Die persönlichen Verhältnisse, unter welchen Mozart seit seiner Verheirathung in Wien lebte, bedingten nicht allein seine gemüthliche, sociale und bürgerliche Existenz, sondern die meisten derselben wirkten unmittelbar auch auf den Componisten ein; der Versuch sich dieselben näher zu vergegenwärtigen ist daher unerläßlich.
Das Verhältniß mit der Schwiegermutter war anfangs, wie sich erwarten ließ, kein gutes. Sie wohnte zwar, wie Mozart dem Vater zu dessen Beruhigung schrieb (31. Aug. 1782), nicht mit ihnen in demselben Hause1, allein schon bei dem zweiten Besuch welchen er ihr mit seiner Frau machte, gab es wieder Zank und Streit daß die atme Constanze weinte, und sie nahmen sich deshalb vor nur mehr an den Namenstagen der Familie hinzugehen. Später ließ diese Spannung nach und offenbar war es hauptsächlich Mozarts Gutmüthigkeit, welche, unfähig solchen Unfrieden zu ertragen, zu vermitteln und zu begütigen wußte. »Mozart bekam unsere selige Mutter immer lieber und sie ihn auch« berichtet Sophie Haibl (bei Nissen S. 573). »Daher kam er zu uns oft auf die Wieden [die Vorstadt in welcher sie wohnten] in Eile gelaufen mit Päckchen von Kaffee und Zucker unter dem Arme und sagte bei der Ueberreichung: Hier, liebe Mama, [272] haben Sie eine kleine Jause [Vesperbrod]. Er kam niemals leer zu uns.« Besonders die jüngste Schwester Constanzes, Sophie, verkehrte sehr viel in Mozarts Hause, wo sie bei den wiederholten Wochenbetten und Krankheiten ihrer Schwester nur zu oft Gelegenheit zu helfen und zu pflegen fand, was sie, die von Natur gutmüthig und wohlwollend war, mit der größten Bereitwilligkeit that; wie wir sie auch als Mozarts treue Pflegerin an seinem letzten Krankenlager finden.
Mit seinem Schwager Lange und Aloysia scheint sich gleich ein ungezwungener, freundschaftlicher Verkehr gebildet zu haben, und in Beziehung auf Mozart wenigstens muß Lange keine Eifersucht mehr gefühlt haben2; sonst hätte er schwerlich in der S. 239 erwähnten Pantomime die Rolle des Pierrot übernommen, während seine Frau Colombine und Mozart den Harlekin spielte. Auch mancherlei Andeutungen in den Briefen weisen auf den freundschaftlichen Umgang hin, den Mozarts auch später mit den »Langeschen« unterhielten. Es war denn auch natürlich, daß sie sich mit ihren künstlerischen Leistungen gegenseitig zu Hülfe kamen. Wir sahen bereits (S. 204), daß Mozart für seine Schwägerin ein Rondo schrieb3 und ihr Concert auf alle Art unterstützte, so wie sie [273] in seinen Akademien sang. Seitdem die italiänische Oper wieder eingeführt war, kam es nicht selten vor, daß Mozart gebeten wurde einzelne Stücke zum Einlegen zu componiren. Als im Jahr 1783 Anfossis 1778 componirte Oper II curioso indiscreto zur Aufführung kam, ersuchten Mad. Lange und Adamberger, welche als deutsche Sänger in der italiänischen Oper mit mancherlei Cabalen zu kämpfen hatten und bereits aus Erfahrung wußten, daß sie mit Mozarts Arien Glück machten, [274] diesen zu dem ersten Debut für sie ein paar dankbare Arien zu dieser Oper zu schreiben. Er war wie immer dazu bereit, allein er sollte erfahren, daß man ihm nicht ohne Widerstand gestatten wolle, auch in der italiänischen Oper sich geltend zu machen. Wir haben seinen eigenen Bericht über diese Angelegenheit in einem Brief an seinen Vater (2. Juli 1783), wo er über die Oper schreibt: »Sie ist vorgestern Montags zum erstenmal gegeben worden; es gefiel gar Nichts, als die zwey Arien von mir4, und die zweyte, [275] welche eine Bravour-Arie ist5, mußte wiederholt werden. – Nun müssen Sie wissen, daß meine Feinde so boshaft waren, schon vornhinein auszusprengen: Mozart will die Opera des Anfossi corrigiren. Ich hörte es. Ich ließ also dem Grafen Rosenberg sagen, daß ich die Arien nicht hergäbe, ausgenommen, es würde Folgendes sowohl deutsch als welsch dem Opernbüchl beygedruckt:
Verwarnung.
Die beyden Arien, Seite 36 und 102, sind von Herrn Maestro Mozart aus Gefälligkeit für Madame Lange, und nicht vom Herrn Meister Anfossi in Musik gesetzt worden. Dieses wird zur Ehre desselben hiermit bekannt gemacht ohne nur im Mindesten dem Ansehen und dem Rufe des vielberühmten Neapolitaners zu nahe zu treten.
Es wurde beygedruckt, und ich gab die Arien her, welche sowohl mir als meiner Schwägerin unaussprechliche Ehre machten6. – Und die Herren Feinde sind ganz betroffen! – Nun kömmt eine Tour des Hrn. Salieri, welche nicht so viel mir als dem armen Adamberger Schaden thut. Ich glaube, daß ich Ihnen geschrieben, daß ich auch für den Adamberger ein Rondo gemacht habe7. Bey einer kleinen Probe, wo das [276] Rondo noch gar nicht abgeschrieben war, ruft Salieri den Adamberger auf die Seite und sagt ihm, daß der Graf Rosenberg nicht gern sähe, daß er eine Aria einlegte, und er ihm folglich als ein guter Freund rathe, es nicht zu thun. Adamberger, aufgebracht über den Rosenberg und dermalen zur Unzeit stolz, wußte sich nicht anders zu rächen, beging die Dummheit und sagte: Nun ja, um zu zeigen, daß Adamberger schon seinen Ruhm in Wien hat, und nicht nöthig hat, sich erst durch für ihn geschriebene Musik Ehre zu machen, so wird er singen, was darin steht, und sein Leben lang keine Arie einlegen. Was war der Erfolg davon? Das, daß er gar nicht gefiel, wie es auch nicht anders möglich war! Nun reuet es ihn, aber zu spät; denn wenn er mich heute ersuchte ihm das Rondo zu geben, so würde ich es nicht mehr hergeben. Ich kann es sehr gut in eine der meinigen Opern brauchen8. Das Aergste aber dabey in, daß die Prophezeihung seiner Frau und von mir wahr geworden ist, nämlich daß der Graf Rosenberg sammt der Direction gar kein Wort davon weiß, und daß es nur so ein Pfiff des Salieri war.«
Dagegen war Mozart wiederum sehr erfreuet, als Langes, denen nach jenen schon erwähnten ärgerlichen Vorfällen ein mehrmonatlicher Urlaub ertheilt worden war, zu der [277] ihnen bewilligten Benefizvorstellung einer Oper seine Entführung aus dem Serail wählten, was er nicht versäumt dem Vater zu melden (10. Dec. 1783). Diese Wahl war übrigens auch in ihrem eigenen Interesse, denn die Oper war beliebt und die Partie der Constanze wie für die Lange geschrieben. Kelly, der sie als eine der ersten Sängerinnen bewundert und erzählt daß Steph. Storace sie sowohl dem Umfang ihrer Stimme als der brillanten Bravur nach der Bastardella (I S. 629) gleichgestellt habe, giebt auch an daß die Partie der Constanze recht eigentlich »ein Compaß« für ihre Stimme gewesen sei (Remin. I p. 253), und in dieser Rolle er warb sie sich später auch auswärts den größten Beifall9. Denn auf der Kunstreise im Jahr 1784 fand sie noch bei keiner der Bühnen, welche sie besuchte, die Entführung auf dem Repertoir; soweit ich dieselbe verfolgen kann, sehe ich übrigens nicht, daß sie in ihren Concerten eine der von Mozart für sie componirten Arien gesungen habe, wahrscheinlich fand sie dessen Namen in Norddeutschland noch zu unbekannt10.
Mozart hat für sie im Jahr 1788 noch eine Arie componirt, [278] wahrscheinlich zum Concertgebrauch11; sie ist sehr lang ausgeführt und auf die Entfaltung ihres Stimmumfangs und einer gegen früher wo möglich noch gesteigerten Bravur berechnet, übrigens aber weniger bedeutend als die bereits erwähnten Arien, sowohl was die Erfindung als die Bearbeitung anlangt. Es fehlt zwar weder an interessanten Zügen, namentlich in harmonischer Beziehung, noch an ausdrucksvollen Stellen, aber sie stehen neben einander und sind nicht in der Art zu einem harmonischen Ganzen verschmolzen, wie man es sonst bei Mozart gewohnt ist12.
Die älteste Schwester, Josepha, trat erst spät, nachdem [279] sie sich mit dem Violinspieler Hofer verheirathet hatte, als Sängerin auf Schikaneders Theater auf. Außer einer hohen und geläufigen Stimme, welche das Erbtheil der Weberschen Töchter gewesen zu sein scheint, hatte sie keine ausgezeichnete Begabung, auch fehlte es ihr an musikalischer Bildung und Mozart soll sich viel Mühe gegeben haben ihr ihre Partien einzustudiren. Er schrieb auch für sie 1789 eine Bravurarie, um sie als Rosine in die deutsche Bearbeitung von Paisiellos Barbier von Sevilla einzulegen, die nicht eben ausgezeichnet ist und in der ganzen Behandlung der Stimme an die Arien der Königin der Nacht erinnert, welche bekanntlich ebenfalls [280] für die Hofer geschrieben sind13. Auch seines Schwagers Hofer nahm Mozart sich an, indem er ihm, der kein sehr ausgezeichneter Geiger war, namentlich seine Quartetts sorgfältig einstudirte; und bei seiner letzten Kunstreise nach Frankfurt nahm er ihn mit sich, um ihm durch seinen Namen das öffentliche Auftreten zu erleichtern und ihm, der in sehr beschränkten Verhältnissen lebte, zu einer guten Einnahme zu verhelfen.
Mochten hier Familienrücksichten auf Mozarts Bereitwilligkeit, durch seine Compositionen die Sängerinnen zu unterstützen einigen Einfluß üben, so finden wir ihn auch ohne Gründe der Art stets bereit auszuhelfen. Wir haben schon gesehen, daß er für Adamberger und Fischer Concertarien schrieb, und als Nancy Storace, welche im Figaro die Susanna gesungen hatte, Wien verließ, componirte er für sie die schöne Arie mit obligatem Klavier, das er selbst in ihrem Concert spielte14. Er wählte dazu, wie schon bemerkt (II S. 561), den Text der Arie, welche zu der Wiener Aufführung des Idomeneo für Idamante nachcomponirt war; der Umstand daß Idamante sich mit seinen Klagen und Betheuerungen an die anwesende Ilia wendet veranlaßte vielleicht, daß für sie die Begleitung eines obligaten Instruments [281] besonders passend erschien, und in der That übernimmt das Klavier, an manchen Stellen auf überraschend schöne und ausdrucksvolle Weise die Rolle des liebenden Wesens, mit welchem die Sängerin sich unterhält, indem es ihre Aeußerungen bald herauszufordern bald zu erwiedern scheint. In dieser Hinsicht wie durch Ton und Haltung übertrifft diese Arie bei weitem die früher mit obligater Violine componirte; der Geist des Figaro weht in derselben und man erkennt das durch einen leisen Hauch von Schwärmerei beseelte innige Gefühl der Gräfin in derselben wieder.
Die widerwärtige Erfahrung, welche Mozart mit den für Anfossis Curioso indiscreto componirten Einlegestücken gemacht hatte, hielt ihn nicht ab sich bei der nächsten Veranlassung wiederum gefällig zu erweisen. Am 25. Nov. 1785 wurde Bianchis Villanella rapita auf die Bühne gebracht15 und man ersuchte diesmal Mozart durch einige Ensemblesätze der Oper nachzuhelfen. Celestine Coltellini16, die zweite [282] Tochter des Dichters Coltellini welcher den Text zu Mozarts erster Oper geschrieben hatte17, war vom Kaiser Joseph schon auf seiner italiänischen Reise 1783 engagirt worden und, da Mlle. Storace ihre Stimme bei der ersten Aufführung von ihres Bruders Oper Gli sposi malcontenti im Juni 1785 völlig verloren hatte und eine Zeitlang nicht auftreten konnte18, ganz an deren Stelle getreten. Ihre Stimme war nicht grade besonders schön und von mäßigem Umfang, mehr Alt als Sopran, aber sie war musikalisch gebildet, sang rein und mit Ausdruck und wußte durch ein vorzügliches Spiel, namentlich in komischen Rollen ihrem Gesang einen besonders anziehenden Reiz zu geben19. Diese Eigenthümlichkeiten treten auch in dem reizenden Terzett und Quartett Mozarts20 [283] unverkennbar hervor, in welchen sie eine etwas einfältige naive Bäuerin vorstellt, welche sich von einem Grafen beschenken läßt, ohne weder von seinen Absichten, noch der Eifersucht und dem Verdruß ihres Bräutigams und Vaters das Geringste zu begreifen. Die Freude, mit welcher sie im Terzett das Geld in Empfang nimmt und die Unbefangenheit, mit der sie dem Grafen auf seine Bitte die Hand mit den Worten reicht: ecco, servitevi! ist nicht gerade sein vom Dichter gezeichnet, aber Mozart hat es mit soviel Grazie und Schelmerei ausgeführt, daß eine gute Schauspielerin Gelegenheit hat das detaillirteste Spiel zu entwickeln. Auch als der eifersüchtige Bräutigam sehr leidenschaftlich dazwischen fährt, und der Graf sich mit guter Manier davon zu machen sucht, begreift sie nicht was vor sich geht, und Mozart hat die willkommene Gelegenheit diese Gegensätze zu einem trefflich gegliederten, lebhaft bewegten Ganzen zu vereinigen21. Das Quartett hat eine weniger scharf gezeichnete Situation. Mandina steht zuerst den Vorwürfen ihres Bräutigams und Vaters in größter Einfalt gegenüber; als der Graf dazu kommt, giebt es einen heftigen Zank zwischen den Männern, von dem sie wieder den Grund nicht begreift und nur zu jedem Opfer bereit auf wahrhaft rührende Weise um Mitleid und Schonung bittet. Diese ihre Ruhe der zungengeläufigen Erregtheit der Männer gegenüber giebt auch diesem Satze seinen eigenthümlichen Charakter, den lebendig auszuprägen die Aufgabe der Sängerin war, deren Partie namentlich in den schmeichelnden und flehenden Stellen vom größten Reiz [284] und voll Gefühl ist. Uebrigens ist in echt italiänischer Art der immer steigende Tumult eines mit äußerster Lebendigkeit geführten Wortgefechtes mit sehr einfachen, wohlberechneten Mitteln dargestellt und besonders dadurch daß, als er die äußerste Höhe erreicht, der Sturm ins Orchester verlegt wird, der seine Anstand auch des komischen Effects gewahrt. Die meisterhafte Behandlung des Orchesters im Einzelnen wie in massenhafter Wirkung hebt allein diese beiden Stücke weit über ähnliche Sätze der damaligen opera buffa hinaus; es ist aber nicht bloß die glänzende und charakteristische Klangwirkung, welche sie auszeichnet, sondern die Kunst die Instrumentalpartie durchaus selbständig und in sich reich gegliedert zu gestalten, ohne daß sie je aufhört den Singstimmen als Folie zu dienen22; daß diese sein und charakteristisch behandelt sind, sich mit und nebeneinander frei und lebendig bewegen, und stets auf das Ganze hinwirken bedarf kaum der Erwähnung23. Denn diese Ensemblesätze sind völlig reife und höchst anmuthige Früchte der entwickelten Mozartschen Kunst. Nur darin zeigt sich eine durch den Charakter der Oper, in[285] welche sie eingelegt werden sollten, bedingte und daher wohlberechnete Eigenthümlichkeit, daß die Anlage und Ausführung in manchen Beziehungen einfacher ist als da wo Mozart nur sich selbst zu geben hatte24.
Sehr begreiflich ist es, daß Mozart für die Sänger und Sängerinnen, welche in seinen eigenen Opern auftraten, um sie sich geneigt zu erhalten, Arien nach ihrem Wunsch componirte. Er war deshalb nicht allein gern bereit zu seinen eigenen Opern Einlegestücke zu schreiben, wie er im April 1788 als Don Giovanni in Wien gegeben wurde, zwei neue Arien für Morella und die Cavalieri und ein Duett für Benucci und die Mombelli, und im Juli 1789 als Figaro wieder auf die Bühne gebracht wurde für Sgra. Ferrarese die wundervolle Arie der Gräfin nachcomponirte; sondern er leistete ihnen auch außerdem gern seinen Tribut dafür, daß sie in seinen Opern sangen. So schrieb er für Louise Villeneuve, welche als Dorabella inCosì fan tutte auftreten sollte, im August 1789 eine Arie zu Cimarosas Oper I due baroni25 und im October desselben Jahres zwei Arien zu Martins Burbero di buon cuore26. Die letzte, die einzige welche von diesen drei [286] Arien mir bekannt geworden ist, beginnt mit einem kurzen leidenschaftlichen Allegro, an welches sich ein Andante anschließt von sehr einfacher Anlage und Ausführung, aber mit einer gefühlvollen, wunderbar schönen Cantilene, deren Wirkung durch die herrliche Instrumentation noch sehr gehoben wird. Eine Baßarie, welche für Sgr. Albertarelli zu Anfossis Le gelosie fortunate im Mai 1788 componirt wurde, ist wohl durch ähnliche Beziehungen zur Aufführung des Don Giovanni veranlaßt; indeß ist mir weder der Sänger noch die Arie näher bekannt geworden. So finden wir ihn, wie er mit dem Schikanederschen Theater in Verbindung tritt, auch in ähnlicher Weise in Anspruch genommen. Für den Bassisten Gerl, welcher den Sarastro in der Zauberflöte sang, componirte er (8. März 1791) eine Arie Per questa bella mano mit obligatem Contrabaß, der von Pischlberger mit außerordentlicher Virtuosität gespielt wurde. Diese Zusammenstellung kann allerdings etwas an die Schikanedetschen Effecte erinnern, und das Interesse der Arie ruht wesentlich auf der Virtuosität des Contrabassisten, die aber doch in sehr enge Grenzen eingeschlossen ist und mit dem Violoncell nur zu ihrem Nachtheil zu wetteifern versuchen kann. Diese Beschränkung hat denn auch auf die Singstimme einigen Einfluß geübt, da Mozart von dem Gesetze ein in sich übereinstimmendes Ganze zu schaffen auch hier nicht ablassen wollte; und so ist, abgesehen von jener Curiosität, die Arie zwar gefällig und für eine kräftige Baßstimme auch dankbar, aber nicht bedeutend – kurz, sie ist als ein durch besondere Voraussetzungen bedingtes Gelegenheitsstück anzusehen27. Eine reine Gelegenheitscomposition ist auch das [287] für den beliebten Komiker in der Leopoldsstadt Baumann d.j. am 5. März 1788 componirte »teutsche Kriegslied« Ich möchte wohl der Kaiser sein28, welches offenbar mit Beziehung auf den eben begonnenen Türkenkrieg in ein Stück eingelegt war, woraus sich auch die rauschende Begleitung der türkischen Musik zu dem einfachen, sehr populär gehaltenen Lied erklärt29.
[288] Zieht man die Summe, so ergiebt sich daß Mozart während seines Wiener Aufenthalts von 1781 bis 1791 außer fünf Ensemblesätzen verschiedener Art wenigstens dreißig einzelne Arien30 bei mancherlei Veranlassungen geschrieben hat, unter denen keine sich befindet, welche nicht ein künstlerisches Interesse darbietet, eine ganze Reihe aber zu den Werken ersten Ranges in dieser Gattung zählt.
Es waren aber nicht allein Gesangskünstler, welche ihn auf solche Weise in Anspruch nehmen. Wir sahen schon daß er für das blinde Fräul. Paradies, als sie ihre Kunstreise antrat, ein Klavierconcert schrieb (S. 208). Wie diese in früher [289] Jugend erblindet war Marianne Kirchgäßner31, welche auf der besonders durch Miß Davies32 seit 1765 beliebt gewordenen Harmonika eine ungewöhnliche Virtuosität erlangt hatte. Als sie im Mai 1791 nach Wien kam, erregte sie durch ihr Spiel so sehr Mozarts Interesse, daß er für sie ein Quintett componirte, welches sie später mit außerordentlichem Beifall vorzutragen pflegte33. Die Zusammenstellung der Instrumente – Flöte, Oboe, Bratsche und Violoncello neben der Harmonika – zeigt schon daß es damit auf eine eigenthümliche Klangwirkung abgesehen ist, die freilich sehr beeinträchtigt wird, wenn an die Stelle der Harmonika wie gewöhnlich das Klavier tritt. Dieses Instrument ist nicht allein dem Umfang nach beschränkt, da es keine eigentlichen Baßtöne hat, und seiner ganzen Beschaffenheit nach nur einer mäßigen Geläufigkeit fähig34, sondern verlangt auch, [290] wenn es zur Geltung kommen soll, durchgehends getragenen Gesang und den Ausdruck sanfter Empfindung. Mozart hat nun im Adagio dieser Mondscheinschwärmerei einen Ausdruck gegeben, der mitunter überschwänglich genug ist, allein im zweiten Satz geht sie in eine gehaltene, anmuthige Heiterkeit über, welche, ohne einen allzustarken Contrast zu bilden, zu einem gesunden und wohlthuenden Abschluß führt. Mit richtigem Urtheil hat er übrigens diesem Stück, das schon durch die Klangfarbe und harmonische Uebergänge, welche mitunter von der äußersten Kühnheit sind, so stark wirkt, eine sehr bestimmte und streng gegliederte Form gegeben, um von dieser Seite her Gesetz und Maaß wieder um so fühlbarer zu machen.
Bei einem anderen jungen Mädchen, welches er auf ähnliche Weise unterstützte, trat wenigstens das Mitleid nicht mit ins Spiel. Regina Strinasacchi35, ein hübsches munteres, liebenswürdiges Mädchen und eine bedeutende Violinspielerin, kam auf ihrer Kunstreise 1784 nach Wien. Mozart rühmt seinem Vater sie habe sehr viel Geschmack und Empfindung in ihrem Spiel36. »Ich schreibe« fährt er [291] fort »eben an einer Sonate37, welche wir Donnerstag im Theater bei ihrer Accademie zusammen spielen werden« (24. April 1784). Aber die Sonate wurde nicht zur rechten Zeit fertig, und nur mit Mühe erpreßte die Strinasacchi am Abend vor dem Concert wenigstens die Violinstimme von Mozart, die sie am folgenden Morgen ohne seine Beihülfe einübte; er sah sie erst im Concert wieder. Beide spielten vortrefflich und ernteten mit der Sonate großen Beifall ein38. Kaiser Joseph, der zugegen war, glaubte aus seiner Loge mit der Lorgnette zu erkennen daß Mozart keine Noten vor sich hätte; er ließ ihn zu sich rufen und ihn bitten die Sonate mitzubringen. Es war ein leeres Notenblatt mit Taktstrichen, denn Mozart hatte keine Zeit gefunden die Klavierstimme aufzuschreiben und spielte die Sonate, die er also noch gar nicht gehört hatte, aus dem Gedächtniß39.
In Wien fand Mozart einen alten Bekannten aus der [292] Salzburger Kapelle an dem Hornisten Leitgeb wieder40, der dorthin übergesiedelt war, aber in kümmerlichen Verhältnissen lebte, aus denen er auch nie herausgekommen ist41. Er war ein tüchtiger Solobläser auf dem Waldhorn42, obgleich er freilich Punto (II S. 205) nicht gleich kam, aber sonst ein ungebildeter Musikant, der es zu etwas Höherem nicht bringen konnte. Mozart, der ihm auf jede Weise behülflich zu sein suchte43, componirte für ihn vier Concerte [293] für das Waldhorn44. Die Ueberschrift, welche das eine trägt: »Wolfgang Amade Mozart hat sich über den Leitgeb, Esel, Ochs und Narr erbarmt zu Wien 27. März 1783« zeigt deutlich, auf welchem Fuß er mit Leitgeb stand und was dieser sich gefallen lassen mußte und gern gefallen ließ, damit ihm Mozart aus der Noth half. Auf ergötzlichere Weise läßt dieser seiner Laune freien Lauf bei einem Rondo das er ebenfalls für Leitgeb componirte. Während er dasselbe niederschrieb, stellte er sich den Hornisten blasend vor und begleitet ihn mit Bemerkungen über sein vorausgesetztes Spiel, bei schwierigen Stellen tadelnd über die Fehler, die er machen werde, dann wieder aufmunternd, lobend und amusirt sich bis zu Ende an diesem Spiel mit dem selbstgemachten Phantom45. Diese Concerte sind sämmtlich rasch [294] geschrieben und leicht ausgeführt, eine eigenthümliche Bedeutung können sie nicht in Anspruch nehmen. Sie sind von einer zweckmäßigen Kürze und zwingen auch das für Concertvirtuosität ungeeignete Instrument nicht seinen wirklichen Charakter aufzugeben; im letzten Satz, der regelmäßig ein munteres Rondo im Sechsachteltakt ist, kommt sogar die ursprüngliche Natur des Jagdinstrumentes ganz unverholen zum Vorschein, was damals, wo die eigentliche Jagdmusik noch mehr zu sagen hatte, ohne Zweifel sehr angenehm unterhielt. Uebrigens ist die gewöhnliche Concertform beibehalten; der erste Satz ist ein in Sonatenform ausgeführtes, aber in knappen Gränzen gehaltenes Allegro, der zweite eine einfache Romanze, auf welche das Rondo folgt. Die Begleitung ist einfach um das Horn als Soloinstrument gehörig hervortreten zu lassen, doch hat Mozart es sich selten versagt durch kleine Züge freier Bewegung in der Begleitung das Ganze schärfer und lebendiger zu gliedern46.
[295] Von ganz anderer Bedeutung ist dem Umfang wie dem Inhalt nach das Concert für die Clarinette, das er kurz vor seinem Tode, wie wir sahen (S. 248f.), für Stadler schrieb, der sich dieser und vielfacher anderweitiger Unterstützung so unwürdig erwies47. Es läßt sich erwarten daß Mozart, welcher die Clarinette in ihrer vielseitigen Anwendbarkeit zu Ehren brachte, dieselbe mit besonderer Vorliebe als Soloinstrument behandeln würde, und in der That sind die glänzenden Vorzüge desselben ins schönste Licht gestellt48. Die Contraste der verschiedenen Klangfarben in den verschiedenen Tonlagen sind auf jede Weise benutzt, namentlich die tiefen Töne, welche auch hier sogar zu den Begleitungsfiguren angewendet werden, deren wunderbare Wirkung Mozart, soviel ich weiß, zuerst entdeckt hat. Ebenso geschickt und reich ist die Fähigkeit der Clarinette im ausdrucksvollen Gesang Tonfülle und brillante Volubilität, energische Kraft und schmelzende Zartheit zu entwickeln in Anspruch genommen; und wie bei Mozart stets Uebereinstimmung des Inneren und Aeußeren[296] ist, so finden wir auch hier größere und breitere Formen, bedeutendere Ausführung, wie sie die schwunghaften und glänzenden Conceptionen in Anspruch nehmen: man sagt nicht zu viel, wenn man dieses Concert als die Basis der modernen Clarinettvirtuosität betrachtet49.
Solche Gefälligkeit und Dienstfertigkeit mußte Mozart unter den ausübenden Künstlern wohl beliebt machen und doch hatte er nur zu oft über Undankbarkeit zu klagen, der seine Gutmüthigkeit ihn freilich immer wieder von Neuem aussetzte. Zwischen ihm und den meisten italiänischen Gesangskünstlern jener Zeit bestand allerdings ein innerlicher, wohl begründeter Antagonismus. Sie fanden seine Compositionen viel zu schwierig und mühsam einzustudiren, und dafür lange nicht dankbar genug; wenn man gegenwärtig eher darauf aufmerksam ist, daß er in manchen Einzelnheiten doch der Gesangsvirtuosität nachgab, so erschienen damals diese Concessionen bei weitem nicht ausreichend, und während der Beifall des Publicums so leicht und so sicher zu gewinnen war, verschmähte Mozart diese geläufigen Mittel und suchte auf ganz anderem Wege die Wirkung zu erreichen, welche er für die rechte hielt50. Daher begreift man daß die Italiäner in Wien Mozarts Opern im Ganzen ungern sangen, um so mehr wenn diese Abneigung von anderer Seite her noch genährt wurde. Mozart dagegen [297] war mit der damaligen Gesangsweise gar nicht zufrieden; »sie jagen, oder trillern und verschnörkeln«, sagte er »weil sie nicht studiren und keinen Ton halten können«51. Mit seiner gewohnten Laune persiflirte er gern diese Art zu singen und zu componiren, indem er aus dem Stegreif am Klavier große Opernscenen im Geschmack bestimmter, wohl bekannter Künstler aufs drastischste aufführte. Rochlitz, der dergleichen Vorstellungen erlebt hat, berichtet von einer solchen Bravurscene für eine Primadonna, welche Mozart auch aufgeschrieben hatte. »Es ist« sagt er (A. M. Z. III S. 591f.) »ein künstlich verwebtes und auf den ersten Anblick sehr ernsthaft gemeintes Ganze aus Lieblingsideen der Herren Alessandri, Gazzaniga und wie sie weiter heißen. Seinen Text hatte er sich gleichfalls selbst gemacht. Er bestand aus einer Summe von den hochtrabenden oder wüthigen Floskeln und Exclamationen, womit die italiänischen Operndichter so gern alles überschütten, und diese bunten Glasperlen waren nun äußerst possirlich zusammengereihet. Dove, ahi dove son io? rief ungefähr die erhabene Prinzessin. – Oh Dio! questa pena! o prince – o sorte – io tremo – io manco – io moro – o dolce morte! Da fällt wie eine Bombe ins Haus der entlegenste Accord brausend darein und die Schöne singt zusammenfahrend: Ah qual contrasto! – barbare stelle – traditore – carnefice – Und so gehts denn fort über die wankenden Brücken des imponendo, colla parte, vibrando, rinforzando, smorzando u.s.w. und deren vielfältige Schnäbel und Widerhaken«52.
[298] Dergleichen Exhibitionen mochten ihm eben keine Freunde erwerben; Mozart war »schlimm« wie wir wissen und hielt seine spaßhaften Einfälle nicht leicht zurück, und diese wurden begreiflicherweise noch übler aufgenommen als sie gemeint waren. Aber auch im Ernst sprach Mozart manches scharfe Urtheil über Künstler grade und offen aus, das um so unangenehmer traf, je entschiedener sich die Ueberlegenheit seiner künstlerischen Natur darin kundgab53. Bald nach seiner Uebersiedlung nach Wien hatte man schon seinem Vater geschrieben, daß er durch Großsprechen und Kritisiren sich Musiker und andere Leute zu Feinden gemacht habe, was er freilich mit Entrüstung zurückweist (31. Juli 1782). Indessen äußert er selbst sich nicht lange nachher gegen diesen (23. Dec. 1782): »Ich hätte Lust ein Buch – eine kleine musikalische Critik mit Exempeln zu schreiben, aber NB nicht mit meinem Namen.« Es herrschte damals in Wien ein förmliches Fieber in Brochuren alles Mögliche zu besprechen und zu kritisiren54; was Mozart beinahe die Feder in die Hand gegeben hätte – denn es kam natürlich nicht zu dieser Schrift – war die Entrüstung über den Verfall der deutschen [299] Oper, der ihn, wie wir sehen werden, nicht bloß weil er sich gegen unbedeutende Leute zurückgesetzt sah, innerlichst kränkte. Er besaß ein lebhaftes Nationalgefühl, er fühlte und erkannte sehr wohl, was er als Deutscher für die deussche Kunst leisten konnte und es schmerzte ihn nicht weniger von dieser Bahn verdrängt zu werden als es ihn verletzen mußte, die allgemeine Gunst italiänischer Kunst und italiänischen Künstlern zugewendet zu sehen, die sich dieselbe nicht selten durch unwürdige Mittel erwarben und erhielten. Er hatte das seit früher Jugend erfahren und seine Abneigung gegen »alle Welsche« tritt immer wieder hervor, aber höchst selten macht sie ihn gegen die einzelne Person und die einzelne Leistung ungerecht; davor schützte ihn sein gesunder Sinn und seine unbesiegbare Humanität. Jos. Frank erzählt55 daß er Mozart immer beschäftigt fand französische Opernpartituren zu studiren und ihn deshalb fragte, ob er denn nicht besser thäte, sich auf die italiänischen Partituren zu legen, weil damals in Wien nur italiänische Opern an der Tagesordnung waren. Mozart habe darauf erwiedert: »Was die Melodie anlangt, ja; aber was den dramatischen Effect anlangt, nein; übrigens sind die Partituren, welche Sie hier sehen außer denen Gretrys von Gluck, Piccini, Salieri und haben nichts Französisches als die Worte«56. Das Wort trifft zu, und wir begreifen daß Mozart was Melodie anlangt nicht glauben konnte bei den Italiänern seiner Zeit in die Schule gehen zu müssen. Was wir von seinen Urtheilen über einzelne Componisten hören konnte damals auffallen, jetzt müssen wir sie nicht bloß treffend sondern billig finden. Wie er sich [300] über Righini äußerte sahen wir schon (S. 132), von Martin, der damals der Allerweltsliebling war, sagte er: »Vieles in seinen Sachen ist wirklich sehr hübsch, aber in zehn Jahren wird kein Mensch mehr Notiz davon nehmen«57. Wie bereitwillig er war, jede Leistung anzuerkennen, wenn »nur etwas drin war«, wie er sich auszudrücken pflegte, zeigt recht deutlich, was er seinem Vater schreibt (24. April 1784): »Dann sind dermalen Quartetten heraus von einem gewissen Pleyel; dieser ist ein Scolar von Jos. Haydn. Wenn Sie selbige noch nicht kennen, so suchen Sie sie zu bekommen; es ist der Mühe werth. Sie sind sehr gut geschrieben und sehr angenehm; Sie werden auch gleich seinen Meister herauskennen. Gut – und glücklich für die Musik, wenn Pleyel seiner Zeit im Stande ist uns Haydn zu remplaciren.« Bedenkt man daß er damals mit seinen Quartetts beschäftigt war, in denen er zeigte wie ein Meister vom Meister lernt, so wird man zugestehen, daß eine große Bereitwilligkeit andere gelten zu lassen in diesem Urtheil zu erkennen ist. Wo er gar nichts Eigenthümliches fand, da that er es mit dem Wort: »Es ist ja nichts drin!« ab, oder ließ auch wohl seine Laune daran aus. Rochlitz erzählt (A. M. Z. III S. 493f.), daß eines Abends bei Doles die Rede auf einen Componisten kam, »der für die komische Oper offenbares Talent hatte aber als Kirchencompositeur angestellt war«58. Vater Doles, »der überhaupt etwas mehr als recht und billig war an dem Opernwesen in der Kirche hing«, nahm ihn gegen Mozarts [301] stets wiederholtes »Ist ja all nichts« lebhaft in Schutz und gab diesem eine Messe desselben zur Durchsicht mit, durch welche er eine bessere Meinung erhalten sollte. Den nächsten Abend brachte Mozart die Messe wieder mit und bat die Anwesenden Kyrie und Gloria mit einem von ihm untergelegten Text zu singen, es werde sich so noch viel besser ausnehmen; er selbst setzte sich aus Klavier. »Eine possierlichere Aufführung der Missa hat es wohl nie gegeben. Die Hauptpersonen – Vater Doles mit der Altstimme, die er unter stetem ernsthaftem Kopfschütteln über das Skandal doch so trefflich absang; Mozart, immer die zehn Finger voll in den trompeten- und paukenreichen Sätzen, unter ausgelassener Freude ewig wiederholend: Na, gehts nicht so besser zsammen? Und nun der arge und doch herrlich passende Text z.B. das brillante Allegro zum Kyrie eleison: Hols der Geier, das geht flink! Und zum Schluß die Fuge cum sancto spiritu in gloria Dei patris: Das ist gestohlen Gut, ihr Herren nehmts nicht übel!«59
[302] Nicht allein in seinem Urtheil war Mozart anerkennend60, auch im persönlichen Verkehr überwog sein Wohlwollen und seine Gutmüthigkeit selbst in solchen Fällen, wo Zurückhaltung oder Empfindlichkeit sehr begreiflich gewesen wäre. Als die italiänische Oper wieder eröffnet war, von welcher Mozart geflissentlich zurückgehalten wurde, hielt er doch mit den Componisten, die er wohl als Eindringlinge in sein Gebiet hätte betrachten können, gute Freundschaft; nicht allein mit Steph. Storace, der ein braver Mensch war, auch mit Paisiello, der, als er von Petersburg 1784 nach Wien kam dort mit Auszeichnungen geehrt wurde, die man an den deutschen Meister nicht verschwendete. Sein Barbiere di Seviglia wurde sogleich auf die Bühne gebracht; der Kaiser beeilte sich ihm die Composition einer Oper aufzutragen, zu welcher Casti, als der ausgezeichnetste komische [303] Dichter den Text dichten mußte; es war Il Re Teodoro, wozu Joseph selbst die Ideen angegeben hatte, wie man sagte, als Satire auf den Aufenthalt des Königs Gustav III von Schweden in Venedig im Jahr 178361. Einem solchen Entgegenkommen von Seiten des Kaisers entsprach natürlich die glänzendste Stellung des Maestro in pecuniärer und socialer Hinsicht während seines Aufenthaltes in Wien. Mozart kam ihm freundlich entgegen; Kelly, der zugegen war als beide einander vorgestellt wurden, bezeugt mit welcher gegenseitigen Achtung sie mit einander verkehrten (Rem. I p. 238)62; wir sahen schon (S. 193), wie Mozart sich freute ihm von einer talentvollen Schülerin seine Compositionen vortragen zu lassen. Ob Paisiello, der ein perfider Intrigant war, es gleich ehrlich mit Mozart meinte, mag dahin gestellt bleiben. Dieser war gleich zuvorkommend und gleich befriedigt von Sarti, der auf der Reise nach Petersburg sich ebenfalls in Wien aufhielt, wo man ihn auf den Händen trug. »Wenn Maestro Sarti nicht heute nach Rußland hätte wegreisen müssen«, schreibt er dem Vater (9. Juni 1784) »so wäre er auch mit mir hinaus [zum Agenten von Ployer]. Sarti ist ein rechtschaffener, braver Mann. Ich habe ihm sehr viel gespielt, endlich auch Variationen auf eine Arie von ihm gemacht63, woran er sehr viele Freude gehabt hat.« Der rechtschaffene [304] brave Mann vergalt Mozart diese Freude durch eine bitterböse Kritik einiger Stellen in dessen Quartetts, über welche er, empört daß »Barbaren ohne alles Gehör sich einfallen lassen Musik componiren zu wollen«, ausruft: Si può far di più per far stonar i professori?, in denen er Fehler über Fehler nachweist, »wie sie nur ein Klavierspieler machen könne, der dis und es nicht zu unterscheiden wisse«, indem er mit dem Trumpf schließt: Dirò anch' io come l'immortale Rousseau: De la musique pour faire bouche ses oreilles!64
Von Mozarts Wohlwollen, auch gegen jüngere Künstler, legt Gyrowetz ein schönes Zeugniß ab. Er erzählt (Selbstbiogr. S. 10f.), wie er gleich bei seinem Eintritt in Wien in einer großen Gesellschaft die ausgezeichnetsten Künstler kennen lernte. »Der gutmüthigste unter ihnen« sagt er »schien Mozart zu sein; er betrachtete den noch sehr jungen Gyrowetz mit einer so antheilnehmenden Miene, als wollte er sagen: Armer junger Mensch, du betrittst zum erstenmal den Pfad der großen Welt und erwartest mit Bangigkeit von deinem Schicksal die Ergebnisse der künftigen Zeit.« Er wandte sich deshalb um Rath und Hülfe für sein Fortkommen auch zuvörderst an Mozart, »von welchem er auf das Freundlichste empfangen wurde; aufgemuntert durch dessen Leutseligkeit und Gutmüthigkeit bat er ihn, einen Blick auf seine jiugendlichen Arbeiten, welche in sechs Symphonien bestanden, zu werfen und ihm darüber sein Urtheil zu sagen. Mozart als wahrer Menschenfreund willfahrte seiner Bitte, durchsah die Arbeiten, belobte sie und versprach dem jungen [305] Künstler eine dieser Symphonien in seinem Concert im Saale zur Mehlgrube, wo Mozart sechs Concerte auf Pränumeration gab, aufführen zu lassen, welches dann auch an einem Donnerstag erfolgte. Die Symphonie wurde im Concertsaale auf der Mehlgrube durch das vollständige Theaterorchester aufgeführt und erhielt allgemeinen Beifall. Mozart nahm mit seiner angebornen Herzensgüte den jungen Künstler bei der Hand und stellte ihn als den Autor der Symphonie dem Publicum vor«65.
Beethoven, der als ein vielversprechender Jüngling im Winter 1786 nach Wien kam, aber nach kurzem Aufenthalt wieder nach Hause reisen mußte, wurde zu Mozart geführt und spielte ihm auf seine Aufforderung etwas vor, das dieser, weil er es für ein eingelerntes Paradestück hielt, ziemlich kühl belobte66; Beethoven, der das merkte, bat ihn [306] darauf um ein Thema zu einer freien Phantasie und, wie er stets vortrefflich zu spielen pflegte wenn er gereizt war, dazu noch angefeuert durch die Gegenwart des von ihm hochverehrten Meisters, erging er sich nun in einer Weise auf dem Klavier, daß Mozart, dessen Aufmerksamkeit und Spannung immer wuchs, endlich sachte zu den im Nebenzimmer sitzenden Freunden ging und lebhaft sagte: »Auf den gebt Acht, der wird einmal in der Welt von sich reden machen!«67
Daß Mozart aber auch seinerseits unter den deutschen Künstlern Wiens Kritiker, Tadler68 und Feinde fand, konnte kaum anders sein. Wir haben schon gesehen, daß Kreibich sein entschiedener Gegner war69 und einen unermüdlichen [307] Opponenten und Verkleinerer fand er an Leop. Kozeluch70, der als brillanter Klavierspieler damals in Wien etwas galt, als Lehrer gesucht wurde, besonders seitdem er bei Hofe unterrichtete, und auch als Klavier- und Orchestercomponist sich eine Zeitlang in die ersten Reihen drängte, durch nichts aber so sehr ausgezeichnet war als durch lächerliche Eitelkeit und bornirten Dünkel. Er liebte es durch kleinliche Mäkelei besonders gegen Haydn sich selbst groß zu machen. Als ein neues Quartett von Haydn in einer Gesellschaft aufgeführt wurde, stellte er sich zu Mozart und fand bald dies bald das zu tadeln; endlich rief er bei einem kühnen Uebergang aus: Das hätte ich nicht so gemacht! »Ich auch nicht«; erwiederte ihm Mozart »aber wissen Sie warum? weil weder Sie noch ich auf diesen Einfall gekommen wären«71. Von da an verfolgte Kozeluch Mozart mit seiner Kritik auf Schritt und Tritt; und wie konnte der Mann, »der noch nie Jemand gelobt hatte als sich selbst«, sich besser rächen als indem er die Ouverture zu Don Giovanni zwar schön aber voller Fehler fand72, und als er die Ouverture zur Zauberflöte in der Generalprobe gehört hatte, mitleidig ausrief: Ach, da hat der gute Mozart auch einmal gelehrt thun wollen!73
[308] Den schönsten Beweis, wie hoch Mozart Jos. Haydn achtete und wie herzlich er ihn liebte, gab er durch die Zueignungsschrift seiner sechs Quartetts, in welcher er ihm dieselben als die Frucht einer langen und mühevollen Arbeit durch seinen Beifall ermuthigt übergiebt, wie ein Vater seine Kinder einem bewährten Freunde von hohem Ansehen und Ruf anvertraut, daß er sie nachsichtig aufnehme, beschütze und vertrete74. Solche Aeußerungen der Verehrung kamen ihm tief aus dem Herzen; als man mit ihm über diese Dedication sprach, sagte er: »Das war Schuldigkeit, denn [309] von Haydn habe ich gelernt wie man Quartetts schreiben müsse«75. Nie sprach er ohne die lebhafteste Bewunderung von ihm. »Keiner« sagte er, »kann Alles, schäkern und erschüttern, Lachen erregen und tiefe Rührung, und alles gleich gut als Joseph Haydn«76.
Der Haydn, welchen Mozart auf diese Weise auszeichnete und über alle lebenden Componisten stellte, war keineswegs schon der allverehrte und allgeliebte Vater Haydn der späteren Zeit. Erst nach dem Aufenthalt in London fand Haydn in Wien allgemeine und enthusiastische Bewunderung und Verehrung; in früheren Jahren war der Widerspruch gegen seine Originalität nirgends stärker als in Wien. Schon seine Stellung beim Fürsten Esterhazy, sein Aufenthalt in Ungarn machte die Künstler und Kenner der Hauptstadt abgeneigt ihn als ebenbürtig oder gar überlegen anzuerkennen. Während das musikliebende Publicum seine frischen, jovialen Schöpfungen mit unbefangenem Entzücken genoß, nahmen die Kenner und Künstler daran vielfachen Anstoß; humoristische Laune war in der Musik noch nicht anerkannt, man stritt, ob und wie weit dieselbe berechtigt sei, und die Freiheiten, welche er sich mit großer Ueberlegung gegen hergebrachte Regeln nahm, rechnete man ihm gar zu gern [310] als Fehler an. An der Spitze derer, die ihm abgeneigt waren, stand Kaiser Joseph77 mit seiner musikalischen Umgebung; wir dürfen uns nicht wundern, wenn viele diesem Beispiele folgten und Haydn sich oftmals über seine Kritiker und Feinde beschwerte78. Um ihn ganz zu verstehen, zu würdigen und anzuerkennen bedurfte es eines gleich genialen und neidlosen Künstlers wie Mozart. Mit ebenso sicherem Blick erkannte aber auch Haydn die Größe Mozarts, mit gleich freiem Sinn bewunderte und pries er ihn. Wir haben bereits gesehen, welches Zeugniß er ihm vor dessen Vater gab; und wo er nur Gelegenheit fand sprach er seine Ueberzeugung von dessen künstlerischer Größe aus. Als man in [311] Prag neben Mozarts Figaro und Don Giovanni auch eine Oper von Haydn aufzuführen wünschte, antwortete dieser dem Freunde, welcher ihm diesen Wunsch aussprach79: »Sie verlangen eine opera buffa von mir; recht herzlich gern, wenn Sie Lust haben von meiner Singcomposition etwas für sich allein zu besitzen. Aber um sie auf dem Theater in Prag aufzuführen kann ich Ihnen diesfalls nicht dienen, weil alle meine Opern zu viel auf unser Personale gebunden sind und außerdem nie die Wirkung hervorbringen würden, die ich nach der Localität berechnet habe. Ganz was anders wär es, wenn ich das unschätzbare Glück hätte ein ganz neues Buch für das dasige Theater zu componiren. Aber auch da hätte ich noch viel zu wagen, indem der große Mozart schwerlich jemanden anderen zur Seite haben kann. Denn könnt ich jedem Musikfreund, besonders aber den Großen die unnachahmlichen Arbeiten Mozarts, so tief und mit einem solchen musikalischen Verstande, mit einer so großen Empfindung in die Seele prägen, als ich sie begreife und empfinde: so würden die Nationen wetteifern ein solches Kleinod in ihren Ringmauern zu besitzen. Prag soll den theuern Mann festhalten – aber auch belohnen; denn ohne dieses ist die Geschichte großer Genien traurig und giebt der Nachwelt wenig Aufmunterung zum ferneren Bestreben, [312] weswegen leider! so viel hoffnungsvolle Geister darniederliegen. Mich zürnt es daß dieser einzige Mozart noch nicht bey einem kayserlichen oder königlichen Hofe engagirt ist. Verzeihen Sie, wenn ich aus dem Geleise komme: ich habe den Mann zu lieb.«
Der Brief ist im December 1787 geschrieben, und Haydn konnte in Esterhaz noch nicht wissen daß Mozart so eben als kaiserlicher Kammercompositor angestellt war; man sieht aber, in welche Stimmung ihn das Wiener Publicum versetzt hatte, das von Mozarts besten Compositionen, wie den Quartetts, nichts wissen mochte und den Figaro fallen ließ. Als im folgenden Jahr auch Don Giovanni in Wien nur zweifelhaft aufgenommen wurde, befand sich Haydn in einer großen Gesellschaft, in welcher die bedeutendsten Künstler und Kenner Wiens sich in der verschiedensten Art über die Mängel und Gebrechen der neuen Oper aussprachen; endlich wurde auch Haydn nm seine Meinung gefragt. »Ich kann den Streit nicht ausmachen«, sagte er »aber das weiß ich, daß Mozart der größte Componist ist, den die Welt jetzt hat«80. Man darf nicht etwa glauben daß Mozart als Operncomponist von Haydn so hochgestellt wurde, weil dieser seine eigenen Leistungen auf diesem Gebiet, die freilich ganz unbekannt geblieben sind, gering geachtet hätte. Haydn schlug den Werth seiner Opern im Verhältniß zu dem was seine Zeitgenossen leisteten keineswegs niedrig an81. So schrieb er an Artaria (27. Mai 1781): »Mons. Le Gros, Directeur des Concert spirituel schreibt mir ungemein viel Schönes von meinem Stabat mater, so all dort viermal mit großem Beyfall producirt wurde. Die Herren wunderten sich[313] sehr, daß ich in der Singcomposition so ausnehmend gefällig wäre; ich aber wunderte mich gar nicht, indem sie noch nichts gehört haben. Wenn sie erst meine Operette L'isola disabitata und meine letzt verfaßte Opera La fedeltà premiata hören würden! Denn ich versichere, daß dergleichen Arbeit in Paris noch nicht ist gehört worden, und vielleicht ebensowenig in Wien; mein Unglück ist nur daß ich auf dem Lande lebe«82. Von seiner Armida meldet er im Jahr 1784, sie sei mit lautem Beifall aufgeführt und man erkläre sie für sein bestes Werk; es hatte also eine um so größere Bedeutung, wenn Haydn sich so unbedingt gegen Mozart als Operncomponisten in Schatten stellte. Und nicht allein auf diesem Gebiet erkannte er ihn an, sondern auch da, wo sie recht eigentlich mit einander zu rivalisiren schienen, indem er sagte, wenn Mozart auch nichts anderes geschrieben hätte als seine Violinquartetts und das Requiem, würde er allein dadurch unsterblich geworden sein83, und mit Thränen in den Augen versicherte, Mozarts Klavierspiel könne er in seinem Leben nicht vergessen: »das ging ans Herz!«84 Auch später versäumte er keine Gelegenheit, wo er Mozartsche Musik hören konnte und pflegte zu betheuren, daß er nie eine Composition von ihm gehört habe, ohne etwas zu lernen85.
Der persönliche Verkehr zwischen beiden war einfach und [314] herzlich; Mozart pflegte Haydn Papa zu nennen, auch dutzten sie sich, wie Sophie Haibl erzählte und Griesinger zu bestätigen scheint – das war damals bei solchem Altersunterschied ungleich seltner als heutzutage und hatte deshalb auch mehr zu sagen. Uebrigens hatte Haydn, während Mozart in Wien lebte, seinen regelmäßigen Aufenthalt in Eisenstadt und Esterhaz und kam nur im Winter mit seinem Fürsten auf einige Monate nach Wien, der aber nicht gern dort war und diesen Besuch abzukürzen pflegte; mitunter machte Haydn auch wohl zu anderen Zeiten eine Urlaubsreise nach Wien, indessen mochte ihn der Fürst nur sehr ungern entbehren86. Erst als nach dem Tode des Fürsten Nicolaus im Jahr 1790 die Kapelle aufgelöst wurde, nahm Haydn seinen Wohnsitz in Wien; allein schon im December desselben Jahrs kam Salomon und bewog ihn mit nach London zu gehen. Mozart fand, wie andere Freunde Haydns, diese Unternehmung sehr gewagt, und machte ihn auf die Schwierigkeiten aufmerksam, welche er als ein bejahrter Mann, der nicht gewohnt sei sich in der großen Welt zu bewegen, unter einem Volk dessen Sprache er nicht verstehe, zu überwinden habe, deren er gewiß bald überdrüssig sein werde. Haydn aber meinte, er sei zwar alt – er war 59 Jahr alt –, aber munter und bei Kräften und seine Sprache verstehe man durch die ganze Welt87. Am Tage der Abreise verließ Mozart Haydn nicht, er speiste bei ihm und sagte beim Abschied bis zu Thränen gerührt: »Wir werden uns wohl das letzte Lebewohl in diesem Leben sagen.« Auch Haydn war tief bewegt, er dachte an seinen Tod und suchte [315] Mozart zu trösten und zu beruhigen; als er zurückkam, fand er Mozart nicht mehr88.
Es ist ein wohlthuender Anblick, wie diese beiden großen und edlen Männer, unberührt von dem gemeinen Treiben des Handwerksneides und der Intrigue, welches damals in Wien geschäftig war, einander die Bruderhand reichen und fest und treu zu einander stehen Jeder hat den andern wohl verstanden und gewürdigt, jeder verdankt dem andern viel für seine künstlerische Ausbildung und erkannte dies freudig an, das richtige Gefühl der eigenen Selbständigkeit und Bedeutung gab jedem den Maaßstab für die Schätzung des anderen. Vergessen und verschollen, oder doch an ihren bescheidenen Platz gestellt sind die meinen, welche damals geschäftig waren Staub um sie zu erregen: vereinigt stehen Mozart und Haydn auf der Höhe, auch sie ein schönes Denkmal daß wahre Größe echte Künstlernaturen nicht scheidet sondern einigt.
1 »Mein Sohn schrieb mir vormals«, schreibt Leop. Mozart der Baronin Waldstädten (23. Aug. 1782) »daß er, sobald er sich verheyrathen werde, nicht bey der Mutter wohnen wolle. Ich hoffe, er werde dieses Haus auch wirklich verlassen haben. Ist es nicht geschehen, so ist es sein und seiner Frau Unglück.«
2 Vor dem ersten Bande der Ephemeriden der Litteratur und des Theaters (Berl. 1785) sind die Portraits von Lange und seiner Frau in einem Medaillon vereinigt mitgetheilt. Ihr Gesicht zeigt edle Formen und Züge, erscheint aber, wahrscheinlich in Folge ihrer Kränklichkeit, weniger jugendlich als man erwarten sollte.
3 Schon vorher hatte er für sie eine Arie componirt, deren Text
Nehmt meinen Dank, ihr holden Gönner!
so feurig als mein Herz ihn spricht;
Euch laut ihn sagen können Manner,
ich, nur ein Weib vermag es nicht.
Doch glaubt, ich werd' in meinem Leben
niemals vergessen Eure Huld;
blieb ich, so wäre mein Bestreben
sie zu verdienen – doch, Geduld!
Von Anbeginn war stetes Wandern
der Musen und der Künstler Loos;
mir geht es so wie allen andern,
fort aus des Vaterlandes Schooß
seh' ich mich von dem Schicksal leiten;
doch, glaubt es mir, in jedem Reich,
wohin ich geh, zu allen Zeiten –
mein Herz bleibt immerdar bei Euch!
darauf hinweist daß sie in einer Benefizvorstellung zum Abschied gesungen wurde; ob vor einer Kunstreise, oder ob Mad. Lange damals entlassen und gleich darauf wieder engagirt wurde weiß ich nicht. Die Composition in G-dur welche die Form eines Liedes von zwei Strophen beibehalten hat ist sehr einfach, sehr leicht und gefällig, wie es für ein Gelegenheitsstück angemessen ist, aber sehr herzlich und innig. Bei aller Einfachheit fehlen eigenthümliche interessante Züge nicht, z.B. Vorhalte und durchgehende Noten auf einem Orgelpunkt, welche auch moderne Musiker pikant finden dürften. Die Begleitung ist leicht aber sein, die Saiteninstrumente spielen durchgängig pizzicato, was Mozart bekanntlich nicht allzu oft gebraucht; Flöte, Oboe und Fagott als Soloinstrumente, aber ohne alle Bravur, angewendet beleben aufs zierlichste die einfachen Contoure. Das Original (André Verz. 81) trägt die Ueberschrift di Wolfgango Amadeo Mozart li 10 d'Aprile 1782: an demselben Tage schrieb Mozart seinem Vater einen Brief voll Unruhe über seine eigenen Angelegenheiten: auch hier sieht man daß der wahre Künstler sich von dem, was den Menschen drückt und beängstigt, im Schaffen frei macht.
4 Die Arie Vorrei spiegarvi oh Dio! welche in den ersten Act der Oper gehört, – im Original (André Verz. 58) mit der Ueberschrift: Il curioso indiscreto Atto primo per la Sgra. Lange di Amadeo Wolfg. Mozart li 20 di Giugno 1783 – ist ein breitangelegtes Musikstück, in welchem namentlich der erste langsame Satz sehr sein im Detail ausgeführt ist. Sie drückt die zaghafte Verlegenheit einer Trauernden aus, die ihren Kummer gern aussprechen möchte aber nicht darf; es ist daher sehr wohl berechnet daß das begleitende Orchester den Faden des Musikstücks fortspinnt, während die Singstimme in abgebrochnen Phrasen sich vernehmen läßt. Eine einfache Begleitungsfigur, von der zweiten Geige und Bratsche pizzicato vorgetragen, bildet gewissermaßen den Canevas, auf welchen die Zeichnung aufgetragen wird, deren Hauptmotive die Oboe ausführt, indem sie die Cantilene bald mit der Singstimme zugleich bald sie ablösend durchführt; darum schlingt sich arabeskenartig eine leichte Figur, welche von den ersten gedämpften Geigen fortwährend festgehalten wird, während Hörner und Fagotts in gehaltenen Accorden dem Ganzen Haltung und Schattirung geben. Indem hier die Situation und Stimmung eine unruhige und vielfach wechselnde Modulation bedingt, so wird dieser Satz ein Muster für Mozarts eigenthümliche Kunst, ein Dessein zu entwerfen und bei der größten Feinheit und Mannigfaltigkeit der Detailausführung mit Sicherheit festzuhalten. Das darauf folgende Allegro läßt in seiner treibenden Hast den Charakter der Opera buffa deutlicher hervortreten, der im ersten Satz mit großer Feinheit und Zurückhaltung behandelt ist. Neben diesen großen Vorzügen der musikalischen Gestaltung und dramatischen Charakteristik ist die Geschicklichkeit bemerkenswerth, mit welcher die Stimmlage und die Bravur der Sängerin ins glänzendste Licht gestellt sind.
5 Die Personenbezeichnung Clorinda, welche die so eben besprochne Arie mit der I S. 426 charakterisirten Bravurarie gemein hat, läßt mich nicht zweifeln, daß dieselbe die für den curioso indiscreto componirte Arie ist. Ich hatte also ganz richtig an Aloysia Lange gedacht und nur darin mich geirrt, daß ich glaubte, eine Arie der Art habe Mozart in Wien nicht mehr componirt. Und grade diese fand wie wir sehen und eben wegen der verschwenderischen Bravur damals den größten Beifall.
6 In der Berliner Litt. u. Theat. Ztg. 1783 S. 559 wird aus Wien berichtet: »30. Juni 1783, Il curioso indiscreto zum erstenmal. Mad. Lange sang heute zum erstenmal in der italiänischen Oper und das Publicum bewies trotz aller Cabale, wie sehr es ihr Talent schätze.« Vgl. Langes Selbstbiogr. S. 119.
7 Es ist die schon oben erwähnte Arie Per pietà non ricercate, in der Adamberger sich allerdings aufs glänzendste hätte zeigen können; sie ist am 21. Juni 1783, also den Tag vor der bereits erwähnten Arie geschrieben. Sehr schön sind die Blasinstrumente in derselben gebraucht; vergleicht man sie in dieser Hinsicht mit der S. 275 angeführten Arie, kann man deutlich gewahren, in wie genauem Zusammenhang die Klangfarbe und der Charakter der Instrumente mit der Art der Motive und ihrer Durchführung im Kunstwerk stehen.
8 Dies geschah nicht, wie denn Mozart meines Wissens nie für irgend eine seiner Opern früher geschriebene Sachen gebraucht hat.
9 »Mad. Lange – trat als Constanze in Mozarts Entführung auf [in Amsterdam 1798], in dieser Rolle worin sie gewiß einzig ist. Ihr Vortrag der Arien: Ach, ich liebte und Martern aller Arten, wo die Schauspielerin hinter der Sängerin und dem Componisten nie zurückbleibt, riß in einem Grade und so allgemein hin, daß wir hier nie etwas Vorzüglicheres gesehen und gehört hatten« (A. M. Z. III S. 659). Aus Paris wird 1802 berichtet (A. M. Z. IV S. 322): »In der Arie Ach ich liebte hatte Mad. Lange, wie jetzt öfters das Unglück ziemlich stark zu distoniren. Durch die Bravurarie, die ich wirklich noch nie so habe singen hören, wurde das Publicum ganz bezaubert. Die Leichtigkeit und Richtigkeit, mit der sie dieselbe vortrug, ist wirklich erstaunenswürdig.«
10 In Berlin, wo Friedrich der Große nicht erlaubte daß sie vor dem Kronprinzen sang (Lange Selbstbiogr. S. 125), gab sie am 1. Juni 1784 ein außerordentliches Concert bei Corsica vor einer glänzenden Versammlung. »Ihre vortreffliche reine Stimme«, heißt es in einem Bericht (Berl. Litt. u. Theat. Ztg. 1784 I S. 160) »ihr portamento di voce, die Leichtigkeit mit der sie die größten Schwierigkeiten überwand, befriedigten vollkommen die Erwartung, die man sich von der ersten kaiserlichen Sängerin gemacht hatte und rissen die Zuhörer zum allgemeinen Beifall hin.« In gleichem Sinn wird über ihr Auftreten in Dresden, Leipzig, Schwedt und Hamburg berichtet (ebend. II S. 138): »Ausgebildete echte Kunst und ein gefühlvolles Herz sprechen aus ihrem Gesange. Sie singt die schwersten Sachen mit Leichtigkeit und Anmuth, die bedeutenden Stellen mit richtigem Ausdruck und trägt überhaupt alles mit Verstand, Würde und Delicatesse vor.« Weniger enthusiastisch äußert sich Cramer (Mag. d. Mus. II S. 185): »Ich habe selber Gelegenheit gehabt Mad. Lange in Hamburg zu hören in der Rolle der Zemire. Sie hat eine recht hübsche Halsstimme und viel Vortrag. Doch scheint sie mehr Sängerin für die Kammer als große Bühnen zu sein.«
11 Der Text Ah se in ciel benigne stelle ist aus Metastasios Eroe Cinese I, sc. 2 genommen. Das Autograph der Arie (André Verz. 87) hat die Ueberschrift:Per la Sgra. Lange, Vienna li 14 di Marzo 1788 di Wolfg. Amad. Mozart: Mozart hat die Singstimme selbst ausgeschrieben.
12 Sucht man sich aus den in Wien componirten Arien ein Bild von Al. Lange als Sängerin zu machen, so findet man die eigenthümlichen Vorzüge des jungen Mädchens (II S. 339ff.) zur größten Vollendung entwickelt. Die fabelhafte Höhe der Stimme, welche mit Leichtigkeit bis
hinaufsteigt, ist zwar in der letzten Arie ziemlich bis
ermäßigt, aber daneben erscheinen die tieferen Töne mehr ausgebildet, so daß sogar Sprünge wie
möglich waren. Die Geläufigkeit der Stimme erscheint in der erstaunlichsten Weise nach den verschiedensten Richtungen hin ausgebildet, und wenn es gleich hauptsächlich Mozarts Verdienst ist daß dieses Passagenwerk durchgehends geschmackvoll, interessant und vielfältig sehr ausdrucksvoll ist, so wird für den Vortrag doch auch eine Sängerin von seiner Bildung und Geschmack erfordert. Heftige Leidenschaft und Feuer treten auch hier nicht hervor, sondern Anmuth und Zartheit, auch im Ausdruck des Gefühls. Beachtenswerth ist, wie discret und bescheiden in allen diesen Arien das Orchester gegen die Singstimme gehalten ist. Hufeland schrieb 1783 daß die Stimme der Lange die schönste sei, die er je gehört habe, etwas zu schwach vielleicht fürs Theater, aber ungemein angenehm und einschmeichelnd (Alsatia 1853 S. 92f.). So war es wohl auch eine Rücksicht auf die eigenthümliche Klangfarbe dieser Stimme daß Mozart die Blasinstrumente nicht in vollerer Zusammensetzung, namentlich nie Clarinetten gebraucht, sondern die zartere Oboe vorwalten läßt.
13 Von dieser Arie Schon lacht der holde Frühling ist nur der Partiturentwurf erhalten (André Verz. 54), in welchem wie gewöhnlich die Singstimme nebst dem Baß vollständig, die erste Violine und mitunter auch die zweite an bedeutenden Stellen eingetragen sind. Mozart hat sie aber als vollendet in seinen thematischen Catalog am 17. Sept. 1789 eingetragen.
14 Im thematischen Catalog heißt es »27. Decbr. 1786 Scena con Rondo mit Clavier-Solo für Mlle. Storace und mich«; das Autograph (André Verz. 84) hat die Ueberschrift Composta per la Sgra. Storace dal suo servo ed amico W.A. Mozart, 26 di Dec. 1786. Die Arie ist im Klavierauszug gedruckt bei André in Offenbach.
15 Ob Bianchi seine Oper für Wien, oder, was mir wahrscheinlicher ist, für Venedig, wo er damals lebte, geschrieben hat, weiß ich nicht; gewiß ist sie 1785 componirt. Die zuversichtliche Angabe (A. M. Z. XXIV S. 485) Kaiser Joseph II habe »bekanntlich« diese Oper in Form eines Pasticcio componiren lassen, zu welchem mehrere Tonsetzer Cimarosa, Paisiello, Salieri u. A. Beiträge, Mozart das Terzett und Quartett geliefert haben, ist unrichtig. Die Ouverture, welche in Leipzig (A. M. Z. XIII S. 168) und Wien (A. M. Z. XXIV S. 485) als eine von Mozart zu dieser Oper componirte gegeben wurde, ist die in Salzburg 1779 geschriebene und II S. 349 besprochene, ihre Echtheit also mit Unrecht bezweifelt, wenn sie auch mit jener Oper nichts zu schaffen hat.
16 Celeste Coltellini, geb. 1764 in Livorno, wird als ein artiges und wohldenkendes Mädchen gerühmt, welche durch ihre Kunst und gute Aufführung eine zahlreiche Familie erhielt, die ihr früh verstorbener Vater mittellos hinterlassen hatte (Cramer Mag. d. Mus. II S. 62f.). Sie sang seit 1779 auf dem teatro nuovo in Neapel, wo Kelly sie als komische Sängerin und Schauspielerin bewunderte (Remin. I p. 48), mit dem größten Beifall. Anfangs April 1785 trat sie, wie Leop. Mozart seiner Tochter schrieb, in Wien zuerst auf; wann sie von dort nach Neapel zurückging, ist mir nicht bekannt. Im Jahr 1789 wird von ihr berichtet daß sie dort in Paisiellos grotta di Trofonio auf dem teatro de' Fiorentini aufgetreten sei (Teutsch. Merc. 1789 III S. 217). »Sgra. Coltellini, unstreitig eine der besten Sängerinnen in ganz Italien, jung, schön, ungekünstelt in allen ihren Gesten (was ich bisher auf dem italiänischen Theater vergebens gesucht habe) würde eine ganz vollkommene Actrice sein, wenn sie sich einen angenommenen gedrehten Gang abgewöhnte. Es ist nicht möglich, etwas wahreres zu sehen als die Action, womit sie die Arie Che smania, che pena begleitet. Als ich ihr einstmals eine Schmeichelei über ihre Action sagte, gab sie sehr dankbar zur Antwort, sie habe sehr viel von den deutschen Schauspielern in Wien gelernt.« Im Jahr 1790 feierte sie dort in Paisiellos Nina große Triumphe (Reichardt mus. Monatsschr. S. 38).
17 I S. 88f. vgl. Cramer Mag. d. Mus. I S. 365.
18 Kelly Remin. I p. 234.
19 Cramer Mag. d. Mus. II S. 62f. Reichardt musik. Monatsschr. S. 38.
20 Das Quartett trägt im Autograph (André Verz. 50) die Ueberschrift: Atto II Scena XIII di Wolfg. Amadeo Mozart Vienna li 15 di Novbr. 1783, das Terzett: Scena XII di Wolfgango Amadeo Mozart Vienna li 21 di Nov. 1785. Beide sind im Klavierauszug gedruckt bei Breitkopf u. Härtel (Concertarien 3. 6).
21 Von herrlicher Wirkung ist, nachdem das Duett sich in A-dur und den nächst verwandten Tonarten mit einer Art von wollüstigem Behagen geschaukelt hat, der Eintritt von A-moll und das rasche Ausweichen nach C-dur; auch als es wieder nach A-dur zurückgegangen ist, drangen sich die Molltöne der Eifersucht immer wieder dissonirend ein.
22 Ein einleuchtendes Beispiel bietet gleich das einschmeichelnde Motiv, mit welchem das Quartett beginnt und das im Orchester festgehalten wird.
23 Von Bravur ist hier gar nichts zu finden, an der Art wie die Singstimmen behandelt sind ist abzunehmen, daß die Sänger nach dieser Richtung nicht bedeutend waren. Die Partie der Coltellini geht nicht über
hinaus, das auch nur selten und flüchtig berührt wird und nimmt durchaus keine Geläufigkeit in Anspruch. Unter den Männern war offenbar Mandini der bedeutendste, für welchen später die Partie des Almaviva geschrieben wurde, und namentlich im Terzett kann der leidenschaftliche Ausdruck des Bräutigams Pippo wohl an jene Partie erinnern. Der Tenorist Calvesi (Graf) und der zweite Bassist Bussani (Biaggio) treten weniger hervor.
24 Der Eingang des Terzetts hat schon durch die Situation eine gewisse Verwandtschaft mit dem Duett zwischen Don Giovanni und Zerlina. Dieses steht dem Charakter der handelnden Personen gemäß um einige Grade höher; wenn man beide vergleicht, wird man einsehen, wie sein abgewogen nach den gegebenen Grundverhältnissen jedesmal Mozarts Charakteristik ist.
25 Diese Arie Alma grande e nobil cuore (in B-dur) ist im thematischen Verzeichniß August 1789 aufgeführt.
26 Beide sind im thematischen Verzeichniß October 1789 genannt. Die erste (I sc. 14) Chi sa, chi sa qual sia (André Verz. 55) ist in C-dur, die zweite (II sc. 5) Vado, ma dove (André Verz. 56) in B-dur.
27 Diese Arie, comp. 18. März 1791, ist in Partitur gedruckt bei André in Offenbach.
28 Das Lied ist von Gleim gedichtet, welcher dasselbe im Jahr 1776 dem Schauspieler Müller mittheilte (Abschied S. 156). Im Klavierauszug ist es unter die Lieder Mozarts aufgenommen (Oeuvres V, 12). Vermuthlich ist auch das im thematischen Verzeichniß unter dem 11. Aug. 1788 notirte Lied: Beim Auszug in das Feld für eine ähnliche Verwendung geschrieben; mir ist es indessen nicht bekannt geworden.
29 Zur Einlage in eine deutsche Operette waren höchst wahrscheinlich auch zwei andere Arien bestimmt, welche beide sicher vor dem Jahr 1784 componirt sind und der Handschrift nach etwa ins Jahr 1783 gehören. Die eine für Baß geschriebene Männer suchen stets zu naschen ist im Klavierauszug ebenfalls unter die Lieder aufgenommen (Oeuvres V, 14), wie sie denn auch ganz einfach liedartig behandelt ist. André besaß den eigenhändigen Partiturentwurf Mozarts von dieser Arie (welcher der Name Wahrmond beigeschrieben ist), sowie einer Tenorarie (der der Name Karl beigeschrieben ist).
Die Instrumentation der letzten Arie – außer dem Quartett Flöte, Oboe, Clarinette, Hörner, Trompeten und Pauken – weist ebenfalls auf die Wiener Zeit. Leider habe ich diese Entwürfe nicht zu Gesicht bekommen.
30 Ich gebe hier noch eine kurze Nachricht über zwei Arien, von denen ich nichts Genaueres zu berichten habe. Die erste ist mir nur aus der kurzen Notiz im thematischen Verzeichniß: »Jenner 1789, eine teutsche Arie: Ohne Zwang aus eigenem Triebe« mit dem Anfang
bekannt. – Die zweite ist eine italiänische Arie aus Metastasios Ezio (III, sc. 12) Misera dove son? und unter den Concertarien N. 7 gedruckt. Ich habe das Original nicht gesehen und kenne keine nähere Notiz über die Entstehungszeit, als daß sie vor 1784 zu setzen ist; die Instrumentation (2 Flöten, 2 Hörner) spricht nicht dagegen daß sie allenfalls noch in Salzburg componirt sein könnte, sowie die Anspruche an die Singpartie das gewöhnliche Maaß in keiner Weise überschreiten.
31 Marianne Kirchgäßner, geb. 1770 in Waldhänsel bei Bruchsal, die Tochter eines armen Beamten, erblindete in ihrem vierten Jahr, zeigte aber soviel musikalisches Talent, daß Freih. v. Beroldingen sie in Karlsruhe unter Schmittbauers Anleitung zur Harmonikaspielerin ausbilden ließ (mus. Korresp. 1790 S. 170f. vgl. 1791 S. 69). Im Jahr 1791 trat sie eine Kunstreise nach München, Wien und Berlin an, ging von da nach London, später nach Rußland und starb 1808 in Schaffhausen.
32 Miß Davies war eine Verwandte Franklins, der ihr die von ihm erfundene Glasharmonika 1764 schenkte, mit welcher sie Kunstreisen machte. Das neue Instrument machte viel Aufsehen; trotz mehrfacher Versuche zu dessen Vervollkommnung besonders durch Röllig, ist es jetzt fast vergessen.
33 So wird in der musik. Korrespondenz 1792 S. 146 berichtet; im thematischen Verzeichniß ist unter dem 23. Mai 1791 nur eingetragen: »Adagio und Rondeau für Harmonica, 1 Flauto, 1 Oboe, 1 Viola und Violoncello.« Als Klavierquintett ist es gedruckt Oeuvres XII, 4. Unter den Skizzen im Mozarteum zu Salzburg findet sich der Anfang eines anderen Quintetts für dieselben Instrumente in C-dur.
34 In Berlin wie in Leipzig tadelte man daß Mar. Kirchgäßner zu sehr durch schnelle und künstliche Manier, auf Kosten des wahren Charakters der Harmonika, Bewunderung zu erregen suche (Reichardt mus. Monatsschr. S. 25. A. M. Z. II S. 254).
35 Regina Strinasacchi, geb. 1764 in Mantua, erhielt ihre Ausbildung im Conservatorium della pietà zu Venedig, und benutzte später einen Aufenthalt in Paris zu ihrer Vervollkommnung. Seit dem Jahr 1782 ließ sie sich besonders in Florenz mit vielem Beifall hören (Cramer Mag. d. Mus. I S. 344f. 993), machte 1784 eine Kunstreise nach Deutschland und heirathete den Violoncellisten Schlick in Gotha, wo sie 1823 starb.
36 Im December 1785 kam sie nach Salzburg und gab dort ein Concert; Leop. Mozart berichtet seiner Tochter (7. Dec.): »Sie spielt keine Note ohne Empfindung, sogar bey den Sinfonien spielte sie Alles mit Expression und ihr Adagio kann kein Mensch mit mehr Empfindung und rührender spielen als sie; ihr ganzes Herz und Seele ist bey der Melodie, die sie vorträgt; und ebenso schön ist ihr Ton und auch Kraft des Tones. Ueberhaupt finde, daß ein Frauenzimmer die Talent hat mehr mit Ausdruck spielt als eine Mannsperson.«
37 Im thematischen Verzeichniß ist sie schon unter dem 21. April 1784 notirt.
38 In der Wiener Zeitung (1784 N. 54 S. 1560) kündigt Torricella an: »Von der Verfassung des berühmten Herrn Kapellmeisters Mozart werden auf Pränumeration drei neue Claviersonaten, wovon die zwei ersten fürs Clavier allein und die dritte mit einer Violin begleitet ist, die unlängst von der berühmten Mlle. Strinasacchi im Theater mit Herrn Mozart mit allgemeinem Beifall gespielt worden und also keiner weiteren Empfehlung bedarf, herausgegeben werden.« Die Sonate (in B-dur, Oeuvres IX, 3) gehört zu den größeren Mozartschen Sonaten für Klavier und Violine.
39 So erzählte die Wittwe (A. M. Z. I S. 290), etwas ausführlicher Rochlitz (für Freunde der Tonk. III S. 285ff. Nissen S. 482).
40 Auch bei der letzten Reise nach Mailand trafen Mozarts Anfang 1773 mit Leitgeb zusammen, der dorthin gekommen war um Concerte zu geben, aber keinen sonderlichen Erfolg hatte, wie Leop. Mozart meinte durch eigene Ungeschicklichkeit.
41 Er war Leop. Mozart noch Geld schuldig, der nicht versäumte ihn durch Wolfgang mahnen zu lassen; dieser bittet aber für Leitgeb um Nachsicht, es gehe ihm sehr schlecht in Wien, und nach und nach werde er gewiß zahlen (8. Mai 1782).
42 Dittersdorf nennt ihn unter den ausgezeichneten Virtuosen, welche er beim Prinz von Hildburghausen zu hören Gelegenheit fand (Selbstbiogr. S. 50).
43 Als Leitgeb seinen Sohn in Salzburg unterzubringen wünschte schrieb Wolfgang dem Vater (23. März 1782): »Den Burschen empfehle ich Ihnen wirklich, mein lieber Vater; er möchte ihn gern in eine Handlung oder in die Buchdruckerey bringen. Gehen Sie ihm doch ein wenig an die Hand.« – Hülfreich zeigte er sich bei jeder Gelegenheit. Der Erzbischof entließ plötzlich den Oboisten Fiala und gab ihm statt seines Jahresgehaltes von 500 fl., wozu er verpflichtet war, »aus Gnaden« 300 fl. Reisegeld, worüber ganz Salzburg in Bewegung war, wie Leop. Mozart seiner Tochter schrieb (9. Sept. 1785); sogleich forderte ihn Wolfgang auf nach Wien zu kommen, wo er ihm gleich beim Grafen Kuffstein ein wenigstens vorläufig ihn sicherndes Engagement verschaffen wolle (17. Sept. 1785). – Ebenso interessirte er sich für den jungen Heinrich Marchand, der bei seinem Vater als Violinspieler ausgebildet wurde, nachdem er ihn in Salzburg hatte kennen lernen, und suchte ihm fortzuhelfen. So schrieb er dem Vater von Wien (6. Dec. 1783): »Dem Heinrich laß ich sagen, daß ich in Linz und hier schon Vieles zu seinem Vortheil geredet habe; er solle sich auf das Staccato begeben, denn nur in diesem können die Wiener den La Motte nicht vergessen« (vgl. Reichardt Br. e. aufm. Reis. I S. 166)
44 Eins derselben in Es-dur (André Verz. 257) ist wie oben bemerkt am 27. Mai 1783 componirt, und als Op. 105 bei André in Offenbach gedruckt; ein zweites ebenfalls in Es-dur ist dem thematischen Verzeichniß zufolge am 26. Juni 1786 componirt und alsOp. 106 gedruckt; ein drittes in derselben Tonart (André Verz. 258), gedruckt als Op. 92, gehört der Handschrift nach ins Jahr 1782 oder 1783, und dasselbe gilt von dem vierten Concert in D-dur, von welchem nur zwei Sätze im Partiturentwurf vorhanden sind (André Verz. 256), deren letzter jenes so komisch paraphrasirte Rondo ist. Ein Rondo inD-dur für Horn, am 6. April 1791 für Leitgeb componirt – es fehlt in Mozarts thematischem Verzeichniß – besitzt Frau Baroni-Cavalcabo in der Originalpartitur. Ein Fragment eines Concerts in Es-dur im Entwurf findet sich unter den Skizzen im Mozarteum zu Salzburg.
45 Gleich das Tempo ist zum Scherz für die Hornstimme mit Adagio bezeichnet, während bei der Begleitung Allegro steht; auf Leitgebs Neigung zum Schleppen bezieht sich auch – nach der Bemerkung am Schluß des Ritornells A lei Signor Asino – der Zuruf beim Thema Animo – presto – sù via – da bravo – Coraggio – e finisci già (am Schluß desselben). In der Weise geht es dann fort: bestia – oh che stonatura – chi – oimè (bei einem mehrmals wiederkehrenden fis) – bravo poveretto! – Oh seccatura di coglioni! (als das Thema wiederkehrt) – ah che mi fai ridere! – ajuto (bei wiederholtem es) – respira un poco! (Pausen) – avanti, avanti! – questo poi va al meglio (als das Thema wiedereintritt) – e non finisci nemmeno? – ah porco infame! Oh come sei grazioso! – Carino! Asinino! hahaha – respira! – Ma intoni almeno una, cazzo! (bei wiederholtem cis) –bravo, evviva! – e vieni à seccarmi per la quarta, e Dio sia benedetto per l'ultima volta (bei der vierten Wiederholung des Themas) – ah termina, ti prego! ah maledetto – anche bravura? (bei einem kurzen Lauf) bravo – ah! trillo di pecore (bei einem Triller)– finisci? grazie al ciel! – basta, basta!
46 Vielleicht ist auch das Quintett für Horn mit Begleitung von Violine, zwei Bratschen und Baß (in Partitur gedruckt bei Breitkopf u. Härtel) für Leitgeb geschrieben. Es fällt vor das Jahr 1784 und ist schwerlich in Salzburg componirt. Dasselbe ist auch als Sextett für 2 Clarinetten, L Hörner und 2 Fagotts gedruckt (Pièces d'harmonie 6 bei Breitkopf u. Härtel), hie und da etwas verändert und um ein Menuett vermehrt. Ob dieses Arrangement von Mozart selbst herrühre weiß ich nicht, aber gewiß ist das Quintett die ursprüngliche Form. Die Hornstimme ist durchaus concertirend, die Saiteninstrumente dienen mehr zur Begleitung, welche aber sehr selbständig und charakteristisch gehalten ist, so daß sie sich dem Quartettstil wenigstens annähert. Dies Musikstück ist in jeder Beziehung bedeutender und schöner als die Concerte für Horn. Die Vermuthung über das Quintett wird bestätigt durch die Erwähnung desselben Cäcilia IV S. 306. VI S. 203 – Vgl. auch IV. S. 108 Anm. 33.
47 Im thematischen Verzeichniß ist es zwischen dem 28. Sept. und 15. Nov. 1791 als Concert für die Clarinette für Hrn. Stadler d. ä. verzeichnet; gedruckt ist es bei André in Offenbach als Opus 107. Interessant ist was André in seinem handschriftlichen Verzeichniß (unvollst. Manuscr. K) mittheilt, daß er die ersten 6 Bogen eines Partiturentwurfs von demselben Concert, aber für Bassethorn geschrieben, besaß, welcher aus früherer Zeit des Wiener Aufenthalts herrührte.
48 Stadler soll sich einst gegen Mozart über eine sehr schwierige und unbequeme Stelle beklagt und um deren Abänderung gebeten haben. »Hast Du die Töne in Deinem Instrument?« habe Mozart gefragt, und auf die Antwort: »Drin sind sie freilich« gesagt: »Wenn sie drin sind, ist es Deine Sache sie herauszubringen.« So erzählte mir Neukomm.
49 Das im thematischen Verzeichniß unter dem 1. April 1785 notirte Andante in A-dur zu einem Concert für die Violine ist gewiß auch für einen Virtuosen geschrieben; vielleicht für Janiewicz, der damals in Wien anwesend war.
50 Vgl. Niemtschek S. 49. Rochlitz A. M. Z. I S. 115: »Er ereiferte sich oft gegen die meisten neueren italiänischen Componisten, mehr gegen die italiänischen Virtuosen, noch mehr gegen die italiänischen Sänger in Deutschland, und am allermeisten gegen den jetzigen herrschenden Geschmack der Hauptstädte Italiens in der Musik.«
51 Rochlitz A. M. Z. III S. 591f. Man vergleiche damit Mozarts Aeußerungen über die Gabrielli und Al. Weber II S. 181.
52 In Mozarts Nachlaß, wo Rochlitz sie vermuthete, hat sich meines Wissens keine Composition der Art gefunden.
53 »Verstellung und Schmeichelei war seinem arglosen Herzen gleich fremd«, sagt Niemtschek S. 62 »jeder Zwang, den er seinem Geist anthun mußte, unausstehlich. Freimüthig und offen in seinen Aeußerungen und Antworten, beleidigte er nicht selten die Empfindlichkeit der Eigenliebe und zog sich damit manchen Feind zu.« In einer Nachricht über seinen Tod heißt es (Reichardt musik. Wochenbl. S. 94): »Nun er todt ist, werden die Wiener wohl erst wissen, was sie an ihm verloren haben. Im Leben hatte er immer viel mit der Kabale zu thun, die er indessen wohl zuweilen durch sein Wesen sans souci reizte.«
54 Blumauer, der in seinen Beobachtungen über Oesterreichs Aufklärung und Litteratur (prof. Schr. I S. 48ff.) diese Zustände charakterisirt, giebt an daß in Wien binnen 18 Monaten 1172 Schriften meist dieser Art erschienen waren (S. 72).
55 Prutz deutsch. Museum II S. 28.
56 Die wenigen Opernpartituren, welche sich in Mozarts Nachlaß fanden, sind Glucks Arbre enchanté, Le diable a quattro (?), Gretrys Zemire et Azor, Barnevelt. Mich. Haydns Endimione.
57 Rochlitz A. M. Z. I S. 116.
58 Man hat angenommen daß Naumann gemeint sei; ich kan aber nicht glauben, daß Rochlitz ihn auf diese Weise charakterisirt habe. Mozart nennt zwar die Messe von Naumann, welche er in Dresden hörte, sehr mittelmäßig; allein so schlimm äußert er sich nicht. Ich kann freilich nicht sagen, wer gemeint sei.
59 Charakteristisch für Mozarts scharfe und unwillkürlich komische Kritik ist die Beschreibung, welche er seinem Vater von dem berühmten Oboisten J. Chr. Fischer (geb. 1733 gest. 1800) macht, der aus London, wo er eines außerordentlichen Rufes genoß (Burney Reise I S. 22. Busby Gesch. d. Mus. II S. 584), nach Wien kam (4. April 1787). »Wenn der Oboist Fischer zu der Zeit als wir ihn in Holland hörten [1766] nicht besser geblasen hat als er itzt bläst, so verdient er gewiß das Renomme nicht, welches er hat. Jedoch unter uns gesagt! Ich war damals in den Jahren, wo ich nicht im Stande war ein Urtheil zu fällen – ich weiß mich nur zu erinnern, daß er mir außerordentlich gefiel, sowie der ganzen Welt. Man wird es freylich natürlich finden, wenn man annimmt daß sich der Geschmack außerordentlich geändert hat; er wird nach der alten Schule spielen – aber nein! er spielt mit einem Wort wie ein elender Scolar; – der junge André, der beym Fiala lernte, spielt tausendmal besser. Und dann seine Concerte! – von seiner eigenen Composition! Jedes Ritornell dauert eine Viertelstunde – dann erscheint der Held – hebt einen bleyernen Fuß nach dem andern auf – und plumpst dann wechselweise damit zur Erde. Sein Ton ist ganz aus der Nase und seine tenuta ein Tremulant auf der Orgel. Hätten Sie sich dieses Bild vorgestellt? und doch ists nichts als Wahrheit, aber Wahrheit die ich nur Ihnen sage.«
60 Rochlitz erzählt, wie er sich unter Anderen über Jomelli höchst anerkennend aussprach: »Der Mann hat sein Fach, worin er glänzt und so daß wirs wohl bleiben lassen müssen, ihn bei dem ders versteht daraus zu verdrängen; nur hätte er sich nicht aus diesem herausmachen und z.B. Kirchensachen im alten Stil schreiben sollen« (A. M. Z. I S. 116). Auch Gaßmanns Kirchenmusik rühmte er sehr und sagte, als Doles nicht recht einstimmen wollte »Papa, wenn Sie nur erst alles kennten, was wir in Wien von ihm haben! Komme ich jetzt heim, so will ich seine Kirchenmusiken fleißig durchstudiren und hoffe viel daraus zu lernen« (A. M. Z. XX S. 247). Daß man Gaßmanns alte Oper La notte critica in einer deutschen Bearbeitung im Jahr 1783 auf die Bühne brachte, mißbilligte er freilich, und das Publicum auch, denn es kamen mit Mühe drei Vorstellungen zu Stande, wie er dem Vater schrieb (5. Febr. 1783).
61 So erzählt Jos. Frank in Prutz deutschem Museum II S. 24. Interessante Notizen giebt Kelly Remin. I p. 238ff.
62 Auch Rochlitz berichtet, wie Mozart über Paisiellos Arbeiten, die er sehr wohl gekannt habe, sich vortheilhaft äußerte. »Man kann dem der in der Musik nur leichteres Vergnügen sucht nichts besseres empfehlen« sagte er (A. M. Z. I S. 115).
63 Dies sind die Variationen auf das Thema Come un agnello (Oeuvres XVII p. 41ff.) aus Sartis Oper Fra i due litiganti il terzo gode, welche damals in Wien Furore machte; dasselbe Thema, das im zweiten Finale des Don Giovanni benutzt ist.
64 Sartis Esame acustico fatto sopra due frammenti di Mozart ist meines Wissens nicht gedruckt worden; ein Auszug ist mitgetheilt A. M. Z. XXXIV S. 373ff. (vgl. XXVI S. 540).
65 Die Zeit ist nicht genau zu ermitteln; Gyrowetz's Angabe, er sei damals etwa 18 Jahr alt gewesen, ist ein Irrthum, falls er 1763 geboren ist (wenn dies nicht etwa ein Druckfehler statt 1768 ist; im Jahr 1786 war wenigstens Dittersdorf mit den übrigen Künstlern, die Gyrowetz nennt, zusammen in Wien).
66 Rochlitz erzählt eine Anekdote die beweist, wie wenig Mozart auf forcirte frühzeitige Entwickelung etwas hielt (A. M. Z. I S. 480). »Er kam auf seinen Reisen in das Haus des damaligen * von *, der Musik sehr schätzte und dessen jetzt berühmter Sohn von zwölf oder dreizehn Jahren schon sehr brav Klavier spielte. Aber, Herr Kapellmeister, sagte der Knabe, ich möchte sogern zuweilen auch etwas selbst componiren, sagen Sie mir nur, wie ichs anfange! – Nichts! nichts! müssen warten! – Sie haben ja noch viel früher componirt – Aber nicht gefragt. Wenn man den Geist dazu hat, so drückts und quälts einen; man muß es machen und machts auch und fragt nicht drum. – Der Knabe stand beschämt und traurig, da Mozart das herauspolterte; er sagte: Ich meine ja nur, ob Sie mir kein Buch vorschlagen können, woraus ichs recht machen lernte. – Nun schauens, antwortete Mozart freundlicher und streichelte dem Kleinen die Wangen, das ist all wieder nichts! Hier, hier und hier (er zeigte auf Ohr, Kopf und Herz) ist Ihre Schule; ists da richtig, dann in Gottes Namen die Feder in die Hand, und stehts da – hernach einen verständigen Mann darüber gefragt.«
67 Schindler (Biogr. Beethovens S. 24) erwähnt dieser Begegnung, an die Beethoven sich gern erinnerte, nur kurz; der obige Bericht ist mir in Wien aus guter Quelle mitgetheilt. Die ausgeschmückte Erzählung in Beethovens Studien (Anhang S. 4f.) dichtet Beethoven contrapunktische Studien und Kenntnisse an, von denen er damals weit entfernt war.
68 »Einwendungen, auch Tadel ließ Mozart sich gern gefallen«; sagt Rochlitz (A. M. Z. I S. 145) »nur gegen eine einzige Art desselben war er sehr empfindlich und zwar gegen die, welche ihm grade am öftersten gemacht wurde – Tadel wegen allzufeurigen Geistes, wegen allzufeuriger Phantasie. Diese Empfindlichkeit war auch sehr natürlich; denn war dieser Tadel gegründet, so taugte grade das Eigenthümlichste und Ausgezeichnetste seiner Werke nichts und diese verloren in seinen Augen allen Werth.«
69 Die Weise, wie Dittersdorf sich dagegen äußert, der überhaupt nur mit der größten Anerkennung von Mozart spricht, beweist wie sehr er diesen achtete; ein näheres persönliches Verhältniß mit Dittersdorf, der während jener Zeit auch nur vorübergehend zum Besuch in Wien war, scheint kaum bestanden zu haben. Dasselbe gilt auch wohl von Gluck, der sich, wie wir sahen (S. 73. 202), gegen Mozart mehrfach anerkennend und freundlich zeigte; allein die Verschiedenheit ihrer Naturen hat, zumal bei Salieris nahem Verhältniß zu Gluck, schwerlich einen näheren Verkehr sich bilden lassen.
70 Leop. Kozeluch, geb. 1753 in Böhmen, machte seine Studien in Prag und kam 1778 nach Wien. Er wurde Klavierlehrer der Prinzessin Elisabeth, was Mozart nicht erlangen konnte, und nach dessen Tode Kammercompositeur mit 1500 fl. Gehalt; er starb 1818.
71 Die Anekdote ist erzählt von Niemtschek S. 61, Rochlitz (A. M. Z. I S. 53), Griesinger (biogr. Notizen über J. Haydn S. 105); Nissen nennt S. 681 Kozeluch, auf den die Anderen nur hindeuten. Es ist nicht ohne Interesse die verschiedene Fassung desselben Geschichtchens bei den verschiedenen Gewährsmännern zu vergleichen.
72 Bohemia 1856 S. 127.
73 Diese Aeußerung theilte mir Neukomm mit, der sie von Haydn gehört hat. »Als Mozart noch lebte« wird aus Prag berichtet (A. M. Z. II S. 516) »war Kozeluch sein erklärter Gegner und Tadler. Bei der Krönung Leopolds, da beide Künstler in Prag anwesend waren, äußerte Kozeluch diese Stimmung seines Geistes zu laut, und wahrlich nicht zu seinem Vortheil, denn seit dieser Zeit verlor sich ein großer Theil des Interesse, mit dem ihn sonst jeder Böhme seinen Landsmann nannte.«
74 Diese vom 1. Sept. 1785 datirte Dedication, welche unter andern auch bei Nissen S. 487f. und N. Zeitschr.f. Mus. XVI S. 176 abgedruckt ist, lautet folgendermaßen:
Al mio caro amico Haydn.
Un padre, avendo risolto di mandare i suoi figli nel gran mondo, stimò doverli affidare alla protezzione e condotta d'un uomo molto celebre in allora, il quale per buona sorte era di più il suo megliore amico. Eccoli del pari, uom celebre ed amico mio carissimo, i sei miei figli. Essi sono, è vero, il frutto d'una lunga e laboriosa fatica, pur la speranza fattami da più amici di vederla almeno in parte compensita m'incorragisce e mi lusinga, che questi parti siano per essermi un giorno di qualche consolazione. Tu stesso, amico carissimo, nell' ultimo tuo soggiorno in questa capitale mene dimostrasti la tua soddisfazione. Questo tuo suffragio mi anima sopra tutto, perche io le ti raccomandi e mi fa sperare, che non ti sembreranno del tutto indegni del tuo favore. Piacciati dunque accoglierli benignamente ed esser loro padre, guida ed amico. Da questo momento io ti cedo i miei diritti sopra di essi, ti supplico però di guardare con indulgenza i difetti, che l'occhio parziale di padre mi puo aver celati, e di continuar, loro malgrado, la generosa tua amicizia a chi tanto l'apprezza, mentre sono di tutto cuore il tuo sincerissimo amico
W.A. Mozart.
Dies ist die einzige Dedication dieser Art, welche mir von Mozart aus seinen späteren Jahren bekannt ist; man vergleiche damit das Geschwätz, welches man einst dem Kind in den Mund gelegt hatte (I S. 52f. 61f.).
75 Rochlitz A. M. Z. I S. 53. »Es war gewiß rührend«, sagt Niemtschek S. 60 »wenn er von den bei den Haydn oder andern großen Meistern sprach: man glaubte nicht den allgewaltigen Mozart, sondern einen ihrer begeisterten Schüler zu hören.«
76 Rochlitz A. M. Z. I S. 116.
77 Reichardt erzählt von seiner Unterredung mit Joseph II im Jahr 1783 (A. M. Z. XV S. 667): »Am wenigsten konnte sich das Gespräch über Haydn einigen, den Reichardt mit Hochachtung nannte und mit Bedauern vermißte. Ich dachte, sagte der Kaiser, ihr Herrn Berliner liebt solche Späße nicht: ich habe aber auch nicht viel daran – und so ging es ziemlich arg über den vortrefflichen Künstler her, der doch damals schon die herrlichsten seiner Symphonien und Quartetten geschrieben hatte.« Auch sein Gespräch mit Dittersdorf (Selbstbiogr. S. 238) gehört hieher. »J. Was sagen Sie zu Haydns Composition? – D. Von seinen Theaterstücken habe ich keins gehört. – J. Sie verlieren nichts dabei, denn er macht es grade so wie Mozart. Was halten Sie aber von seinen Stücken für die Kammermusik? – D. Daß sie in der ganzen Welt Sensation machen, und das mit allem Recht. – J. Tändelt er nicht manchesmal gar zu viel? – D. Er hat die Gabe zu tändeln, ohne jedoch die Kunst herabzuwürdigen. – J. Da haben Sie recht.«
78 Bei Uebersendung einer Sonate schrieb er Artaria (8. Febr. 1780): »Uebrigens hoffe ich mir mit dieser Arbeit wenigstens bey der einsichtsvollen Welt Ehre zu machen; die Critic derselben wird bloß von Neidern (deren ich eine Menge habe) betrachtet werden«; und ähnliche Aeußerungen finden sich öfter. Als Schulz im Jahr 1770 Haydn in Esterhaz besuchte, zeigte ihm dieser noch unbekannte Compositionen, »welche« so berichtet Reichardt (A. M. Z. III S. 176) »nicht nur Schulzens hohen Begriff von Haydns Originalgenie bekräftigten, sondern auch von einem fleißigen Künstler zeugten – für den man Haydn damals noch nicht hielt.«
79 Dieser Brief an den Proviant-Oberverwalter Roth in Prag ist zuerst veröffentlicht von Niemtschek S. 51f. (auch A. M. Z. I S. 182. XI S. 780f. Nissen S. 643. Wiener Musikzeitg. 1817 S. 218f.). Es ist ein Versehen von Griesinger (biogr. Notizen S. 104) dem Carpani (Le Haydine p. 202f.) folgt, wenn er berichtet Haydn sei im Jahr 1791 (wo er in London war) nach Prag zur Krönung Leopolds II berufen und habe geantwortet: »Wo Mozart ist, kann Haydn sich nicht zeigen«; was nur eine falsche Anwendung des obigen Briefes ist, den er selbst S. 120 mittheilt.
80 Rochlitz A. M. Z. I S. 52.
81 Griesinger biogr. Not. S. 25.
82 Schon früher hatte er für Wien die Oper la vera costanza componirt, deren Aufführung aber durch die Cabalen, welche man Haydn bei der Besetzung der Rollen machte, unmöglich wurde, worauf sie 1779 in Esterhaz gegeben wurde (Dies biogr. Nachr. S. 57. Griesinger biogr. Not. S. 62).
83 Stadler Vertheidigung der Echtheit des Mozartschen Requiem S. 27.
84 Griesinger biogr. Not. S. 104.
85 Carpani Le Haydine p. 201f.
86 Griesinger biogr. Not. S. 23.
87 Griesinger biogr. Not. S. 35. Dies biogr. Nachr. S. 75.
88 Dies biogr. Nachr. S. 77. Ebenso erzählte mir Neukomm, mit dem Haydn öfters von diesem Abschied gesprochen hatte und mit wie bitteren Thränen er in London die Nachricht von Mozarts Tode erhalten habe.
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