17.

Mozart wurde durch die Art, wie der Erfolg seiner Oper abgeschwächt und verkümmert wurde, so daß auch für seine Stellung in Wien gar keine Resultate daraus hervorgingen, tief verstimmt. Zwar lebte er damals in angenehmen geselligen Verhältnissen, namentlich durch den freundschaftlichen Verkehr mit dem Jacquinschen Hause (III S. 325ff.), allein daß er gezwungen war als Klavierlehrer und Virtuose seinen Unterhalt zu suchen konnte ihn nicht befriedigen1. Sehr begreiflich ist der Stoßseufzer, mit welchem er von dem 1786 nach Italien reisenden Gyrowetz Abschied nahm (III S. 192), und daß er durch seine englischen Freunde veranlaßt [275] selbst ernstlich daran dachte Wien zu verlassen und nach England zu gehen, ein Plan der nur auf den Widerspruch des Vaters aufgegeben wurde (III S. 181ff.)2. Da kam von auswärts eine ermunternde und folgenreiche Anregung. Während an anderen Orten Mozarts Figaro erst später zur Aufführung kam3, hatte man in Prag, wo die Entführung [276] in gutem Andenken geblieben war, die Oper sogleich und mit dem größten Erfolg auf die Bühne gebracht.

[277] Die glückliche Anlage für Musik, welche die Böhmen von jeher und bis auf den heutigen Tag auszeichnet, war im Laufe des vorigen Jahrhunderts zu einer glänzenden Entwickelung gelangt4. Theils war es die eifrige Pflege der Kirchenmusik in den Städten und auf dem Lande, in Kirchen und Klöstern, theils die Neigung der Vornehmen zur Musik welche bewirkten, daß nicht leicht ein Talent unbeachtet blieb und für Gesang, ganz besonders aber für Instrumentalmusik die reichsten Kräfte in Fülle ausgebildet wurden. Es war »Sitte und Schulmeisterspflicht« daß der Vorsteher einer Schule alle Jahr wenigstens eine neue Messe schrieb, wenn er nicht für einen Pfuscher gelten wollte. Diese führte er mit seinen Schülern und Lehrlingen auf; wer sich dabei auszeichnete, den suchte man in eine Stiftung zu bringen, wo er seine Studien fortsetzen und sich in der Musik weiter ausbilden konnte; es fehlte nicht leicht an Gönnern, die ihn durch mancherlei Beschäftigungen unterstützten, bis es gelang ihm in einer Kapelle eine feste Stellung zu geben5. Klöster, Prälaten, vornehme Familien waren dazu stets bereit. »Das Morzinische, Hartiggische, Ticherninische, Mannsfeldische, Netolizkische, Pachtische Haus u.a. sind die Versorger manches jungen Menschen geworden; sie zogen von ihren Herrschaften dergleichen von den Dorfschulmeistern abgerichtete Unterthanenkinder in die Stadt und hielten sich eigene Hauskapellen, die in Livree standen und einen Theil der Hausdienerschaft [278] ausmachten. Ihre Büchsenspanner durften nicht eher die Livree anziehen als bis sie das Waldhorn vollkommen blasen konnten. Manche Herrschaft in Prag forderte von dem Livreebedienten daß er Musik verstände, wenn er als dienstfähig angesehen werden wollte.« Unter solchen Verhältnissen mußte die Musik in Prag, wo die Aristokratie sich im Winter aufzuhalten pflegte, in der Kirche, im Theater, in den geselligen Kreisen eine sehr bevorzugte Stellung einnehmen. Eine stehende italiänische Oper, besonders für die opera buffa, wurde von dem Unternehmer Bustelli begründet, welcher seit 1765 auch in Dresden eine Concession erlangte, so daß er bis zum Jahr 1776 an beiden Orten mit einer gewählten Gesellschaft Vorstellungen gab, welche sehr gerühmt wurden6. Sein Nachfolger wurde Pasquale Bodini, der später auch in Leipzig während des Sommers Opernvorstellungen gab7, und in Prag den alten Ruhm der italiänischen Oper aufrecht zu erhalten wußte. Vorzügliche Künstler wie Jos. Kucharz, Jos. Strobach waren als Dirigenten bei der Oper beschäftigt; auch außerdem fehlte es nicht an Männern, welche durch gründliche Bildung wie durch ausgezeichnete Leistungen als Componisten hervorragten z.B. Joh. Kozeluch (ein Verwandter des in Wien lebenden Gegners Mozarts, Leop. Kozeluch), Wenzel Praupner, Vincenz Maschek und ein Künstlerpaar, das sowohl durch seine einflußreiche Stellung als durch seine vertraute Freundschaft mit Mozart besonderes Interesse hat, die schon wiederholt genannten Duscheks.

[279] Franz Duschek8 erregte als ein armer Knabe durch sein Talent die Aufmerksamkeit des Grafen Joh. Karl v. Spork, der ihn anfangs im Jesuitenseminarium zu Königgrätz studiren ließ und, nachdem er durch einen unglücklichen Fall verunstaltet das Studium hatte aufgeben müssen, ihn ganz der Musik bestimmte und nach Wien sandte, wo er sich unter Wagenseils Anleitung zu einem vorzüglichen Klavierspieler ausbildete9. Als solcher behauptete er darauf in Prag lange Zeit den ersten Rang und begründete nicht allein durch seinen vortrefflichen, viel gesuchten Unterricht den Fortschritt des Klavierspiels, da die bedeutendsten Virtuosen aus seiner Schule hervorgingen, sondern gewann auf den musikalischen Geschmack überhaupt einen wohlthätigen Einfluß. Auch seine zahlreichen Compositionen, die man hoch schätzte, mögen dazu beigetragen haben, ganz besonders aber die persönliche Stellung, welche er einnahm. Er war als ein Mann von biederem, zuverlässigem Charakter allgemein geachtet, wohlthätig und immer zu helfen und zu fördern bereit; fremde Künstler fanden bei ihm stets freundliche Aufnahme und durch seinen Einfluß bei den angesehenen Musikliebhabern die beste Unterstützung. Sein Haus war gastfrei geöffnet und bot für Einheimische und Fremde nicht allein in den Tagen, wo dort regelmäßig Concert war, einen willkommenen Mittelpunkt des musikalischen Verkehrs dar. Das belebende Element desselben war seine Frau Josepha, [280] geb. Hambacher10, welche durch ihn ihre musikalische Ausbildung erhalten hatte. Sie spielte so fertig Klavier daß sie für eine Virtuosin gelten konnte und versuchte sich selbst als Componistin nicht ohne Glück; ihre Hauptstärke aber war der Gesang. Man rühmte ihre schöne volle und runde Stimme ebenso sehr als ihren Vortrag, der besonders im Recitativ ausgezeichnet gewesen sei; mit Leichtigkeit überwand sie die Schwierigkeiten des Bravurgesanges, ohne ein schönes Portament vermissen zu lassen, und wußte Kraft und Feuer mit Gefühl und Anmuth zu vereinigen; kurz man glaubte sie unbedenklich den ersten italiänischen Sängerinnen an die Seite stellen zu dürfen. Mit diesem Urtheil war freilich Leopold Mozart nicht einverstanden; als sie 1786 mit ihrem Manne in Salzburg war, berichtete er seiner Tochter (18 April): »Mad. Duschek sang, wie? – ich kann mir nicht helfen, sie schrie ganz erstaunlich eine Arie von Naumann mit übertriebener expressions-kraft, sowie damals – und noch ärger. Lieber Himmel! mit so vielen anderen Singfehlern, daß es mir für ihre starke Stimme sehr leid thut solche nicht besser brauchen zu können; allein wer ist die Ursache? ihr Mann, der es nicht besser versteht, sie gelehrt hat und noch lehrt und ihr beybringt, daß sie allein den wahren Gusto hat.« Auch ihr Aeußeres gefiel ihm nicht sonderlich; »mir scheint, man sieht ihr schon das Alter an,« schreibt er (13 April) »sie hat ein ziemlich breites Gesicht und war eben sehr negligirt gekleidet.« Damit kann man die ungünstigen [281] Aeußerungen Schillers über sie bei einem Aufenthalt in Weimar im Mai 178811 ganz wohl in Einklang bringen. »Mad. Duschek hat hier ziemliches Glück gemacht« schreibt er an Körner (Briefw. I S. 290f.). »Anfangs wollte es nicht gleich gehen, weil ihre Stimme theils von der Reise etwas gelitten hatte, theils auch, weil die hiesigen Ohren nun einmal nicht ganz unbefangen sind. Unter anderen macht die regierende Herzogin die Bemerkung über sie, daß sie einer abgedankten Maitresse nicht unähnlich sehe12. Ich muß Dir selbst gestehen, daß mir die Duschek hier, wo ich sie öfter sah, viel weniger gefallen hat als in Dresden: sie hatte soviel (Frechheit möchte ich es nicht gern nennen), soviel Dreistigkeit, und in ihrem Aeußern, worin man ihr vielleicht Unrecht thut, soviel Moquantes. Weil aber die Herzogin Amalie artig gegen sie war, so kam sie auf und hatte in drei Concerten Gelegenheit, den ersten Eindruck zu verbessern und ihr ganzes Talent sehen zu lassen, daß man hernach allgemein davon erbaut wurde.« Darauf antwortet Körner (I S. 294): »Die Duschek habe ich bei ihrer Durchreife nicht gesehen. Was die regierende Herzogin von ihr gesagt hat, ist wohl so unrichtig nicht. Mich hat sie nie eigentlich recht interessiren können. Selbst als Künstlerin ist mir ihr Ausdruck zu sehr Caricatur. Anmuth ist meines Erachtens das erste Verdienst des Gesanges, und dies fehlt ihr, wie mir scheint. Wenigstens steht sie darin jeder guten Italienerin weit nach. Mir ist bei einer Sängerin Kälte mit [282] Feinheit lieber als Leidenschaft ohne Grazie.« So strengen Urtheilen Fernerstehender gegenüber schreibt Reichardt, als er im Jahr 1808 nach Prag kam (Vertraute Briefe I S. 132): »Doch habe ich noch eine liebe talentvolle Freundin jener frohen Jugendzeit in Mad. Duschek wiedergefunden, und in ihr die alte Herzlichkeit und den heißen Eifer für alles Schöne. Auch ihre Stimme und ihr großer ausdrucksvoller Vortrag hat mir noch recht erfreulichen Genuß gegeben.« Eine treue Freundin hatte auch Mozart in ihr gefunden. Im Jahr 1777 waren Duscheks nach Salzburg gekommen, wo sie Familienverbindungen hatten, und mit Mozarts bekannt geworden. Man kann sich denken daß Wolfgang an der lebhaften, jungen Frau, die mit ihm gleichen Alters war, großes Behagen fand, und wenn sie Neigung hatte sich über die Leute aufzuhalten, so gab er ihr darin nicht nach, sie fand sogar daß er in dieser Beziehung »schlimm« sei. Daß er sie als Sängerin zu schätzen wußte, beweisen die Arien, welche er in jener Zeit für sie componirte (I S. 424f.). Duscheks hatten damals Gelegenheit sich von der wenig befriedigenden Lage in Salzburg zu überzeugen und als der Vater sie benachrichtigte, daß Wolfgang von da habe fortgehen müssen, da antwortete sie, wie er Wolfgang schreibt (28 Sept. 1777) »daß ihr unser Verdruß von Salzburg ebenfalls berichtet worden, daß er und sie den empfindsamsten Antheil nehmen und unsere Verdienste belohnet zu sehen wünschen; der nun noch schlimmere Wolfgang möge nun gerade oder über die Quer nach Prag kommen, so werde er allzeit mit dem freundschaftlichsten Herzen empfangen werden.«

Im Frühjahr 1786 kamen sie nach Wien und waren dort wiederum Zeugen der Kabalen, mit welchen Mozart vor der Aufführung seines Figaro zu kämpfen hatte; die Oper war vollendet, wurde einstudirt und sie konnten sich überzeugen, [283] was man von derselben zu erwarten hatte. Kein Wunder, wenn sie in Prag das Interesse dafür zu erwecken suchten und nach dem Erfolg, welchen die Entführung gehabt hatte, war man dort ohnehin so günstig für Mozart gestimmt, daß sie bereitwilliges Entgegenkommen fanden. »Figaro wurde im Jahr 1786 von der Bondinischen Gesellschaft auf das Theater gebracht« berichtet Niemtschek (S. 25f.) »und gleich bei der ersten Vorstellung mit einem Beifall aufgenommen, der nur mit demjenigen, welchen die Zauberflöte nachher erhielt, verglichen werden kann. Es ist die strengste Wahrheit, wenn ich sage daß diese Oper fast ohne Unterbrechen diesen ganzen Winter gespielt ward und daß sie den traurigen Umständen des Unternehmers vollkommen aufgeholfen hatte. Der Enthusiasmus den sie beim Publicum erregte war bisher ohne Beispiel, man konnte sich nicht genug daran satt hören. Sie wurde bald von einem unserer besten Meister, Kucharz, in einen guten Klavierauszug gebracht, in blasende Partien, ins Quintett für Kammermusik, in teutsche Tänze verwandelt, kurz Figaros Gesänge wiederhallten auf den Gassen, in Gärten, ja selbst der Harfenist bei der Bierbank mußte sein Non più andrai ertönen lassen, wenn er gehört sein wollte.« Glücklicherweise kam dieser enthusiastische Beifall auch dem zu Gute, dem er galt. Leop. Mozart schrieb seiner Tochter mit großer Genugthuung (12 Jan. 1787): »Dein Bruder wird mit seiner Frau bereits in Prag seyn, denn er schrieb mir daß er verflossenen Montag dahin abreisen werde. Seine Opera Le Nozze di Figaro ist mit so großem Beifall allda aufgeführt worden, daß das Orchester und eine Gesellschaft großer Kenner und Liebhaber ihm einen Einladungsbrief zugeschrieben und eine Poesie, die über ihn gemacht worden, zugeschickt haben.« Er vermuthete, daß sie bei Duschek, dessen [284] Frau damals auf einer Kunstreise nach Berlin abwesend war, ihre Wohnung nehmen würden; allein ihnen war eine größere Ehre zugedacht: Graf Johann Joseph Thun, einer der edelsten Beförderer der Musik in Prag, hatte Mozart eingeladen sein Gast zu sein und ihm sein Haus zur Verfügung gestellt. Mit Freuden folgte dieser, der in Wien nach Anerkennung dürstete, einer solchen Aufforderung und fand, als er im Januar 1787 nach Prag kam, dort einen Enthusiasmus für seine Musik und eine herzliche Theilnahme für seine Person, die ihn in die freudigste Stimmung versetzte. Diese drückt sich unverkennbar in dem folgenden Bericht aus, den er seinem Freunde Gottfried v. Jacquin bald nach seiner Ankunft in Prag abstattete13.

»Liebster Freund! Endlich finde ich einen Augenblick an Sie schreiben zu können; – ich nahm mir vor gleich bey meiner Ankunft vier Briefe nach Wien zu schreiben, aber umsonst! nur einen einzigen (an meine Schwiegermutter) konnte ich zusammenbringen, und diesen nur zur Hälfte – meine Frau und Hofer mußten ihn vollenden. Gleich bei unserer Ankunft (Donnerstag den 11ten um 12 Uhr zu Mittag) hatten wir über Hals und Kopf zu thun um bis l Uhr zur Tafel fertig zu werden. Nach Tisch regalirte uns der alte Herr Graf Thun mit einer Musik, welche von seinen eigenen Leuten aufgeführt wurde und gegen anderthalb Stunden dauerte. Diese wahre Unterhaltung kann ich täglich genießen. Um 6 Uhr fuhr ich mit dem Grafen Canal auf den sogenannten Breitfeldischen Ball, wo sich der Kern der Prager Schönheiten zu versammeln pflegt. Das wäre so etwas für Sie gewesen, mein Freund! ich meyne, ich sehe Sie all den schönen Mädchen und Weibern nach – – [285] laufen glauben Sie? – nein, nachhinken. Ich tanzte nicht und löffelte nicht. Das erstere, weil ich zu müde war, und das letzte aus meiner angebornen Blöde; ich sah aber mit ganzem Vergnügen zu, wie alle diese Leute auf die Musik meines Figaro, in lauter Contretänze und Teutsche verwandelt, so innig vergnügt herumsprangen; denn hier wird von nichts gesprochen als – Figaro, keine Oper besucht als Figaro, und ewig Figaro; gewiß große Ehre für mich. Nun wieder auf meine Tagordnung zu kommen. Da ich spät vom Ball nach Hause gekommen und ohnehin von der Reise müde und schläfrig war, so ist nichts natürlicher auf der Welt als daß ich sehr lange werde geschlafen haben; und gerade so war es. Folglich war der ganze andere Morgen wieder sine linea: nach Tisch darf die hochgräfliche Musik nie vergessen werden, und da ich eben an diesem Tage ein ganz gutes Pianoforte in mein Zimmer bekommen habe, so können Sie sich leicht vorstellen, daß ich es den Abend nicht so unbenützt und ungespielt werde gelassen haben; es giebt sich ja von selbst, daß wir ein kleines Quatuor in caritatis camera (und das schöne Bandl hammera)14 unter uns werden gemacht haben, und auf diese Art der ganze Abend abermal sine linea wird vergangen seyn; und gerade so war es. Nun zanken Sie sich meinetwegen mit Morpheus; dieser ist uns beiden in Prag sehr günstig; was die Ursache davon seyn mag das weiß ich nicht; genug, wir verschliefen uns beide sehr artig. Doch waren wir im Stande schon um 11 Uhr uns beim Pater Unger einzufinden und die k.k. Bibliothek und das allgemeine geistliche Seminarium in hohen niedern Augenschein zu nehmen. – Nachdem wir uns die Augen fast aus dem Kopf geschauet hatten, glaubten wir in unserm Innersten eine kleine Magenarie zu hören; wir [286] fanden also für gut zum Grafen Canal zur Tafel zu fahren. Der Abend überraschte uns geschwinder als Sie vielleicht glauben, genug es war Zeit zur Opera. Wir hörten also Le gare generose15. Was die Aufführung dieser Oper betrifft, so kann ich nichts Entscheidendes sagen, weil ich geschwätzt habe; warum ich aber wider meine Gewohnheit geschwätzt habe, darin möchte es wohl liegen – basta, dieser Abend war wieder al solito verschleudert. Heute war ich so glücklich einen Augenblick zu finden um mich um das Wohlsein Ihrer lieben Eltern und des ganzen Jacquinschen Hauses erkundigen zu können. – – Nun adieu; künftigen Freitag den 19 wird meine Accademie im Theater seyn; ich werde vermuthlich eine zwote geben müssen; das wird meinen Aufenthalt hier leider verlängern. – –16« In der Nachschrift heißt es noch: »In dem Briefe, so Sie mir vielleicht schreiben werden, setzen Sie: im Graf Thunischen Palais. Meine Frau empfiehlt sich bestens dem ganzen Jacquinschen Hause, wie auch Hr. Hofer. Mittwoch werde ich hier den Figaro sehen und hören, wenn ich nicht bis dahin taub und blind werde. – Vielleicht werde ich es erst nach der Opera.«

Bei der Aufführung des Figaro wurde Mozart von dem zahlreich versammelten Publicum mit jubelndem Beifallklatschen empfangen17; er selbst war durch die Vorstellung, [287] besonders durch die Leistungen des Orchesters so befriedigt, daß er dem Director desselben Strobach in einem Brief seinen Dank dafür aussprach daß durch die treffliche Ausführung seiner Composition ein so günstiger Erfolg bereitet wäre18. Das Prager Orchester war nicht stark besetzt19 und glänzte nicht durch die Namen berühmter Virtuosen und Concertisten, allein es war zusammengesetzt aus tüchtig geschulten Musikern, welche mit gründlicher musikalischer Bildung Feuer und Eifer für das Gute vereinigten – ungleich bessere Garantien für das Gelingen der dem Orchester gestellten Aufgaben als die Virtuosität Einzelner. Strobach versicherte oft daß er sammt seinem Personale bei der Vorstellung des Figaro so sehr in Feuer gerathe daß er trotz der mühsamen Arbeit mit Vergnügen von vorne anfangen würde20.

Auch die beiden Concerte, welche Mozart in Prag gab, hatten den glänzendsten Erfolg. »Nie sah man das Theater so voll Menschen«, berichtet Niemtschek (S. 27) »nie ein stärkeres, einstimmiges Entzücken als sein göttliches Spiel erweckte. Wir wußten in der That nicht, was wir mehr bewundern sollten, ob die außerordentliche Composition oder das außerordentliche Spiel; beides zusammen bewirkte einen Totaleindruck auf unsere Seelen, welcher einer süßen Bezauberung glich.« Wie Mozarts freies Phantasiren endlich den höchsten [288] Enthusiasmus hervorrief, ist schon erzählt worden (III S. 463f.); auch die übrigen Compositionen, welche er aufführen ließ, fanden allgemeinen Beifall, namentlich die kürzlich geschriebene Symphonie in D-dur (S. 124ff.). Der pecuniäre Gewinn entsprach dieser Theilnahme des Publicums; die Storace konnte Leop. Mozart berichten, daß sein Sohn in Prag 1000 fl. gewonnen habe (III S. 209).

Die gesellige Zerstreuung, welche Mozart seinem Freunde so anschaulich macht, scheint fortgedauert zu haben; wenigstens ist er zu keiner musikalischen Arbeit gekommen außer den Contretänzen, welche er für den Grafen Pachta improvisirte (III S. 457) und sechs Teutschen für großes Orchester, offenbar auf eine ähnliche Veranlassung componirt, die er unter dem 6 Febr. 1787 in sein Verzeichniß eingetragen hat21. Allein als Mozart in der Freude seines Herzens äußerte, für ein Publicum das ihn in der Weise verstehe und ehre wie das Prager würde er gern eine Oper schreiben, nahm ihn Bondini beim Wort und schloß mit ihm einen Contract, nach welchem Mozart für den Anfang der nächsten Saison gegen das auch sonst übliche Honorar von 100 Ducaten eine Oper zu componiren hatte.

Da Mozart mit dem Text des Figaro so zufrieden war, hatte er da Ponte für das neue Libretto vorgeschlagen und überließ ihm, als er im Laufe des Februar nach Wien zurückgekehrt [289] war die Wahl des Stoffes. Dieser, der wohl erkannte daß Mozarts Genie ein vielseitiges bedeutendes Gedicht verlange22, schlug ihm den Don Giovanni vor – ein glücklicher Griff von größerer Bedeutung als ihm ahnen mochte – und Mozart gefiel dieser Vorschlag außerordentlich. Da Ponte erzählt mit ganz ergötzlichem Renommiren (mem. II p. 98ff.), wie er damals übernommen habe zu gleicher Zeit für Salieri den Tarar nach Beaumarchais zu bearbeiten, für Martin den Baum der Diana und Don Giovanni für Mozart zu schreiben; als ihm Joseph II vorstellte daß er damit nicht durchkommen werde, habe er ihm kühn erwiedert: Forse che no, ma mi proverò. Scriverò la notte per Mozart e farò conto di legger l'inferno di Dante; scriverò la mattina per Martin, e mi parrà di studiar il Petrarca; la sera per Salieri, e sarà il mio Tasso. Darauf habe er sich an die Arbeit gemacht, eine Flasche Tokayer und eine Dose mit spanischem Tabak vor sich, die schöne Tochter seiner Wirthin als begeisternde Muse neben sich, den ersten Tag die beiden ersten Scenen des Don Giovanni, zwei Scenen zum Baum der Diana und mehr als die Hälfte des ersten Akts vom Tarar geschrieben, und in 63 Tagen die beiden ersten Opern ganz, die letzte zu zwei Dritteln vollendet. Leider erfahren wir über den Antheil, den Mozart ganz sicher auch diesmal an der Gestaltung des Textes nahm ebenso wenig etwas als von der Ausführung seiner Composition.

Die Aufnahme, welche er in Prag gefunden hatte, ließ ihn seine gedrückte Stellung in Wien nur noch mehr empfinden; wir wissen daß er seinen Plan nach England zu [290] gehen bei der Abreise von Storaces und Attwood sehr ernstlich wieder aufgenommen hatte und die Ausführung nur verschob, bis ihm diese Freunde dort eine Stätte gesichert haben würden (III S. 183f.). Die Verse, welche ihm der Bassist Fischer, der zum Besuch in Wien war23, am 1 April 1787 ins Stammbuch schrieb, in denen von dem Neide der Musensöhne die Rede ist, von deren Lippen Honig fließe (III S. 405), die verständliche Hindeutung in Barisanis am 14 April 1787 geschriebenen Stammbuchsversen auf seine Kunst, um welche ihn der welsche Componist beneide (III S. 242), lassen deutlich erkennen, wie sehr und von wem er selbst sich und seine Freunde ihn zurückgedrängt glaubten. Ein Musikfreund, der auf seiner Rückreise aus Italien im Frühjahr 1787 nach Wien kam24, fand alles voll von Martins Cosa rara, die, weil man sie nach dem Abgange der Storace in der italiänischen Oper nicht mehr aufführen konnte, in deutscher Bearbeitung auf dem Marinellischen Theater mit gleichem Zulauf gegeben wurde. In der deutschen Oper aber sah Mozart sich durch Dittersdorfs Erfolge ebenfalls gänzlich in den Schatten gestellt.

Dittersdorf25 war, wie er selbst erzählt (Selbstbiogr. [291] S. 228ff.), in den Fasten 1786 nach Wien gekommen um in den Concerten der Societät sein Oratorium Hiob26 aufzuführen und gab später zwei Concerte im Augarten, in welchen er seine Symphonien nach Ovid (S. 141) producirte. Der lebhafte Beifall, welchen diese Compositionen allgemein fanden, gaben Veranlassung zu der Aufforderung eine deutsche Oper zu schreiben. Stephanie d.j., der damalige Regisseur, lieferte ihm den Text zum Doctor und Apotheker, welcher am 11 Juli 1786 zum erstenmal und im selben Jahr zwanzigmal gegeben wurde. Was der Erfolg der Entführung nicht bewirkt hatte geschah diesmal, daß man Dittersdorf sogleich eine zweite Oper auftrug, Betrug durch Aberglauben, welche am 3 October 1786 aufgeführt wurde; und da sie vom Publicum nicht minder günstig aufgenommen wurde, so folgte alsbald eine dritte Die Liebe im Narrenhause, welche zuerst am 12 April 1787 auf die Bühne kam und einen ähnlichen Beifall fand27. Daß Dittersdorf gegenüber Componisten wie Umlauf, Hanke, Ruprecht, deren Opern neben den Bearbeitungen französischer damals in Wien gegeben wurden, einen glänzenden Sieg davon trug war nicht zu verwundern; rasch verbreiteten sich dann seine Opern von Wien aus über alle deutschen Bühnen, und drängten die meisten bis dahin gegebenen Operetten [292] zurück, so daß Dittersdorf sehr bald vor den meisten Componisten eine große Popularität erlangte28. Daß diese auf wirklichen Verdiensten beruhte kann Niemand leugnen wollen29. Mit Geschick wußte er die Vortheile, welche sowohl die italiänische opera buffa als die französische komische Oper sich erworben hatte, namentlich die Einführung lebendiger und ausgedehnter Finales und bedeutende Ensemblesätze, wie [293] die Freiheit in der Anwendung und Behandlung der verschiedensten Formen auch in der deutschen komischen Oper zur Geltung zu bringen; er war nicht allein wohlerfahren in der Behandlung der Singstimmen sondern hatte als fruchtbarer Instrumtentalcomponist nach Haydns Vorgang und Muster gelernt das Orchester selbständig und wirksam zu verwenden. Er besaß eine leichte Erfindung, die ihm stets angenehme fließende Melodien zuführte, ein wahrhaft komisches Talent, welches sich in drastischen Einfällen äußerte, und seine Musik hatte durchgehends einen Charakter von Behagen und Gemüthlichkeit, den man als wahrhaft deutsch bezeichnen darf, vielleicht auch da wo er bis zum Philisterhaften herabsinkt. Man möchte ihn in mancher Hinsicht mit Gretry vergleichen; wie er hinter diesem an Geist und Feinheit weit zurücksteht, so ist er ihm dagegen an musikalischer Tüchtigkeit entschieden überlegen. Wenn man ihm Originalität und Lebendigkeit keineswegs absprechen kann, so darf man Tiefe der Empfindung, Adel der Formgebung, überhaupt das worin die höchste künstlerische Genialität begründet ist bei ihm nicht suchen, und den Beweis für sein bestimmt begränztes Talent legte jede neue Oper ab, in der sich im Wesentlichen das wiederholte, was ihm zuerst gelungen war; wie denn seine Bedeutung auch von Zeitgenossen bereits richtig gewürdigt worden ist.

Joseph II theilte die Vorliebe des Publicums für die leichtere Musik Dittersdorfs, er sprach es gradezu gegen diesen aus, daß er ihn Mozart und Haydn vorziehe, welche das Orchester den Sängern gegenüber zu sehr bevorzugten, und belohnte ihn reichlich als er im Frühjahr 1787 Wien verließ. Indessen konnte den noch die deutsche Oper ihm kein rechtes Interesse mehr abgewinnen, schon im Herbst 1787 wurde [294] den Mitgliedern derselben gekündigt und mit Ende Februar 1788 hörten ihre Vorstellungen auf.30

Mozarts eigenhändiges thematisches Verzeichniß zeigt seit seiner Rückkehr nach Wien bis zur zweiten Reise nach Prag nur weniger bedeutende Arbeiten, welche offenbar fast alle durch gesellige Veranlassungen oder den Unterricht hervorgerufen waren; die beiden Quintetts, welche darunter den ersten Rang einnehmen, waren ohne Zweifel auch auf Bestellung für gewisse musikalische Cirkel geschrieben31. Und mit diesen Compositionen drang er damals in Wien keineswegs allgemein durch. Der schon erwähnte Reisende berichtet32: »Kotzeluchs Arbeiten erhalten sich und finden allenthalben Eingang, dahingegen Mozarts Werke durchgehends nicht so ganz gefallen. Wahr ist es auch, und seine Haydn dedicirten Quartetten bestätigen es aufs Neue, daß er einen entschiedenen Hang für das Schwere und Ungewöhnliche [295] hat. Aber was hat er auch große und erhabene Gedanken, die einen kühnen Geist verrathen.«

Wie fleißig etwa Mozart auch schon am Don Giovanni arbeitete davon ist nichts bekannt, aus seiner sonstigen Weise zu schließen darf man wohl annehmen daß er anfangs mit Lebhaftigkeit das neue Libretto angegriffen habe und später ins Aufschieben mit dem Niederschreiben gerathen sei; nach den bekannten Traditionen scheint es sicher daß die Oper noch nicht fertig war, als er im September 1787 nach Prag kam33, sondern erst dort im Verkehr mit den Darstellern, in der anregenden Gesellschaft enthusiastischer Freunde und Verehrer und unter dem begünstigenden Drängen der herannahenden Aufführung vollendet wurde34. Der Impresario, [296] welcher der damaligen Sitte gemäß dem Componisten bis nach geschehener Aufführung der Oper Wohnung geben mußte, hatte Mozart in einem Hause »bei drei Löwen« auf dem Kohlmarkt (N. 420) Quartier gemacht35; er hielt sich aber am liebsten auf dem Weingarten seines Freundes Duschek in Kossir (Kosohirz) auf, wo man noch das Zimmer, welches er bewohnte und den steinernen Gartentisch zeigt, an welchem er oft unter heiterem Geplauder der Gesellschaft und während des Kegelspiels an seiner Partitur schrieb (III S. 244)36. Was man erzählt von der seinen Diplomatie, mit welcher Mozart die Vertheilung der Rollen unter die darstellenden Künstler zu allseitiger Zufriedenheit zu Stande gebracht habe, wie er L. Bassi habe beruhigen müssen daß Don Giovanni gar keine eigentliche große Arie zu singen habe, wie er ihm zu Gefallen das Duett La ci darem la mano immer wieder von Neuem componirt habe, bis beim fünftenmal der Sänger endlich zufrieden gewesen sei37 – das mag auf sich beruhen38, wie die obligaten Erzählungen von Liebeleien mit den Sängerinnen. Das Verhältniß zur [297] Duschek kennen wir schon; Teresa Saporiti soll geäußert haben, es sei erstaunlich daß ein so bedeutender Künstler ein so unbedeutendes Aeußeres habe, worauf Mozart an seiner schwachen Seite getroffen seine Neigung von ihr abgewendet und der Micelli oder auch der Bondini geschenkt habe: – mehr Sängerinnen waren damals in Prag leider nicht zu haben.

Leider sind wir über den Einfluß, welchen die Eigenthümlichkeit der Sänger und andere zufällige Umstände auch diesmal auf Einzelnheiten der Composition ausgeübt haben werden, nicht näher unterrichtet. Ein paar wohl beglaubigte und nach verschiedenen Seiten hin charakteristische Anekdoten beziehen sich auf die Proben der Oper, zu welchen auch da Ponte von Wien gekommen war39, dem man seine Wohnung im Hinterhause des Gasthofes »zum Platteis« angewiesen hatte, so daß Dichter und Componist bequem aus den Fenstern sich mit einander unterhalten konnten.

Im Finale des ersten Akts mochte sich Ter. Bondini als Zerlina nicht entschließen zur rechten Zeit und in gehöriger Weise den verhängnißvollen Angstschrei auszustoßen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen ging Mozart selbst auf die Bühne, ließ die ganze Stelle wiederholen und packte im rechten Moment die Sängerin unerwartet so derb an daß sie erschrocken aufschrie. »So ists recht«, sagte er dann lachend zu ihr »so muß man aufschreien!« Im Figaro konnte ihn die Micelli lange nicht zufrieden stellen und er setzte ihr mit Wiederholen dermaßen zu daß sie ihren Verdruß deutlich merken ließ. Anstatt aber um Entschuldigung zu bitten, rief er als es ihr endlich nach Wunsch gelungen war freundlich zu: brava donnella! Dann zeigte er sich auch [298] wiederum nachgiebig gegen billige Forderungen. Die Worte welche der Comthur in der Kirchhofsscene singt waren ursprünglich nur von Posaunen begleitet. Da die Stelle den Posaunisten nach wiederholten Versuchen nicht gelingen wollte, ging Mozart zu ihren Pulten um zu erklären, wie er sie vorgetragen wünschte, worauf ihm einer derselben erklärte: »Das kann man so nicht blasen und von Ihnen werde ich es auch nicht lernen.« Lächelnd erwiederte Mozart: »Gott bewahre mich daß ich Sie die Posaune lehren wollte; geben Sie nur die Stimmen her, ich will sie ändern.« Er that es und setzte dann noch die Holzblasinstrumente hinzu40.

Auch von seinem Gedächtniß gab er in einer der Proben einen Beweis, indem er die Trompeten- und Paukenstimmen zum zweiten Finale, ohne die Partitur vor sich zu haben aufschrieb41 und sie den Spielern mit der Weisung gab an einer Stelle aufzumerken, wo entweder vier Takte zu viel oder zu wenig sein würden, was sich auch als richtig erwies42.

Eine gute Vorbedeutung für die Aufnahme der neuen Oper war eine glänzende Aufführung des Figaro, welche zu Ehren des Prinzen Anton von Sachsen und seiner Gemahlin der Erzherzogin Maria Theresia von Toscana, die auf ihrer Hochzeitsreise durch Prag kamen43, bei beleuchtetem [299] Hause unter Mozarts Direction Mitte Octobers Statt fand und mit gewohntem Beifall aufgenommen wurde. Indessen war Mozart selbst über den Erfolg des Don Giovanni keineswegs ganz ruhig und fragte nach den ersten Proben bei einem Spatziergang den Orchesterdirector Kucharz im Vertrauen, was er von der Oper halte, und ob sie wohl gleichen Beifall wie Figaro finden werde, von dem sie so ganz und gar verschieden sei. Auf dessen Versicherung daß er an dem Erfolge einer so schönen und originellen Musik nicht zweifle und daß alles was von Mozart käme vom Prager Publicum mit Begeisterung aufgenommen werden würde, erwiederte dieser daß ihn dies Urtheil eines Kenners beruhige, daß er sich aber auch Mühe und Arbeit nicht habe verdrießen lassen um für Prag etwas Vorzügliches zu leisten. Dann fügte er jene merkwürdige Aeußerung hinzu daß man sich irre, wenn man glaube daß ihm seine Kunst so leicht geworden sei, daß Niemand soviel Mühe auf das Studium der Composition verwendet habe und daß es nicht leicht einen berühmten Meister gebe, den er nicht fleißig studirt habe44.

So nahte der Tag der Aufführung, der 29 October 178745, heran und die Ouverture wurde nicht geschrieben, war am Abend vor der Aufführung noch nicht fertig zur großen Beunruhigung der versammelten Freunde, worüber Mozart sich sehr zu belustigen schien. Es ist bereits (III S. 421f.) erzählt, wie er sich spät von der lustigen Gesellschaft [300] trennte und dann bei einem Glas Punsch, während seine Frau ihm Geschichten erzählte, sich aus Niederschreiben machte; wie ihn die Müdigkeit so überwältigte, daß er einige Stunden schlafen mußte, ehe er wieder an die Arbeit gehen konnte. Allein um 7 Uhr morgens war der Copist bestellt, und zur bestimmten Zeit wurde ihm die Ouverture übergeben46. Es war die letzte Frist, wenn die Stimmen noch bis zum Anfang der Oper ausgeschrieben werden sollten, der sich auch aus diesem Grunde um etwas verzögerte. Vom Blatt spielte nun das wohlgeschulte und begeisterte Orchester die Ouverture so gut, daß Mozart während der Introduction zu den ihm zunächst befindlichen Instrumentalisten sagen konnte: »Es sind zwar viele Noten unter die Pulte gefallen, aber die Ouverture ist doch recht gut von Statten gegangen«47.

Der Erfolg der ersten Vorstellung war glänzend. Als [301] Mozart in dem zum Erdrücken vollen Theater am Klavier als Dirigent erschien, wurde er mit enthusiastischem Klatschen und dreimaligem Tusch empfangen. Die Spannung, mit welcher die Ouverture aufgenommen wurde, löste sich in einen wahren Beifallsjubel auf, der die Oper bis zu Ende begleitete. Die Aufführung wird, obgleich die Gesellschaft keine Virtuosen vom ersten Rang und Namen aufzuführen hatte, als eine sehr vorzügliche gepriesen; der begeisternde Einfluß des Meisters wie die gehobene Stimmung des Publicums waren wohl geeignet gute Kräfte bei gutem Willen auch zu außerordentlichen Leistungen zu steigern48. Ganz entzückt über diesen Erfolg schrieb Guardasoni, der damals mit Bondini an der Direction betheiligt war, die er später allein übernahm49, an da Ponte, welcher schon vor der Aufführung nach Wien hatte zurückreisen müssen um den Axur auf die Bühne zu bringen, die Worte: Evviva da Ponte, evviva Mozart! Tutti gli impresarj, tutti i virtuosi devono benedirli; finchè essi vivranno non si saprà mai cosa sia miseria teatrale50. Auch Mozart theilte ihm [302] sogleich den glücklichen Ausfall ihrer gemeinsamen Bestrebungen mit, und an Gottfr. v. Jacquin schrieb er (4 Nov. 1787)51: »Liebster, bester Freund! Ich hoffe, Sie werden mein Schreiben erhalten haben. Den 29 Oct. ging meine Opera D. Giovanni in scena, und zwar mit dem lautesten Beyfall. Gestern wurde sie zum viertenmal (und zwar zu meinem Benefice) auf geführt. Ich gedenke den 12ten oder 13ten von hier abzureisen, bey meiner Zurückkunft sollen Sie also die Arie gleich zu singen bekommen; NB. unter uns. – Ich wollte meinen guten Freunden (besonders Bridi52 und Ihnen) wünschen, daß Sie nur einen einzigen Abend hier wären, um Antheil an meinem Vergnügen zu nehmen. – Vielleicht wird sie doch in Wien aufgeführt? ich wünsche es. – Man wendet hier alles mögliche an um mich zu bereden, ein paar Monate noch hier zu bleiben und noch eine Oper zu schreiben; ich kann aber diesen Antrag, so schmeichelhaft er ist, nicht annehmen«53.

Mozart, der in Prag wie Niemtschek sagt (S. 29), bei [303] jeder Gelegenheit große und unzweideutige Beweise der Hochachtung bekam, welche nicht aus Vorurtheil und Mode sondern aus wahrer Kunstliebe hervorgingen, ließ es sich gern im Kreise seiner Freunde und Verehrer wohl sein; und diese dachten noch später – so berichtet Niemtschek (S. 60) mit Vergnügen an die schönen Stunden, welche sie in seiner Gesellschaft verlebten. Er wurde dann vertraulich wie ein Kind, arglos öffnete er sein Herz und seine muntere Laune ergoß sich in den drolligsten Einfällen; man vergaß ganz, daß man mit dem bewunderten Künstler verkehrte.

Seiner Freundin, Mad. Duschek, hatte Mozart versprochen eine neue Concertarie zu componiren; wie gewöhnlich war er aber nicht dahinzubringen sie niederzuschreiben. Da sperrte sie ihn endlich in einem Gartenzimmer auf dem Weinberg ein und erklärte ihn nicht eher herauslassen zu wollen als bis die Arie fertig sei. Nun machte er sich zwar daran, erklärte aber nach vollendeter Arbeit seinerseits, wenn sie dieselbe nicht vom Blatt rein und richtig sänge, würde er sie ihr nicht geben54. Im Andante dieser Arie Bella mia fiamma55 sind nämlich die Worte: questo affanno, questo passo è terribile per me auf eine höchst charakteristische Weise und so ausgedrückt, daß die an sich nicht leichten Intervalle der Singstimme durch die harmonische Führung zu einer wahren Probe reiner und sicherer Intonation werden. Uebrigens ist diese Arie eine der schönsten unter den Concertarien, und macht zwar an die Kehlfertigkeit der Sängerin [304] gar keinen Anspruch, verlangt aber eine große, in der eigentlichen Sopranlage ausgiebige Stimme, und einen freien, ausdrucksvollen Vortrag im großen Stil. Interessant ist es zu beobachten, wie diese Arie bei sehr energischem und lebendigem Ausdruck sich doch von der eigentlich dramatischen Musik des Don Giovanni so wesentlich unterscheidet. Aus dem Zusammenhang ihrer Handlung genommen, nicht für die Darstellung auf der Bühne berechnet nimmt die Situation einen modificirten Charakter an, der Sänger im Concertsaal wird in ganz anderer Art zum Darsteller derselben als auf der Scene; demgemäß wird auch die Auffassung des Componisten, die Form welche er dafür findet, eine andere.

Um die Zeit als Mozart wieder nach Wien zurückkam starb Gluck (15 Nov. 1787); vielleicht trug der Erfolg des Don Giovanni in Prag dazu bei, daß Kaiser Joseph, um Mozart, der schon früher ernstlich an eine Uebersiedelung nach London gedacht hatte, in Wien zu halten, ihn durch ein Decret vom 7 Dec. 1787 zum Kammermusikus ernannte (III S. 184ff.). Wahrscheinlich wäre diesem damals mit der Aufführung des Don Giovanni ebensosehr gedient gewesen, allein daran war vorläufig nicht zu denken.

Salieri hatte im Juni 1787 die Oper Tarare in Paris zur Aufführung gebracht, in welcher Beaumatchais nicht allein durch eine reichbewegte, spannende Handlung, durch Decorations- und Costumeffecte auf das Publicum zu wirken suchte, sondern auch durch politische und philosophische Doctrin, wie er in seinem wunderlichen allegorischen Prolog den Genius des Feuers und die Natur singen läßt:


Mortel, qui que tu sois, prince, brahme ou soldat,

Homme, ta grandeur sur la terre

N'appartient point à ton état,

Elle est toute à ton caractère.


[305] Das Publicum war zuerst etwas betreten, und die Musik fand man ungleich schwächer als die der vor drei Jahren aufgeführten Danaiden, allein der Glanz der Aufführung, unzweifelhaft auch das seltsame Gemengsel heterogener Elemente, welche die augenblickliche Zeitströmung zusammenbrachte, übten doch große Wirkung und machten die Oper zu einem Zugstück56.

Der Kaiser, dem die Musik sehr gefiel, befahl daß die Oper von da Ponte italiänisch bearbeitet zur Feier der Vermählung des Erzherzogs Franz mit der Prinzessin Elisabeth von Würtemberg in Wien gegeben werden sollte. Diese italiänische Oper Axur behielt zwar den Stoff in seiner wesentlichen Gliederung bei, war aber in Hinsicht auf Text und Musik völlig umgestaltet. Alles Tendentiöse fiel weg und die Elemente der Intrigue und des Pathos in der Handlung, welche man festhielt, wurden mit der sicheren Routine der italiänischen Opernpraxis behandelt. Da Ponte bewies von Neuem seine Geschicklichkeit und offenbar fand Salieri hier ein ihm ungleich mehr zusagendes Feld und scheute die Mühe der Umarbeitung nicht57. Da er alles daransetzte den glänzenden Erfolg, welchen Martins Arbore di Diana im Herbst gehabt hatte, zu verdunkeln, konnte er nicht wünschen vor der Aufführung seiner Oper eine ernstliche Concurrenz zu bestehen. L'amor costante von Cimarosa machte kein Glück und war ihm nicht gefährlich, aber Mozarts Don Giovanni, durch den Enthusiasmus der Prager aufs günstigste angekündigt, drohte den kaum zum Schweigen gebrachten Beifall des Figaro wieder zu erwecken. Am 8 Jan. 1788 wurde, nachdem die Trauung des hohen Paars durch den Erzherzog [306] Maximilian am 6 Jan. Statt gefunden hatte, die Festoper Axur als »Freispektakel« aufgeführt58. Anfangs stutzte das Publicum auch hier noch bei den Spuren des französisch dramatischen Elements im Tarare, welche dem italiänischen Axur einen immer noch von dem hergebrachten Wesen der opera seria abweichenden Charakter gaben, allein sehr bald empfand man die lebendigere, mit glänzendem Pomp ausgestattete Handlung und die freiere Entwickelung der musikalischen Formen als einen angenehmen Reiz der doch wesentlich italiänischen Musik, und viele rasch aufeinander folgende Vorstellungen steigerten den Beifall, den diese Oper in Wien59, namentlich beim Kaiser Joseph60, und bald allgemein auf allen deutschen Bühnen fand61. Jetzt war es aber rathsam die günstige Stimmung des Publicums sich befestigen zu lassen und nicht durch bedeutende Erscheinungen zu beirren. Don Giovanni durfte daher noch nicht zugelassen werden; Mozart mochte für die Unterhaltung der Wiener durch die Tänze sorgen, welche er im Januar 1788 für die Bälle im Redoutensaale schrieb, und seinen patriotischen Gefühlen durch ein Lied auf den Türkenkrieg Luft machen, welches der Komiker Baumann im Leopoldstädler Theater vortrug (III S. 288); auch scheint er in den Fasten eine Akademie gegeben zu haben, für welche er das Klavierconcert in D-dur (S. 52, 16) schrieb.

Aber Joseph II, welcher mit dem Erfolg des Don Giovanni in Prag sehr zufrieden war, hatte die Aufführung angeordnet [307] und so mußte sie endlich ins Werk gesetzt werden62. Am 7 Mai 1788 wurde Don Giovanni gegeben und gefiel nicht. Alle Welt, erzählt da Ponte (mem. II p. 104), außer Mozart glaubte, es sei irgendwo versehen; man machte Zusätze, man änderte Arien – er gefiel immer nicht. »Die Oper ist göttlich«, sagte der Kaiser »vielleicht noch schöner als Figaro, aber das ist keine Speise für die Zähne meiner Wiener.« Als da Ponte Mozart diese Aeußerung hinterbrachte, antwortete er: »Lassen wir ihnen Zeit zu kauen.« Auf seinen Rath sorgte da Ponte dafür daß die Oper rasch hintereinander wiederholt wurde, man gewöhnte sich an das ungewohnte Phänomen und mit jeder neuen Vorstellung wuchs der Beifall63.

Man hat die Ursache des Mißfallens auch darin finden wollen daß die Oper weder so gut besetzt noch so gut ausgeführt worden sei, als nöthig und gerecht gewesen wäre (A. M. Z. XXIV S. 284). Die Hauptrollen aber waren wenigstens in so guten Händen daß man schon bösen Willen annehmen müßte, wenn die Ausführung nicht vortrefflich war64. [308] Leider erfahren wir von da Ponte nichts Näheres über die Aenderungen, welche mit der Oper vorgenommen wurden65; wir lernen nur aus Mozarts thematischem Catalog die für die Wiener Sänger geschriebenen Einlegestücke kennen, welche übrigens schon vor der ersten Aufführung (24. 28. 30 April) componirt worden sind.

Die Cavalieri – welche wie ein schon mehrmals erwähnter musikalischer Reisender66 im Jahr 1786 berichtet, ihre Talente in einer erstaunenswürdigen Weise ausgebildet hatte, so daß sie den größten Sängerinnen Italiens an die Seite gesetzt zu werden verdiene und in Italien überall vergöttert werden würde, während in Wien kein Mensch ein Zeichen seiner Bewunderung laut werden lasse – verlangte für die Partie der Elvira eine große Scene, mit der sie als Sängerin Ehre einlegen könnte. So entstand die herrliche Arie Mi tradì quell' alma ingrata67. Soviel wie einst bei der Entführung »der geläufigen Gurgel der Mlle. Cavalieri aufzuopfern« (III S. 106) konnte sich Mozart jetzt zwar nicht entschließen, allein offenbar ist das Interesse des Gesanges vor dem dramatischen, die Individualität der Sängerin vor dem Charakter der Elvira begünstigt. Es ist ein ähnliches [309] Verhältniß wie mit der nachcomponirten Arie der Gräfin im Figaro (S. 231f.), nur nach einer andern Richtung hin. Während dort die Empfindung mit stärkerer Gewalt und [310] in sinnlicherer Fülle sich ausspricht als es im Charakter der Gräfin liegt, ist hier die leidenschaftliche Heftigkeit der Elvira zu einer Gefaßtheit ermäßigt, welche man derselben kaum zutrauen kann. Allerdings ist es ein Moment der Ruhe, fast der Erschöpfung, in welchem sie fast mehr beschaulich als aufgeregt bei sich selbst einkehrt, und faßt man nur die Situation im Allgemeinen auf, so ist die weiche Stimmung, in welcher das Gefühl einer unauslöschlichen Liebe die Regungen des Zorns kaum aufkommen läßt, – den richtigen Vortrag vorausgesetzt68 – sehr wohl ausgedrückt; allein die Würde und der Adel, welche hier die Wogen des Schmerzes und der Rache glätten, sind eben nicht die bezeichnenden Eigenschaften der Elvira des Don Giovanni, deren Arie (7)Ah! fuggi il traditor, trotz ihrer fremdartigen Ausdrucksweise mehr Feuer und Kraft entwickelt als diese ausgeführte Scene. Treten doch auch die Accente einer schmerzlichen Sehnsucht, welche Mozart mit solcher psychologischen Meisterschaft hervorzuheben weiß, hier nur ausnahmsweise, namentlich im Recitativ, hervor. Das war offenbar in der Individualität der Sängerin begründet, der hier eine Concession gemacht worden ist. Von der Stellung im Drama abgesehen ist diese Arie freilich von der größten Schönheit, und die Singstimme wird durch die obligaten Soloinstrumente – die im Don Giovanni sonst nirgend in dieser Weise benutzt worden sind – trefflich hervorgehoben. Man sieht auch hier, jede Bedingung war Mozart die rechte um ein schönes Musikstück zu schaffen; in seinem Don Giovanni hätte aber diese Arie schwerlich ihren Platz behauptet.

[311] Ob dem Tenoristen, Sgn. Morella, die große Arie des Ottavio zu groß war, oder ob er sich nicht damit begnügte und schon im ersten Akt eine Arie verlangte ist nicht bekannt. Die für ihn componirte Arie in G-dur (Anhang 3) Della sua pace69 folgt dem kleinen einleitenden Recitativ nach unmittelbar auf die Rachearie der Donna Anna70. In ihr spricht sich der zärtliche Liebhaber noch ausschließlicher und weicher aus als in der des zweiten Akts, der Aufschwung zum Heroischen fehlt ihr ganz, den man der Situation nach hier noch eher erwartet, und der edle Schwung in der Arie der Donna Anna läßt den Contrast um so schärfer hervortreten. Wie weit die Individualität des Sängers oder Rücksicht auf die Vorliebe des Publicums für schmachtende Liebhaber auf das starke Hervorheben dieser Seite eingewirkt haben, mag dahin gestellt bleiben; dies zugegeben ist gegen die Arie nichts einzuwenden. Sie ist einfach und wahr im Ausdruck der Empfindung, weich und zart ohne Süßlichkeit und vom reinsten Wohllaut; außer der schönen klaren Hauptmelodie sind einzelne Stellen, wie der Uebergang nach H-moll und der Rückgang nach D-dur bei den Worten: e non ho bene, s'ella non l'ha und der Schluß von überraschender Wirkung.

Drastischere Mittel auf das Publicum zu wirken sollten in dem Duett zwischen Zerlina und Leporello Per [312] queste tue manine (Anhang 4) zu Geltung kommen. Die Situation ist derb komisch – Leporello wird von Zerlina arg mißhandelt und zuletzt festgebunden –; offenbar sollte hier dem Publicum, das in einer opera buffa brav lachen wollte, ein Opfer gebracht werden. Daß Benucci ein ausgezeichneter Komiker in jeder Gattung war wissen wir, von Sgra. Mombelli läßt dies Duett schließen daß sie vorwiegend buffa war. Zerline äußert ihren Zorn und ihre Rachlust mit großer Zungenfertigkeit lebhaft genug, aber die Anmuth und Schalkhaftigkeit, welche sie sonst auszeichnen, hat sie hier ganz abgestreift. Das Duett wäre in einer eigentlichen Opera buffa vollkommen am Ort; in den Don Giovanni gehört es nicht, weil es Leporello und Zerline in einer Weise in den Vordergrund bringt, welche mit der Haltung des Ganzen durchaus nicht übereinstimmt und weil es beide Personen in ein zu grelles und im Verhältniß zur übrigen Charakteristik sogar falsches Licht setzt71.

Mozart hatte also wohl Recht, wenn er meinte Aenderungen und Zusätze könnten seiner Oper nicht aufhelfen; sie scheinen auch auf das Wiener Publicum nicht sonderlich gewirkt zu haben, das sich in diese ungewöhnliche Erscheinung nicht finden konnte. Wie Haydn in einer großen Gesellschaft beim Fürsten R[osenberg] die tadelnden Urtheile der Musiker und Kenner durch die Aeußerung zum Schweigen [313] brachte daß nach seiner Ueberzeugung Mozart der größte Componist sei72 ist bereits erzählt worden (III S. 313).

In deutschen Bearbeitungen machte Don Giovanni zunächst seinen Weg über die Bühnen Deutschlands. Im October 1789 wurde er in Mannheim mit außerordentlichem Beifall gegeben73, um dieselbe Zeit führte ihn Schröder in Hamburg auf. Schink, der den Text der Oper hart verurtheilt, äußert sich um so enthusiastischer über die Musik74. »Wer hieß Mozart« sagt er »zu einem so italiänisch wahren Opernthema eine so unopernmäßige, schöne, große und edle Musik setzen? Ist dieser prachtvolle, majestätische und kraftreiche Gesang wohl Waare für die gewöhnlichen Opernliebhaber, die nur ihre Ohren ins Singspiel bringen, ihr Herz aber zu Hause lassen? – Das Schöne, Große und Edle in der Musik zum Don Juan wird überall nur immer einem kleinen Haufen Auserwählter einleuchten. Es ist keine Musik für Jedermanns Geschmack, die bloß das Ohr kitzelt und das Herz verhungern läßt. Man muß, sie in ihrer ganzen Vortrefflichkeit zu fühlen, wahren musikalischen Sinn, richtige, gebildete Begriffe von dem ersten und höchsten Zweck der Tonkunst haben; muß wissen, wozu Gesang da ist und was er wirken soll. Mozart ist kein gewöhnlicher Componist. Man hört bei ihm nicht bloß leichte gefällige Melodien aufs Gerathewohl. Seine Musik ist durchdachtes, tief empfundenes Werk, den Charakteren Situationen und Empfindungen seiner Personen angemessen. Sie ist Studium der Sprache, die er musikalisch behandelt, richtige Kenntniß der Prosodie. Er beobachtet in der Länge und Kürze der [314] Silben, in dem Charakter des Ausdrucks genau das Verhältniß, welches dem natürlichsten Maaß am nächsten kommt, und die möglichste Uebereinstimmung der musikalischen Töne mit denen, durch die sich die Empfindung in der Deklamation äußern würde. Seine Modulationen stimmen, wenige Fälle ausgenommen, vollkommen mit den Regeln einer richtigen Deklamation überein; seine Interpunktionen sind wahr und seine Pausen mit weiser Prüfung angebracht. Er legt nie Laufer und Triller in Silben, die derselben nicht fähig sind, und verschnirkelt überhaupt nie seinen Gesang mit unnöthigen und seelenlosen Coloraturen. Das heißt den Ausdruck aus der Musik verbannen und der Ausdruck liegt nie in einzelnen Worten, sondern in der klugen, natürlichen Vereinigung der Töne, durch die die wahre Empfindung spricht. Diesen Ausdruck hat Mozart völlig in seiner Gewalt. Bei ihm kommt jeder Ton aus Empfindung und geht in Empfindung über. Sein Ausdruck ist glühend, lebhaft und malerisch, ohne doch üppig und schwelgerisch zu werden. Er hat die reichste und doch auch die mäßigste Phantasie. Er ist der wahre Virtuos, bei dem nie die Einbildungskraft mit dem Verstande davon läuft; Räsonnement leitet seine Begeisterung und ruhige Prüfung seine Darstellung.«

Schwieriger war die Kritik in Berlin, wo Don Giovanni am 20 Dec. 1790 zum erstenmal in Gegenwart des Königs aufgeführt wurde75. »Ist je eine Oper mit Begierde [315] erwartet worden«, heißt es in der Chronic von Berlin (IX S. 132ff.) »hat man je eine Mozartsche Composition schon vor der Aufführung mit Posaunenton bis zu den Wolken erhoben, so war es eben dieser Don Juan. Man ging sogar so weit und sagte, seit Adam in den Apfel gebissen bis zum Reichenbacher Congreß sei nichts Größeres, nichts Vortrefflicheres, nichts so unmittelbar von Euterpe inspirirt worden als eben dieser Don Juan. Auch ermangelten nicht verschiedene von Mozarts warmen Freunden zu behaupten daß seitdem Mozart seinen Don Juan geschrieben, seien die Hippokrene und Aganippe so ausgetrocknet daß für alle nachkommenden Tonkünstler kein Tropfen Begeisterung auf dem Helikon mehr zu holen wäre. – Daß Mozart ein vortrefflicher, ein großer Componist ist wird alle Welt gestehen, ob aber nie was Größeres vor ihm sei geschrieben worden und nach ihm werde geschrieben werden als eben diese Oper quaestionis daran erlaube man uns zu zweifeln. Pedanten und Kleinigkeitskrämer mögen immer die Tonfolgen und ihre nothwendig daraus entstehende Harmonie nach aller Präcision und Regel taktisch auf-und abmessen, ihre Grenzen und Verhältnisse bestimmen – das wir denn beim Tänischen Choral und den Bachischen Kirchenmusiken allenfalls billigen, damit so etwas nicht ganz verloren geht; aber theatralische Musik kennt keine andere Regel, keinen anderen Prüfungsrichter als das Herz, ob und wie sie darauf wirkt bestimmt alsdann allen Werth derselben. Nicht Kunst in Ueberladung der Instrumente, sondern das Herz, Empfindung und Leidenschaften muß der Tonkünstler sprechen lassen, dann schreibt er groß, dann kommt sein Name auf die Nachwelt und ein immer grünender Lorbeer blüht ihm im Tempel der Unsterblichkeit. Gretry, Monsigny und Philidor werden davon Beweise sein. Mozart wollte bei seinem Don Juan etwas[316] Außerordentliches, unnachahmlich Großes schreiben; so viel ist gewiß, das Außerordentliche ist da, aber nicht das unnachahmlich Große! Grille, Laune, Stolz, aber nicht das Herz war Don Juans Schöpfer, und wir wünschten lieber in einem Oratorium oder sonst einer feierlichen Kirchenmusik die hohen Möglichkeiten der Tonkunst von ihm zu bewundern erhalten zu haben als in seinem Don Juan, dessen Ausgang so ziemlich analog ist mit einer Schilderung des jüngsten Gerichts, wo wie Seifenblasen die Gräber aufspringen, Berge platzen und der Würgengel des Herrn mit der Schrecktrompete zum Aufbruch bläst. Bei alle dem hat diese Oper der Direction gute Einnahmen geschafft, und die Gallerie, die Logen und das Parket werden in der Folge nicht leer sein; denn ein geharnischter Geist und feuerspeiende Furien sind ein sehr starker Magnet. Ach, Verstand der Abderiten!«76

Den ganz ungewöhnlichen Erfolg bestätigt auch ein Aufsatz in derselben Chronik (IX S. 316ff.), welcher mit einer moralischen Entrüstung, die nur durch die Geschmacklosigkeit desselben überboten wird, nachweisen will daß in diesem Singschauspiel das Auge gesättigt, das Ohr bezaubert, die Vernunft gekränkt, die Sittsamkeit beleidigt wird und das Laster Tugend und Gefühl mit Füßen tritt77. »In allen Gesellschaften« heißt es »war Don Juan ein Theil der Unterhaltung; an allen öffentlichen Orten, es mochte Ton oder[317] nicht Ton sein dahin zu gehen, Don Juan blieb nicht aus dem Gespräch, und selbst da, wo man hätte glauben sollen daß Vulcans treulose Gemahlin die Alleinherrscherin wäre, konnte sie doch dem Namen dieses Wundermannes den Eingang nicht verwehren.« Die Hauptursache der vollen Häuser findet der Verfasser in der »über jeden Ausdruck erhabenen« Musik. »Wenn je eine Nation auf einen ihrer Mitgenossen stolz sein konnte«, sagt er »so sei es Deutschland auf Mozart, den Musikverfasser dieses Singspiels. Nie, gewiß nie wurde die Größe eines menschlichen Geistes fühlbarer, und nie erreichte die Tonkunst eine höhere Stufe! Melodien, die ein Engel erdacht zu haben scheint, werden hier von himmlischen Harmonien begleitet, und der dessen Seele nur einigermaßen empfänglich für das wahre Schöne ist, wird gewiß mir verzeihen, wenn ich sage: das Ohr wird bezaubert.« Indessen kann er sich der stillen Wünsche nicht entschlagen: »O daß du deines Geistes Stärke nicht so verschwendet hättest! daß dein Gefühl vertrauter mit deiner Phantasie gewesen wäre und diese dir nicht so unsaubere Stufen zur Größe gezeigt hätte! – Nein, theurer Mann, sei künftig nicht mehr so grausam gegen deine so liebenswürdige Muse! – Was könnte es dir frommen, wenn dein Name mit Diamantschrift auf einer goldenen Tafel stände – und diese Tafel hinge an einem Schandpfahl!«

Spazier, der den »wahren, unerborgten, ungekünstelten Ideenreichthum eines Mozart« anerkannte (mus. Wochenbl. S. 158) und von seinem Don Giovanni sagte daß einzelne Arien desselben mehr inneren Werth hätten als ganze Opern Paisiellos (mus. Monatsschr. S. 122), bemerkt ein andermal (mus. Wochenbl. S. 19): »Das Vergnügen ein Kunstgenie einen seltenen Gang mit Leichtigkeit nehmen zu sehen, wobei man die Ahnung habe daß es Anderen die ungeheuersten [318] Anstrengungen machen würde, wird Mühe und Arbeit, die sich nur erst wieder durch den Umweg des Studiums in Genuß verwandelt, wenn ein solcher Künstler sich einmal von ganzer Seele anstrengt, wie dies sich vorzüglich auf den Don Juan von Mozart anwenden läßt, in welchem er dem Zuhörer seine Kunst in ganzen Massen zuwirft, und wodurch das vortreffliche Ganze beinahe unübersehbar wird.« Die verheißene ausführliche Besprechung ist nicht erfolgt.

Aufrichtige, bewundernde Anerkennung sprach ein Künstler aus, B. A. Weber, den wir bereits als Beurtheiler Mozarts kennen (III S. 471), seit kurzer Zeit in Berlin anwesend (mus. Wochenbl. S. 30f.): »Man vereinige tiefe Kenntniß der Kunst mit dem glücklichsten Talent reizende Melodien zu erfinden und verbinde dann beide mit der größtmöglichsten Originalität, so hat man das treffendste Bild von Mozarts musikalischem Genius. Nie kann man in seinen Werken einen Gedanken finden, den man schon einmal gehört, sogar sein Accompagnement ist immer neu. Unaufhörlich wird man ohne Ruhe und Rast von einem Gedanken zum anderen fortgerissen, so daß die Bewunderung des letzten beständig die Bewunderung aller vorhergehenden in sich verschlingt und man mit Anstrengung aller seiner Kräfte kaum die Schönheiten alle fassen kann, die sich der Seele darbieten. Sollte man Mozart eines Fehlers zeihen wollen, so wäre dies wohl das einzige: daß diese Fülle von Schönheiten die Seele beinahe ermüdet und daß der Effekt des Ganzen zuweilen dadurch verdunkelt wird. Doch wohl dem Künstler, dessen einziger Fehler in allzugroßer Vollkommenheit besteht!«78 Indem es [319] beinahe unmöglich sei bei einer Mozartschen Oper ins Detail zu gehen, weil man weder Anfang noch Ende finden könne, hebt er als einige der vorzüglichsten Stücke vor allen die Ouverture, das Quartett, das erste Finale, das Septett, und den Schluß der Oper hervor, in welchem das Grausende der Scene so richtig ausgedrückt sei, daß sich wirklich beim Zuhören die Haare sträuben; sodann zum Beweise daß Mozart auch das Heitere gelinge, den Bauernchor und das allerliebste Duett La ci darem la mano, welches eine bezaubernde Melodie habe.

Allein das wurde ihm streng verwiesen von einem Leser des Blattes, der seine »freimüthigen Gedanken« in demselben zu äußern pflegte. »Sein Urtheil über Mozart« sagt er (mus. Monatsschr. S. 139) »ist höchst übertrieben und einseitig. Niemand wird in Mozart den Mann von Talenten und den erfahrnen, reichhaltigen und angenehmen Componisten verkennen. Noch habe ich ihn aber von keinem gründlichen Kenner der Kunst für einen correcten, viel weniger vollendeten Künstler halten sehen, noch weniger wird ihn der geschmackvolle Kritiker für einen in Beziehung auf Poesie richtigen und seinen Componisten halten«79.

[320] Die verschiedenen Auffassungen, wie sie auch an anderen Orten sich geltend machten, mögen hierin so ziemlich ausgesprochen sein; Lob wie Tadel bekunden deutlich, daß man von allen Seiten empfand, es handle sich hier um eine neue Erscheinung von hoher Bedeutung. Nach der Aufführung in Weimar schrieb Goethe 30 Dec. 1797 an Schiller (403 I S. 432): »Ihre Hoffnung, die Sie von der Oper hatten80, würden Sie neulich im Don Juan auf einen hohen Grad erfüllt gesehen haben; dafür steht aber auch dieses Stück ganz isolirt und durch Mozarts Tod ist alle Aussicht auf etwas Aehnliches vereitelt.« Sehr rasch wurde auch die Anerkennung von Seiten des Publicums eine allgemeine; es war bald keine deutsche Bühne von der Don Giovanni nicht dauernd Besitz genommen hätte81.

[321] In Paris lernte man die Oper zuerst im Jahr 1805 kennen, in einer wahrhaft entsetzlichen Entstellung und Verstümmelung, deren Urheber C. Kalkbrenner war; Text und Musik waren gleich jämmerlich mißhandelt. Ganze Musikstücke waren gestrichen, wie die Rachearie Donna Annas, andere in einen ganz anderen Zusammenhang gebracht, z.B. das Duett O statua gentilissima wurde in einem Wirthshause beim Wein ohne die Statue, ja das Maskenterzett mit dem Text


Courage, vigilance,

Adresse, défiance;

Que l'active prudence

Préside à nos desseins


von drei Gensdarmen gesungen! Zu alle dem kam noch eingelegte Musik von Kalkbrenner82 und doch gefiel dies Machwerk eine Zeitlang. Im Jahre 1811 wurde Don Giovanni zuerst in seiner ursprünglichen Gestalt von den Sängern der italiänischen Oper gegeben und seitdem haben auf dieser Bühne die ausgezeichnetsten Künstler Mozarts Meisterwerk in einer selten unterbrochenen Folge auf dem Repertoire erhalten83. Endlich wurde Don Juan französisch bearbeitet durch Castil-Blazes Bemühung, der schon 1822 in Lyon, darauf 1827 in Paris im Odeontheater damit einen Versuch gemacht hatte, 1834 auch in der Académie de musique mit trefflicher Besetzung, in glänzender Ausstattung zur Aufführung gebracht84.

[322] In London, wo sich da Ponte 1792 vergebens bemühete Mozarts Don Giovanni auf die Bühne zu bringen, dem man den noch zu erwähnenden Don Giovanni von Gazzaniga vorzog85, bahnte der große Erfolg des Figaro im April 1817 auch dem Don Giovanni den Weg, der seitdem auch hier zu den Hauptleistungen der italiänischen Oper gezählt wird86. Der Beifall, welchen die erste italiänische Vorstellung fand, war so groß daß der Besitzer vom Covent Garden Theater eine englische Bearbeitung veranlaßte, welche im Mai desselben Jahrs in vorzüglicher Weise aufgeführt keinen geringeren Erfolg hatte87.

Während Don Giovanni so im Norden, auch in Petersburg, Stockholm und Kopenhagen, heimisch wurde, hat er in Italien trotz wiederholter Versuche keine allgemeine und warme Theilnahme beim Publicum finden können, wenn gleich eine Anzahl von Kennern ihm eine gewisse ehrende Anerkennung nicht versagten. In Rom, wo Don Giovanni zuerst im Jahr 1811 gegeben wurde, hatte man große Sorgfalt aufs Einstudiren verwendet, auch nur wenig gestrichen oder geändert, und an der Ausstattung nichts gespart. Das Publicum war sehr aufmerksam und ließ es auch an Beifall nicht fehlen; man fand, es sei una musica bellissima, superba, sublime, un musicone – aber eigentlich nicht del gusto del paese, die vielen stranezze mochten wohlbellissime sein, aber man sei eben nicht daran gewöhnt88. In Neapel gelang im folgenden Jahr der Versuch trotz der viel mangelhafteren Ausführung besser; das Publicum blieb eine Zeitlang aufmerksam und schien sich an [323] die musica classica zu gewöhnen, aber für die Dauer nachhaltig war der Erfolg auch hier nicht89. Dagegen wurde in Mailand nach der ersten Vorstellung im Jahr 1814 eben. soviel gepfiffen als geklatscht, woran die mittelmäßige Ausführung freilich ihren Antheil hatte, und bei wiederholten Vorstellungen zeigte sich auch mehr Theilnahme im Publicum90; in Turin soll sie im Jahr 1815 trotz der äußerst schlechten Ausführung gefallen haben91. In Florenz wurde Don Giovanni 1818 zuerst verstümmelt und durch fremde Einlagen entstellt auf dem Theater della Pergola gegeben und machte Fiasco, als man ihn aber darauf auf dem teatro nuovo in seiner wahren Gestalt aufführte, fand er großen Beifall92; im Jahr 1857 pfiff man dort, wie ein Freund schrieb, »die veraltete hyperboreische Musik« so nachdrücklich aus, daß sie nicht zum zweitenmal sich vors Publicum wagen konnte. Auch in Genua gefiel Don Giovanni 1824 freilich den Kennern, aber dem Haufen gar nicht93, und in Venedig gewann 1833 das Publicum erst allmählich einige Theilnahme94. Konnte doch noch neuerdings eine berühmte italiänische Sängerin in einer Probe des Don Giovanni unmuthig ausrufen: Non capisco niente a questa maledetta musica!95 Dem allen gegenüber darf man den artigen Ausspruch Rossinis geltend machen, der in einer Gesellschaft [324] gefragt wurde, welche von seinen Opern ihm die liebste sei, und als der eine diese, der andere jene nahmhaft machte, endlich erklärte:Vous voulez connaître celui de mes ouvrages que j'aime le mieux: eh bien c'est Don Giovanni96.

Der Ruhm des Don Giovanni blieb nicht auf die alte Welt beschränkt. Als Garcia mit seinen Töchtern im Jahr 1825 in Newyork italiänische Opernvorstellungen gab, forderte ihn da Ponte auf Don Giovanni aufzuführen. Garcia war gern bereit »die erste Oper der Welt« zu geben, allein es war kein Sänger bei der Gesellschaft der den Ottavio singen konnte; da Ponte machte einen Tenoristen ausfindig, und veranstaltete eine Subscription unter seinen Bekannten um das Honorar für denselben zu bezahlen97. In der Vorstellung ging am Schluß des ersten Finales alles drunter und drüber, vergebens bemühte sich Garcia, der selbst den Don Giovanni vortrefflich darstellte, Sänger und Orchester in Takt und Ton zu halten, bis er endlich den Degen in der Hand vortrat, Ruhe gebot und ausrief, es sei eine Schande ein Meisterwerk so zu verhunzen; man fing wieder an, alle nahmen sich zusammen und das Finale wurde glücklich zu Ende gebracht98. Da Ponte wurde verjüngt bei dem Beifall des Publicums; er erlebte die Genugthuung, daß ein Freund, der in der Oper sonst regelmäßig einschlief, ihm versicherte, eine solche Oper lasse ihn auch die Nacht darauf noch nicht [325] schlafen99. Ja, sein Don Giovanni brachte ihm noch Glück; als er den unerwartet reichlichen Erlös seiner Textbücher in der Lotterie einsetzte, trug er zum erstenmal einen Gewinn davon100.

Fußnoten

1 Ein Blick auf das thematische Verzeichniß seiner Compositionen nach dem Figaro zeigt, daß sie offenbar durch seine Verhältnisse als Lehrer und in der musikalischen Gesellschaft hervorgerufen waren.


1786.


3 Juni Ein Quartett für Klavier, Violin, Viola und Violoncello (Es-dur S. 45).

10 Juni Ein kleines Rondo für Klavier allein (F-dur S. 14, 2).

26 Juni Ein Waldhorn Konzert für den Leitgeb (Es-dur III S. 293ff.).

8 Juli Ein Terzett für Klavier, Violin und Violoncello (G-dur S. 41, 1).

1 August Eine Klavier Sonate auf vier Hände (F-dur S. 35).

5 August Ein Terzett für Klavier Clarinett und Viola (Es-dur S. 44).

19 August Ein Quartett für 2 Violin, Viola und Violoncello (D-dur S. 90).

12 Sept. 12 Variazionen für Klavier allein (B-dur S. 11, 12).

4 Nov. Variazionen für das Klavier auf 4 Hände (G-dur S. 11, 13).

18 Nov. Ein Terzett für Klavier, Violin und Violoncello B-dur (S. 41, 3).


Dann folgen für die Akademien des Winters bestimmt


4 Dec. Ein Klavier Konzert (C-dur S. 52, 15).

6 Dec. Eine Sinfonie (D-dur S. 124ff.).

27 Dec. Scena con Rondo mit Klavier Solo für Mlle. Storace und mich (Es-dur III S. 281f.).


2 Am 27 October 1786 wurde seine Frau von dem dritten Kinde entbunden, einem Knaben der wieder den Namen Leopold erhielt, aber schon im folgenden Frühjahr starb.


3 In Berlin wurde Figaro am 14 Sept. 1790 zuerst gegeben (Schneider Gesch. der Oper S. 59). In einer Anzeige der Chronik von Berlin (VIII S. 1229ff.) heißt es: »Mozart gehört zu den außerordentlichen Menschen, deren Ruhm Jahrhunderte dauern wird. Sein großes Genie umfaßt gleichsam den ganzen Umfang der Tonkunst, er ist reich an Ideen, seine Arbeiten sind ein reißender Strom, der alle Flüsse, die sich ihm nahen, mit sich fortnimmt. Keiner hat vor ihm ihn übertroffen und tiefe Ehrfurcht und Bewunderung wird die Nachwelt diesem großen Manne nie versagen. Man muß noch mehr als Kenner sein um ihn beurtheilen zu können. Welch ein Meisterstück die heutige Musik! Für den Kenner wie interessant! Auch für den großen Haufen? Das ist eine andere Frage.« Darauf folgt eine strenge Kritik der Darsteller, und nach der zweiten Vorstellung (16 Sept.) heißt es (S. 1244): »Das Haus war nicht so voll als am Tage der ersten Vorstellung, ein Beweis daß diese große himmlische Musik ganz außer den Grenzen des Empfindungsvermögens des hiesigen Publicums liegt; denn es kann darin nicht nachsingen wie im Baum der Diana und Lilla. Die Finales, die ein Meisterwerk der Tonkunst sind, wurden vortrefflich executirt; es ist zum Erstaunen daß so viele unmusikalische Leute so gut damit durchkommen.« In der Berliner musikalischen Monatsschrift (1792 S. 137) erklärt ein Recensent, daß Figaro unter allen theatralischen Werken Mozarts den Vorrang behaupte. – In Italien hat Figaro so wenig als andere Mozartsche Opern je durchdringen können. »Auf verschiedenen italiänischen komischen Theatern außer Wien, wo mehrere deutsche Künstler in der italiänischen Oper singen und das Orchester aus lauter Deutschen besteht, hat man jederzeit vergebliche Versuche gemacht Mozarts Compositionen auch nur erträglich vorzutragen und es ist Mozart mit den italiänischen komischen Sängern und Zuhörern oft so gegangen, wie es einem nüchternen Vernünftigen zu gehen pflegt, der in eine Gesellschaft von Betrunkenen kömmt: die ganze lustige Gesellschaft pflegt den einen für närrisch zu halten« (Berl. mus. Ztg. 1793 S. 77). Von ungünstigen Erfolgen wird wiederholt z.B. aus Florenz (A. M. Z. III S. 182), aus Mailand (A. M. Z. XVII S. 294) berichtet. In Paris ist Figaro neuerdings meistens auf dem Repertoire der italiänischen Oper gewesen; seit jenem verunglückten Versuche im Jahre 1792 (S. 291) hat man im Jahr 1858 zuerst auf dem théâtre lyrique wieder versucht die Oper in französischer Bearbeitung zu geben, und zwar mit dem glänzendsten Erfolg. – In London wurde Figaro zuerst im Jahr 1813 gegeben – die Catalani sang Susanne (Parke mus. mem. II p. 82f.) – und hielt sich fortwährend als eine der beliebtesten Opern. Ueber die Aufführung des Figaro in Paris s. Scudo crit. et. litt. mus. II. p. 458ff.


4 Eine übersichtliche Darstellung dieser Verhältnisse findet sich im Jahrbuch der Tonkunst für Wien und Prag 1796 S. 108ff. A. M. Z. II S. 488ff.


5 Gyrowetz giebt in seiner Selbstbiographie (Wien 1848) ein Bild einer solchen Jugendbildung.


6 A. M. Z. I S. 330 II S. 494. Righini war seit dem Jahr 1776 als Tenorist bei Bustellis Gesellschaft und trat auch als Componist auf (III S. 132).


7 [Blümner] Gesch. des Theaters in Leipzig S. 203.


8 Nachrichten über ihn und seine Frau finden sich in Cramers Mag. f. Mus. I S. 997f. Jahrbuch der Tonkunst 1796 S. 113f. A. M. Z. I S. 444f. Er war geboren 1736 in Chotinborek und starb 1799.


9 Reichardt (Briefe eines aufmerks. Reisenden I S. 116) rechnet ihn unter die besten Klavierspieler jener Zeit (1773), »der außerdem, daß er die Bachischen Sachen sehr gut ausführt, auch noch eine besondere, zierliche und brillante Spielart für sich hat.«


10 Sie war im Jahr 1756 in Prag geboren und ist dort hochbetagt gestorben. Die Angabe von Fétis daß sie sich um 1800 nach London begeben und dort bis zu ihrem Tode gelebt habe ist ein Irethum, der auf einer Verwechslung beruht. Die Sängerin Dussek, Frau des Klavierspielers, welche in London 1800 auftrat (Parke mus. mem. I p. 281f.), war die Frau des damals berühmteren Joh. Ludw. Dussek, geb. Corri.


11 Sie hatte am 22 April in Leipzig ein Concert gegeben (Busby Gesch. d. Mus. II S. 668).


12 Aus Leop. Mozarts Briefen an seine Tochter erfährt man daß Graf Clamm »ein schöner, freundlicher, lieber Mann, ohne Cavaliere stolz«, der erklärte »Amant« der Frau Duschek war und »ihr die ganze Equipage unterhielt.«


13 Dieser Brief ist gedruckt Wiener Ztschr. 1842 N. 79 S. 627f.


14 Vgl. III S. 332.


15 Oper von Paisiello.


16 Die hier weggelassenen Stellen, welche sich auf Mozarts freundschaftliches Verhältniß zum Jacquinschen Hause beziehen, sind schon III S. 327f. mitgetheilt.


17 Die kleinen Ungenauigkeiten in Niemtscheks Bericht (S. 27): »Er kam im Februar [statt Januar] 1787 nach Prag: am Tage seiner Ankunft wurde Figaro gegeben und Mozart erschien darin; alsogleich verbreitete sich der Ruf von seiner Anwesenheit im Parterre, und so wie die Sinfonie zu Ende ging, klatschte ihm das ganze Publicum Beifall und Bewillkommen zu« werden durch die Briefe Mozarts und seines Vaters berichtigt.


18 Niemtschek »las den Brief im Original und fand ihn sehr gut geschrieben« (S. 28); leider hat er ihn nicht mitgetheilt.


19 Die Violinen waren dreifach, Bratschen und Bässe waren doppelt besetzt (A. M. Z. II S. 522f.).


20 Niemtschek S. 26. Holmes erzählt (p. 278) daß er nach einer Aufführung des Figaro von dem ersten Fagottisten dieselbe Aeußerung gehört habe.


21 André Verz. 264. Jeder Teutsche hat sein Alternativo, und durch kurze Uebergänge sind sie, da sie aus verschiedenen Tonarten gehen, zu einem zusammenhängenden Ganzen vereinigt – worauf Mozart in einer Anmerkung noch besonders aufmerksam macht –; eine etwas längere Coca mit einem zweimaligen Crescendo bildet den Abschluß; übrigens sind sie leicht hingeworfen ohne andere Prätension als zum Tanzen zu animiren. Zum Schluß bemerkt er: »Da ich nicht weiß was für Gattung Flauto piccolo hier ist, so habe ich es in den natürlichen Ton gesetzt; man kann es allzeit übersetzen.«


22 Io concepii facilmente, sagt er (mem. II p. 70) che la immensità del suo genio domandava un soggetto esteso, multiforme, sublime.


23 Mozart schrieb im März für ihn die schöne ArieNon sò d'onde viene (II S. 172f.).


24 Sein Bericht findet sich in Cramers Magazin f. Musik 1788 II S. 47ff.


25 Er hat selbst eine höchst naive und unterrichtende Selbstbiographie verfaßt (Leipz. 1801). Karl Ditters ist 1739 in Wien geboren und erregte schon als Knabe durch sein Violinspiel Aufsehen, daß ihn der Prinz von Hildburghausen 1751 in seine Dienste nahm und ihm eine sorgfältige Erziehung geben ließ. Im Jahr 1765 übernahm er, nachdem er mit Gluck eine Reise nach Bologna gemacht hatte, beim Fürstbischof von Großwardein die Leitung der Kapelle und des Privattheaters bis zu ihrer Auflösung. Darauf ernannte ihn der Fürstbischof von Breslau, nachdem er unter dem Namen Dittersdorf geadelt war, 1773 zum Amthauptmann von Freienwalde, was ihn aber nicht hinderte als dessen Kapellmeister zu fungiren. Dort fiel er 1794 in Ungnade und verlebte auf dem Gute des Freiherrn v. Stillfried seine letzten Lebensjahre in Dürftigkeit und Krankheit, und starb dort 1799.


26 Eine ausführliche, theilweis sehr anerkennende Beurtheilung dieses Oratoriums von Spazier findet sich im Berliner musik. Wochenblatt S. 41ff.


27 Eine italiänische Oper Democrito corretto von Dittersdorf, welche am 2 Jan. 1787 zuerst aufgeführt wurde, fiel dagegen vollständig durch.


28 Gerber charakterisirt ihn ausführlich als den ersten und eigentlichen Meister im populären Stil, dem komische Laune und das Talent der Karikatur vor allen verliehen wären (A. M. Z. I S. 307ff.); auch Triest bezeichnet ihn als den vorzüglichsten Volkscomponisten, dem es möglich gewesen wäre die Ehre der Deutschen hinsichtlich der komischen Musik zu retten, doch bedauert er daß Dittersdorf zu viel und zu rasch geschrieben und zu wenig Gewicht auf die Textbücher gelegt habe (A. M. Z. III S. 377ff.). Vgl. Biedenfeld, die komische Oper S. 60ff.


29 Auf Veranlassung seiner Oper »Betrug durch Aberglauben« heißt es im Berliner musikalischen Wochenblatt (1791 S. 37): »Daß die Dittersdorfischen Opern insgesammt auf allen Theatern Deutschlands so viel Glück gemacht, ist wohl unstreitig dem zuzuschreiben daß sie der Fassungskraft eines jeden, selbst des ungebildeten Zuhörers angemessen sind. Die Melodien sind, wenn auch nicht immer neu und edel, doch immer so ins Gehör fallend, daß man den Augenblick in Versuchung geräth sie mitzusingen. Die Arien sind für den Sänger so brillant gesetzt, daß man gezwungen ist Beifall zu geben, selbst dann, wenn der Text eine andere Behandlung zu erfordern schiene. Nimmt man nun dazu noch die echt komische, wirklich schätzenswerthe Laune dieses Componisten und sein äußerst glänzendes Accompagnement, welches er durch eine gewisse Hülle von Blasinstrumenten noch zu heben weiß, so ist es um so viel weniger zu verwundern, daß seine Opern so großen und anhaltenden Beifall erhalten haben.« Später wird aber doch bemerkt (S. 54), er habe seine Lieblingsmelodien und seine Lieblingsgänge in der Harmonie, »wel che immer wiederkommen – und immer gefallen«; und bei Gelegenheit seines Hieronymus Knicker werden die Schwächen etwas stärker betont und beklagt, das unersättliche Publicum wolle, daß der Künstler von Zeit zu Zeit auf den großen Markt ziehe und Stücke von der Hand schlage, es verlange Neuheit und Masse (ebend. S. 163).


30 Müller Abschied S. 277.


31 Das Verzeichniß weist nach im Jahr 1787


11 März Ein Rondo für das Klavier allein (A-moll S. 14).

18 März Scena für Hrn. Fischer Non sò d'onde viene (II S. 172f.).

23 März Arie für Hrn. Gottfried von Jacquin Mentre ti lascio (III S. 329f.).

19 April Quintett für 2 Violin, 2 Viole u. Violoncello (C-dur S. 100).

16 Mai Quintett für 2 Violin, 2 Viole u. Violoncello (G-moll S. 101ff.). 18, 20, 23, 26 Mai je ein Lied.

29 Mai Eine Klavier-Sonate auf 4 Hände (C-dur S. 35f.).

11 Juni Ein musikalischer Spaß (F-dur III S. 339ff.).

24 Juni Zwei Lieder.

10 Aug. Eine kleine Nachtmusik bestehend in einem Allegro, Menuett und Trio, Romance, Menuett und Trio und Finale – 2 Violini, Viola e Bassi (G-dur André Verz. 186, meines Wissens ganz unbekannt geblieben).

24 Aug. Eine Klavier-Sonate mit Begleitung einer Violin (A-dur S. 37, 11).


32 Cramer Magaz. f. Musik 1788 II S. 53.


33 »Mozart auf der Reise nach Prag« ist von Eduard Möricke in einer Novelle (Stuttgart 1856) dargestellt worden, welche die Anmuth und Feinheit ihres Verfassers nicht verläugnet. Indessen mag man doch bedauern, daß grade von dieser Hand in der Charakteristik des großen Meisters die Seite des leichten Lebemannes so hervorgekehrt ist; und daß ein Dichter Mozart eine Art des Componirens zuschreiben konnte, die wenigstens seiner künstlerischen Natur so fern wie möglich lag, ist kaum begreiflich.


34 Manche Nachrichten über diesen Aufenthalt in Prag giebt J.N. Stiepanek in der Vorrede seiner böhmischen Uebersetzung des Don Giovanni (Prag 1825, deutsch bei Nissen S. 515ff.). Dann sind die Prager Reminiscenzen bei Gelegenheit des Mozart-Jubiläums in der Bohemia (1856 N. 21–24) wieder aufgefrischt. Einzelne Züge hat auch J.P. Lyser in seiner sogenannten Kunstnovelle »Don Giovanni«, die mit ähnlichen im Mozart-Album (Hamburg 1856) wiederholt ist, nach den Mittheilungen, welche ihm der Sänger L. Bassi gemacht habe, erzählt. Allein hier fehlt es sichtlich nicht allein an ästhetischer Bildung sondern auch an dem sicheren Gefühl für historische Wahrheit und deren Ueberlieferung, so daß von diesen Geschichtchen nur sehr vorsichtig Gebrauch gemacht werden darf. Noch viel tiefer steht Herib. Rau's »culturhistorischer Roman« Mozart (Frkf. 1858), der mit Cultur und Geschichte gleich wenig gemein hat; namentlich ist die Schilderung des Prager Aufenthalts eine empörende Schmähung des sittlichen und künstlerischen Charakters Mozarts, wie sie keiner seiner Gegner versucht hat.


35 Ost und West 1839 N. 42 S. 172. Man hat später an diesem Hause eine Gedenktafel errichtet.


36 Der Weingarten heißt Petranka (Smichow N. 169) und gehört nach Angabe der Bohemia (1856 S. 118) dem Kaufmann Lambert Popelka.


37 Für diese Angabe könnte man allenfalls gelten machen daß das Duett in der Originalpartitur auf kleinerem Papier und mit etwas anderer flüchtiger Hand geschrieben als die übrigen Nummern sich findet; ebenso die Arie des Masetto (Anhang 2). Das weist allerdings darauf hin daß sie später als die Hauptmasse entweder ganz nachcomponirt oder umgearbeitet worden sind.


38 Castil-Blaze hat diese Kunstnovellen sämmtlich ohne Weiteres als baare Geschichte angenommen (Molière musicien I p. 310ff.).


39 Da Ponte mem. II p. 102.


40 In der Originalpartitur fehlt das Recitativ mit diesen beiden Stellen, so daß die Aenderungen nicht mehr zu controliren sind. Im Idomeneo ist das Orakel nur von Posaunen und Hörnern begleitet.


41 In der Originalpartitur sind keine Trompeten und Pauken notirt, auch ist nicht auf ein Extrablatt verwiesen; sie werden also wohl ein späterer Zusatz sein.


42 Nissen S. 519f. 559f.


43 Zur Feier der Vermählung war in Wien am 1 Oct. Martins Arbore di Diana gegeben worden, welche noch im selben Jahre neun Vorstellungen erlebte.


44 Diese Unterredung mit Kucharz, deren Gewährsmann ich (III S. 426) nicht nachweisen konnte, ist von Niemtschek in der zweiten Ausgabe seiner Biographie (Prag 1808), die ich erst später kennen lernte, erzählt (S. 87f.).


45 Von Nissen S. 507 und seitdem allgemein wird der 4 Nov. angegeben; das richtige Datum giebt der gleich anzuführende Brief an Jacquin.


46 In Mozarts thematischem Catalog ist neben dem Thema der Ouverture unter dem 28 October eingetragen »Il Dissoluto punito o il Don Giovanni Opera buffa in 2 Atti – Pezzi di musica 24.« Die Ouverture ist wie gewöhnlich als ein Stück für sich geschrieben, mit auffallend flüchtigen Zügen, aber fast ohne alle Aenderungen.


47 In »Mozarts Geist« wird berichtet Mozart habe die anfänglich in Prag geschriebene Ouverture später auf Haydns Rath mit einer zweiten, der jetzt bekannten vertauscht. Nach Lyser (Mozart-Album S. 27) wäre der wabre Sachverhalt, wie ihn Duschek und Bassi erzählten, folgender. Mozart sei eines Tags zu Duschek gekommen, als eben Bassi anwesend war, und habe erklärt, es gehen ihm zum Don Giovanni drei Ouverturen im Kopfe herum; er könne sich für keine entscheiden und erbitte sich darüber ihr Urtheil. Darauf habe er ihnen drei köstliche, ihrem inneren Werthe nach gleiche Ouverturen vorgespielt, eine in Es-dur, die zweite in C-moll, eine freie Fuge, wie jene zur Zauberflöte aber im Charakter ganz von ihr verschieden, die dritte in D, welche beide für die passendste erklärt hatten und die Mozart dann später so rasch niedergeschrieben habe; die anderen beiden auch aufzuschreiben sei er aber nie zu bewegen gewesen.


48 Die Besetzung bei der ersten Aufführung in Prag war folgende:


Don GiovanniSign. Luigi Bassi

Donna AnnaSgra. Teresa Saporiti

Donna ElviraSgra. Caterina Micelli

Don OttavioSign. Antonio Baglioni

LeporelloSign. Felice Ponziani

Don PedroSign. Giuseppe Lolli

MasettoSign. Giuseppe Lolli

ZerlinaSgra. Teresa Bondini.


49 Eine sehr ungünstige Charakteristik von seiner Geldgier und völligen Rücksichtslosigkeit gegen Künstler und Publicum wird A. M. Z. II S. 537 gegeben.


50 Da Ponte mem. II p. 103. Das Honorar, welches er bezog, waren 50 Ducaten.


51 Dieser Brief ist gedruckt Wien. Ztschr. 1842 N. 79 S. 625f.


52 Vgl. II S. 561. III S. 328.


53 Die Wiener Zeitung (1787 N. 91) ließ sich folgendermaßen darüber vernehmen: »Montag 29 Oct. wurde von der italiänischen Operngesellschaft in Prag die mit Sehnsucht erwartete Oper des Meisters Mozart Don Giovanni, das steinerne Gastmahl aufgeführt. Kenner und Tonkünstler sagen daß zu Prag ihresgleichen noch nicht aufs geführt worden. Herr Mozart dirigirte selbst und als er in das Orchester trat, wurde ihm ein dreimaliger Jubel zugerufen, welches auch bei seinem Austritt geschah. Die Oper ist übrigens äußerst schwer zu exequiren und Jeder bewundert demungeachtet die gute Vorstellung derselben nach so kurzer Studierzeit. Alles, Theater und Orchester, bot seine Kräfte auf Mozarten zum Dank mit guter Exekution zu belohnen. Es wurden auch sehr viele Kosten durch mehrere Chöre und Decorationen erfordert, welches alles Herr Guardasoni glänzend hergestellet hat. Die außerordentliche Menge Zuschauer bürgen für den allgemeinen Beyfall.«


54 So wird nach dem Berichte von Mozarts Sohne in der Berl. Musikztg. Echo (1856 N. 25 S. 198f.) erzählt.


55 In Mozarts thematischem Katalog ist unter dem 3 Nov. 1787 eingetragen »Scena für Mad. Duschek.Recitativo: Bella mia fiamma. Aria: resta o cara.« Sie ist unter den gedruckten Concertarien N. 2. Woher der Text entlehnt sei ist mir unbekannt.


56 Ueber die Schicksale dieser Oper f. L. de Loménin Beaumarchais et son temps II p. 399ff.


57 Da Ponte mem. II p. 98. Mosel, Salieri S. 98ff. 128ff.


58 Müller Abschied v. d. Bühne S. 277f.


59 Da Ponte mem. II p. 108. A. M. Z. XXIV S. 284. Axur wurde im Jahr 1788 neunundzwanzigmal aufgeführt.


60 Als Lieblingsoper des Kaisers wird Axur bezeichnet mus. Korr. 1790 S. 30.


61 Man sehe z.B. die Anzeige aus Berlin im musik. Wochenbl. S. 5ff.


62 Mein Freund Gabr. Seidl theilt mir mit daß in der Theaterrechnung 1788–1789 verzeichnet ist S. 45, 127 »dem da Ponte Lorenz für Componirung der Poesi zur Opera il Don Giovanni 100 fl.« und S. 47, 137 »dem Mozart Wolfgang für Componirung der Musique zur Opera il Don Giovanni 225 fl.«


63 Don Giovanni wurde in diesem Jahr funfzehnmal aufgeführt, und zwar 7. 9. 12. 23. 26. 30 Mai. 16. 23 Juni. 6. 11. 21. 31 Juli.? Aug. 3 Nov. 15 Dec. Langes (Selbstbiogr. S. 171) Erzählung, Don Giovanni sei nach der dritten Aufführung zurückgelegt, beruht also auf Irrthum. Allein nach dem Jahr 1788 hielt man ihn von der Bühne fern und er ist erst am 5 Nov. 1792 wieder in einer elenden deutschen Bearbeitung von Spieß auf der Wieden aufgeführt worden.


64 Die Besetzung in Wien war folgende


Don GiovanniSign. Steffano Mandini

Donna AnnaSgra. Aloisia Lange

Donna ElviraSgra. Caterina Cavalieri

Don OttavioSign. Francesco Morella

LeporelloSign. Benucci

Don Pedro unbekannt

Masetto unbekannt

ZerlinaSgra. Luisa Mombelli.


65 Es ist mir nicht gelungen ein gedrucktes Textbuch der Wiener Oper aus jener Zeit aufzutreiben; die Tradition jener Aufführungen scheint sich ganz verloren zu haben und bei so vielen Bemühungen um Text und in Inscenesetzung ist doch danach gar nicht gefragt worden.


66 Cramer Magazin d. Mus. Juli 1789 S. 47.


67 Die »Scena für Mlle. Cavalieri« ist unter dem 30 April eingetragen; das Original war bei André (Verz. 53). Die Cavalieri wollte dieselbe in E-dur statt inEs-dur singen, deshalb hat Mozart nach dem 19 Takt des Recitativs folgende Aenderung gemacht


17.

und über die Arie selbst geschrieben »in E«.


68 Ueber diesen ist eingehende Belehrung von Gumprecht (klass. Sopranalbum S. VIII f.) gegeben.


69 Im Original (André Verz. 52) ist die Tempobezeichnung Andantino sostenuto. Die gedruckte Partitur ist correct, nur daß die drei Achtel der Hörner S. 324 Takt 13 und S. 326 Takt 8 nicht piano sondernforte bezeichnet sind.


70 Dieses Recitativ, in welchem D. Ottavio sagt, er könne einem Edelmanne eine solche Schandthat nicht zutrauen, wolle aber alles aufbieten die Wahrheit zu entdecken, um die Geliebte zu enttäuschen und zu rächen, dürfte im Dialog nicht fehlen, weil es das Auftreten der Masken im Finale motivirt.


71 In der Originalpartitur ist im letzten Finale eine bedeutende Kürzung, wie es scheint für die Aufführung in Wien, vorgenommen worden. Es ist nämlich von S. 293 Takt 15 bis S. 297 Takt 9 alles gestrichen und auf einem Beiblatt der in der musikalischen Beilage VI mitgetheilte Uebergang zu den letzten Takten des Larghetto, das der Hauptsache nach gestrichen wurde, verzeichnet. Dies darf man wohl als eine wirkliche Verbesserung ansehen.


72 Parke berichtet (mus. mem. I p. 171) daß er ähnliche Aeußerungen über Mozart aus Haydns Munde wiederholt gehört habe.


73 Journal der Moden 1790 S. 50.


74 Schink dramaturgische Monate (1790) II S. 320ff.


75 Schneider Gesch. d. Berl. Oper S. 59. In einem Bericht aus Berlin im Journal der Moden (1791 S. 76) heißt es: »Die Composition dieses Singspiels ist schön, hie und da aber sehr künstlich, schwer und mit Instrumenten überladen. Der Inhalt des Stücks ist das alte bekannte Sujet, das nur durch die burlesken Spaße des Leporello, vorzeiten des Hanswursts, und durch den steinernen Comthur zu Pferde dem großen Haufen gefällt.«


76 Don Giovanni wurde in 10 Tagen fünfmal gegeben. In derselben Zeitschrift (XI S. 878) heißt es bei der Vorstellung am 29 Jan. 1791: »So erbärmlich das Stück in Rücksicht des Endzwecks ist, um so mehr wundert man sich, wie es noch begehrt werden kann. Wohl wahr, sagte mein Nachbar, wissen Sie nicht daß heute Sonnabend ist?«


77 Dieses gespreizte Sittlichthun macht einen um so widerwärtigeren Eindruck, wenn man die gemeine Frivolität kennt, welche sich vor Wöllners Regiment in dieser Zeitschrift breit machte.


78 Ebenso sprach sich Dittersdorf über Mozart gegen Joseph II aus (Selbstbiogr. S. 237): »Er ist unstreitig eins der größten Originalgenies und ich habe bisher noch keinen Componisten gekannt, der so einen erstaunlichen Reichthum von Gedanken besitzt. Ich wünschte, er wäre nicht so verschwenderisch damit. Er läßt den Zuhörer nicht zu Athem kommen; denn kaum will man einem schönen Gedanken nachsinnen, so steht schon wieder ein anderer herrlicher da, der den vorigen verdrängt, und das geht immer in einem so fort, so daß man am Ende keine dieser Schönheiten im Gedächtniß aufbewahren kann.«


79 In diesem Sinne sprach sich diese Berliner Kritik gern über Mozart aus. So heißt es (mus. Zeit. 1793 S. 127): »Mozart war ein großes Genie; allein – er hatte eigentlich wenig höhere Cultur und wenig, oder vielleicht gar keinen wissenschaftlichen Geschmack. Er hat in seinen übrigens originalen Theaterstücken zuweilen ganz den Effect, die Hauptsache des Theaters verfehlt; und was nun gar die wahre Bearbeitung des Textes betrifft, so stehe der auf, der mit Gründen sagen kann, daß er den Text durchaus richtig zu behandeln verstanden und daß seine Musik sich immer der Poesie so beigeselle, daß diese nicht wider ihn auf stehen und ihn beim Richtstuhl der Kritik verklagen könne.«


80 Schiller hatte geschrieben (402 I S. 431): »Ich hatte immer ein gewisses Vertrauen zur Oper, daß aus ihr wie aus den Chören des alten Bacchusfestes das Trauerspiel in einer edleren Gestalt sich loswickeln sollte. In der Oper erläßt man wirklich jene servile Naturnachahmung, und obgleich nur unter dem Namen von Indulgenz, könnte sich auf diesem Wege das Ideale auf das Theater stehlen. Die Oper stimmt durch die Macht der Musik und durch eine freiere harmonische Reizung der Sinnlichkeit das Gemüth zu einer schöneren Empfängniß; hier ist wirklich auch im Pathos ein freieres Spiel, weil die Musik es begleitet, und das Wunderbare, welches hier einmal geduldet wird, müßte nothwendig gegen den Stoff gleichgültiger machen.«


81 Nach Stiepaneks Angabe erlebte Don Giovanni in Prag in den ersten 10 Jahren 116, und nach authentischen Mittheilungen bis Ende 1855 im Ganzen 360 Aufführungen (Bohemia 1856 Nr. 23 S. 122); in Berlin zählte man bei der funfzigjährigen Jubelaufführung des Don Giovanni im Jahr 1837, die auch in Prag (A. M. Z. XXXIX S. 800) und Magdeburg (A. M. Z. S. 140) feierlich begangen wurde, mehr als 200 Aufführungen (A. M. Z. S. 819ff.).


82 Castil-Blaze giebt nähere Auskunft über dieses Monstrum (l'acad. impér. de mus. II p. 98ff.).


83 Die bedeutendsten Darsteller sind zusammengestellt von Castil-Blaze (Molière musicien I p. 321ff.). Daß der Beifall, welchen man in Paris besonders seit 1815 dem Don Giovanni spendete, kein eigentlich nationaler und nicht aus wirklichem Verständniß hervorgegangen sei suchte Sievers (Caecilia IX S. 208ff.) zu begründen.


84 Castil-Blaze Molière musicien I p. 268f. 323ff.L'acad. impér. de mus. II p. 241f.


85 Da Ponte mem. III p. 28.


86 Parke mus. mem. II p. 124. A. M. Z. XIX S. 690.


87 Parke mus. mem. II p. 126.


88 A. M. Z. XIII S. 524ff.


89 A. M. Z. XIV S. 786ff. XV S. 531.


90 A. M. Z. XVI S. 859ff.


91 A. M. Z. XVIII S. 232.


92 A. M. Z. XX S. 489.


93 A. M. Z. XXVI S. 570.


94 A. M. Z. XXV S. 639.


95 Scudo crit. et littér. mus. I p. 191. Aehnliche Aeußerungen einer älteren italiänischen Sängerin, welche z.B. meinte außer dem Duett La ci darem, das übrigens sehr trivial sei, mache kein Stück im Don Giovanni auf die Seele Eindruck s. A. M. Z. XXV S. 869f.


96 Viardot manuscr. autogr. du D. Giov. p. 10. Man muß sich dabei daran erinnern daß Rossinis Ankunft in Paris im Jahr 1823 das Signal zu einem Parteikampf der Mozartianer und Rossinianer wurde, ähnlich dem der Gluckisten und Piccinisten, der mitunter sonderbare Aeußerungen und Parallelen veranlaßte. Vgl. A. M. Z. XXV S. 829ff.


97 Da Ponte mem. III, 1 p. 43ff. (2 Ausg.) Scudo criter litt. mus. I p. 178.


98 Castil-Blaze Molière music. I p 329f.


99 Da Ponte mem. III, 1 p. 54.


100 Da Ponte mem. III, 1 p. 58f.


Quelle:
Jahn, Otto: W.A. Mozart. Band 4, Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1859, S. 1.
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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

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