich selbst machen, und sie frisirt sich auch alle Tage selbst; versteht die Hauswirthschaft, hat das beste Herz von der Welt – ich liebe sie und sie liebt mich von Herzen – sagen Sie mir, ob ich mir eine bessere Frau wünschen könnte? Das muß ich Ihnen noch sagen, daß damals als ich quittirte die Liebe noch nicht war, sondern erst durch ihre zärtliche Sorge und Bedienung (als ich im Hause wohnte) geboren wurde. Ich wünsche also nichts mehr als daß ich nur etwas weniges Sicheres bekomme (wozu ich auch Gottlob wirklich Hoffnung habe), so werde ich nicht nachlassen Sie zu bitten, daß ich diese Arme erretten und mich zugleich mit ihr, und ich darf sagen uns Alle glücklich machen darf – Sie sind es ja doch auch, wenn ich es bin?«
Dem Vater war diese Bestätigung der Nachrichten, welche er schon von Anderen aus Wien erhalten hatte, durch Wolfgang selbst ein schwerer Kummer. Die Perspective »in einer [142] Stube voll nothleidender Kinder auf einem Strohsack zu sterben«, welche er seinem Sohne schon einmal vorgehalten hatte (II S. 528), eröffnete sich ihm von Neuem; eine Heirath ohne ein gesichertes anständiges Auskommen war in seiner Vorstellung, wie er den Sohn kannte, der erste Schritt in ein sicheres Elend. Und nun die Webersche Familie! Die Schilderung, welche Wolfgang von derselben machte, war nicht geeignet Vertrauen zu derselben zu erwecken; hatte er sich in Aloysia so gänzlich geirrt, wer stand dafür ein daß ihn sein Gefühl für Constanze richtiger leitete? Der Vater wußte aber schon mehr als er von Wolfgang erfuhr; er wußte, daß derselbe ein schriftliches Eheversprechen gegeben hatte, und nach Allem was ihm mitgetheilt worden war, mußte er glauben, daß Mutter und Tochter mit bewußter Schlauheit die Unerfahrenheit und Ehrenhaftigkeit des jungen Mannes benutzt und ihn in ihrem Netz gefangen hätten. Hierauf suchte er mit allem Nachdruck den Sohn hinzuführen, er verlangte Auskunft über diese Angelegenheit um ihm klar zu machen, daß er getäuscht sei und sich nicht als durch sein Wort gebunden ansehen dürfe. Aber auch in dieser Angelegenheit fand er Wolfgang selbständiger und fester als er ihn früher kannte; er hatte seine Entscheidung für sich getroffen und ließ sich nicht erschüttern. Die Aufklärung über das Eheversprechen blieb er nicht lange schuldig, sondern berichtete ausführlich den Hergang der Sache (22. Dec. 1781). Nach dem Tode des Vaters war den Weberschen Kindern Joh. Thorwarth, Hofdirections-Revisor und Inspector bei der Theatergarderobe, als Vormund gesetzt worden, ein Mann der beim Theater von Einfluß war und bei Graf Rosenberg und Baron Kienmayer viel galt. Dieser war durch Zuträger gegen Mozart eingenommen worden, welche ihm vorgestellt hatten, daß derselbe kein sicheres Einkommen habe und am Ende gar Constanze, [143] mit der er vielen Umgang habe, sitzen lassen werde, und machte der Mutter so lange Vorstellungen, daß sie der Sache ruhig zusähe, bis diese es Mozart sagte und ihn bat selbst mit dem Vormund darüber zu reden. Das geschah auch; aber dieser fühlte sich durch diese Unterredung so wenig befriedigt, daß er von der Mutter verlangte, sie solle Mozart allen Umgang mit der Tochter verbieten bis er sich schriftlich erklärt habe. Dessen hatte sich aber die Mutter geweigert, weil der ganze Umgang darin bestehe daß Mozart täglich zu ihnen komme; ihr Haus aber könne sie ihm unmöglich verbieten, da er ein guter Freund sei, dem sie viele Obligationen habe und dem sie ihr volles Vertrauen schenke; wenn der Vormund glaube daß eingeschritten werden müsse, so möge er das selbst ausführen. Hierauf hatte Thorwarth ihm allen Umgang im Hause untersagt, bis er sich schriftlich erklärt haben würde. Er mußte also seinen Entschluß fassen; das Mädchen verlassen, der Mutter Grund zum Argwohn geben wollte er nicht, er verfaßte also eine Schrift, kraft welcher er sich verpflichtete in Zeit von drei Jahren die Mlle. Constanze Weber zu ehelichen, oder »wofern sich die Unmöglichkeit ereignen würde daß er seine Gedanken änderte«, so sollte sie jährlich 300 fl. von ihm zu beziehen haben. Er konnte seinem Vater versichern daß ihm das ganz ungefährlich erschienen sei, weil er gewiß gewußt habe, daß er sie nie verlassen, wenn dieser unglückliche Fall aber denkbar sei, daß er froh sein würde sich mit 300 fl. frei kaufen zu können, auch sei seine Constanze viel zu stolz um sich verkaufen zu lassen. »Was that das himmlische Mädchen?« fährt er fort. »Als der Vormund fort war, begehrte sie die Schrift von der Mutter, zerriß sie und sagte: Lieber Mozart! ich brauche keine schriftliche Versicherung von Ihnen, ich glaube Ihrem Worte.« Es war verabredet worden über diese Verhandlung Stillschweigen zu behaupten; [144] dies Versprechen war aber nicht gehalten und die Sache war in Wien bekannt geworden. Allerdings sei dies Unrecht und das ganze Benehmen tadelnswerth, – das gesteht er dem Vater zu, allein den Vormund und die Mutter als Verführer der Jugend zu brandmarken das verdienten sie doch nicht; es sei ein falsches Vorgeben, daß man ihm das Haus geöffnet, ihm alle möglichen Freiheiten gelassen und ihn dann festgehalten habe, – vielmehr sei das Gegentheil wahr, und in ein solches Haus würde er auch nicht gegangen sein.
Aufs höchste empört wurde er, als er von seinem Vater erfuhr daß die schändlichsten Lügen über sein Verhältniß zu Constanze auf einem Umweg über München nach Salzburg gekommen seien und von »dem Erzbuben« Winter18 herrührten, der von jeher Voglers wegen sein Feind gewesen sei19. Er fand es um so schändlicher, weil derselbe Winter – der obwohl bereits verheirathet »weder den Namen eines Mannes noch eines Menschen verdiente«, und dessen »infame Lügen« Mozart nicht durch »infame Wahrheiten« vergelten wollte – ihm zugeredet hatte sich eine Maitresse zu halten20. [145] Aber gegen Verleumdungen der Art war er wehrlos. »Meine Maxime ist«, sagt er (9. Jan. 1782) »was mich nicht trifft, das achte ich auch nicht der Mühe werth daß ich davon rede; ich schäme mich ordentlich mich zu vertheidigen, wenn ich mich falsch angeklagt sehe, ich denke mir immer, die Wahrheit kommt doch an den Tag.« So hat er es freilich stets gehalten und der Lüge und Entstellung freie Bahn gelassen.
Der Vater war begreiflicherweise durch diese Aufklärung wenig befriedigt; er machte den Sohn aufmerksam auf Fehler der Mutter, bei denen eine gute Erziehung nicht denkbar sei21, und daß sie ganz sicher nach der Verheirathung ihm zur Last fallen werde und es offenbar nur darauf angelegt habe. Freilich hatte auch Mozart sich schon überzeugen müssen daß die Mutter auch für sich Vortheil aus der Verheirathung ihrer Tochter zu ziehen suchte, allein er war entschlossen, nachdem er dies erkannt, sich ganz von ihr zurückzuziehen, sobald er Constanze heimgeführt habe22. Daß aber der Vater auch diese ungünstig [146] zu beurtheilen fortfuhr schmerzte ihn tief. »Nur noch dieses« schreibt er ihm (30. Jan. 1782) – »denn ohne dieses könnte ich nicht ruhig schlafen – muthen Sie nur meiner lieben Constanze keine so schlechte Denkungsart zu, glauben Sie gewiß, daß ich sie mit solchen Gesinnungen ohnmöglich lieben könnte. – Liebster, bester Vater, ich wünsche nichts als daß wir bald zusammen kommen, denn Sie sie sehen und lieben – denn Sie lieben die guten Herzen – das weiß ich!« Gegen alle Einwendungen des Vaters blieb er dabei (9. Jan. 1782): »Ohne meine liebste Constanze kann ich nicht glücklich sein, und ohne Ihre Zufriedenheit darüber würde ich es nur zur Hälfte sein; machen Sie mich also ganz glücklich, mein liebster, bester Vater!«
Seiner Schwester vertraute er, so wie er ihr in allen Nöthen beizustehen suchte, was er und Constanze von den Launen der Mutter auszustehen hätten. Bis 9 Uhr Abends pflege er zu arbeiten, schreibt er ihr (13. Febr. 1782); »dann gehe ich zu meiner lieben Constanz, wo uns aber das Vergnügen uns zu sehen durch die bitteren Reden ihrer Mutter mehrentheils verbittert wird, welches ich meinem Vater im nächsten Brief erklären werde und daher rührt der Wunsch, daß ich sie sobald möglich befreyen und erretten möchte. Um halb elf oder elf Uhr komme ich nach Haus, das besteht von dem Schuß ihrer Mutter oder meinen Kräften ihn auszuhalten.« Die Schwester suchte auch Constanze auf seinen Antrieb durch [147] manche Aufmerksamkeiten zu gewinnen23 und indem sie mit ihr in ein näheres Verhältniß trat24 auch den Vater zu ihren [148] Gunsten zu stimmen. Beide waren daher sehr erfreuet als dieses Entgegenkommen freundlich aufgenommen wurde25, obgleich die Ansichten des Vaters dadurch keine Veränderung erlitten. Namentlich wollte er von keinem Gedanken an Heirathen hören, ehe Wolfgang es zu einer sicheren Versorgung gebracht hätte, und mit dieser wollte es, wie wir bereits sahen, trotz aller Versuche und zeitweiliger Aussichten doch nicht glücken. »Wenn ich von unserem lieben Gott schriftlich haben könnte«, schreibt er dem Vater (23. Jan. 1782) »daß ich gesund bleiben und nicht krank sein werde – o so wollt ich mein liebes treues Mädchen noch heute heyrathen.« Drei Scolarinnen brachten monatlich 18 Ducaten ein; wenn nur noch eine dazu käme, machte es 102 Fl. 24 Kr., damit könne man mit einer Frau, »still und ruhig, wie wir zu leben wünschen«, schon auskommen. Freilich, sollte er krank werden, würde er gar keine Einnahme haben; sonst könne er jährlich eine Oper schreiben, eine Akademie geben, Sachen stechen lassen oder auf Subscription herausgeben, aber das müßten nur Accidentien sein. »Doch« – schließt er »wenn es nicht geht, so muß es brechen – [149] und ich wage es eher auf diese Art, als daß ich lange warten sollte. Mit mir kann es nicht schlechter, sondern es muß immer besser gehen. Warum ich aber nicht mehr lange warten kann ist nicht allein meinetwegen, sondern hauptsächlich ihrentwegen – ich muß sie sobald möglich erretten.« Dem Vater war dies nicht so dringend, da er aber in dem Rechnen auf die Möglichkeiten einer unsicheren Zukunft den Beweis fand, daß Wolfgang noch immer nicht gelernt habe, was die Grundlage eines geordneten Haushaltes und die erste Pflicht eines gewissenhaften Hauswirths sei, so verweigerte er beharrlich seine Einwilligung zu einer übereilten Heirath.
War Mozarts Lage durch die Unzufriedenheit seines Vaters und die Launen von Constanzes Mutter schon schwierig genug, so machte ihm seine liebe Constanze selbst durch leidenschaftliche Heftigkeit auch noch mitunter das Leben schwer und setzte die Festigkeit seiner Neigung auf harte Proben. Folgender Brief, den er ihr zu schreiben gezwungen war (29. April 1782), ist ein sprechendes Zeugniß für seine Art zu empfinden und zu denken26.
»Liebste, beste Freundin! Diesen Namen werden Sie mir ja doch erlauben daß ich Ihnen geben darf? So sehr werden Sie mich ja doch nicht hassen, daß ich nicht mehr Ihr Freund seyn darf und Sie nicht – mehr meine Freundin seyn werden? Und – wenn Sie es auch nicht mehr seyn wollen, so können Sie es mir doch nicht verbieten gut für Sie, meine Freundin, zu denken, wie ich es nun schon gewohnt bin. Ueberlegen Sie wohl was Sie heut zu mir gesagt haben. Sie haben mir (ohngeachtet allen meinen Bitten) dreimal den Korb gegeben und mir grade ins Gesicht gesagt, daß Sie [150] mit mir nichts mehr zu thun haben wollten. Ich, dem es nicht so gleichgültig ist wie Ihnen, den geliebten Gegenstand zu verlieren, bin nicht so hitzig, unüberlegt und unvernünftig den Korb anzunehmen. Zu diesem Schritte liebe ich Sie zu sehr. Ich bitte Sie also noch einmal die Ursache dieses ganzen Verdrusses wohl zu überlegen und zu überdenken, welche war, daß ich mich darüber aufgehalten, daß Sie so unüberlegt waren Ihren Schwestern, NB in meiner Gegenwart zu sagen, daß Sie sich von einem Chapeau haben die Waden messen lassen27. Das thut kein Frauenzimmer, welches auf Ehre hält. Die Maxime in der Compagnie mitzumachen ist sehr gut. Dabey muß man aber viele Nebensachen beachten; ob es lauter gute Freunde und Bekannte sind? ob ich ein Kind oder schon ein Mädchen zum Heyrathen bin? besonders ob ich eine versprochene Braut bin? hauptsächlich aber, ob lauter Leute meines Gleichen oder Niedrigere als ich, besonders aber Vornehmere als ich dabey sind? – Wenn es sich wirklich die Baronin28 selbst hat thun lassen, so ist es ganz was anderes, weil sie schon eine übertragene Frau (die ohnmöglich mehr weiter kann) ist – und überhaupt eine Liebhaberin von etcaetera ist. Ich hoffe nicht, liebste Freundin, daß Sie jemals so ein Leben führen wollten wie sie, wenn Sie auch nicht meine Frau seyn wollen. Wenn Sie schon dem Triebe mitzumachen – obwohl das Mitmachen einer Mannsperson nicht allezeit ansteht, desto weniger aber einem Frauenzimmer –, konnten Sie aber ohnmöglich widerstehen, [151] so hätten Sie in Gottes Namen das Band genommen und sich selbst die Waden gemessen (sowie es noch alle Frauenzimmer von Ehre in meiner Gegenwart in dergleichen Fällen gethan haben), und nicht von einem Chapeau (ich –, ich – würde es niemalen im Beyseyn Anderer gethan haben), desto weniger also von einem Fremden, der mich gar nichts angeht. – Doch das ist vorbey, und ein kleines Geständniß Ihrer dortmaligen, etwas unüberlegten Aufführung würde Alles wieder gut gemacht haben und – wenn Sie es nicht übel nehmen, liebste Freundin – noch gut machen. Daraus sehen Sie, wie sehr ich Sie liebe. Ich brause nicht auf wie Sie – ich denke – ich überlege und ich fühle. Fühlen Sie, haben Sie gefühlt, so weiß ich gewiß, daß ich heute noch ruhig werde sagen können: die Constanze ist die tugendhafte, ehrliebende, vernünftige und getreue Geliebte des rechtschaffnen und für Sie wohldenkenden Mozart.«
Dergleichen Stürme gingen vorüber, aber die Lage Mozarts wurde immer unerträglicher, je mehr sein Verhältniß bekannt und besprochen wurde. Selbst der Kaiser, der für die kleinen Familienverhältnisse der Künstler die ihn interessirten warme Theilnahme fühlte29, hatte schon als Mozart mit Clementi vor ihm spielte, sich äußerst gnädig über seine Heirath gegen ihn geäußert, worauf dieser für einen Augenblick Hoffnungen gründete, die freilich nicht in Erfüllung gingen30. [152] Als der glänzende Erfolg seiner Oper die Augen des Publicums auf ihn richtete, beschäftigte man sich auch mit seinem Verhältniß zu Constanze desto eifriger. »Wo kommt das her?« schreibt er dem Vater ganz unglücklich (27. Juli 1782) »die meisten Leute glauben, wir sind schon verheyrathet – die Mutter wird darüber aufgebracht – und das arme Mädchen wird sammt meiner zu Tode gequält.«
In dieser Noth31 nahm sich eine vornehme musikalische Gönnerin der Liebenden an. Die Baronin von Waldstädten geb. von Schefer32, welche schon im Jahr 1766 als eine der ausgezeichnetsten Klavierspielerinnen gerühmt wird33, gehörte zu den Damen, welche Mozart gleich bei seinem Auftreten in ihren Schutz nahmen, und da sie sich nach Frauenart für seine Herzensangelegenheiten nicht minder als für seine musikalischen Leistungen interessirte, so suchte sie sein Verhältniß zu Constanze auf alle Weise zu begünstigen. Um Constanze den Quälereien der Mutter zu entziehen und Mozart [153] den Verkehr mit seiner Braut zu erleichtern nahm sie dieselbe mehrmals auf längere Zeit zu sich in ihr Haus34. Das war freilich nicht ohne Bedenken, denn die Baronin, welche mancherlei unglückliche Lebenserfahrungen gemacht hatte, suchte sich nach der in den höheren Ständen damals nicht grade seltenen frivolen Denkungsart dafür zu entschädigen und stand keineswegs im besten Ruf. Mozart wußte das, wie alle Welt in Wien es wußte, er hatte auch, wie wir so eben sahen, wohl Ursache, den Einfluß dieses Verkehrs zu fürchten; allein er war überzeugt, daß die Baronin es mit ihm und Constanze gut meinte, sie war seine einzige Zuflucht, so mußte er ihre Hülfe annehmen und fühlte sich ihr dankbar verpflichtet35. Die Mutter aber hatte wenigstens ein scheinbares Recht der Tochter diesen Umgang zu verbieten und sie suchte, als sie bemerkte daß ein längerer Aufenthalt [154] Constanzes bei der Baronin die Tochter ihrer Gewalt ganz entziehen sollte, dieselbe selbst mit Gewalt wieder in ihr Haus zurückzubringen36.
Unter solchen Umständen mußte Mozart Alles daran setzen seine Constanze heimzuführen; er wurde nicht müde aufs dringendste die Einwilligung seines Vaters zu erbitten. »Liebster, bester Vater!« schreibt er (27. Juli 1782) »ich muß Sie bitten, um Alles in der Welt bitten, geben Sie mir Ihre Einwilligung daß ich meine liebe Constanze heyrathen kann. – Glauben Sie nicht daß es um das Heyrathen wegen allein ist, wegen diesem wollte ich gerne noch warten. Allein ich sehe, daß es meiner Ehre, der Ehre meines Mädchens [155] und Gesundheit und Gemüthszustande unumgänglich nothwendig ist. Mein Herz ist unruhig, mein Kopf verwirrt – wie kann man da was Gescheidtes denken und arbeiten?« Und wenige Tage später wiederholt er seine Bitte (31. Juli 1782): »Sie werden unterdessen meinen letzten Brief erhalten haben, und ich zweifle auch gar nicht, daß ich mit künftigem Briefe Ihre Einwilligung zu meiner Heyrath erhalten werde. Sie können gar nichts dagegen einzuwenden haben und haben es auch wirklich nicht, das zeigen mir Ihre Briefe; denn sie ist ein ehrliches, braves Mädchen, von guten Eltern und ich bin im Stande ihr Brod zu verschaffen, wir lieben uns und wollen uns – da ist also nichts aufzuschieben. Lieber sich seine Sache recht in Ordnung gebracht und einen ehrlichen Kerl gemacht! das wird Gott dann allezeit belohnen – ich will mir nichts vorzuwerfen haben!«
Aber der tief verstimmte Vater hielt noch jetzt mit der Einwilligung zurück37. Die Baronin Waldstädten hatte indessen – wie ihr dies gelang, wissen wir nicht – die verschiedenen Schwierigkeiten, welche der Heirath noch entgegenstanden, zu beseitigen gewußt38, so daß die Hochzeit am [156] 4. August gefeiert wurde39, ehe noch die förmliche Zustimmung des Vaters, auf welche er zwei Posttage gewartet hatte, eingetroffen war. Indessen wurde Mozarts Zuversicht, daß sein Vater – den auch die Baronin günstig zu stimmen versuchte40 – [157] nicht länger seine Einwilligung zurückhalten werde, nicht getäuscht; am Tage nach der Hochzeit kamen die ersehnten [158] Briefe des Vaters41 und der Schwester an, auf welche er ganz glücklich antwortet (7. Aug. 1782): »Ich küsse Ihnen die Hände und danke Ihnen mit aller Zärtlichkeit, die immer ein Sohn für seinen Vater fühlte, für die mir gütigst zugetheilte Einwilligung und väterlichen Segen. – Mein liebes Weib wird nächsten Posttag ihren liebsten, besten Schwiegerpapa um seinen väterlichen Segen, und ihre geliebte Schwägerin um die fernere Fortdauer ihrer werthesten Freundschaft bitten. – Bey der Copulation war kein Mensch, als die[159] Mutter und jüngste Schwester; Hr. von Thorwart als Vormund und Beystand von Beyden, Hr. Landrath von Cetto, Beystand der Braut, und der Gilowsky42 als mein Beystand. Als wir zusammen verbunden wurden, fing sowohl meine Frau als ich an zu weinen; davon wurden Alle, sogar der Priester gerührt, und Alle weinten, da sie Zeugen unserer gerührten Herzen waren. Unser ganzes Hochzeitsfestin bestand aus einem Souper, welches uns die Frau Baronin von Waldstädten gab, – welches in der That mehr fürstlich als baronisch war43. Nun freuet sich meine liebe Constanze noch hundertmal mehr, nach Salzburg zu reisen, und ich wette, ich wette, Sie werden sich meines Glückes erfreuen, wenn Sie sie werden kennen gelernt haben, wenn anders in Ihren Augen, so wie in den meinigen, ein gutdenkendes, rechtschaffenes, tugendhaftes und gefälliges Weib ein Glück für ihren Mann ist.«
Das war Mozarts Bräutigamsstand, das war seine Entführung aus dem Auge Gottes, wie er unter Freunden im [160] Scherz die Heimführung seiner Constanze nannte44. Wahrlich die heitere Zufriedenheit und das ruhige Glück, welches unter glücklichen Verhältnissen die Sicherheit erwiederter Liebe Brautleuten gewährt, hat ihm diese Zeit nicht gebracht, aber sie bot ihm reiche Gelegenheit nicht allein die Freiheit seines künstlerischen Schaffens zu bewähren, sondern auch sich selbst und dem was er für wahr und recht erkannt hatte trotz allen Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten, die ihn von außen und innen bedrängten, unverbrüchliche Treue zu halten. Wir sehen ihn unberührt von der Gemeinheit, aus deren Atmosphäre er seine Constanze zu retten entschlossen war, unbeirrt durch die Uebereilung und Heftigkeit der Geliebten, ungebeugt durch das harte und oft ungerecht verletzende Urtheil seines Vaters die Festigkeit seiner Ueberzeugung und seines Willens, aber nicht minder auch die wohlwollende Schonung, die liebenswürdige Humanität eines lebhaft aber zart empfindenden Gemüthes bewahren. Es ist für die innere Entwickelung eines Menschen, mithin auch für seine Beurtheilung nicht gleichgültig, ob er auf ebener Lebensbahn leicht und mühelos alles das erlangt, worauf das Glück des inneren und äußeren Lebens beruht, oder ob er sich die Bedingungen seiner Existenz im schweren Kampf unter Sorgen und Mühen erringen muß. Wir dürfen daher auch unsern Blick von den schweren Erfahrungen und harten Prüfungen, mit welchen das Leben den großen Künstler und edlen Menschen heimsuchte, nicht abwenden: auch durch sie ist er geworden was er war45.
1 Wir erinnern uns, daß ihn damals die Aussicht eine Oper zu schreiben aufs lebhafteste beschäftigte.
2 K. R[isbeck] erzählt (Briefe über Deutschland I S. 193), wie er in Wien eine Wohnung suchte und die Wirthin ihm sagt: »Sehen Sie, meine Tochter bringt Ihnen alle Morgen selbst den Kaffee. Wollen Sie Abends Thee, so wird Ihnen meine Tochter selbst damit aufwarten. Wollen Sie uns manchmal in die Komödie begleiten, so steht Ihnen, wenns Ihnen zu spät ist zum Tracteur zu gehen, unsere kalte Küche zum Befehl u.s.w. – Du mußt wissen, daß es in Deutschland nicht wie bei uns ist, wo es ein ehrbares Frauenzimmer für eine Beleidigung hielte, wenn ihm ein Mannsbild, mit dem es keine besondere Verbindung hat, das Entree in ein Schauspiel bezahlen wollte. Hier zu Lande ist es eine Schuldigkeit das Frauenzimmer, welches man irgenwohin begleitet, frei zu halten.« – Mozart mochte wohl auch an seine frühere, vom Vater hart getadelte Freigebigkeit gegen Webers denken (II S. 166).
3 Um dieselbe Zeit war es, wo Mozart sich gegen seinen Vater über Hrn. v. Molls lästerliches Maul beklagte, s. S. 26.
4 Vincenzo Righini, geb. in Bologna 1756, erhielt Unterricht vom Padre Martini und bildete sich zum Sänger, wurde aber mehr seiner Methode als seiner Stimme wegen anerkannt. Im Jahr 1776 trat er als Tenorist in die Bustellische Gesellschaft in Prag ein und ging 1779 nach Wien, wo er bald ein beliebter Gesanglehrer wurde. Als solcher kam er später an Salieris Stelle in den Dienst der Prinzessin von Würtemberg (S. 48ff.) und dirigirte auch für denselben die italiänische Oper. Nachdem er 1788 als Kapellmeister nach Mainz berufen war, übernahm er 1793 die gleiche Stelle in Berlin, wo er eine Reihe ihrer Zeit beliebter Opern schrieb; er starb 1812 in Bologna, wohin er sich seiner Gesundheit wegen begeben hatte. Er wird als ein liebenswürdiger, anspruchsloser Mann geschildert, der »wissentlich wohl niemals Jemanden wehe gethan hat« (A. M. Z. XIV S. 691).
5 Von Righini schreibt er auf die Nachfrage des Vaters daß er viel Geld mit Scolarisiren gewinne und in den Fasten seine Cantate – wahrscheinlich Il natale d'Apollo – zweimal mit gutem Erfolg aufgeführt habe. »Er schreibt recht hübsch; er ist nicht ungründlich, aber ein großer Dieb. Er giebt seine gestohlenen Sachen aber so mit Ueberfluß wieder öffentlich Preis und in so ungeheurer Menge, daß es die Leute kaum verdauen können« (29. Aug. 1781). Dies strenge Urtheil, das sich auf Righinis frühere Sachen bezieht, wird man schwerlich ungerecht finden können. Zelter urtheilte später von ihm, er sei ungefähr in Berlin gewesen was Salieri in Wien; »vielleicht von etwas frischerem Wesen als Salieri, aber an Breite und Höhe ziemlich gleich« (Briefw. mit Göthe II S. 29). Ein sehr wohlwollender Richter stellt ihn »in Erfindung und Führung eines schönen fließenden Gesanges zu Naumann, wenn er diesem auch in gelehrter Ausarbeitung derselben nicht gleich kam; besonders sind seine sanften Melodien so vollkommen was sie sein sollen, daß sie wohl der reine Erguß eines sanften Charakters sein müssen« (A. M. Z. XVI S. 875).
6 Später schrieb er seiner Schwester (15. Dec. 1781), er sei in langer Zeit ein einzigesmal bei Fr. v. Mesmer gewesen: »das Haus ist nicht mehr wie sonst.«
7 Sie pflegte alle Jahr in einem Concert »den Beweis ihrer Existenz und ihres Fleißes zu geben«, wie es in einem Bericht vom Jahr 1799 heißt (A. M. Z. I S. 523); »dieser letztere ist aber auch Alles, was man mit Grund der Wahrheit an ihr rühmen kann. Ihr ganzes Bestreben geht auf Ueberwindung fast unüberwindlicher Schwierigkeiten, dabei vernachlässigt sie das was man im edleren Sinn Vortrag nennt und wird es bei diesen Umständen niemals zum schönen und ausdrucksvollen Spiel bringen.« Das Zugeständniß daß sie in dieser Art recht brav gespielt und ihre Schwierigkeiten ritterlich bekämpft habe, wird ihr auch später wohl noch gemacht, aber neben dem Mangel an geistigem Verständniß wird auch der an Präcision und Sicherheit gerügt (A. M. Z. VI S. 471. VII S. 469. Reichardt mus. Ztg. I S. 128). Noch im Jahr 1813 trat sie, »die einstens in Wien als Klavierspielerin excelirte« (A. M. Z. XV S. 372), öffentlich mit ihrem »fertigen und schulgerechten, aber kalten und veralteten Spiel« auf (A. M. Z. XV S. 300).
8 »Wegen der Adresse meiner neuen Wohnung kann ich Ihnen ja noch nichts schreiben, weil ich noch keine habe; doch bin ich mit zweyerley im Preiszank, wovon eins ganz gewiß genommen wird, weil ich künftiges Monat nicht mehr hier wohnen könnte, folglich ausziehen muß. Es scheint Hr. v. Aurnhammer hätte Ihnen geschrieben, und geschrieben daß ich schon wirklich eine Wohnung habe! Ich habe auch wirklich schon eine gehabt, aber was für eine? – für Ratzen und Mäuse, aber nicht für Menschen. Die Stiege mußte man Mittags um 12 Uhr mit einer Laterne suchen; das Zimmer konnte man eine kleine Kammer nennen. Durch die Küche kam man in mein Zimmer und da war an meiner Kammerthür ein Fensterchen; man versicherte mich zwar, man würde ein Fürhängerlein vormachen, doch bat man mich zugleich daß, sobald ich angezogen wäre, ich es wieder aufmachen sollte, denn sonst sähen sie nichts sowohl in der Küche als in den anstoßenden anderen Zimmern. Die Frau selbst nannte das Haus ein Ratzennest, – mit einem Wort, es war fürchterlich anzusehen. Das wäre mir eine üble Wohnung gewesen, wo doch unterschiedliche Leute von Ansehen zu mir kommen! Der gute Mann hat halt auf nichts als auf sich selbst und seine Tochter gedacht, welche die größte seccatrice ist, die ich kenne« (22. Aug. 1781).
9 »Nun noch eine traurige Nachricht«, schreibt Mozart dem Vater (23. März 1782) »daß die Frau v. Aurnhammer endlich ihren armen Mann zu Tode geketzert hat; gestern Abend um halb sieben Uhr ist er verschieden. Er war die Zeit her immer kränklich, so frühe hätte man seinen Tod doch nicht vermuthet; auf einen Augenblick ist es zu Ende gegangen, Gott sey seiner Seele gnädig! – er war ein guter, dienstfertiger Mann.«
10 Sie wollte noch einige Jahre im Klavierspiel studiren, dann nach Paris gehen und »Metier machen.« In Cramers Magazin der Musik heißt es (1787 II S. 1274): »Die Mad. Aurnhammer ist eine ausgemachte Meisterin im Klavier, worin sie auch Stunden giebt; ich habe sie schon lange nicht gehört. Sie ist es, die viele Sonaten und variirte Arietten von Mozart bei Hrn. Artaria zum Stich besorgt und durchgesehen hat.« In Variationen versuchte sie sich auch selbst, pflegte dergleichen in ihren Concerten zu spielen und drucken zu lassen. In der musikalischen Correspondenz (1791 S. 362) wird ihr männliche Einsicht und Geschmack nachgerühmt, ihr aber gerathen noch mehr Rücksicht auf einen sanften und angenehmen Charakter zu nehmen; ein andermal heißt es (das. 1792 S. 195), es fänden sich in ihren Variationen zwar keine tiefgedachte harmonische Verwickelungen oder contrapunktische Sätze, aber Stellen, die mehr als Empirie verriethen und eine Eleganz im Stil, die selbst durch Klaviercompositionen anderer berühmter Meister schwerlich verdunkelt werden würde. Sie hatte 1799 es schon bis auf Opus 63 gebracht, worüber sich ein Recensent (A. M. Z. II S. 90) nicht wenig wundert.
11 Diese Abneigung, welche sich auch in der Nachschrift zu dem scherzhaften Brief an die Bar. Waldstädten ausspricht (II S. 513), verhinderte doch nicht, daß er Frl. Aurnhammer mit seiner gewohnten Gutmüthigkeit unterstützte. In einer Akademie bei Aurnhammer (24. Nov. 1781) spielte er mit ihr das Concert a due (II S. 360) und eine Sonate zu zweyen, die erpreß dazu componirt war und »allen Succeß hatte« (höchstwahrscheinlich die Sonate in D-dur, Oeuvres VII, 3), später spielte er auch in einem seiner Concerte mit ihr vierhändig (25. Mai 1782) und schob eine Reise nach Salzburg auf, weil er ihr versprochen hatte in ihrer Akademie im Theater zu spielen (26. Oct. 1782).
12 Die Wohnung war am Graben 1175, im zweiten Stock.
13 »Ich kann ohnmöglich so leben wie die meisten dermaligen jungen Leute. Erstens habe ich zu viel Religion, zweitens zu viel Liebe des Nächsten und zu ehrliche Gesinnungen als daß ich ein unschuldiges Mädchen anführen könnte und drittens zu viel Liebe zu meiner Gesundheit als daß ich mich mit H–n herumbalgen könnte; daher kann ich auch schwören daß ich noch mit keiner Frauensperson auf diese Art etwas zu thun gehabt habe. Denn wenn es geschehen wäre, so würde ich es Ihnen auch nicht verhehlen; denn fehlen ist doch immer dem Menschen natürlich genug, und einmal zu fehlen wäre auch eine bloße Schwachheit, – obwohlen ich mir nicht zu versprechen getraute, daß ich es bey einmal fehlen hätte bewenden lassen mögen, wenn ich in diesem Punkt ein einzigesmal fehlte. Darauf aber kann ich leben und sterben.« Sollte die unbefangene Offenheit, mit welcher der Sohn dem Vater gegenüber natürliche Dinge zur Sprache bringt, irgendwo Anstoß geben, so wird dies mehr als aufgewogen erscheinen durch das Zeugniß der sittlichen Integrität Mozarts – er war damals beinahe 26 Jahr alt –, deren die Mehrzahl sich schwerlich zu rühmen hat, und die der gewöhnlichen Vorstellung von seinem leichtfertigen Leben ein starkes Dementi giebt.
14 Josepha ward später verheirathet mit dem Violinspieler Matth. Hofer, und als Sängerin auf dem Schikanederschen Theater angestellt; für sie schrieb Mozart die Königin der Nacht. Nach Hofers Tode heirathete sie den Bassisten Seb. Meyer.
15 Aloysia war, wie wir sahen (S. 25), im Jahr 1789 an den Schauspieler Jos. Lange verheirathet; ihr Verhältniß ward ein sehr unglückliches. Er selbst sagt (Selbstbiogr. S. 118): »Daß diese Ehe nicht so glücklich in der Folge war als sie begann lege ich keineswegs meiner Frau ganz zur Last, sondern den bösen Menschen, die unsere Gemüther gegeneinander zu erbittern wußten, welches ihnen bei unserer Reizbarkeit, zu welcher mich mein Temperament, sie ihre Krankheit stimmte, eine leichte Sache war.« Daß er ein übermäßig eitler Mensch war, der seine Frau mit Eifersucht quälte, zu welcher er ihr mindestens ebenso viel Grund gab als sie ihm, erwähnt er begreiflicherweise nicht. In Folge von mancherlei Anfeindungen wurde sie, nachdem sie schon im Jahr 1784 eine längere Urlaubsreise gemacht hatte, im Jahr 1788 entlassen, worauf sie eine zweite Kunstreise 1789 an trat. Nach ihrer Rückkehr wurde sie 1791 wieder angestellt, allein häusliche Mißverhältnisse und Unzufriedenheit mit ihrer künstlerischen Stellung veranlaßten sie 1795 Wien von Neuem zu verlassen und sich von ihrem Mann zu trennen. Am 8. Dec. 1795 trat sie in Hamburg als Constanze zuerst auf und fand dort während der drei Jahre ihres Aufenthalts denselben außerordentlichen Beifall (Meyer, Schröder II S. 131. 137), der ihr in Amsterdam von 1798 bis 1801 zu Theil wurde. Nicht allein den Vorzügen ihres Gesanges und Spieles ließ man dort Gerechtigkeit widerfahren, sondern auch ihrem fröhlich en, anspruchslosen Charakter, ihrer Freiheit von allen gewöhnlichen Virtuosenlaunen in der Gesellschaft, ihrer Bereitwilligkeit Jedermann, bei dem sie nur einige Kenntniß und Liebe zur Musik sahe, durch ihr Talent zu erfreuen. Sie zeigte sich als eine lebhafte Verehrerin Mozarts, theils seiner Musik, theils ihrer beiderseitigen alten und innigen Freundschaft wegen (A. M. Z. III S. 659). Nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Bremen (A. M. Z. III S. 674) und in Paris (A. M. Z. IV S. 321) ging sie nach Frankfurt a.M. (A. M. Z. VI S. 400), wo sie das Theater im Jahr 1808 verließ (A. M. Z. XII S. 224), aber auch später noch im Concert mit Anerkennung auftrat (A. M. Z. XVI S. 487) und im Jahr 1830 starb.
16 Sophie wurde mit Haibl verheirathet, der anfangs Tenorist an Schikaneders Theater war, sich dort als Componist des Tyroler Wastel 1796 einen Namen machte und 1805 als Chorregent nach Diacowan in Slavonien kam, wo er 1826 starb. Sie lebte später bei ihrer Schwester, welche mit ihr an demselben Tage Witwe geworden war, allgemein geachtet und beliebt in Salzburg, wo sie noch die Einweihung der Mozartsstatue erlebte (A. M. Z. XLVI S. 679) und im Jahr 1843 starb, 83 Jahr alt (A. M. Z. XLIX S. 14).
17 Ein Portrait Constanzes, welches ihr Schwager Lange, der auch malte, gemacht hatte, ist bei Nissen in einer Lithographie bekannt gemacht, sowie ein Bild Mozarts, ebenfalls nach einem in der Ausführung nicht ganz vollendeten Gemälde Langes lithographirt, welches jetzt Carl Mozart in Mailand besitzt.
18 Winter war kurz vorher mit dem Fagottisten Reiner aus München zum Besuch in Wien gewesen, wo sich Mozart ihrer als alter Bekannter anzunehmen gesucht hatte.
19 Vgl. II S. 115. Winter war auch später bekanntlich Mozart abgeneigt (Biedenfeld kom. Oper S. 86); er warf ihm gern vor daß er Händel bestohlen habe (A. M. Z. XXVIII S. 468), daß er das Hinauftreiben der Sopranstimmen verschuldet habe (Biedenfeld kom. Oper S. 212), und sein Zorn auf die Klavierspielenden Operncomponisten (A. M. Z. XXVIII S. 467) galt besonders auch Mozart. Daß Winter nicht eine so einfache, derbe Natur war als er erschien ist anerkannt (vgl. Biedenfeld a.a.O. S. 212), daß ihm auch gehässige Intrigue wohl zuzutrauen war ist mir von solchen versichert worden, die ihn beobachten und kennen konnten.
20 »Wegen dem Winter muß ich Ihnen nur das noch sagen. Er hat unter andern einmal zu mir gesagt: Sie sind nicht gescheid, wenn Sie heyrathen; Sie verdienen Geld genug, Sie können es schon – hatten Sie sich eine Maitresse. Was hält Ihnen denn ab? das bissel D.... Religion? – Nun glauben Sie was Sie wollen« (22. Dec. 1781). – Man begreift Mozarts gränzenlose Wuth, wenn man liest daß Winter seine Constanze ein Luder genannt hatte!
21 Mozart schreibt dem Vater (10. April 1782): »Der Appendix ihre Mutter betreffend ist nur insoweit gegründet daß sie gern trinkt und zwar mehr – als eine Frau trinken sollte. Doch – besoffen habe ich sie noch nicht gesehen, das müßte ich lügen. Die Kinder trinken nichts als Wasser und obschon die Mutter sie fast zum Wein zwingen will, kann sie es doch nicht dazu bringen; da giebt es öfters den größten Streit deswegen. – Könnte man sich wohl so einen Streit von so einer Mutter vorstellen?«
22 »Wir beyde haben die Absichten der Mutter längst gemerkt«, schreibt er (30. Jan. 1782) »sie wird sich aber gewiß sehr betrügen. Denn sie wünschte uns (wenn wir verheyrathet seyn würden) bey sich auf dem Zimmer zu haben (denn sie hat Quartier zu vergeben) – daraus wird aber nichts, denn ich würde es niemalen thun und meine Constanze noch weniger. Au contraire, sie hat im Sinne sich bey ihrer Mutter sehr wenig sehen zu lassen und ich werde mein Möglichstes thun daß es gar nicht geschieht – wir kennen sie.«
23 »Meiner lieben Schwester« schreibt Mozart (23. März 1782) »schicke ich zwei Hauben nach der neuesten Wiener Mode; beyde sind eine Arbeit von den Händen meiner lieben Constanze, sie empfiehlt sich Ihnen gehorsamst und küßt Ihnen die Hände und meine Schwester umarmt sie auf das Freundschaftlichste und bittet um Vergebung, wenn die Hauben nicht zum allerbesten ausgefallen sind, die Zeit war zu kurz.« Zum Schluß heißt es: »Eben ist meine liebe Constanze über mich gekommen, ob sie sich nicht unterstehen dürfte meiner Schwester ein kleines Angedenken zu überschicken. Ich soll sie aber gleichwohl entschuldigen, sie seye ein armes Mädchen, habe nichts zum Besten und meine Schwester soll den guten Willen für das Werk ansehen. Das Kreuzel ist von keinem großen Werth, aber die Hauptmode in Wien. Das Herzl mit dem Pfeil ist aber dem Herzl mit dem Pfeil meiner Schwester mehr anpassend [I S. 141], und wird ihr also besser gefallen.«
24 Seiner Schwester schreibt er (20. April 1782): »Meine liebe Constanze hat sich endlich die Courage genommen dem Triebe ihres guten Herzens zu folgen, nämlich Dir, meine liebe Schwester, zu schreiben. Willst Du sie (und in der That, ich wünsche es, um das Vergnügen darüber auf der Stirn dieses guten Geschöpfes zu lesen), willst Du sie also mit einer Antwort beehren, so bitte ich Dich Deinen Brief mir einzuschließen; ich schreibe es nur zur Fürsorge, damit Du weißt daß ihre Mutter und ihre Schwestern nichts wissen daß sie Dir geschrieben hat.« Der Brief Constanzes an Marianen lautet so: »Wertheste und schätzbarste Freundin! Niemals würde ich so kühn gewesen seyn, mich so ganz grade meinem Triebe und Verlangen an Sie, wertheste Freundin, zu schreiben, zu überlassen, wenn nicht Dero Hr. Bruder mich versichert hätte, daß Sie mir diesen Schritt, welcher aus zu großer Begierde mich mit einer obschon unbekannten, doch durch den Namen Mozart mir sehr schätzbaren Person wenigstens schriftlich zu besprechen geschieht, nicht übel nehmen werden. Sollten Sie böse werden, wenn ich mich Ihnen zu sagen unterstehe, daß ich Sie, ohne die Ehre zu haben Sie von Person zu kennen, nur ganz allein als Schwester eines Ihrer so würdigen Bruders, überaus hochschätze und liebe, und es wage Sie um Ihre Freundschaft zu bitten? Ohne stolz zu seyn darf ich sagen daß ich sie halb verdiene, ganz werde ich mich sie zu verdienen streben, – darf ich Ihnen die meinige (welche ich Ihnen schon längst heimlich in meinem Herzen geschenkt habe) entgegen anbieten? o ja, ich hoffe es, und in dieser Hoffnung verharre ich, wertheste und schätzbarste Freundin, dero gehorsamste Dienerin und Freundin. Bitte meinen Handkuß an dero Herrn Papa!«
25 Wie wenig Constanze, so erfreuet sie war wenn Mozarts Vater ihr ein Compliment ausrichten ließ, sich demselben gegenüber frei und sicher fühlte, mag eine kurze Nachschrift zeigen, die sie einem seiner Briefe hinzufügte (25. Mai 1782): »So eben ist Ihr lieber Sohn zur Gräfin Thun gerufen worden und hat also die Zeit nicht seinem lieben Vater den Brief zu endigen, das ihm sehr leid ist. Er hat mir die Commission gegegeben Ihnen es zu wissen zu machen, weil heut der Posttag ist, damit Sie nicht ohne Brief von ihm seyn. Das nächstemal wird er seinem lieben Vater schon das Mehrere schreiben, bitte also um Verzeyung daß ich schreibe das was Ihnen nicht so angenehm ist als das was Ihr Herr Sohn geschrieben hätte. Ich bin Ihre wahre Dienerin und Freundin C.W.«
26 Der Brief ist mir von Al. Fuchs mitgetheilt.
27 Es war das eine Aufgabe beim Pfänderspiel, die allerdings für den freieren und in mancher Hinsicht frivolen Ton des geselligen Verkehrs jener Zeit Zeugniß ablegt, aber mit dem Maaßstab der socialen Sitte und nicht der Sittlichkeit gemessen werden muß. Auch Züge dieser Art verlangen ein historisches Verständniß.
28 Die gleich naher zu erwähnende Baronin v. Waldstädten.
29 Um ein recht bezeichnendes Beispiel zu wählen lese man Salieris Bericht, wie Joseph II ihm zu seiner Frau verhalf (Mosel, Salieri S. 57ff.).
30 Auch später bewahrte er ihnen seine Theilnahme, wie z.B. folgende von der Wittwe später erzählte Anecdote beweist (A.M.Z. I S. 855). Auf einem Spatziergang den Mozart mit seiner Frau im Augarten machte, trieben sie mit einem Lieblingshund der Frau ihren Scherz, und diese sagte zu Mozart, er solle sie zum Spaß schlagen, der Hund werde dann garstig auf ihn zu fahren. Als er dieses that, trat grade der Kaiser aus seinem Sommerhause und sagte: »Ei, ei, erst drei Wochen verheirathet und schon Schläge!« worauf ihm Mozart lachend den Zusammenhang erklärte. Joseph unterhielt sich dann mit ihm und erinnerte ihn an sein drolliges Benehmen, da er als Knabe in Wien bei Hofe gewesen war.
31 Als ein Zeugniß daß Mozart diese Prüfungszeit mit ernstem Sinn durchlebte mag hier angeführt werden was er etwas später seinem Vater schrieb (17. Aug. 1782), daß er schon seit geraumer Zeit mit Constanze zusammen die Messe gehört und gebeichtet habe; »und ich habe gefunden, daß ich niemalen so kräftig gebetet, so andächtig gebeichtet und communicirt hätte als an ihrer Seite, und so ging es ihr auch – mit einem Wort, wir sind für einander geschaffen und Gott, der Alles anordnet und folglich auch dieses also gefüget hat, wird uns nicht verlassen.«
32 Wenn Leop. Schefer in der Novelle »Mozart und seine Freundin« (im Taschenbuch Orpheus, Wien 1841 S. 273ff.) die Baronin Waldstädten im Sinne hatte, wie ich fast vermuthe, so hat er von der dichterischen Freiheit zu idealisiren im vollsten Maaße Gebrauch gemacht.
33 Hiller wöchentl. Nachr. I S. 100.
34 Sie wohnte in der Leopoldstadt No. 360.
35 Als sie später auch mit Mozarts Vater in Correspondenz trat – er mußte ihr ein Klavier besorgen u. dgl. m. – hielt Wolfgang es für Pflicht seinen Vater aufmerksam zu machen. »Sie werden mein letztes sammt Einschluß von der Baronin richtig erhalten haben« schreibt er (4. Jan. 1783). »Sie hat mir nicht gesagt was sie Ihnen geschrieben, sondern daß sie Sie um etwas die Musik betreffend gebeten habe, sie wird es mir aber gewiß, weil sie gesehen daß ich gar keinen Vorwitz darauf habe, sagen, sobald ich wieder herauskomme, denn sie hat immer großen Schuß. Ich habe aber von einer dritten Hand gehört daß sie einen Menschen für sich haben möchte, indem sie abreisen wird. Nun will ich Sie nur avertiren daß, wenn dieses wahr ist, Sie sich ein wenig in Acht nehmen möchten, weil sie veränderlich wie der Wind ist und glaublich – ungeachtet sie sich es einbildet – schwerlich von Wien wegkommen wird, denn sie reist schon – so lange ich die Ehre habe sie zu kennen.« Auf nähere Rachfrage schrieb er dann (8. Jan. 1783), die Baronin suche einen Mann für sich, worunter viel verstanden sei; man spreche allerdings zweideutig von ihr, auch sei sie schwach – mehr wolle er nicht sagen, denn er habe zu viel Gnade von ihr genossen und müsse sie daher vertheidigen, oder wo er dies nicht könne wenigstens schweigen.
36 Einen vollen Einblick in diese traurigen Verhältnisse läßt uns ein Billet thun, das Mozart in wahrer Seelenangst an die Baronin richtete. Das Original – im Besitze des Hrn. Generalconsul Clauß in Leipzig – ist nicht datirt, gehört aber offenbar in diese Zeit und lautet: »Hochgeschätzbareste Frau Baronin! Meine Musicalien habe ich durch die Magd der Mde. Weber erhalten und habe müssen eine schriftliche Bescheinigung darüber geben. – Die Magd hat mir etwas anvertrauet, welches, wenn ich schon nicht glaube, daß es geschehen könnte, weil es eine Prostitution für die ganze Familie wäre, doch möglich wäre, wenn man die dumme Madam Weber kennt, und mich folglich doch in Sorge setzt. Die Sophie ist weinend hinausgekommen, – und da sie die Magd um die Ursach fragte, so sagt sie: Sage sie doch heimlich dem Mozart, daß er machen soll daß die Constanz nach Hause geht, denn – meine Mutter will sie absolument mit der Policei abholen lassen. – Darf denn hier die Policeiwache gleich in ein jedes Haus? – Vielleicht ist es auch nur ein Locknetz um sie nach Hause zu kriegen. – Wenn das aber geschehen könnte, so wüßte ich kein besser Mittel als die Constance morgen frühe – wenns seyn kann heute noch zu heyrathen. Denn dieser Schande möchte ich meine Geliebte nicht aussetzen – und meiner Frau kann das nicht geschehen. – Noch was; – der Thorwarth ist heute hinbestellt. – Ich bitte Ew. Gnaden um dero wohlmeinenden Rath – und uns armen Geschöpfen an die Hand zu gehen. – Ich bin immer zu Hause. – In größter Eile. Die Constance weiß noch von nichts. War Hr. v. Thorwarth bey Ew. Gnaden? ist es nöthig daß wir beyde heute nach Tisch zu ihm gehen?«
37 Wie tief diese Verstimmung war kann man daraus abnehmen, daß er selbst an dem Erfolg der Entführung nicht den gewöhnlichen, herzlichen Antheil nahm und daß Wolfgang sich über die Kälte beklagen mußte, mit welcher der Vater seine Nachrichten aufnahm. Dagegen machte dieser ihm Vorwürfe, daß er durch anmaßendes Wesen sich in Wien verhaßt mache. »Die ganze Welt behauptet«, antwortet dieser (31. Juli 1782) »daß ich durch mein Großsprechen und Kritisiren die Professori von der Musik und auch andere Leute zu Feinden habe? Was für eine Welt? Vermuthlich die Salzburger Welt? Denn wer hier ist, der wird genug das Gegentheil davon sehen und hören, und das soll meine Antwort darauf seyn.«
38 Aus dem Heirathsvertrag, welcher am 3. August abgeschlossen ist, er ist unter den Verlassenschaftsacten beim Magistrat in Wien deponirt und in der Beilage XIX vollständig mitgetheilt – geht hervor daß das Heirathsgut 500 fl., die Widerlage 1000 fl. betrug. Diese Summe herbeizuschaffen scheint die Baronin hülfreiche Hand geleistet zu haben; wenigstens bittet Mozart sie in einem Brief (15. Febr. 1783) um ihre Hülfe als der Darleiher zu einer Zeit, wo Mozart nicht einmal die Hälfte zahlen konnte, die Prolongation verweigerte und mit einer Klage drohte.
39 Ueber die Trauung hatte Al. Fuchs sich das nachfolgende Document verschafft.
»Ich Endesgefertigter bezeuge hiemit aus dem Trauungs-Protocolle der Pfarre St. Stephan vom Jahre 1782 Fol. 270, daß der wohledle Herr Wolfgang Amade Mozart, ein Kapellmeister, ledig, von Salzburg gebürtig, des Hrn. Leopold Mozart, Kapellmeisters allda, und der Frau Maria Anna geborene Bertl sel. ehelicher Sohn (wohnt dermalen 12 Tage auf der hohen Brücke No. 387, vorher 5 Monate am Graben und vor diesem 1 Jahr unter den Tuchlauben beim Auge Gottes, übrigens 16 Monate hier nach Zeugniß des Vormundes und Beystandes der Braut) mit der wohledlen J. Constanzia Weber von Zell in U. Oe. gebürtig, des Hrn. Fridolin Weber k.k. Hofmusicus sel. und der Frau Cäcilia geb. Stamin ehelichen Tochter (wohnt 2 Jahre am Peter beim Auge Gottes No. 577, nach Zeugniß des Vormundes und Beystandes) über erhaltenen Dispens von den drei Kirchenaufgeboten gegen Ablegung des vorgeschriebenen Eides von dem wohlerwürdigen Herrn Ferdinand Wolff, Priester der Fürsterzbischöflichen Cur bei St. Stephan, in Gegenwart der Tit. Herren: Johann Thorwarth k.k. Hofdirections-Revisors und Johann Cetto von Cronsdorff, k.k. u. oe. Regierungsrathes, als Beystände der Braut und des Hrn. Franz Gilofsky, Medicinae Doctoris, als Beystandes des Bräutigams den vierten August im Jahre Ein Tausend Sieben Hundert Achtzig Zwey (den 4ten August 1782) in hiesiger Pfarre nach christkatholischem Gebrauche ehelich getrauet worden sey.«
»Wien Hauptfarre St. Stephan 13. Juli 1847. Vinc. Barfuß f.e. Consistorial-Rath, Cur- und Chormeister.«
40 Leop. Mozart schreibt der Baronin (13. Sept. 1782): »Daß seine Frau aus der Weberischen Art schlägt ist mir herzlich lieb, sonst würde er unglücklich seyn; Ew. Gnaden versichern mich, daß sie eine gute Person ist, und das ist mir genug.« Der Brief – im Besitze des Hrn. Hippius in Reval und nach dem Inland 1856 N. 7 abgedruckt in den Hamb. litter. u. krit. Blättern 1856 N. 72 S. 563f. – ist charakteristisch genug um ihn hier der Hauptsache nach mitzutheilen. Er schreibt: »Ew. Hochgeboren kann ich ohnmöglich das Vergnügen beschreiben, welches mich ganz erfüllte, als ich Dero für mich so sehr schmeichelhaftes Schreiben durchlas. In dem nämlichen Augenblicke hatte ich Wielands Sympathien vor Auge und es ist ganz ohnstreitig wahr, daß manche Menschen mit der nämlichen höheren Denkungsart beseligt sind, und ohnbewußt in einer geheimen geistigen Verbindung stehen, ohne sich jemals weder gesehen noch gesprochen zu haben. Musik, und vernünftige Bücher sind Ew. Hochgeboren Gegenstand und Unterhaltung. Dieses ist auch dasjenige was mich unterhält. Ew. freyherrl. Gnaden haben sich von großen Gesellschaften entfernt: und ich lasse mich durch viele Monate nicht am Hofe sehen und nur dann, wenn ich muß; lebe mit meiner Tochter im Stillen; habe einige Freunde die mich besuchen, – Lesen, Musik und ein Spatziergang macht unsere Unterhaltung aus, und bey schlechtem Wetter ein sehr niedriges Taroc- oder Tresette-Spiel, auch zu Zeit Schachspiel. Endlich glauben Ew. Gnaden durch Leiden so sehr verstimmt zu seyn und wollen durch Laune niemand beschwerlich fallen. Ich hingegen habe durch ohnverdiente Verfolgungen so Vieles gelitten, den Neid, die Falschheit, den Betrug, die Bosheit und alle dergleichen schöne Eigenschaften so kennen gelernt, daß ich große Gesellschaften vermeide, um nicht ganz verstimmt zu werden, und mein bischen gute Laune noch zu erhalten. Es ist demnach eine natürliche Folge, daß ich nichts sehnlicheres wünsche, als die Gnade zu haben, Ew. Hochgeboren sprechen zu können, da ich gewiß weiß daß Ew. Gnaden Denkungsart mit der meinigen vollkommen übereinstimmt und wir so ziemlich etwas nach Herzenswunsch zusammen schwatzen würden. Es ist für mich gar zu schmeichelhaft, daß Ew. Hochgeboren mich Ihrer unschätzbaren Freundschaft und ohnverdienten Achtung würdig schätzen: und da kein Mittel sehe solche zu verdienen – in der That zu verdienen; so wünsche ich mir wenigstens die schicklichen Worte zu finden, die meine hochachtungsvollen Empfindungen, die ich gegen eine so verdienstvolle Dame hege, erklärten, ohne in das Lächerliche, oder gar in das Ohnanständige zu verfallen. Ew. Hochgeboren sind so gnädig mir Dero Behausung anzutragen, im Falle ich etwa nach Wien kommen sollte. Ich bin in der That ganz betroffen! Es würde Verwegenheit seyn mich dieser so gnädigen Einladung zu bedienen; aber mein erster Weg in Wien würde ganz gewiß seyn Ew. Freyh. Gnaden die Hände zu küssen; wer kann das wissen? Vielleicht bin ich noch so glücklich! – Sorgen Ew. Hochgeboren nur für Ihre Ruhe und Gesundheit! Es schmerzt mich in der Seele, da ich las, Ew. Gnaden hatten durch vielen Gram und Schmerz Ruhe und Gesundheit verloren. Der gütige Gott erhalte Sie! ich bin äußerst gerührt! – Meine Tochter küßt Ew. Hochgeboren die Hände und ist mit mir betrübt, daß wir so weit von Wien entfernt sind. Unterdessen tröste ich mich mit der Hoffnung, daß nicht Berge und Thäler, aber wohl die Menschen zusammenkommen können –, daß Ew. Gnaden mich noch Ihrer Gnade und Achtung würdigen werden, daß ich wenigstens durch meinen Sohn von dem erwünschten Wohlseyn und Zufriedenheit einer so menschenfreundlichen Dame auch in Zukunft immer Nachricht haben werde.«
41 Er gab nun allerdings seine Einwilligung, allein er machte Wolfgang darauf aufmerksam, wie er nun nicht mehr erwarten könne daß dieser beitragen werde ihn aus der ungünstigen Lage zu befreien, in die er sich nur um dem Sohn fortzuhelfen gesetzt habe; dieser möge nun auch nicht darauf rechnen von dem Vater jetzt oder künftig noch etwas zu erhalten und von diesen Umständen auch seine Braut in Kenntniß setzen. Darauf antwortet Mozart (7. Aug. 1782): »Meine liebe Constanze, nunmehro (Gott sey Dank) meine wirkliche Frau, wußte meine Umstände und Alles, was ich von Ihnen zu erwarten habe, schon lange von mir. Ihre Freundschaft aber und Liebe zu mir war so groß, daß sie gern mit größten Freuden ihr ganzes künftiges Leben meinem Schicksale aufopferte.«
42 Dieser Gilowsky – der Windmacher, wie ihn Mozart einmal nennt – ist ein Bruder der Gilofsky-Catherl, die wir schon kennen (II S. 18. 445). Er hatte sich veranlaßt gesehen in Wolfgangs Liebesangelegenheit dem Vater begütigend zu schreiben, der ihm aber auf seinen »sauberen dummen Brief« so geantwortet hatte daß er sich bei dem Besuche Leopolds in Wien im Jahr 1785 gar nicht vor ihm sehen ließ, wie dieser seiner Tochter schreibt (8. April 1785). Er wußte dem gutmüthigen Mozart ein Darlehen von 300 fl. abzuschwatzen, das in den Verlassenschaftsacten unter den »verloren sein sollenden Schulden« aufgeführt ist.
43 Während des Soupers wurde er mit einer »sechzehnstimmigen Harmonie« von seiner Composition überrascht. Ich weiß nicht welche damit gemeint sei, denn die große Serenade (II S. 490ff.), an welche man zunächst denken möchte, ist nur dreizehnstimmig und es ist nicht bekannt daß Mozart mehrere Instrumente zugesetzt habe; eine achtstimmige doppelt besetzte Harmoniemusik hätte er schwerlich sechzehnstimmig genannt.
44 Das Haus, in welchem Mad. Weber am Petersplatz (N. 574 neben dem Polizeigebäude) wohnte, hieß »zum Auge Gottes« (S. 20).
45 Der ausführlichen und authentisch begründeten Darstellung von Mozarts früherem Liebesverhältniß zu Aloysia und seiner Verheirathung mit Constanze Weber gegenüber ergiebt sich leicht was von einer Erzählung zu halten sei, welche Rochlitz in einem handschriftlich erhaltenen Vortrag über diese Verhältnisse mittheilt, der mir aus seinem Nachlaß zur Benutzung übergeben worden ist.
Er berichtet, daß Mozart als er zur Aufführung des Idomeneo nach München gekommen sei, sich in die nachmalige Mad. Lange verliebt habe; ihr Vater aber, der wirklicher bayerscher Hofrath und ein auch sonst angesehener Mann gewesen sei, habe verlangt daß er eine feste Anstellung haben müsse, ehe er sie heirathen dürfe. Darauf habe Mozart in Salzburg in kurzer Zeit eine große Litanei geschrieben und dem Churfürsten Karl Theodor das Manuscript gewidmet um die voraussichtlich bald erledigte Kapellmeisterstelle am Dom zu erhalten; allein die Erledigung habe sich verzögert und eine neue Stelle zu schaffen seien keine Mittel dagewesen. Da sei Mozart, der erfahren habe daß Joseph II ihn hochschätze, nach Wien gegangen, habe auch Zutritt und gnädige Aufnahme beim Kaiser gefunden, der ihn öfters Abends habe zu sich rufen und namentlich mit Clementi stundenlang wechselsweise spielen lassen. Clementi habe Rochlitz selbst später gesagt: »In aufgeschriebenen Stücken spielte ich selbst mehr als Mozart und ruhiger, aber in der freien Phantasie erkannte ich seine Ueberlegenheit dermaßen, daß ich das öftere Verlangen des Kaisers standhaft verweigerte.« Um Mozart in Wien zu halten habe der Kaiser ihm nun eine Titularkapellmeisterstelle mit 800 fl. Gehalt und der Aussicht auf eine angemessene Vacanz verliehen. Mozart sei darauf freudig nach München geeilt, habe aber dort erfahren daß seine Braut so eben mit einem hübschen Opernsänger davongegangen sei und die ganze Familie in der größten Bestürzung gefunden. Da habe er, um der Familie große Beschämung zu ersparen und die Meinung des Publicums irrezuleiten, durch ein Gemisch von großmüthigem Enthusiasmus und grausamem Spiel seiner Künstlerphantasie getäuscht, sich entschlossen die ältere, von ihm nicht geliebte, Tochter zu heirathen und ausdrücklich eine möglichst solenne Hochzeitsfeier gewünscht. Auch in Wien sei dann Mozart als glücklicher Ehemann aufgetreten – sei es, daß ihm damals so ums Herz war oder daß er sich selbst zu täuschen suchte –, und habe die treue Geliebte in der Oper nach seiner Frau Constanze getauft.
Daß diese Erzählung, die in allen Punkten so falsch als möglich ist, aus halben Reminiscenzen combinirt sei um für gewisse Traditionen aus Mozarts späterer Lebenszeit eine psychologische Motivirung zu gewinnen ist einleuchtend, und man wird die wohlwollende Tendenz so manchen novellistischen Darstellungen gegenüber, in denen Mozart geflissentlich als liederliches Genie geschildert wird, gern anerkennen: der Wahrheit und der Geschichte gegenüber kann die idealistische Phantasmagorie so wenig zu Recht bestehen als die gemeine. Vollkommen unbegreiflich aber ist es, wenn Rochlitz versichert, Mozart habe dieses alles, so wie er es berichtet, in einer Gesellschaft bei Doles bis spät in die Nacht hinein mit großer Lebhaftigkeit erzählt, so daß Rochlitz tief ergriffen in derselben Nacht zu Hause sich alles aufgeschrieben habe; nur aus Rücksicht auf manche noch lebende Betheiligte sei es von ihm später nicht veröffentlicht. Darauf hingedeutet hat er doch einmal (A. M. Z. I S. 54) und Nissen hat die irrige Angabe stillschweigend (S. 435f. vgl. II S. 447f.) und ausdrücklich (S. 464) berichtigt; allein um einem möglichen späteren Mißbrauch einer scheinbar so sicher begründeten Darstellung vorzubeugen habe ich mich der peinlichen Pflicht nicht entzogen den wesentlichen Inhalt dieses wunderlichen Actenstückes hier mitzutheilen, wo es seine stillschweigende Widerlegung gefunden hat.
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