Nachdem Don Giovanni sich einmal Bahn gebrochen hatte, wurde man bald einig daß dieser Oper, von der der Meister selbst gesagt haben soll, sie sei nicht für die Wiener, eher für die Prager, am meisten aber für ihn und seine Freunde geschrieben1, unter allen Mozartschen Opern die erste Stelle gebühre. Hatte man dabei früher den Text meistens als ein elendes Machwerk betrachtet, das man um der Musik willen mit in den Kauf nehmen müsse, so wurde besonders seit Hoffmanns geistreiche Charakteristik auch diesem seine poetische Bedeutung vindicirt hatte2, allmählich Don Giovanni, [326] wie einst von den griechischen Bildhauern der Doryphorus des Polyklet, für den Kanon dramatischer Musik erklärt und zum Gegenstand weitgreifender Erörterungen gemacht3.
Wenn da Ponte den Figaro auf ein ganz anderes Gebiet als das der gewöhnlichen opera buffa verlegt hatte, indem er das wirkliche Leben der bürgerlichen Gesellschaft in individuellster Charakteristik zur Darstellung brachte, so hob er den Don Giovanni nach einer anderen Richtung hin in eine höhere Sphäre als die der opera buffa war4. Nicht [327] nur daß das Phantastische hier sehr hervortritt, daß in die bunte Fülle des Lebens mit seiner tiefen Leidenschaftlichkeit und leichtfertigen Genußsucht das Geisterreich seinen schauerlichen Schatten wirst; es war ein Stoff von volksthümlicher Geltung sowohl seiner Grundanschauung als der legendenartigen Form nach, der durch mehr als hundertjährige Tradition von den Bühnen der verschiedensten Nationen herab in der That in das Volk eingedrungen war und der Oper eine ähnliche Grundlage bot wie der Mythus der griechischen Tragödie. Das Factische stand trotz seines wunderbaren Charakters als ein auch dem Dichter schon Ueberliefertes fest, die Grundanschauung, die wesentlichen Elemente der Situationen und Charaktere waren gegeben, zugleich aber die volle Freiheit sie dem Bedürfniß des gegenwärtigen Kunstwerks gemäß auszubilden und zu gestalten5.
Ob wirklich in Sevilla eine Sage von Don Juan Tenorio, der die Statue eines von ihm im Zweikampf erschlagenen Comthur Ulloa zur Tafel geladen habe und vergebens zur Buße gemahnt der Hölle verfallen sei, gangbar war ist bei den widersprechenden Angaben schwerlich zu ermitteln; unwahrscheinlich ist es nicht6. Sie soll von einem [328] unbekannten Dichter bearbeitet lange Zeit in den Klöstern unter dem Titel el Ateista fulminado aufgeführt worden sein7; der erste, der sie notorisch im Drama darstellte war Gabriel Tellez, Zeitgenosse von Lope de Vega, Mönch und Prior eines Klosters der barmherzigen Brüder in Madrid. Seine vielfache und bedeutende Thätigkeit als Geistlicher hinderte ihn nicht unter dem Namen Tirso de Molina als ein ausgezeichnet fruchtbarer dramatischer Dichter einen der ersten Ehrenplätze in der spanischen Litteratur zu erwerben8. Sein Burlador de Sevilla y convidado de piedra gehört nach Schack der Anlage und Ausführung nach zu seinen flüchtigsten Arbeiten, enthält aber Partien, wie sie nur ein Dichter ersten Ranges geben kann9. Der Inhalt ist kurz folgender.
Erster Tag. [Die Scene ist in Neapel.] Die Herzogin Isabella hat ihrem Geliebten Herzog Ottavio ein Stelldichein gegeben und nimmt von ihm Abschied, als sie [329] entdeckt daß Don Juan Tenorio an dessen Stelle sich bei ihr eingeschlichen hat. Sie ruft um Hülfe, der König kommt und läßt Don Juan durch seinen Oheim Don Pedro Tenorio, den spanischen Gesandten, verhaften, der ihn, nachdem er sich ihm entdeckt hat, entfliehen läßt und dann dem König Ottavio als Isabellens Verführer nennt. Don Pedro erhält den Auftrag diesen zu verhaften, berichtet ihm aber daß ein Mann bei Isabella gefunden worden sei, den sie für Ottavio ausgegeben habe und ist ihm, der sich für getäuscht und verrathen hält, dann gleichfalls zur Flucht behülflich. – [Meeresküste von Tarragona.] Catalinon, Don Juans Diener, trägt seinen schiffbrüchigen Herrn leblos aus Ufer, wo Tisbea, eine junge Fischerin, sie aufnimmt; in ihrem Schooß erwacht Don Juan wieder zum Leben, beide werden von heftiger Liebe zu einander ergriffen. Dieses Liebesleben wird durch eine Scene unterbrochen, in welcher der Comthur Don Gonzalo de Ulloa dem König Don Albeso von Castilien Bericht von seiner portugiesischen Gesandtschaftsreise erstattet. Dann kehrt die Handlung zu Tisbea zurück, welche von Don Juan getäuscht und im leidenschaftlichsten Schmerz zurückgelassen wird10.
Zweiter Tag. [Die Scene ist in Sevilla.] Don Diego Tenorio, Don Juans alter Vater, berichtet dem Könige von dem Frevel welchen sein Sohn in Neapel gegen Isabella und Ottavio verübt habe; der König verbannt denselben aus Sevilla, bis er Isabella durch Heirath versöhnt haben werde. Ottavio tritt auf und giebt sich in den Schutz des Königs, der in Neapel seine Unschuld darzuthun und ihm die Hand Donna Annas, der Tochter [330] Ulloas, welche Don Juan zugedacht war, verspricht. Don Juan erscheint, begrüßt Ottavio freundschaftlich und wird darauf von dem Marques de la Mota in ein langes Gespräch gezogen, in welchem sie über die Schönheiten des Tages als echte Roues sich unterhalten; endlich bekennt der Marques seine Liebe zu Donna Anna. Kaum ist er fort, wird Don Juan ein Billet zugesteckt um es dem Marques zu übergeben; er öffnet es, und da er findet daß Donna Anna demselben ein Stelldichein bestimmt, beschließt er dessen Stelle zu vertreten; er theilt dem rückkehrenden de la Mota die Einladung mit, aber für eine spätere Stunde. Das Verbannungsurtheil, welches ihm sein Vater ankündigt, hört er ebenso gleichgültig an als dessen eindringliche Ermahnungen, und als darauf der Marques Donna Anna ein Ständchen bringt, entlehnt er dessen Mantel, angeblich um sich zu einem seiner vielen Schätzchen zu schleichen, benutzt aber diese Verkleidung um bei Donna Anna Einlaß zu finden. Als diese der Täuschung inne wird, ruft sie um Hülfe; ihr Vater vertritt mit gezücktem Degen Don Juan den Weg und fällt von seiner Hand. Kaum ist der Mörder entflohen, stellt sich de la Mota zum Rendezvous ein, der mit seinem Gefolge herbeieilende König findet ihn, hält ihn für den Mörder, befiehlt ihn hinzurichten und dem gefallenen Comthur ein prachtvolles Leichenbegängniß auszurüsten und ein Denkmal zu errichten. – [Ländliche Gegend.] Patricio feiert seine Hochzeit mit Aminta, als Don Juan auf der Durchreise sich als Gast anmeldet, sogleich seinen Platz neben der Braut nimmt und die Eifersucht des Bräutigams rege macht.
Dritter Tag. Der eifersüchtige Patricio wird von Don Juan durch die Vorspiegelung Aminta habe sich ihm früher schon ergeben und ihn zur Störung der Hochzeit hinbeschieden [331] zum Verzicht bewogen; durch ein förmliches Eheversprechen erwirbt er die Einwilligung ihres Vaters und nach längerem Widerstreben Amintas Gunst. – [Die Seeküste.] Isabella, welche auf des Königs Geheiß zur Vermählung mit Don Juan anlangt, trifft dort Tisbea, welche ihr Don Juans Verrath klagt und um beim König Recht zu suchen mit ihr nach Sevilla zieht. – [Sevilla.] Don Juan, dem Catalinon berichtet, wie die von ihm Getäuschten vereinigt Rache fordern, gewahrt die Statue des Comthur mit der Inschrift:
Für erlittenen Schimpf und Spott
Harrt ein Edler hier auf Rache:
Den Verräther strafe Gott!
Das reizt seinen Uebermuth, er zupft die Statue am Bart und ladet den Comthur zum Abendessen, damit er sich an ihm rächen könne. – Während er sich bei Tafel mit seinen Dienern unterhält, erscheint zu deren Entsetzen die Statue und verweilt schweigend, während jene essen, trinken und singen. Allein gelassen mit Don Juan ladet der Comthur diesen zum Abendessen zu sich in die Capelle, der mit Handschlag und auf Ritterwort sich einzustellen verspricht und den Schauer, welchen er unwillkührlich empfindet, wegzuraisonniren sucht. – [Pallast.] Der König verspricht Don Diego, daß er Don Juan zum Grafen von Lebrija erheben und mit Isabella vermählen, auch auf Donna Annas Bitten den Marques begnadigen und ihr zum Gemahl geben wolle. Don Ottavio erbittet vom König die Erlaubniß zum Zweikampf mit Don Juan, für welchen sein Vater einzutreten als Ritter bereit ist; der König befiehlt Versöhnung. Als er fort ist, kommt Aminta mit ihrem Vater, um ihr Recht auf Don Juans Hand vor dem König geltend zu machen, Ottavio verspricht ihnen seinen Beistand. [332] – [Straße.] Don Juan, vom König begnadigt und im Begriff mit Isabella sich zu vermählen, will vorher dem Comthur sein Wort halten und tritt in die Kirche, wo Ulloa ihn und Catalinon zum Mahl nöthigt: Skorpionen und Schlangen sind die Gerichte, essigsaure Galle der Wein, ein Bußgesang die Tafelmusik. Nach der Tafel erfaßt der Comthur Don Juans Hand, vergebens sucht dieser sich loszumachen; »dich soll nach ew'gem Rathschluß« ruft der Comthur ihm zu
Eine Todtenhand bestrafen11.
Daß auf diese Art du büßest
Das ist Gottes Richterspruch:
Solcher Lohn für solche Thaten!
Don Juan stürzt todt nieder und versinkt mit der Statue. – [Pallast.] Der König will die Vermählung vollziehen, da treten neben Isabella auch Aminta und Tisbea auf um ihre Ansprüche auf Don Juans Hand gelten zu machen, und der Marques enthüllt den von Don Juan an ihm begangenen Verrath. Der König will nun Gerechtigkeit gegen ihn üben, als Catalinon eintritt und Don Juans schreckliches Ende berichtet. Ottavio reicht darauf Isabella, de la Mota Donna Anna, Patricio der Aminta die Hand und »es hat so der Gast von Stein sein Ende«.
Das Drama, dem hier freilich aller Duft und Glanz der poetischen Darstellung abgestreift ist, trägt in merkwürdiger Weise den Stempel der Zeit und der Nation, welcher es angehört. Die Freiheit und Lockerheit, mit welcher die Liebesverhältnisse behandelt und besprochen werden, ist ganz offenbar [333] dem Leben jener Zeit eigen und bekommt durch einen Zug von ritterlicher Kühnheit ein eigenthümliches Gepräge; das Publicum, welches in diesen Darstellungen den Spiegel seiner Sitten sah, nahm um so weniger Anstoß daran, als es den Sünder von der Strafe ereilen sah12. Dies letztere Moment wird durch einige Züge echt katholischer Anschauung noch besonders hervorgehoben, wie wenn Don Juan dem steinernen Comthur, den er doch im übermüthigsten Hohn eingeladen hatte, sagt:
Was willst du, Gespenst, Vision,
Leidest du im Fegefeuer?
Forderst du Satisfaction?
Was begehrst du? ich verpfände
Dir mein heilig Ehrenwort,
Das zu thun was du gebietest.
Weilst du nicht an Gottes Thron?
Fährst in Sünden du dahin?
Worauf es von großer Wirkung als dieser, da Don Juan ihm leuchten will, erwiedert
Laß das, mich erleuchtet Gott.
Und als Don Juan sieht daß er verloren ist, bittet er um einen Beichtiger, worauf der Comthur entgegnet
Allzuspät ist dies Verlangen!
und Don Juan stirbt. Die vielfach verschlungene Handlung ist freilich sehr ungleich ausgeführt und ebenso auch die Charaktere. Unter den Frauen sind Tisbea, in welcher die Leidenschaft und Aminta, in welcher naive Einfalt geschildert wird, sehr anziehend und eigenthümlich, unter den Männern tritt neben Don Juan, der kräftig und frei gezeichnet ist, [334] besonders sein Diener Catalinon, wie der in den spanischen Dramen nie fehlende Gracioso genannt ist, hervor. Er ist mit großer Mäßigung und Feinheit gehalten, weder mit seiner Feigheit, noch mit seiner Moral oder seinem Witz drängt er sich in den Vordergrund vor seinen Herrn, dessen Schatten er zu sein scheint; allerdings erhebt er sich in den Geisterscenen auch nicht zu einem großartigen Humor13.
Bei dem Einfluß, welchen das spanische Theater auf das italiänische übte14, ist es nicht zu verwundern daß auch Tirsos Drama nach Italien wanderte. Nach Riccoboni (hist. du théâtre italien I p. 47) wurde es schon bald nach 1620 auf die italiänische Bühne verpflanzt; die erste durch den Druck bekannt gewordene Bearbeitung ist von Onofrio Giliberti, welche unter dem Titel Il convitato di pietra 1652 in Neapel aufgeführt wurde; ihr folgten später unter demselben Titel andere von Giacinto Andrea Cicognini (1670) und Andrea Perucci (1678)15, überhaupt wurde der Gegenstand heimisch auf den italiänischen Bühnen und erhielt sich in seiner Popularität16.
Die italiänischen Schauspieler, welche sich in Paris auf [335] dem Theater des hôtel de Bourgogne eingebürgert hatten, legten im Jahr 1657 die Bearbeitung Gilibertis ihrem improvisirten Convitato di pietra zu Grunde, welches auch hier außerordentlichen Zulauf fand17. In fünf Acten sind die Hauptsituationen des spanischen Drama, sehr vereinfacht und noch mehr vergröbert, zusammengestellt um Arlecchino, der hier als Don Juans Diener erscheint, in den Vordergrund zu stellen und ihm für die gewagtesten Lazzi aller Art Veranlassung zu geben. Der erste Akt stellt die Verführung Isabellas in Neapel dar; Don Pedro, ihr Vater und Don Juans Oheim, verabredet sich mit ihr Don Ottavio, ihren Geliebten als Verführer anzugeben, was diesen zur Flucht zwingt18. Im zweiten Akt schwimmen Arlecchino und Don Juan aus Land – eine der beliebtesten, mit Späßen reich verbrämte Scene –, die schöne Fischerin Rosalba wird von Don Juan verführt und wegen ihrer Ansprüche auf seine Hand von ihm im Spott an Arlecchino verwiesen, der vor ihr die lange Liste der Geliebten seines Herrn entrollt19; sie stürzt verzweiflungsvoll sich ins Meer20. Der dritte Akt zeigt Ottavio am Hofe [336] von Castilien in großer Gunn, im Begriff sich mit Donna Anna zu vermählen; er hat Pantalon zum Begleiter, mit dem Arlecchino seine gewohnten Späße treibt. Don Juan fängt das Billet auf, in welchem Donna Anna Ottavio zu sich einladet, schleicht sich darauf bei ihr ein, während Arlecchino Schildwache steht, und tödtet beim Entweichen den Comthur, ihren Vater. Im vierten Akt verlangt Donna Anna beim König Rache; es werden 6000 Thaler Belohnung auf die Entdeckung des Mörders ausgesetzt; Arlecchino hat nicht übel Luft sie zu verdienen, was zu spaßhaften Scenen zwischen ihm und Pantalon Veranlassung giebt. Im fünften Akt findet man Don Juan vor der Statue des Comthur, die er höhnt; Arlecchino muß sie zur Tafel laden, sie nickt mit dem Kopfe, Don Juan wiederholt die Aufforderung, die Statue antwortet. Das Gastmahl bei Don Juan giebt durch Arlechinos Gefräßigkeit und Schlauheit zu vielen Späßen Anlaß, die auch nach dem Erscheinen des Comthurs fortgesetzt werden, welcher mit der an Don Juan gerichteten Einladung scheidet. Der König, von Don Juans Freveln unterrichtet, will ihn ergreifen und strafen lassen; ehe er entflieht, sucht er den Comthur in der Kirche auf und wird von diesem in den Abgrund gezogen. Im Schlußtableau sah man Don Juan in der Hölle brennen, der seine Qualen und seine Reue aussprach
Placatevi d'Averno
Tormentatori eterni!
E dite per pietade
Quando terminaran questi miei guai?
worauf die Höllengeister ihm zuriefen: Mai!21
[337] Der unerhörte Beifall, welchen diese Farce fand22, veranlaßte einen Wetteifer der französischen Schauspieler, die sich ein Zugstück der Art nicht entgehen lassen wollten23. Dorimon führte zuerst eine Bearbeitung des Stücks von Giliberti unter dem Titel Le festin de Pierre24 ou Le fils criminel im Jahr 1658 in Lyon auf, als Ludwig XIV dort mit der Prinzessin von Savoyen zusammentraf, und darauf auch in Paris auf dem Theater de la rue des quatre vents im Jahr 1661. Allein hier war ihm schon de Villiers zuvorgekommen, der seine tragi-comédie unter gleichem Titel und in fast wörtlicher Uebereinstimmung bereits im Jahr 1659 auf dem Theater des hôtel de Bourgogne aufführen ließ25. Don Juans bekümmerter Vater, der dem Uebermuth seines Sohnes und den Späßen des Bedienten ausgesetzt ist, tritt gleich zu Anfang des Stücks auf. Später verwechselt Don Juan mit seinem Diener Philippin die Kleider um der Justiz zu entgehen, zwingt einem Eremiten [338] seine Kutte ab und tödtet in dieser Verkleidung Don Philippo (Ottavio) den Geliebten der Amarillis (Donna Anna). Nachdem der Comthur bei ihm zu Gast gewesen ist und ihn zu sich eingeladen hat, verführt Don Juan noch eine neuvermählte junge Frau und begiebt sich dann in die Kapelle, wo er an der Tafel des Comthur vom Blitz erschlagen wird.
Moliere konnte sich der Aufforderung nicht entziehen einen so günstigen Stoff auch für seine Gesellschaft zu benutzen; sein Don Juan ou Le festin de pierre wurde am 15 Febr. 1665 zuerst im Theater des Palais Royal aufgeführt. Der Spaßmacherei der Italiäner gegenüber wollte er den Gegenstand in die Sphäre der eigentlichen Komödie erheben und verwischte dadurch die letzte Spur von dem national-historischen Charakter des spanischen Drama. Die sinnliche Leidenschaft und die ritterliche Kühnheit sind verschwunden. Molieres Don Juan ist ein kaltblütiger Egoist in der Liebe wie im Unglauben, ein aufgeklärter Räsonneur, auch wo er seine Ehre als Cavalier mit persönlichem Muth wahrt; sein Diener, den hier Sganarelle macht, räsonnirt ebenso moralisch als der Herr unmoralisch, ist aber ein ebenso großer Egoist, nur ein seiger. Die frappanten Situationen, an denen das Original so reich ist, sind entweder ganz gestrichen und werden nur erzählt wie die Verführung Donna Annas und die Ermordung des Comthur, oder sie haben durch eine neue Wendung ihr lebhaftes Colorit verloren, wie das Abenteuer mit der Fischerin und Bäuerin; alles Anstoßige, den feineren Ton der Komödie Verletzende sollte vermieden werden. Dagegen ist um dem Interesse der Moralität zu genügen alles darauf angelegt dem Don Juan Gelegenheit zur Reue und Buße zu geben; je mehr Moral ihm von allen Seiten gepredigt wird, desto hartnäckiger [339] beharrt er auf seinem Sinn. Gegen die Wahrheit der psychologischen Entwickelung, welche hierin angestrebt wird, sticht dann aber die Katastrophe um so greller ab; ein Sünder von dieser Art kann nicht durch einen Geist geholt werden, die Erscheinung des steinernen Gastes setzt eine andere Umgebung voraus als diese moralisirende und räsonnirende Gesellschaft. Sehr bezeichnend ist es daß Moliere Don Juan zum Beschluß noch durch ein Gespenst warnen läßt, das als Frau erscheint und sich dann in die Gestalt der Zeit mit der Sense verwandelt; das war eine Allegorie im Geschmack jener Zeit, allein daß der steinerne Comthur dann auch noch kommt ist rein überflüssig. Uebrigens sind einzelne Situationen, wie das Abenteuer auf dem Lande, die Scene mit dem Kaufmann vortrefflich ausgeführt, an seinen Zügen der Charakterzeichnung und des Dialogs fehlt es nirgend; je besser es gelungen ist, desto weniger pflegt es den eigentlichen Don Juan anzugehen. Vielleicht empfand man damals den roheren aber der Natur des Stoffes doch gemäßeren Darstellungen der Italiäner gegenüber dies Mißverhältniß. Molieres Don Juan, der bei seinen Lebzeiten auch nicht gedruckt worden ist, wurde nur funfzehnmal gegeben26. Später fand die Bearbeitung in Versen, welche Thomas Corneille dem Stücke Molieres angedeihen ließ, die im Jahr 1677 zuerst gegeben wurde, Beifall und hielt sich auf der Bühne, bis erst im Jahr 1847 Molieres Komödie an deren Stelle trat27.
Angeregt durch Moliere suchte auch Goldoni die mauvaise pièce espagnole, die er immer nur mit Entsetzen hatte [340] ansehen können, seinem Vaterland in der würdigeren Gestalt einer regelmäßigen Komödie vorzuführen. In seinem im Jahr 1736 in Venedig aufgeführten Don Giovanni Tenorio osia il Dissoluto wird im ersten Akt Donna Anna gegen ihre Neigung, indem sie nur dem Willen ihres Vaters nachgiebt, mit Don Ottavio verlobt. Der zweite Akt zeigt Elisa, ein junges Bauermädchen, welche von ihrem Geliebten Carino Abschied nimmt; gleich darauf erscheint Don Juan von Räubern ausgeplündert und gewinnt ihre Gunst; Carino überrascht sie beim Abschied, allein Elisa weiß den eifersüchtigen Bräutigam zu besänftigen. Isabella, welche von Don Juan in Neapel verführt worden ist, folgt ihm als Mann verkleidet; sie kommt mit Ottavio, der sie unterwegs aus den Händen von Räubern befreit hat, im dritten Akt nach Sevilla; als Donna Anna erfährt, daß jene ein Frauenzimmer ist, ergreift sie diesen Vorwand um Ottavios Hand auszuschlagen. Isabella, welche dort Don Juan trifft, zwingt ihn, da er sie verläugnet, sich mit ihr zu schlagen; man kommt darüber zu, aus Schaam verstummt sie auf alle Fragen um nähere Auskunft und Don Juan giebt sie nun für eine Wahnsinnige aus. Elisa sucht ebenfalls Don Juan auf, Carino warnt ihn vor derselben, da sie auch ihm treulos geworden sei; Don Juan erklärt sich bereit ihm Elisa abzutreten, aber dieser mag sie jetzt auch nicht. Im vierten Akt macht Don Juan Donna Anna eine Liebeserklärung, die sie nicht ungünstig aufnimmt, indem sie ihn auf die Einwilligung ihres Vaters verweist; er sucht aber auf der Stelle mit gezücktem Dolch ihre Gunst zu erringen; sie ruft nun um Hülfe, der Vater eilt mit blankem Degen herbei und wird von Don Juan getödtet, der die Flucht ergreift. Man beschließt ihn zu verfolgen und die Gerechtigkeit des Königs [341] wider ihn anzurufen. Im fünften Akt verspricht ihm Elisa seine Befreiung, da sie Verwandte unter der Polizei habe, wenn er sie heirathen wolle; Isabella tritt dazwischen und zwingt ihn von Neuem sich mit ihr zu schlagen; Donna Anna in Trauerkleidern verlangt Rache, Don Juan macht seine Leidenschaft für sie so geschickt geltend daß sie ihm verzeihen will. Da kommt ein Brief vom König von Neapel, welcher Don Juans Bestrafung verlangt und Isabellas Geheimniß enthüllt. Don Juan der sich rettungslos verloren sieht, bittet Carino ihn zu tödten; ein Blitz erschlägt ihn vor dem Mausoleum des ermordeten Comthurs28.
Von einer ganz anderen Seite her hatte Rosimond den Stoff aufgefaßt, als er im Jahr 1669 seine Tragi-comédie Le festin de Pierre ou l'athéiste foudroyé auf dem Theater du Rarais aufführen ließ. Auf diesem Theater wurden damals glänzende Decorations- und Spektakelstücke, oft gegen hohe Eintrittspreise, gegeben. Zu einem solchen hatte Rosimond das Stück bearbeitet und dabei die Vorsicht beobachtet die Handlung in heidnische Zeiten zu verlegen, um ungestraft seinen Atheisten prahlen zu lassen29.
[342] Auch in England erschien bald darauf Don Juan auf der Bühne. Ob Thomas Shadwell in seinem Libertine destroyed, welcher 1676 aufgeführt wurde, das spanische Original oder italiänische oder französische Bearbeitungen vor Augen hatte, kann ich nicht beurtheilen. Das Stück hatte großen Erfolg, allein Don Juans Niederträchtigkeit war so entsetzlich, die Katastrophe so schrecklich, as to render it little less than impiety to represent it on the stage30.
In Deutschland gehörte Don Juan oder das steinerne Gastmal wenigstens seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts zum stehenden Repertoire der improvisirenden Schauspieler. Ob eine deussche Bearbeitung der Art gedruckt worden ist, kann ich nicht angeben; wie es scheint waren sowohl Dorimons und Molieres Stücke als die Traditionen der Italiäner dafür benutzt. Prehauser, der berühmte Hanswurst des Wiener Theaters, machte 1716 seinen ersten dramatischen Versuch als Don Philippo im steinernen Gastmal31, Schröder trat 1766 in Hamburg als Sganarell im Don Juan auf »und übertraf hochgespannte Erwartungen«32. Dies mochte eine Bearbeitung des Moliereschen Don Juan sein, allein schon 1742 findet sich auf dem Repertoire der Ackermannschen Gesellschaft [343] ein Nachspiel Don Juan33 und 1769 wurde von derselben ein pantomimisches Ballet Don Juan gegeben34. In Wien aber wurde bis zum Jahr 1772 ein improvisirtes steinernes Gastmal regelmäßig in der Allerseelenoctav aufgeführt35, ein Beweis daß man das lockere Leben Don Juans mit Vergnügen ansah und die Moralität für vollständig gewahrt hielt, da den Verbrecher schließlich der Teufel holt. Die Traditionen dieser Burlesken laufen im Puppenspiel aus, das sich diesen Gegenstand nicht hat nehmen lassen. Natürlich wird Hanswurst hier völlig zur Hauptperson, die Liebesabenteuer Don Juans treten vor seinen Mordthaten zurück; die Namen weisen wie die Hauptsituationen auf die französischen Bearbeitungen des italiänischen Stücks als vornehmlichste Quelle hin, die aber von vielen Seiten her meist sehr trübe Zuflüsse erhalten hat36.
In Paris wurde auch der erste Versuch gemacht Don Juan als Oper zu behandeln. Le Tellier führte im Jahr 1713 au jeu d'Octave eine komische Oper Le festin de Pierre in drei Akten und en vaudevilles sans prose auf dem Theater de la foire S. Germain auf37. Sie fand großen Beifall, man nahm aber Anstoß daß bei dieser Gelegenheit zum Schluß die Hölle vorgestellt wurde und verbot die Oper; allein nach wenig Tagen, wird berichtet, le magistrat mieux informé révoqua cette sentence38. Das [344] Stück entsprach im Wesentlichen den schon bekannten, einige neue Späße waren hineingebracht und die Couplets führten, nach den mitgetheilten Proben zu urtheilen, eine ziemlich freie Sprache.
Im Jahr 1761 wurde ein Ballet Don Juan mit Musik von Gluck in Wien aufgeführt39. Das Programm, welches vor dem Klavierauszug und von Lobe (Flieg. Blätt. f. Mus. I S. 122ff.) mitgetheilt ist, weist vier Abtheilungen auf, deren jede eine Hauptsituation darstellte, die durch mannigfache Tänze ausgeführt und belebt waren. Leider reichen die Andeutungen nicht aus um die Musik, welche aus einzelnen, meist kurzen und nicht ausgeführten Tanzstücken besteht, im Detail auf die scenische Darstellung zurückzuführen. In der ersten Abtheilung bringt Don Juan seiner Geliebten Donna Anna ein Ständchen, welche ihm Einlaß gewährt; von ihrem Oheim drinnen überrascht flüchtet er auf die Straße und tödtet seinen Verfolger. In der zweiten ist großes Fest bei Don Juan, Donna Anna ist zugegen und tanzt mit ihm ein pas de deux: die Erscheinung der Statue verjagt die Gäste. Nach kurzem Verweilen ladet der Comthur Don Juan zu sich ein, dieser sagt zu und geleitet ihn hinweg. [345] Mittlerweile sammeln sich die Gäste wieder, verlassen aber von neuem Schrecken ergriffen das Haus; Don Juan schickt sich an, da auch sein Diener trotz aller Drohungen mitzugehen verweigert, allein den Comthur aufzusuchen. Der dritte Theil spielt im Mausoleum; der Comthur sucht auf alle Weise Don Juan zur Reue zu bewegen und stürzt ihn endlich in den Abgrund. In der letzten Abtheilung wird Don Juan in der Unterwelt von den Dämonen gepeinigt, verzweiflungsvoll sucht er vergebens zu fliehen, sich zu widersetzen, bis er sich ihnen endlich ergiebt und von den Flammen verzehrt wird.
Etwa zehn Jahr vor Mozarts Don Giovanni war bereits in Prag ein dramma tragicomico unter dem Titel Il convitato di pietra osia il dissoluto aufgeführt worden; der Componist war Vinc. Righini, damals bei der Bustellischen Gesellschaft als Sänger und Componist thätig (III S. 132). Den Inhalt giebt Kahlert (a. a. O. S. 127) folgendermaßen an:40 »Don Juan ist hier ein Neapolitaner, flieht nach Castilien, wo er bei Sturm in den Meereswellen umzukommen Gefahr läuft, aber von einer Fischerin Elisa gerettet wird. Diese bringt er zur Untreue gegen ihren Geliebten. Der Castilische Commandant wünscht seine Tochter Anna dem Minister Don Alfonso zu vermählen, wogegen sie sich weigert. Don Juan überfällt sie in ihrem Schlafgemach, der Vater kommt zu Hülfe und fällt im Zweikampfe. Don Juan, dessen komischer Bedienter Arlecchino auch nicht fehlt, flüchtet sich in eine Gruft mit Grabmälern, um so mehr als seine in Neapel verlassene Geliebte Donna Isabella ihm nachgekommen ist und Alfonsos Rache in [346] Anspruch genommen hat. Hier trifft er Anna, mit der er sich vergebens zu versöhnen sucht. Im Trotz will er nun ein Fest geben und zwingt Arlecchino die Statue des Commandanten dazu einzuladen. Das Fest findet Statt, die Statue erscheint und ladet Don Juan ihrerseits zum Nachtmal zu sich ein. Im dritten Akt findet der Eingeladene sich ein, wird zur Reue aufgefordert, und als er sich weigert, von der Erde verschlungen. Der Bediente darf entfliehen, er meldet Alles Alfonso und Anna, die sich nun verföhnen. Zuletzt sieht man die Furien in der Unterwelt, welche Don Juan martern und ihm dabei seine Vergehungen gegen die drei Damen, Anna, Isabella und Elisa, vorwerfen.«
Man sieht, da Ponte hatte für seinen Operntext41 nicht nöthig seine Erfindung anzustrengen, vielmehr war bei einem Stoffe, der von so verschiedenen Seiten her durchgearbeitet [347] und umgebildet war, die Auswahl schwierig. Was ihm von früheren Arbeiten vorlag, wie tief seine Studien gingen ist nicht zu ermitteln, aber anerkennen muß man nicht allein die Gewandtheit und Sicherheit, mit welcher er die Hand lung so gliederte, die Situationen so anordnete wie sie für die musikalische Behandlung durch Abwechslung und Gegensätze verschiedenster Art günstig waren, sondern den richtigen Takt, welchen er in der gesammten Auffassung des Stoffes bewährte. Er begriff daß, wenn die Geistererscheinung ihre erschütternde Wirkung machen sollte, ihr das Bild des wirklichen Lebens in aller Fülle seiner Erscheinungen, in der vollen Kraft sinnlicher und leidenschaftlicher Erregungen, namentlich der Liebe in ihren wechselnden Wallungen und verschiedenen Nuancen, aber auch des Hasses, des Entsetzens, der Lustigkeit und des Humors mit kräftigen Zügen und glänzenden Farben gegenübergestellt werden mußte. Daher bleibt ihm die rationalisirende Auffassung Molieres und Goldonis ganz fremd, und es ist um so mehr anzuerkennen, wie er von beiden einzelne dramatisch wirksame Motive zu entlehnen und mit solcher Freiheit im Sinne seines Drama zu verwenden weiß, daß sie als ihm eigenthümlich erscheinen. Zwar gebietet er weder über den Zauber einer wahrhaft poetischen, glänzenden Darstellung der Leidenschaft, noch hat er die ritterliche Haltung des Spaniers, aber er erfüllt seine Gestalten und ihr Thun und Treiben mit der leichten, genußsüchtigen Denk- und Empfindungsweise seiner Zeit, welche dabei den Regungen einer edleren Humanität so wenig fremd war als dem Hang zu den Mysterien der Geisterwelt. Das sinnlich frivole Leben Venedigs und Wiens zu jener Zeit, das er nur zu gründlich kannte, spiegelt sich im Don Giovanni, in seiner gesammten Haltung und in den einzelnen Zügen. Gewandtheit, die sich bis zu einer gewissen [348] Feinheit und Anmuth erhebt, zeigt auch die Sprache, und wenn man sich vergegenwärtigt, bis zu welcher Gemeinheit dieser Stoff schon herabgezogen war, kann man das Streben dem Dialog eine anständigere und feinere Haltung zu geben um so unbedenklicher anerkennen.
Mit Recht hat da Ponte die Hauptmomente wiederum in wirklicher Handlung auf die Bühne gebracht42, und nicht allein denselben die musikalisch wirksamsten Situationen abzugewinnen sondern diese in einer Weise auszuführen verstanden, daß das tragische und komische, das grausenerregende und heitere Element sich begegnen und durchdringen. Diese eigenthümlich gemischte Grundstimmung, welche nur selten nach der einen oder anderen Seite hin ganz rein und ungebrochen zum Ausdruck kommt, bedingt den ganz besonderen Charakter der Oper; dadurch daß Mozart es vermochte diesen Gegensatz in seiner tief in der Menschennatur begründeten Einheit zu fassen und in der Harmonie der künstlerischen Form musikalisch zur Darstellung zu bringen gewann er für seine Kunst ein neues Gebiet, auf dem sie ihre eigenste, mächtigste Kraft zu entwickeln berufen war.
Wie weit auch die Musik seitdem im Ausdruck solchen inneren Lebens insofern es sich als subjective Stimmung äußert vorgeschritten ist, in klarer, lebendiger, von künstlerischer Schönheit beseelter Ausprägung obiectiver Gestalten in dramatischer Handlung ist Mozart nicht übertroffen worden. Wenn Goethe meinte, Mozart wäre der Mann gewesen seinen Faust zu componiren43 – heutige Faustcomponisten [349] werden mitleidig darüber lächeln –, so lag ihm der Don Giovanni im Sinn; aber schwerlich war es nur die äußerliche Verwandtschaft mancher Situationen, welche sein Urtheil bestimmte: mit der instinctiven Sicherheit welche nur dem Genie verliehen ist fühlte er die Universalität der künstlerischen Auffassung und Darstellung des menschlichen Gemüthslebens heraus, welche auf einem seiner Beurtheilung ferner liegenden Gebiet Mozart ihm ebenbürtig machte.
Der Beginn der Oper44 versetzt uns nicht allein auf das lebendigste mitten in die Handlung, die leidenschaftliche Spannung der ersten Scene, die Frevelthat, welche vor unseren Augen begangen wird, bereiten die tiefen Schatten, welche in das Bild des lustigen Lebens fallen werden, und den schauererregenden Schluß mit Bestimmtheit vor, und doch fehlt auch hier das humoristische Element nicht. Leporello als Schildwache erwartet ungeduldig seinen Herrn, der zu einem Stelldichein geschlichen ist; Don Giovanni erscheint von Donna Anna verfolgt, von der er sich vergebens loszumachen strebt. Auf ihr Hülferufen kommt der Comthur, ihr Vater, herbei und zwingt den frechen Eindringling sich mit ihm zu schlagen; er fällt von Don Giovannis Degen, der wie Leporello über diesen Unfall betroffen [350] ist45. Aber es ist keine Zeit zu verlieren, er flieht und unmittelbar darauf kommt Donna Anna mit ihrem Verlobten Don Ottavio zurück; der Anblick der Leiche bringt sie außer sich vor Schmerz, sie wird ohnmächtig, kaum wieder Herrin ihrer Sinne, läßt sie Don Ottavio dem Mörder Rache schwören.
Don Giovanni, der von Leporellos Vorwürfen nichts hören will, vertraut ihm, daß er ein neues Abenteuer verfolge, als eine Dame hinzukommt. Es ist Donna Elvira, welche, in Burgos von ihm durch ein Eheversprechen getäuscht und dann verlassen, ihm nachgereist ist um ihn an seine Pflicht zu mahnen, er nähert sich ihr und ist nicht wenig betroffen, da er sie erkennt. Sie überhäuft ihn mit Vorwürfen, er verweist sie an Leporello, der ihn vor ihr entschuldigen werde und benutzt diese Gelegenheit um sich zu entfernen; Leporello zeigt ihr zum Trost das lange Register, das er über die Liebschaften seines Herrn führt. Empört über diese neue Beleidigung will sie fortan ihre Liebe für den Ungetreuen ihrer Rache opfern46.
Masetto und Zerlina feiern mit befreundeten Landleuten ihre Hochzeit in der Nähe von Don Giovannis Casino, wohin dieser sich einer getroffenen Verabredung gemäß [351] begiebt. Die jugendfrische Zerlina zieht ihn an, er macht Bekanntschaft mit den Brautleuten, ladet die ganze Gesellschaft in sein Casino, schickt Masetto, dessen Eifersucht sich regt, halb mit Gewalt fort und ist im Begriff durch Schmeichelei und Liebeserklärung Zerlina zu gewinnen, als Elvira zwischen sie tritt, Zerlina warnt und sie, der Don Giovanni zuflüstert Elvira sei eine arme Närrin, in ihn verliebt und eifersüchtig, fortführt47. Zu dem allein gelassenen Don Giovanni treten Donna Anna und Ottavio hinzu, begrüßen ihn als Freund der Familie und nehmen seine Hülfe in Anspruch den Mörder des Comthur zu entdecken und zur Strafe zu ziehen; während er angelegentlich mit Donna Anna sich unterhält, tritt wiederum Elvira dazwischen und warnt vor ihm als einem Heuchler; er weiß sich nicht anders zu helfen als daß er sie heimlich für eine Wahnsinnige ausgiebt48, mit der er gehen müsse um sie zu beruhigen. Donna Anna, welche mißtrauisch gemacht Don Giovanni scharf beobachtet, erkennt in ihm den Mörder ihres Vaters, setzt Don Ottavio [352] von dem ganzen Vorfall in Kenntniß und fordert ihn zur Rache auf. Obwohl er einem so schweren Verdacht nicht gleich Glauben zu schenken vermag, beschließt er doch auf jede Weise nachzuforschen um über Don Giovanni ins Klare zu kommen. Dieser, der sich von Elvira befreit hat, befiehlt nun ein glänzendes Fest zu Ehren der Brautleute zu bereiten. Masetto, den Zerlina durch ihr Schmeicheln mit Mühe einigermaßen zu besänftigen vermag, versteckt sich als er Don Giovanni kommen sieht um sich zu überzeugen, wie dieser sich gegen Zerlina benimmt; sie thut spröde mit ihm, und als Masetto unerwartet zum Vorschein kommt, faßt sich Don Giovanni rasch und es gelingt ihm sie zu beschwatzen mit in sein Casino zum Feste zu kommen. Donna Anna und Don Ottavio kommen mit Elvira, von welcher sie alle Aufklärung erhalten haben und durch sie angestachelt, in Maskenkleidung um unerkannt Don Giovanni zu beobachten; Leoorello, der sie gewahr wird, bringt ihnen die erwartete Einladung an dem Feste Theil zu nehmen, welcher sie Folge leisten49. Als sie in den Saal treten, ist grade eine Pause im Tanzen eingetreten; man nimmt Erfrischungen, Don Giovanni unterhält sich mit Zerlina, Masetto, dessen Eifersucht neue Nahrung bekommt, sucht sie zu warnen, da erregen die eintretenden Masken allgemeine Aufmerksamkeit, werden freudig begrüßt und der Tanz beginnt von Neuem. Donna Anna und Don Ottavio treten mit zum Menuett an, dem vornehmeren [353] Tanz der seinen Welt50; mit Mühe bezwingt Donna Anna ihr widerstrebendes Gefühl, das sich in einzelnen Ausrufen Luft macht, indeß Don Ottavio während des Tanzes sie ermahnt an sich zu halten; Elvira, welche sich am Tanze nicht betheiligt, sucht Don Giovanni auf Schritt und Tritt zu beobachten. Dieser fordert Zerlina zum Contretanz auf und Leporello zwingt Masetto, um seine Aufmerksamkeit von Zerlina abzuwenden, mit ihm Teutsch zu tanzen, den raschen und ausgelassenen Tanz des Volks51. Im günstigen Augenblick entführt Don Giovanni Zerlina, Leporello folgt ihm rasch um ihn zu warnen; da ertönt ihr Hülferuf und alles eilt sie zu befreien. Ihnen kommt Don Giovanni entgegen und schleppt Leporello herbei, den er für den Schuldigen ausgiebt und mit dem Tode bedroht; aber von allen Seiten tritt man ihm entgegen, die Masken fallen, er sieht sich von Bekannten umringt, die zur Rache entschlossen sind. Bei diesem Toben und Drohen wird für einen Augenblick seine Zuversicht erschüttert, er weiß nicht, was er beginnen soll; allein bald kehrt sein Muth zurück, mit[354] kühner Entschlossenheit bahnt er sich durch die Feinde den Weg52.
Kann man dem ersten Akt einen wohlgegliederten Bau nicht absprechen, und namentlich daß durch die geschickte Verbindung der verschiedenen Intriguen und der dabei betheiligten Personen die Handlung Zusammenhang bekommen hat und bis zum Schluß hin angemessen gesteigert wird, so fällt der zweite Akt dagegen mehr in einzelne, wenn gleich musikalisch wirksame Situationen auseinander; es fehlt an einem neuen bedeutenden Motiv, um sie zusammenzuhalten, wofür die fortgesetzte Verfolgung Don Giovannis nicht ausreichend ist.
Nachdem Don Giovanni durch Geld und gute Worte den über den letzten Streich aufgebrachten Leporello besänftigt hat, vertraut er ihm an, daß er Elviras hübschem Kammermädchen nachstelle und tauscht um leichter bei ihr Zugang zu finden mit ihm die Kleider. Kaum ist dies geschehen, als Elvira sich am Fenster zeigt. Um sie mit guter [355] Manier zu entfernen erlaubt Don Giovanni sich den Scherz ihr mit verstellter Heftigkeit seine Liebeserklärungen zu erneuern, denen sie schwach genug ist Gehör zu geben; Leporello muß in der Verkleidung die Aeußerungen ihrer Leidenschaft entgegennehmen und erwiedern, bis Don Giovanni sie durch geräuschvolles Herankommen verjagt, durch ein zärtliches Lied sucht er dann selbst das Kammermädchen herauszulocken. Da kommt Masetto bewaffnet mit mehreren Freunden um Don Giovanni aufzusuchen und zur Rechenschaft zu ziehen, der angebliche Leporello verspricht sie auf die richtige Fährte zu bringen und weiß auf geschickte Weise den Trupp zu zerstreuen und zu entfernen, schwatzt dann Masetto die Waffe ab, prügelt ihn durch und entflieht. Auf Masettos Jammergeschrei eilt Zerlina herbei und sucht ihn mit Liebkosungen zu trösten53.
Indessen haben sich Leporello und Elvira wiedergefunden und in einen Vorsaal geflüchtet, Leporello will sich fortschleichen, während Elvira ihn anfleht, sie nicht im Dunkeln allein zu lassen. Eben will er entwischen, als Don Ottavio mit Donna Anna eintritt, deren Schmerz er zu besänftigen bemüht ist; nun suchen Elvira und Leporello beide sich heimlich zu entfernen, ohne einander zu sehen, da treten Zerlina und Masetto ihnen in den Weg. Alsbald soll über den vermeintlichen Don Giovanni Gericht gehalten werden, vergebens legt allen überraschend Elvira Fürbitte für ihn ein, da enthüllt er sich zu allgemeiner Verwunderung und Entrüstung als Leporello, der sich gegen alle Vorwürfe zu rechtfertigen sucht und auch glücklich die Flucht ergreift54. [356] Don Ottavio, der nun nicht mehr zweifelt daß Don Giovanni der Mörder des Comthurs sei, erklärt daß er ihn sogleich aufsuchen und blutige Genugthuung von ihm fordern wolle, er bittet die Freunde seine Geliebte zu trösten, bis er siegreich wiederkehren werde.
Don Giovanni erwartet in der Nähe des Denkmals des Comthurs Leporello, dem er sein neuestes Abenteuer mit Lachen erzählt; da ertönen zweimal von unsichtbarer Stimme ernste Mahnworte. Nun gewahrt er die Statue des Comthurs und läßt Leporello die Inschrift lesen: »Meines ruchlosen Mörders Strafe erwarte ich hier.« Im übermüthigen Hohn über Leporellos Entsetzen zwingt er diesen die Statue zum Abendessen einzuladen; als die Statue mit dem Kopfe nickt und Don Giovanni dies gewahrt55, fordert er selbst rasch entschlossen sie auf zu antworten und da sie vernehmlich Ja! sagt, entfernt er sich eilig und bestürzt.
Don Ottavio versucht von Neuem Donna Anna zu trösten und bittet sie ihm endlich ihre Hand zu geben; sie erklärt ihm daß, wie sehr ihr eigenes Herz für diesen Wunsch spreche, doch die Trauer um den Vater die Erfüllung desselben der Zukunft zu überlassen gebiete56.
[357] Don Giovanni läßt es sich bei der reich besetzten Tafel wohl sein und treibt seine Späße mit dem naschhaften Leporello. Diese Scene, welche in der italiänischen Komödie eine Hauptpartie bildete, in der Herr und Diener in den ausgelassensten Lazzi sich ergingen, ist zu musikalischen Späßen mit der heitersten Laune benutzt. Don Giovanni hat Tafelmusik und diese spielt beliebte Stücke aus den neuesten Opern. Bei den ersten Takten ruft Leporello Bravi! Cosa rara! Es ist der Schlußsatz des ersten Finales aus Martins Cosa rara: O quanto un si bel giubilo, der damals in aller Mund war, und aufs ergötzlichste ist die Situation parodirt, indem dort die unzufriedenen Liebhaber den begünstigten, denen die Geliebten vor ihren Augen zugesprochen werden, hier der hungerige Leporello dem schmausenden Don Giovanni gegenübersteht, so daß die Musik zur gegenwärtigen Scene gemacht zu sein scheint. Das zweite Stück begrüßt Leporello mit dem freudigen Zuruf Evvivano i litiganti!57 Es ist eine Favoritarie des Mingone aus Sartis Oper Fra due litiganti terzo gode (Akt I, 8), dieselbe über welche Mozart bei Sartis Anwesenheit in Wien ihm zu Ehren Variationen geschrieben hatte (III S. 304f.), deren damals allbekannter Text
Come un agnello
Che va al macello
Belando andrai
Per la città
äußerst komisch zu dem schnopernden Leporello paßte58. Die offenbare Schelmerei, mit welcher Mozart hier Lieblingsstücke [358] aus den Opern, welche ganz besonders mit den seinigen rivalisirten, parodisch verwendet – und dieser Eindruck wild noch durch die humoristische Art der Instrumentation, die ganz in der Weise beliebter Arrangements für Harmoniemusik gehalten ist, sehr verstärkt – wird gewissermaßen dadurch ausgeglichen, daß er zum Schluß sich selbst mit ins Spiel bringt. Als die Musikanten das Non più andrai aus Figaro anstimmen, ruft Leporello: Questa poi la conosco pur troppo! und erinnert man sich, mit welchem Enthusiasmus Figaro in Prag aufgenommen war, wie man in Mozarts Concert Variationen über dies Thema von ihm verlangt hatte, so sieht man, wie Mozart hier zugleich dem Prager Publicum auf die liebenswürdigste Weise seinen Dank aussprach.
In die lustige Gesellschaft tritt Elvira ein; sie hat ihrer Liebe entsagt und will in ein Kloster gehen, vorher aber macht sie noch einen Versuch Don Giovanni zur Reue zu bekehren; da er ihre Vorstellungen nur mit leichtfertigem Spott erwiedert, verläßt sie ihn unwillig59. Draußen hört man sie einen furchtbaren Schrei ausstoßen, Leporello eilt ihr nach und kommt zitternd vor Schrecken wieder: die Statue des Comthurs ist vor der Thür, sie klopft, Don Giovanni muß selbst gehen um zu öffnen und kommt mit dem steinernen Gast zurück. Dieser lehnt jede Bewirthung ab und richtet an Don Giovanni die Frage, ob er seiner Einladung zu folgen bereit sei; auf die bejahende Antwort faßt er ihn bei der Hand [359] und fordert ihn auf Buße zu thun. Da Don Giovanni dies wiederholt trotzig verweigert, verläßt er ihn; es wird Nacht, Geister lassen ihre furchtbaren Stimmen ertönen, sie umringen Don Giovanni, den der Abgrund verschlingt60. Als er so der Rache der Sterblichen eben entrückt ist kommen Don Ottavio mit Donna Anna, El vira, Zerlina und Masetto herbei, um den Frevler zu strafen; Leporello, der in fiebernder Angst Zeuge jener Schreckensscene war, berichtet das grausenvolle Ende, welches sein Herr genommen hat. Befreit von großer Sorge und ihren natürlichen Verhältnissen zurückgegeben, vereinigen sie sich in dem Spruch des »alten Liedes«
Questo è il fin di chi fa mal,
E de' perfidi la morte alla vita è sempre ugual!
Ohne Zweifel in die ernste Schlußmoral, welche dem bunten und leichtfertigen Treiben aufgesetzt wird, eine Reminiscenz der Sitte das Stuck wegen seiner handgreiflichen Nutzanwendung als eine Art von geistlichem Drama aufzuführen; auch die Musik klingt zum Schluß vernehmlich dahin an61.
[360] Schwerlich ist anzunehmen daß da Ponte bloß um der moralischen Wirkung willen die Handlung so geführt habe, daß Don Giovanni alle Liebesabenteuer, welche man ihn unternehmen sieht, fehlschlagen; jedenfalls beruht die Heiterkeit, welche die ganze Oper durchdringt, wesentlich mit auf diesem Humor, mit welchem der Held auf dem Gebiet seiner Heldenthaten behandelt ist. Wird dabei die Macht der Leidenschaft zum Theil geopfert, welche im spanischen Drama so poetisch hervortritt, so fällt auch die Reihe von Mordthaten und gemeinen Verbrechen sott, wel che namentlich die deutsche Burleske auf Don Giovanni häufte, und durch die geschickte Concentrirung der Handlung war eine Anzahl locker angefügter [361] Scenen beseitigt worden. Leider haben die deutschen Bearbeitungen, deren sich auf den Bühnen und in den Klavierauszügen eine nicht geringe Zahl angesammelt hat, dem Publicum, das sich von den gewohnten Fastnachtsspäßen nicht losmachen konnte, zu Gefallen die meisten der althergebrachten komischen Scenen beibehalten, welche mit da Pontes Don Giovanni nichts zu schaffen haben – um von Mozart gar nicht zu reden; und der Umstand daß selbst bedeutende Komiker dem Meisterwerk eine Ehre zu erweisen glaubten, wenn sie in diesen Nebenscenen auftraten, trug nur bei diesen Mißstand greller hervortreten zu lassen. Erst seit kurzer Zeit hat man hie und da durch Einführung der Originalrecitative diese Entstellung ganz gehoben. Allein abgesehen von diesen Zusätzen ist in allen gangbaren Bearbeitungen des gesungenen Textes nicht nur der leichte und heitere, oft treffende und nicht selten graziöse Charakter der italiänischen Verse verfehlt, der volle und reiche Klang der Worte verkümmert, sondern selbst der Sinn entstellt und der Situation wie der Musik widersprechendes den Sängern in den Mund gelegt62.
Welche Verdienste man aber an da Pontes Libretto auch anerkennen möge, sein Hauptverdienst bleibt immer daß er zu Mozarts Musik die Veranlassung gegeben hat. Man pflegt wohl einen Operntext als den Cannevas zu bezeichnen, [362] auf welchem der Componist seine Stickerei ausführe; hier möchte man ihn beinahe mit dem Gerüst vergleichen, über welchem der Bildhauer sein Modell erbaut und ausführt, so sehr ist das Gebilde der Oper mit Leib und Seele, im Ganzen und Einzelnen die eigentliche Schöpfung Mozarts, welche, ob sie gleich die gewohnten Formen der italiänischen Oper kaum zu verlassen scheint, doch die Oper überhaupt auf ein ganz neues Gebiet hinübergeführt hat63.
[363] Gleich die Ouverture64 weist vernehmlich darauf hin daß etwas anderes vorgehen werde als die gewohnten heiteren [364] Scherze der opera buffa. Mozart mochte die Nothwendigkeit einer ernsten, feierlichen Ankündigung vor allem empfinden und ließ auch deshalb die Form der dreitheiligen Ouverture, welche er in der Entführung noch beibehalten, im Figaro erst nach wiederholter Ueberlegung aufgegeben hatte, bei Seite, wählte vielmehr die bei den Franzosen übliche, in welcher eine langsame Einleitung einem Allegro vorangeht. Dieses Andante nun ist der Oper selbst entnommen65, es sind die Hauptmotive der Geistererscheinung im letzten Finale –, gleichsam der musikalische Ausdruck des alten TitelsIl convitato di pietra –, um so auf den Culminationspunkt der ganzen Oper gleich zu Anfang hinzuweisen und dadurch den Grundcharakter derselben festzustellen. Nach wenigen einleitenden Accorden erklingen klar und ernst gehaltene Töne, wie eine höhere Erscheinung vom Himmel herabsteigt, die anfangs Unruhe und Befremden, dann ein stets wachsendes Grausen und Schrecken um sich verbreitet66. Das Allegro hält sich an die Hauptzüge Don [365] Giovannis, unaufhaltsam treibende Kraft, die »von Begierde zu Genuß taumelt und im Genuß verschmachtet nach Begierde« durchdringt das Ganze, bald in scharfschmerzlichen Accenten
heißen Verlangens, bald in fröhlichem Jubel und rasendem Taumel67. Dem ernsten Mahneruf, der dies Treiben unterbricht
antwortet wie in frivoler Neckerei eine leicht spielende Figur
und nun beginnt mit diesen contrastirenden Elementen68 ein [366] Spiel, welches nur bestimmt zu sein scheint die freieste Herrschaft über die harmonischen und contrapunktischen Mittel der musikalischen Formgebung in einem wohlgegliederten Satz zu bewähren, in der That aber auch hier ebenso treffend die psychologischen Motive zur reichsten Entwickelung bringt. Wie tiefempfunden ist es, wenn von allen Seiten, durch die Imitationen sich verschlingend69 jene Warnung erst ernst und fest ausgesprochen wird, dann zur herzlichen wehmüthigen Mahnung wird, und endlich, da der Leichtsinnige nur seinen Scherz mit derselben zu treiben scheint, als strenger Ruf zur Buße mit markerschütternder Gewalt wieder und wieder ans Ohr schlägt. Wie wahr ist der Schluß, der manchen als ein bloßer harmonischer Uebergang erscheinen mag, indem jenes warnende Motiv, da der rauschende Jubel sich aufs Höchste gesteigert hat, mit der Septime einsetzend ihn abschneidet, dann in sanfte Mahnung übergeht und so allmählich den Hörer beruhigend auf das Folgende vorbereitet.
Mit dem Beginn der Oper selbst tritt uns sogleich die einzige wirklich komische Figur derselben entgegen und ergänzt [367] gewissermaßen durch ihr charakteristisches Auftreten die nur nach einer Seite hin gewandte Ankündigung der Ouverture. Die typische Figur des Dieners in der Komödie, welche in den verschiedenen Bearbeitungen der Sage die Phasen des Gracioso, Arlecchino, Sganarell, Hanswurst und Kasperle durchgemacht, erhält hier als Leporello auf dem Gebiete der opera buffa ihre Vollendung. Vielen mag Leporello als der Typus des Baßbuffo gelten, den Mozart durch Tradition überkommen und in etwas gemodelt habe; allerdings ist er für Spätere das Modell geworden, er selbst ist eine Schöpfung eigener Art, aber wie eine bedeutende menschliche Natur geistige und leibliche Nahrung mit anderen theilt und doch zu eigenthümlicher Individualität sich herausbildet, so ist auch dieser Leporello aus den Ueberlieferungen und Leistungen der opera buffa zu dieser Individualität herausgewachsen. Auf dem Umstande daß er mit allen Situationen, mögen sie ihrem Wesen nach grauenhaft, leidenschaftlich oder heiter sein, innig verflochten ist, mit den verschiedenen Personen der Oper in Verbindung tritt, beruht der eigenthümliche Charakter der Oper. Damit eine Wechselwirkung, eine Durchdringung der entgegengesetzten Elemente Statt finde genügt es nun nicht daß Leporello seine guten oder schlechten Späße auf jede beliebige Folie aufhefte; nur dadurch daß er seine eigenste Natur unter den verschiedensten Umständen mit voller Wahrheit aus spricht kann er die Situation und die Personen welche Träger derselben sind, sowie er durch sie bestimmt wird, auch seinerseits wieder afficiren; die Kühnheit aber, mit welcher seine ihrem Wesen nach komische Natur mit Leidenschaften und Begebenheiten, die die Tiefe des menschlichen Gemüths ergreifen, in Conflict gebracht wild, versetzt uns in das höhere Gebiet des Humors. Leporello ist ein leibhafter Mensch mit Fleisch und [368] Blut, der seine Art zu denken und zu empfinden und seine Art dies zu äußern hat, und eben die Freiheit und Wahrheit, mit welcher dieses sein Wesen sich ausspricht, macht ihn zur komischen Person. Dies tritt vor allem dadurch hervor daß er mit Don Giovanni als seinem Herrn verbunden ist, dem er ebenso verwandter als entgegengesetzter Natur ist. Er hat denselben Trieb zu glänzen und zu genießen, dieselbe Leichtigkeit sich mit der Moral abzufinden, dieselbe Neigung ernsthafte Dinge scherzhaft zu nehmen, es fehlt ihm auch nicht an Talent und Gewandtheit, aber grade an den Eigenschaften, die uns für Don Giovanni ein gewisses Interesse einflößen, an Kraft und Muth; was bei ihm unter allen Umständen den Ausschlag giebt ist seine Feigheit. Während Don Giovanni jedes Abenteuer aufsucht und sich aus jeder Gefahr zu befreien weiß, wird Leporello stets hineingestoßen, bleibt darin hängen und entkommt schließlich nur durch seine Feigheit; dieses Widerspruchs in sei nem Wesen und Thun ist er sich aber selbst bewußt und wirkt um so erheiternder.
Gleich anfangs lernen wir ihn vollständig kennen. Er ist höchst unzufrieden daß er Schildwach stehen soll, während sein Herr drinnen sich vergnügt, man hört ihn vor Ungeduld unmuthig mit dem Fuß stampfen; während er auf und ab geht, ziehen stolze Gedanken künftiger Größe durch seine Seele: voglio far il gentiluomo, man könnte ihn beinahe für einen Cavalier halten – da hört er Geräusch, und nun ists aus mit dem großen Herrn, er hört nur noch auf seine Furcht, die sich, indem Don Giovanni mit Donna Anna ringt, fortwährend bis zum angstvollen Geplapper steigert. Als es darauf Ernst mit der Gefahr wird, als der Comthur fällt, da faßt ihn Entsetzen, er ist im Innersten erschüttert; aber auch in diese sittliche Empfindung mischt sich etwas von zähneklappernder Furcht. Haben wir hier schon [369] eine ganze Scala charakteristischer Aeußerungen, so erhalten sie doch ihre wahre Bedeutung erst im Zusammenhang des Ganzen, das im lebhaftesten Contrast zu diesem Poltron steht. Die Leidenschaft Donna Annas, der Don Giovanni gleiche Kraft entgegenzusetzen gezwungen ist, die ernste und würdige Haltung des ritterlichen Comthurs, gegen den Don Giovanni wider Willen endlich den Degen zieht70, der Zweikampf71 und der erschütternde Ausgang, als der Comthur fällt, – in rascher Folge rollt sich eine Reihe das Gemüth tief ergreifender und aufregender Momente vor uns ab, die für ein komisches Element kaum Raum zu lassen scheinen, und doch ist dasselbe wesentlich activ dabei, verleugnet sich keinen Augenblick und stört nie die Harmonie des Ganzen, weil Alles von der lebendigsten Wahrheit beseelt ist. Welche Fülle und Tiefe im Ausdruck der ergreifendsten, durch ein Moment bestimmten aber in jedem Individuum verschieden nüancirten Gefühle ist in den achtzehn Takten des Andante zusammengedrängt, das die Introduction schließt. Das Erlöschen des Schmerzes mit der Lebenskraft im Comthur, die Mischung von Mitleid und Stolz in Don Giovanni, von Entsetzen und Furcht in Leporello sind zu einem Ganzen verschmolzen, das die tiefe Erschütterung des Gemüths als eine wohlthätige Lösung der vorhergehenden Spannung erscheinen läßt. Und welche [370] Mittel sind angewandt um diese Wirkung zu erreichen. Drei Baßstimmen, eine sehr unbequeme Zusammenstellung, die aber hier wie ausdrücklich gewählt scheint um den ernsten düstern Ton hervorzubringen; im Orchester nur die Saiteninstrumente mit wenigen gehaltenen Tönen der Hörner und Fagotts auf die einfachste Art verwendet72, erst im Nachspiel treten Oboe und Flöte mit einem leise klagenden chromatischen Gange ein. Das ist die nimmer verlöschende Flammenschrift des Genius!
Kehren wir zu Leporello zurück. Schon die verschiedene Art, wie seine Furchtsamkeit sich in den verschiedensten Situationen ausspricht, giebt die unterhaltendsten Belege für die treffende Charakteristik. Im ersten Finale tritt er nicht sehr hervor, dort steht er neben seinem Herrn, der sich in gleicher Gefahr befindet und dem er sich daher vollständig anschließt; aber im Sextett (II, 6) zeigt er sich in seiner ganzen Größe. So gern er auch die Stelle seines Herrn bei Elvira vertreten mochte, so leidet doch das seine Furcht entdeckt zu werden nicht. Anstatt die Gelegenheit zu benutzen, als er sich mit ihr im Dunkeln findet, ist er trotz ihrer innigen Bitte sie nicht allein zu lassen, nur bemüht sich fortzuschleichen; der Gegensatz zwischen der zaghaften Schüchternheit der Frau und der Angst des feigen Menschen ist vortrefflich ausgedrückt. Als er eben glaubt hinauszukommen, treten Don Ottavio und Donna Anna ein, er versteckt sich. Der rasche Uebergang in eine fremde Tonart, durch die hier unerwartet eintretenden Trompeten und Pauken um so stärker hervorgehoben, versetzt uns in eine höhere Atmosphäre, die Trauer einer edlen Seele und die Tröstungen eines liebenden Herzens finden in Tönen wahrhaft überirdischer [371] Verklärung einen hinreißenden Ausdruck. Elvira leitet uns wieder in die Situation, sie empfindet jetzt Besorgniß für den vermeintlichen Don Giovanni und sucht ihn um ihn zu retten, der Ausdruck ihrer Furcht wird stärker, gewissermaßen materieller und nähert sie dadurch dem Leporello, der von Neuem zu entwischen sucht und das frühere Motiv, aber bedeutend kleinlauter jetzt in der Molltonart, wieder aufnimmt. Da treten ihm Zerlina und Masetto entgegen, auch Don Ottavio und Donna Anna werden ihn gewahr; zu aller Erstaunen aber legt Elvira für Don Giovanni Fürbitte ein – das frühere ängstliche Motiv wird hier vom Orchester aufgenommen und beibehalten, es drückt den wesentlichen Kern der Situation aus, Elviras flehentliche aber gehaltene Bitte, wie das Befremden der Uebrigen gehen nur als verschiedene Nuancen daraus hervor. Als aber ihre Bitte entschieden abgewiesen wird73, wirst Leporello die Löwenhaut ab. An die Stelle seiner früheren Zaghaftigkeit ist jetzt die Seelenangst des armen Sünders getreten, der um Gnade bettelt; er weiß daß seine Nichtigkeit allein ihm dieselbe verschaffen kann, und glaubt es nicht stark genug ausdrücken zu können daß er nicht Don Giovanni, sondern der wirkliche, leibhafte Leporello ist, dadurch hofft er das Mitleid zu erregen; die Ueberraschung der Uebrigen steigert sich natürlich bei dieser Entdeckung, ihr Zorn und Schauder äußert sich in ungleich ergreifenderer Weise als die Verwunderung über Elviras Sinnesänderung. Aber was soll nun geschehen? Zunächst sind Alle rathlos. Leporello gegen über haben die Uebrigen, wenn Einige auch von ihm beleidigt sind, doch darin eine gemeinsame [372] Stellung daß er eben nicht der von ihnen gesuchte, ihrer Rache verfallene Don Giovanni ist, in diesem Gefühl des Unwillens, des Erstaunens über die Täuschung vereinigen sich alle und bilden daher in dem letzten Satz eine geschlossene Masse, die mehr mit ihren eigenen Empfindungen beschäftigt als gegen Leporello feindlich ist. Der aber hat nichts im Sinn als die Gefahr, aus welcher ihm Rettung kaum möglich scheint; zwar sucht er ein paarmal sich zusammenzunehmen, aber immer läßt seine Angst ihn wieder den Kopf verlieren, er plappert vor sich hin, schreit dann wieder angsterfüllt laut auf, aber bringt es weder zu einem Versuch sich zu retten noch Mitleid zu erbitten; er ist ebenso in seine Gedanken verloren, wie die Anderen in die ihrigen, – und dies ist das Moment welches die starken Contraste in den Einzelnen zum Ganzen verbindet, die Wahrheit und Energie mit der Jeder seine Natur, wie sie durch diese Situation angeregt wird, ausspricht giebt demselben Geist und Leben74.
In einer sehr verschiedenen Lage befindet sich Leporello, als Don Giovanni ihm in übermüthiger Laune, die durch Leporellos Angst nur gesteigert wird, befiehlt die Statue des Comthurs zur Tafel zu laden (II, 9). Die räthselhaften Töne welche er soeben vernommen und der Anblick des marmornen Comthurs machen ihm Grauen, aber auf der anderen Seite droht sein Herr mit gezücktem Degen, eine Furcht muß die andere vertreiben, bald nimmt er sich zusammen die Statue anzureden, bald wendet er sich von Angst ergriffen zu seinem Herrn. Der musikalische Ausdruck derselben
[373] ist gewissermaßen durch die Natur der Töne gewiesen und findet sich ganz ähnlich auch im Sextett
aber wie charakteristisch unterscheidet sich dies Gewinsel um Mitleid von jenem energischen wie auf der Folter ausgestoßnen Angstruf – die ganze Verschiedenheit der Situation und Stimmung ist darin ausgesprochen. Während bei den wiederholten Anredeversuchen dieser Angstruf immer dringender wird, wird die Energie der Anrede, die auf den ersten Anlauf ziemlich schlank herauskommt, immer schwächer, und läuft schließlich auf ein parlando mit kläglichem Accent aus, während das Orchester in einer spielenden Figur, die aber durch scharfe Vorhalte einen ganz eigenen Ausdruck bekommt, das Moment des übermüthigen Spottes, welches die Situation nicht minder charakterisirt, zur Geltung bringt75. Als aber wahr wird, wovor ihm innerlich gegraut hat, als die Statue sich regt, da kennt seine Angst keine Grenzen mehr, er windet sich unter dem Eindruck des Schreckens, und nun tritt Don Giovanni hervor. Der weiß nichts von Furcht, er sieht daß die Statue mit dem Kopfe nickt und will Gewißheit haben; mit Kraft und Festigkeit spricht er seine Fragen aus: die Statue antwortet ihr Si. Leporello ist wie vom Donner gerührt und hat keinen Gedanken als an Flucht, [374] auch Don Giovanni ist betroffen76, es wird ihm unheimlich an dem Ort, aber er behält seine Fassung, und das Orchester läßt in dem Ausdruck der zitternden Hast, mit welcher es zum Schluß eilt, noch etwas von dem Humoristischen durchschimmern, das dieser unerwartete Ausgang der Scene hat. Die tiefe und eigenthümliche Wirkung beruht hier wiederum auf der Wahrheit, mit welcher die beiden contrastirenden Individualitäten in dieser ungewöhnlichen Situation sich äußern77. Sehr richtig hat Mozart hier gar keine Mittel aufgeboten um das Grausen des Gespenstischen auch objectiv dem Zuhörer darzustellen; auf die Phantasie desselben ist nach dieser Seite hin durch die schauerlich imponirenden Worte des Comthurs bereits hinreichend gewirkt78, jetzt sollen ihn nur [375] Leporello und Don Giovanni beschäftigen. Die Freiheit, mit Leporellos Doppelangst ein heiteres Spiel zu treiben und auch Don Giovannis Betroffenheit mit einem gewissen Humor zu behandeln beruht ganz wesentlich auf dem Halbdunkel, in welches hier das Geisterhafte gerückt ist; dadurch ist auch der Hörer zwar angeregt, um die Beimischung des Grauens als eine Würze des Humoristischen zu empfinden, aber nicht durch die Empfindung des Entsetzlichen gefangen genommen und beherrscht. Ganz anders gestaltet sich daher alles, sowie der Geist leibhaft erscheint, der nun in einer Weise in den Vordergrund tritt daß von ihm aus alles den eigenthümlichen Ton und Farbe bekommt; es erweist sich nun noch als ein Nebengewinn, daß alle Mittel der musikalischen Darstellung für diesen Moment gespart sind79.
Die Erscheinung des Comthurs im letzten Finale (II, 11) ist freilich in jeder Weise meisterhaft vorbereitet. Zuerst die glänzende Darstellung des heiteren Lebensgenusses, dem Don Giovanni sich ergiebt, in der alle Erinnerung an das was Entsetzliches vorgegangen war ausgelöscht ist, und die durch Leporellos Naschhaftigkeit und besonders [376] auch durch die eingelegte Tafelmusik eine so eigenthümlich humoristische Färbung erhält; dann mit dem Auftreten der Elvira die durch das Einführen eines ethischen Motivs hervorgebrachte Steigerung der Situation, welche durch den Contrast ihrer tief leidenschaftlichen Erregung mit der frivolen, rein sinnlichen Lebhaftigkeit Don Giovannis eine ganz neue Wendung herbeiführt und zugleich den Schluß motivirt. Natürlich steht Leporello hierbei im Hintergrund, er fühlt zwar daß Elvira im Recht sei, wagt aber doch nicht seinem Herrn entgegenzutreten und bringt daher in den scharf ausgeprägten Charakter dieser Scene keinen fremdartigen Ton. Als aber die Katastrophe naht, nachdem der laute Schrei der abgehenden Elvira etwas Unerhörtes verkündigt hat, da ist es wieder Leporello, der, wie er zu Anfang der Oper die Handlung auf seine Weise einleitete, die furchtbare Erscheinung vorbereitet und so auch hier den eigenthümlichen Charakter des Ganzen wahrt. Was er bisher an Furcht ausgestanden hat ist nichts gegen die Todesangst, die ihn beim Anblick des steinernen Gastes befällt, er zittert, die Stimme stockt, kaum hält er sich aufrecht, auch dem bestimmten Befehl des Herrn antwortet er nur mehr mit einem Angstruf: der Hörer zweifelt keinen Augenblick daß, wie lächerlich sich auch der feige Tropf geberdet, etwas Entsetzliches vorgegangen sein muß, das auch auf jeden Anderen einen furchtbaren Eindruck machen würde. Und nun tritt von erschütternden Klängen begleitet der Comthur auf80. Keine menschliche Leidenschaft, nicht Zorn, nicht [377] Mitleid spricht aus den furchtbar ernsten Tönen der überirdischen Erscheinung, es ist die unerschütterliche Festigkeit eines ewigen Gesetzes, das dem Frevler der sich nicht mahnen läßt der Qual überantwortet, welche in ihrer ganzen Erhabenheit in der Musik verkörpert wird. In gehaltenen Tönen schreitet die Mahnung gemessenen Ganges vor, bald auf einem Ton verweilend zu wechselnden Accorden, bald in gewaltigen Intervallen sich bewegend, immer fremdartig, immer klar, die schwere Wucht fortwährend steigernd bis zur Zermalmung. Diese eherne Ruhe wird noch mehr hervorgehoben durch das Orchester, das nach verschiedenen Richtungen hin die Wirkung dieser außerordentlichen Erscheinung charakterisirt und durch mannigfach nuancirte Züge das Bild vollendet. Bald verstärkt es den gewichtigen Schritt der gehaltenen Noten durch den scharfen Rhythmus punktirter Noten, bald fällt es wie mit Centnerschwere in stark dissonirenden Accorden auf einzelne Accente, bald drückt es in den auf- und abgleitenden Scalen den fröstelnden Schauer aus, der die Hörer erfaßt. Dieser ungeheuren Erscheinung gegenüber nimmt nun auch Don Giovanni seine ganze Kraft zusammen. Zwar anfangs ist er betroffen und das Orchester verräth uns seinen innerlichen Schauer, aber bald faßt er sich, er wird immer fester, immer entschlossener, je mehr der Comthur auf ihn eindringt, die Mahnung zur [378] Buße wird ihm nur zu einer Aufforderung in gesteigertem Trotz seine Natur zu bewähren: er muß untergehen. Wie zu Anfang der Oper stehen die beiden im Kampf einander gegenüber, jetzt unterliegt Don Giovanni, den Geistern der Hölle übergeben bricht er widerstandslos zusammen. Mozart hat es nicht allein vermocht dem Ausdruck der Erhabenheit und Kraft81 einen Adel der Schönheit zu verleihen, welche jenen griechischen Kunstrichter hier, wenn irgendwo, die Grazie des Furchtbaren hätte erkennen lassen, er hat es gewagt auch mit dem höchsten Entsetzen unmittelbar das Komische zu verbinden. Daß bei einem solchen Conflict Leporello sich verkriecht liegt in seiner Natur, ganz schweigen kann er jedoch nicht. Aber wenn er wie vom Fieber geschüttelt die zähnklappernden Triolen singt82, wenn er nach [379] der Frage des Comthurs Verrai? in Todesangst seinem Herrn zuruft
da fühlt Jeder, wie ernst es dem armen Tropf ist, und daß er wahrhaftig keinen Spaß treiben will, sondern sich lächerlich geberdet, weil er nicht anders kann. Wie hart das Lächerliche mit dem Entsetzlichen zusammenstößt, das erfährt in Wirklichkeit wohl Jeder, und wie die unwillkührliche Regung, welche es hervorruft, nur den Eindruck des Grausenhaften verstärkt; in künstlerischer Darstellung diese contrastirenden Elemente so zu einem Ganzen zu vereinigen, daß die einzelnen Züge zu einem durchaus wahren und lebendigen Bilde verschmelzen, kann nur dem größten Genie gelingen, zumal wenn nicht die subjective Empfindung das Element der Einigung bildet, sondern in leibhafter Gegenständlichkeit die verschiedenen Momente in Action treten. In dramatischer Musik giebt es kaum etwas das sich in der Beziehung mit dieser Scene im Don Giovanni messen könnte.
Es ist wohl klar daß Leporello keinen bewußten Spaß mit seiner Furchtsamkeit macht – was daher seine Darsteller auch nicht thun dürften –, sondern daß es ihm herzlich ernst damit ist, indeß ist dies nur ein Zug seines Charakters83. [380] Er ist dabei auch ein lockerer, übermüthiger Bursche, nur daß er sich noch nicht so ganz wie sein Herr von allen moralischen Regungen emancipirt hat, die aber vor einer Drohung und einem Geschenk gleich wenig Stand halten. Daher übernimmt er denn, wo es ihm nicht gefährlich scheint, nicht ohne Behagen seine Rolle bei den Streichen Don Giovannis, der ihn namentlich vorschiebt um sich Elviras zu entledigen. In der berühmten Arie (I, 4), in welcher er, als wollte er die Verlassene trösten, vor ihr das Register der Liebschaften seines Herrn aufrollt, verhehlt er doch nicht, welches Vergnügen ihm diese Erinnerung und der Spott macht, den er mit Elvira treibt. Im ersten Theil ist die Aufzählung der langen Reihe naturgemäß parlando gehalten, nur hie und da durch stärkere declamatorische Accente gehoben, wie bei dem famosen mia in Ispagna son già mille e trè; aber das Orchester, das fortwährend in lebhafter Bewegung ist, verräth uns was für Erinnerungen an lustige Streiche und lockeres Leben ihm dabei durch den Sinn gehen84. Als er dann auf eine nähere Charakteristik des Geschmacks und der Methode seines Herrn eingeht, wird er wärmer und schildert nun selbst alle Details mit vollem Ausdruck, bis er endlich mit der boshaften Apostrophe voi sapete quel che fa in offenbarer Verhöhnung schließt85. Die in ihren [381] einzelnen Zügen ebenso schlagende als durch das innere Behagen des Leporello ergötzliche Charakteristik86 trifft freilich nur den italiänischen Text, den die Uebersetzungen am ärgsten mißhandelt haben wo die musikalische Behandlung die größte Genauigkeit verlangte, und ist auch in ihrer Ausdrucksweise echt italiänisch, zum Theil nur mit italiänischer Mimik ganz verständlich. Zwar wenn er ihn preisen läßt nella bionda la gentilezza, nella bruna la costanza, nella bianca la dolcezza, so ist der Ausdruck Jedem eingänglich, auch die grande maestosa wächst für Jedermann verständlich stolz in die Höhe; aber wenn es darauf heißt
so ist die eigentliche Wirkung deutsch nicht wiederzugeben87. [382] In Italien braucht man nur auf der Straße Acht zu geben um zu gewahren, wie einer, der ein Mädchen als die Kleine bezeichnen will, unwillkührlich das Wort zehnmal hintereinander rasch wiederholt und dabei die Hand allmählich mehr und mehr der Erde nähert – das ist musikalisch nicht treffender auszudrücken als Mozart gethan hat. Aehnlich ist es im Terzett (II, 2), wo Leporello das Lachen nicht verbeißen kann
und das stille Insichhineinlachen für einen Italiäner musikalisch aufs natürlichste ausgedrückt ist88.
Ueberhaupt hat das schnelle Sprechen, eines der geläufigsten Darstellungsmittel in der opera buffa, eine andere Bedeutung im Italiänischen als im Deutschen. Auf den Deutschen macht es zwar auch fast immer den Eindruck des Komischen, allein auch des Karikirten; es ist ihm nicht natürlich, und entweder übertrieben oder gemein, daher auch nur in sehr beschränkter Weise als Mittel der Charakteristik zu verwenden. Für den Italiäner ist dagegen das rasche Sprechen, das der Charakter seiner Sprache so sehr erleichtert, der natürliche Ausdruck innerer lebhafter Erregung; es kommt nur darauf an, ob er sich gehen läßt oder aus irgend [383] welcher Ueberlegung an sich hält. In der italiänischen Oper ist daher das schnelle Sprechen ohne Bedenken zulässig, es macht an sich nicht den Eindruck der Karikatur, nicht einmal des Komischen, sondern Umstände, Persönlichkeit, Art der Anwendung geben demselben erst den bestimmten Charakter. Wollte man nur die Partie des Leporello im Einzelnen auf die Behandlung dieses raschen parlando durchgehen, würde man finden, daß es in verschiedenen Situationen einen ganz verschiedenen Ausdruck und jedesmal seine psychologische Berechtigung hat. Es kommt daher auch nicht allein der vorzugsweise komischen Person zu. Wenn zu Anfang des ersten Finales (I, 13) Masetto seinen eifersüchtigen Zorn, Zerlina ihre Angst in rasch gesprochnen Worten äußert, so soll das nicht etwa ein Mittel sein das Publicum lachen zu machen, es ist vielmehr der natürliche Ausdruck ihrer Empfindung: die Situation dieser Personen bringt die komische Wirkung hervor. Freilich gehören sie den niederen Ständen an, denen man diese Ausdrucksweise deshalb nachsehen möchte; aber auch Don Giovanni, dessen Natur der höhere Adel fehlt, schont wo er sich gehen läßt, sei es im Scherz oder in leidenschaftlicher Aufregung, seine Zunge nicht. Besonders wenn er mit Leporello verkehrt, gestattet er dem Diener nicht allein manche Freiheiten, sondern läßt sich auch selbst zu ihm herab, was natürlich auch im musikalischen Ausdruck zum Vorschein kommt, und diese kleinen Nachlässigkeiten des Conversationstons, die wie unwillkührlich die gehobnere Ausdrucksweise unterbrechen, wirken außerordentlich dazu mit das Ganze frei und lebendig zu machen. In dem kleinen Duett (II, 1), in welchem er den erzürnten Leporello zu besänftigen sucht und sich ganz familiär mit ihm macht, drückt er sich deshalb auch ganz in seiner Weise aus; nur ist der charakteristische Unterschied nicht zu [384] übersehen, daß Leporello im hohen Grade aufgeregt und ernstlich erzürnt ist, während Don Giovanni sich nur zum Spaß in dieser Weise gehen läßt, und in diesem Contrast liegt das eigentlich komische Moment. Aber auch in wirklicher Erregung, wie im ersten Finale, wo er einen Augenblick den Kopf verliert, fällt er mit den Worten è confusa la mia testa in dies rasche Sprechen, das aber, sowie er sich gesammelt hat, mit den Worten ma non manca in me coraggio einem ganz anderen musikalischen Ausdruck weicht. Noch mehr tritt dies in dem Quartett (I, 8) hervor, in welchem die durch Elvira ihn bedrohende Gefahr ihn in solche Aufregung versetzt, daß er grade, als er ihr zuspricht sich in Acht zu nehmen: siete un poco più prudente, durch sein hastiges, rasches auf sie Einreden verräth, wie sehr er selbst die Besonnenheit verloren hat. Darin liegt nun allerdings auch etwas Komisches, allein sowie dies Moment vor dem Ernst der Situation im Wesentlichen zurücktritt und nur eine leise Nuance des Ausdrucks hineinbringt, so darf auch diesem raschen parlando durchaus nicht der eigentliche Buffocharakter beigelegt werden. Elvira selbst, die ihre heftige leidenschaftliche Natur nicht zu zügeln weiß, wird ebenfalls durch die immer sich steigernde Leidenschaft hingerissen ihrem Zorn in geflügelten Worten Luft zu machen, welche sicher auf Niemand einen komischen Eindruck machen werden. Donna Anna dagegen und Don Ottavio, vornehme und gehaltene Naturen, lassen sich nie in der Art gehen, daß sie in ein solches Schnellsprechen verfielen. So dient auch dieses Darstellungsmittel, da es immer nur der Wahrheit gemäß zur Anwendung gebracht wird, ebensowohl zur individuellen Charakteristik, zur Schärfung der Contraste, als es durch seinen realistischen Charakter wirksam wird das eigenthümliche [385] Temperament, welches die ganze Oper auszeichnet, auch in die Haltung ernster und pathetischer Situationen zu bringen.
Ueberhaupt ist dies Quartett einer der schönsten Belege für Mozarts geniale Meisterschaft in den verschiedensten Richtungen. Elvira unterbricht durch ihre Warnung das Gespräch zwischen Donna Anna, Don Ottavio und Don Giovanni in der unerwartetesten Weise, jene sind überrascht und unsicher, was sie davon halten sollen, dieser erschrickt, sucht sie durch Täuschung in der Ungewißheit zu halten und Elvira zu beseitigen: so entsteht jene schwebende Stimmung, welche recht eigentlich musikalisch ist und die hier durch die Trauer Donna Annas und Don Ottavios den eigenthümlichen weichen Ton erhält, der das Ganze beherrscht. Was hier zunächst hervortritt ist die geschickte Gruppirung. Donna Anna und Don Ottavio, die unzertrennlich zusammenstehen, bilden den festen Mittelpunkt, Elvira und Don Giovanni stehen bald in ähnlicher Weise obwohl feindselig neben einander, bald wenden sie sich nach verschiedenen Seiten hin den beiden andern zu, wobei der Situation gemäß Elvira am häufigsten isolirt den drei andern gegenüber erscheint, indem sie auch durch ihre leidenschaftliche Erregung vor den anderen in den Vordergrund tritt, so daß von ihr die fortschreitende Bewegung des Ganzen ausgeht, der Don Giovanni nothgedrungen und in ganz anderem Sinne folgt, während jene beiden aus ihrer achtsamen Beschaulichkeit nur vorübergehend heraustreten. Ein schöner Zug von tief ergreifender Wahrheit ist es, wenn das Motiv der Worte Elviras
[386] vom Orchester und den übrigen Stimmen aufgenommen wird, so daß es wie das Losungswort, das den Schlüssel des Räthsels bietet, mit einer unwiderstehlichen Gewalt sich aus Ohr drängt, und selbst an Don Giovanni zum Verräther wird. Daher kehrt denn auch nach Vorwürfen, Zureden, Fragen aller Art, die sich drängen, zuletzt dies Motiv wieder und, wie die wirkliche Lage der Dinge unaufgeklärt bleibt, verklingt es leise mit seinem schmerzlichen Vorwurf. Und diese Ahnung die hier die Seele Donna Annas durchzieht bereitet die Entdeckung vor, welche sie blitzschnell in Don Giovanni den Mörder ihres Vaters erkennen läßt.
Die Gruppirung der Singstimmen wird überhaupt zu einem wirksamen Mittel der psychologischen Charakteristik. Leporello empfindet beim Auftreten der Elvira im zweiten Finale eine Regung des moralischen Gefühls, und so läßt ihn auch die musikalische Gliederung sich der Elvira nähern, ihre Partien entsprechen einander – zuletzt sogar in vollständiger Imitation89 – und treten der des Don Giovanni gegenüber, die nun um so schärfer hervortritt. So ist auch im Terzett (II, 2) Leporello bald dem Don Giovanni nahe gerückt, bald der Elvira, der er anfangs nachspottet, später aber doch seine Theilnahme nicht versagen kann, und sich nun auch im musikalischen Ausdruck ihrer Partie anschließt, während Don Giovanni sich in selbständiger Bewegung von ihnen ablöst. Diese Kunst durch die scheinbar nur dem Erforderniß der musikalischen Gestaltung dienende Gruppirung nicht allein [387] Klarheit und Uebersichtlichkeit zu gewinnen, sondern zugleich und in gleichem Maaße die psychologische und dramatische Charakteristik in den feinsten Zügen auszuführen läßt sich in jedem Ensemblesatz in ähnlicher Weise erkennen.
L. Bassi90 soll befremdet gewesen sein daß die Hauptperson der Oper keine eigentliche große Arie zu singen habe, dies Befremden werden andere getheilt haben. Wäre Don Giovanni die faustische Natur, zu der man ihn hat machen wollen, so wäre es nicht zu vermeiden gewesen in einem Monolog diesen Zwiespalt seines Inneren, den Kampf der leidenschaftlich erregten Sinnlichkeit oder der weltschmerzlichen Menschenverachtung mit dem sittlichen Gefühl und seinem höheren Streben darzulegen, wodurch auch für die musikalische Darstellung ein dankbarer Gegen stand geboten wäre. Allein Don Giovanni weiß gerade gar nichts von Zweifeln [388] und Bedenken irgendwelcher Art, nichts liegt ihm ferner als Grübeln, im Vollgefühl seiner Kraft strebt er nur nach Genuß und findet in diesem seine ganze Befriedigung. Auch die Gefahr reizt ihn, weil sie seine Kraft herausfordert, übermüthiger Scherz, der ihn seine Ueberlegenheit empfinden läßt, vor allem aber der sinnliche Genuß. Von einer dämonischen Lust an der Verführung des ihm verfallenen Opfers zeigt sich nirgend eine Spur, ebenso wenig die Regung einer mächtigeren, die Seele ergreifenden Leidenschaft, welche man selbst in der Verirrung noch durch die Bezeichnung der Liebe adeln könnte; es ist die rücksichtslose Hingebung an eine Erregung, die ihrem Wesen nach sinnlich allerdings den ganzen Menschen heftig ergreift und momentan auch die edleren Seelenkräfte berührt. Die Fülle der Kraft, aus welcher sie hervorgeht, die Feinheit der äußeren Formen, in welchen sie sich äußert, die heitere und selbst humoristische Jovialität, welche damit verbunden ist, können eine solche Erscheinung, welche dadurch weder edel noch würdig wird, weniger verletzend machen, und die Sitten der Zeit, welche Tirsos Don Juan und da Pontes Don Giovanni hervorbrachte, ließen sie statthaft erscheinen; vor allem aber ist es die Musik, welche, indem sie ihrer Natur nach das Element der Empfindung hervorhebt und als das eigentlich wahre und berechtigte geltend macht, die künstlerische Darstellung einer so gearteten Individualität und deren entsprechende Wirkung möglich macht91. Allein eine Natur wie Don Giovannis [389] wird sich nicht in Monologen aussprechen, sie reflectirt nicht, sie äußert sich nur durch die That und wir lernen daher Don Giovanni fast allein in der unmittelbaren Berührung mit anderen kennen. Nur einmal, als er Leporello den Auftrag giebt ein glänzendes Fest zu bereiten, und sich nun ganz der Vorempfindung der Freuden und Genüsse, welche ihm bevorstehen, hingiebt, erhält diese erregte Stimmung auch ihren musikalischen Ausdruck in einer Arie oder vielmehr einem Lied (I, 11). Denn Mozart läßt, ausgehend von der Vorstellung des Balles der Don Giovanni beschäftigt92, ihn ein ganz einfaches Tanzlied von sehr lebhaftem Charakter singen, in dem sich nichts von einer höheren Leidenschaftlichkeit, noch viel weniger von dämonischen Gelüsten, nichts von edleren Gefühlen spüren läßt, das vielmehr in sehr eindringlicher und gefälliger Weise die sinnliche Aufregung des Augenblicks, wie einen schnell vorüberfliegenden Rausch, mit zündender Gewalt ausdrückt93. Von ganz anderem Charakter [390] ist das Ständchen (II, 3), von Mozart Canzonetta überschrieben; denn ist gleich das Kammermädchen, an welches dasselbe gerichtet wird, nicht gegenwärtig, so spricht Don Giovanni doch nicht mit sich, ergeht sich nicht in allgemeinen Gefühlsergießungen, sondern wendet sich mit der ganzen Wärme seiner Empfindung an die Schöne, deren Herz er rühren will. Das italiänische Lied hat in Rhythmus und Sprache einen eigenthümlichen, volksmäßigen Charakter, wie ja auch die Sitte eine volksthümliche ist daß der junge Bursche vor dem Fenster seines Mädchens zur Cither singt und erwartet, ob sie ihn erhöre; das bleibt sich gleich, ob man sich denkt, Don Giovanni singe hier ein bekanntes Lied oder improvisire dasselbe, so wie so ist es der volle Ausdruck seiner sehnsüchtigen Erwartung. Die wollüstige Spannung, die süße Schwärmerei, mit welcher er dem ersehnten glücklichen Augenblick entgegen sieht, hat einen so überraschenden, dabei so unwiderstehlich einschmeichelnden und durch die Feinheit der Nuancirung tief eindringenden Ausdruck erhalten, daß dieses kleine Lied wie eine seltene Blume von wunderbarem Farbenschmelz und berauschendem Duft den Sinn gefangen nimmt; es giebt nichts, auch bei Mozart nicht, das sich ihm vergleichen läßt94.
[391] Die einzige wirkliche Arie, welche Don Giovanni singt, singt er nicht als Don Giovanni. In Leporellos Kleidern und für diesen gehalten giebt er Masetto und seinen Begleitern Vorschriften, wie sie ihn, den sie suchen, erwischen sollen, die musikalische Charakteristik muß sich also der Maskerade anschließen. Ohne Zweifel gehört diese Arie (II, 4) Metà di voi qua vadano zu den originellsten Conceptionen, die man bewundert, ohne recht zu begreifen, wie sie haben gefaßt werden können. Die Situation giebt gar keine eigentlich musikalischen Impulse; Posten werden ausgestellt, Signalements mitgetheilt, nirgends ein Anlaß zu musikalischer Charakteristik geboten, die sprechende Person ist durch die Verkleidung eine ganz unsichere geworden – nur ein eminent musikalisches Genie konnte hier den Punkt finden, von wo aus ein musikalisches Kunstwerk sich entwickeln ließ, wie es Mozart in größter Behaglichkeit ausführt. Der Buffocharakter ist hier natürlich maaßgebend, aber nicht allein weil Don Giovanni hier den Leporello spielt – dadurch kann nur der Ausdruck etwas modificirt werden –, sondern weil der übermüthige Spaß mit Masetto ihm selbst das innigste Behagen macht, beides muß also mit einander [392] verschmolzen werden. Nun braucht man diese Arie nur mit den beiden Arien des Leporello (I, 4. II, 7) zu vergleichen um den wesentlichen Unterschied in der Haltung zu gewahren. Wenn die vielen rasch gesprochenen Stellen den vulgären Charakter zeigen, so nimmt die Musik bei etwas gehobenen Stellen unwillkührlich einen vornehmeren Ausdruck an; Stellen wie
mit dem ungemein charakteristischen Triller, oder
konnte Leporello gar nicht singen, hier kommt der Cavalier unverkennbar zum Vorschein. Die Situation bringt es mit sich daß die Singstimme vorwiegendparlando gehalten ist und dem Orchester die wesentliche Gestaltung des Ganzen zufällt, und in der That ist dasselbe so selbständig gehalten daß es scheinen könnte, die Singstimme sei allenfalls entbehrlich, was freilich durchaus nicht der Fall ist, denn beide ergänzen einander nothwendig. Da die einzelnen Züge der Situation musikalisch nicht eigentlich anregend sind, wild die Musik auch nicht in dem Sinne im Einzelnen charakteristisch wie z.B. im Andante von Leporellos großer Arie; die Grundmotive der Situation, das geheimnißvolle Wichtigthun, die scheinbare Vertraulichkeit Don Giovannis, die gespannte Aufmerksamkeit und Neugierde der Landleute sind in der launigsten Weise aufgefaßt, und indem das Orchester das was in der Seele aller Betheiligten angeregt wird in seinen verschiedenen Wendungen wiedergiebt, gestaltet sich ein Ganzes, das lediglich nach den Gesetzen der musikalischen [393] Logik construirt zu sein scheint, während es doch die lebendigste dramatische Charakteristik entwickelt, die allerdings nur durch ein entsprechendes mimisches Spiel aller Personen, auch der stummen, für welche das Orchester spricht, zur vollen Geltung kommen kann.
Seinen wahren Charakter aber offenbart Don Giovanni erst da, wo er mit anderen Personen, namentlich mit Frauen in Berührung kommt. Seine Verführungskunst sehen wir ihn zuerst gegen Zerlina üben. Sie tritt uns als ein einfaches Bauermädchen entgegen, in dem kleinen Duett, welches sie mit ihrem Bräutigam unter dem lustigen Zuruf der Freunde singt (I, 5) spricht sich harmlose Heiterkeit und Freude auf die einfachste Weise, in populärer Fassung aus95; erst Don Giovanni weckt Gefühle, die in ihrer Seele unentwickelt schlummerten. Der schöne, vornehme Mann hat der unerfahrnen Bäuerin gegenüber leichtes Spiel; der Eindruck welchen er durch seine ganze Erscheinung auf sie macht, wird durch das Gefühl der Ueberlegenheit, welche er durch Stand, Reichthum und Bildung ihr gegenüber hat, beherrscht; indem er auf diese Vorzüge verzichtet und sich ihr gleichstellt, schmeichelt er nicht nur ihrer Eitelkeit, sondern er gewinnt, da diese Gleichstellung durch gegenseitige Zuneigung bedingt ist, auch ihr Gefühl für sich. Dieses Gefühl, das fern von Leidenschaftlichkeit, zunächst durch das sinnliche Wohlgefallen angeregt auch das Gemüth zu zärtlicher Empfindung stimmt, in einer Weise ausgedrückt daß es auf den einfachen Sinn Zerlinas den Eindruck der Wahrheit machen muß, ruft in ihr das gleiche mit solcher Macht hervor, daß alle [394] Bedenken davor zurücktreten. Diese psychologische Beobachtung bedingt die Haltung des Duetts (I, 6), in welchem Don Giovanni die Neigung Zerlinas rasch gewinnt. Kein Pathos, keine Ueberspanntheit nach irgend einer Seite, der einfache Ausdruck dieser einfachen das Herz sanft und süß bewegenden Empfindung ruft eine Aufregung in Zerlina hervor, die sich mehr in einer mädchenhaften Verlegenheit als ernstlichem Widerstand äußert und vor dem wärmeren, aber immer nicht heftigen Andringen Don Giovannis bald ganz weicht, so daß beide sich dem Gefühl einer gegenseitigen Befriedigung hingeben, welche, da kein Kampf der Leidenschaft vorausgegangen ist, nicht den Ausdruck einer aus der Tiefe des Gemüths hervorquellenden Liebesseligkeit, oder einer jedes andere Gefühl überströmenden Berauschung, sondern eines in hellem Sonnenschein sich wiegenden warm empfundenen Glücks annimmt96. Die psychologische Wahrheit der musikalischen Darstellung ist leicht nachzuweisen, aber den zarten Schmelz, die süße Innigkeit, welche Mozart in die einfachen Töne gelegt hat, die so sanft und unwiderstehlich ins Herz dringen, wie ein Blick aus liebesfeuchtem [395] Auge, kann das Wort nicht bezeichnen. Ist doch dies Duett sprichwörtlich geworden als ein Typus zarter Liebeswerbung.
Beim zweiten Zusammentreffen steht die Sache wesentlich anders. Zerlina ist durch Elvira gewarnt, sie hat Masettos Eifersucht eben mit Mühe besänftigt, weiß sich von ihm belauscht und sucht daher Don Giovanni auszuweichen, zu dem sie sich doch hingezogen fühlt. Das weiß er und nachdem er ihr Bemühen sich zu verstecken als einen Scherz vereitelt hat, entgegnet er ihrer Bitte um Schonung wiederholt mit demselben musikalischen Motiv, dem er nun den nach seiner Ueberzeugung wahren Sinn unterlegt, wodurch dies Liebesspiel ebenso sein charakterisirt wird als unmittelbar darauf seine Ueberraschung Masetto im Versteck zu finden und die schnelle Fassung, mit der er ihn becomplimentirt, worauf dieser spöttisch Don Giovanni seine eigene Phrase zurückgiebt. Das Orchester, das noch eben so zart dem Liebenden zur Seite ging, drückt hier auf unvergleichliche Weise den Spott und verhaltenen Grimm aus, wobei auch die verhängnißvollen Hörner sich vernehmen lassen. Glücklicherweise hört man von drinnen die Tanzmusik, alle, besonders Zerlina, sind froh aus der Verlegenheit zu kommen und eilen hinein. Im weiteren Verlauf der Festlichkeit, wo Zerlina von Masetto beobachtet, von Don Giovanni gesucht sich zurückzuhalten bestrebt ist, bis er mit ihr zum Tanz antritt97 und sie dann bei Seite führt, wird mehr die gesammte Situation in sicheren Zügen charakterisirt, und die lebhafte Entwickelung läßt die individuellen Momente mehr zurücktreten. [396] Nachdem sie aus Don Giovannis Händen befreiet worden ist, erscheint ihre individuelle Beziehung zu ihm aufgehoben; wir finden sie von da an in der Reihe seiner Verfolger. Aber offenbar hat schon dies flüchtige Zusammentreffen mit dem Verführer in ihrer Seele einen Keim geweckt, dessen Entwickelung ihr Verhältniß zu Masetto umgestaltet.
Zu Anfang tritt sie uns heiter, unbefangen, glücklich mit ihrem Bräutigam entgegen. Masetto erweist sich als ein derber, zur Eifersucht geneigter, aber äußerst gutmüthiger Bursche, wir finden ihn immer im Nachtheil gegen Zerlina, Don Giovanni, selbst gegen Leporello. Mozart hat nichts gethan um ihn durch bunte Lappen herauszuputzen, sondern in einfachen, bezeichnenden Zügen der Natur gemäß eine Figur hingestellt, die sich nie in den Vordergrund drängt, aber namentlich in den Ensemblesätzen immer am rechten Platze ist, um dem Ganzen Haltung und Farbe zu geben. Nur einmal läßt er sich in einer Arie vernehmen, als Don Giovanni, der mit Zerlina allein zu sein wünscht, ihn fortschickt. Diese ist im entschiedenen Buffocharakter gehalten und wendet die diesem üblichen Mittel an; vergleicht man sie aber mit der oben besprochenen Arie Don Giovannis und denen Leporellos, so wird man von Neuem inne werden, daß dieselben Darstellungsmittel durch die geistige Belebung ganz verschiedene Organisationen zu gestalten fähig werden. [397] Wir haben hier ein ganz anderes, aber in seiner Art ebenso wahres Charakterbild vor uns. Der Unmuth, der sich nur aus Respect vor dem gnädigen Herrn nicht auszulassen wagt und herzlich gern sich in bitterem Spott äußern möchte, wenn er es nur recht anzufangen wüßte, der so derb auftritt, obgleich er gar sein zu sein denkt, ist vortrefflich charakterisirt. Gleich das erste Motiv des Orchesters, bei dem die ominösen Hörner wieder sehr bemerklich sind
zu dem er sein ho capito, signor, sì ausruft, macht durch seine monotone Wiederholung derselben Takte, die immer nachdrücklicher wiederkehren, deutlich wie ihn der Gedanke beschäftigt, den er sich nicht aus dem Sinn bringen kann. Vortrefflich charakterisirt sind die beiden Motive, mit welchen er sich spöttisch gegen Don Giovanni und Zerlina wendet; ebenso bezeichnend ist der Schluß, mit dem er gar kein Ende finden kann, wobei die synkopirten Rhythmen den Ausdruck seines Widerstrebens nicht wenig verstärken98.
Mit diesem bäurisch derben, aber ehrlichen und gutmüthigen Charakter stehen nun die beiden Arien der Zerlina [398] im lebendigsten Contrast. Die Berührung mit Don Giovanni hat ihr ihre Ueberlegenheit über Masetto zum Bewußtsein gebracht und sie gebraucht dieselbe. In ihren Arien spricht sich nicht die herzliche Zuneigung, nicht die unwillkührliche Regung zärtlicher Empfindung aus, sondern ein bewußtes Geltendmachen der Macht, welche ihre Persönlichkeit über den Bräutigam hat. Diese gründet sich nicht allein auf ihre körperlichen Reize, sondern auch auf ein Gefühl der Neigung das sie keineswegs heuchelt, das aber doch nicht so tief in ihrem Gemüth wurzelt, daß sie dadurch beherrscht würde. Sie ist eine von jenen leichten Naturen welche flüchtig sind ohne eigentlich unwahr zu werden, deren Empfindung durch den Augenblick bestimmt wird und durch die momentane Erregung einen erhöheten Reiz des Ausdrucks gewinnt, wenn ihm auch die nachhaltige Wirkung abgeht. Die künstlerische Darstellung kann dies nur durch die vollendete Anmuth und Grazie der reizend schönen Form wiedergeben, und der Meister wird sich darin bewähren daß er dieselbe mit einem leisen Hauch zarter Empfindung, ohne welchen sie kalt bleiben würde, zu beseelen und ihr das schalkhafte Lächeln zu geben vermag, das jeden Gedanken an Sentimentalität verscheucht. Man darf sich nur einen Augenblick erinnern, wie nahe die Gefahr lag aus dieser Zerlina eine herzlose, affectirte Kokette zu machen, um die Feinheit zu bewundern, mit welcher Mozart die zartesten Farbennuancen des Anmuthigen gemischt hat, um eine in diesem Gebiet ideale Gestalt hervorzubringen, in die er sich, nach Oulibicheffs artiger Bemerkung (II p. 123) selbst verliebt zu haben scheint, wie Pygmalion in seine Statue. Die erste Arie (I, 12) bekommt ihren eigenthümlichen Charakter dadurch daß Zerlina Masetto zu versöhnen sucht. Aber von schuldbewußter Reue, von flehentlicher Bitte, von einer neu [399] aufflammenden heißen Liebe ist keine Spur zu finden; sie schmeichelt ihm, weil sie weiß daß er ihrem Liebreize auf die Länge nicht widerstehen kann, mit der süßesten Zärtlichkeit nimmt sie seine Sinne gefangen und verkündigt ihm immer zuversichtlicher ein Glück, dem zu entsagen er viel zu schwach ist. Und welcher Zuhörer ließe sich nicht willig auf diesem Strom das Ohr wahrhaft liebkosender und den Sinn berauschender Töne hingleiten. Lieblicher schmeicheln und kosen, heiterer tändeln in leichtem Liebesspiel kann man nicht, und kein falscher Ton von Sentimentalität stört das anmuthige Bild. Ganz eigenthümlich trägt die durchgehende Begleitung des obligaten Violoncells zu der individuellen Charakteristik bei; die rastlose Bewegung, der dunklere und weiche Klang dieses Instruments sticht gegen die klare, sonnenhelle Singstimme merkwürdig ab, und wie so oft bei Mozart bringt hier die Begleitung das, was der Sänger nicht ganz ausdrückt, zur Vollendung. Das Unruhige, Bewegte in der Gemüthsstimmung beider Liebenden tritt uns als die Grundlage der Situation hier entgegen, erst im zweiten Theil strömt die Bewegung freier und voller, bis zuletzt jeder Unmuth in leisem Gemurmel verklingt99.
Bei der zweiten Arie (II, 5) ist die Situation eine[400] andere. Masetto hat Schläge bekommen und Zerlina sucht ihn durch ihre Zärtlichkeit zu trösten; wollte sie das mit sentimentalem Ernst thun, so würde es sehr albern ausfallen, eine gewisse Schalkhaftigkeit ist daher hier ganz am Platz und Mozart hat sie mit vollem Recht an die Stelle der Lüsternheit gesetzt, welche im Text angedeutet ist. Dadurch hat er auch hier die reine Anmuth und Grazie gewahrt, welche diese Arie überaus anziehend machen, die nach dem Maaß von Theilnahme und Gefühl, welches die Situation gestattet, auch der Wärme nicht entbehrt. Die Pointe, auf welche der Text hinausläuft, daß sie Masetto das Klopfen ihres Herzens fühlen läßt, giebt zu einem Motiv des Orchesters Veranlassung, in welchem der gezogene Gang der Geigen den kurzen abgemessenen Schlägen der Blasinstrumente gegenüber das schmachtende Gefühl, das auch die Singstimme ausdrückt, reizend wiedergiebt. Ueberhaupt ist der helle Charakter der Instrumentation bei dieser Arie gegenüber der so sehr verschiedenen Färbung des Orchesters bei der ersten ungemein bezeichnend und bedeutsam100.
Das Charakterbild der Zerlina, welches aus diesen Arien hervortritt, rechtfertigt die Hingebung welche sie Don Giovanni gegenüber zeigt, und es ist psychologisch wohl begründet wenn sie durch diesen lebhafter ergriffen und inniger gerührt wird als später durch Masetto. Die verschiedene Nuancirung der Charakteristik im Duett und in den Arien ist daher ebenso treffend als sein.
Völlig verschieden ist Don Giovannis Verhältniß zu Elvira. Sie in ihm den äußeren Verhältnissen nach ebenbürtig, durch Adel der Gesinnung überlegen, und von ihm [401] aufs tiefste gekränkt101: so tritt sie ihm entgegen. Gleich die erste Arie (I, 3)102 kündigt sie als eine kräftige, leidenschaftlich empfindende Frau an, die von der jungfräulichen Zurückhaltung Donna Annas so fern ist als von der zierlichen Anmuth Zerlinas. So rückhaltslos wie sie sich ihrer Liebe für Don Giovanni hingegeben hat, folgt sie nun dem Gefühl der Rache, und auch dieses geht nicht sowohl aus verletztem Stolz sondern aus gekränkter Liebe hervor, die daher immer wieder aus der Asche aufzulodern droht. Festigkeit und Entschlossenheit drückt sich edel und stolz, nicht ohne eine gewisse Vornehmheit in der Singstimme aus, während das Orchester in kräftig bewegten Figuren, die mitunter einen höheren Schwung nehmen, die Erregtheit ihres Herzens charakteristisch ausdrückt103. Daß Don Giovanni sie belauscht, ohne sie zu erkennen Theilnahme für sie gewinnt, und Leporello darüber seine Glossen macht, das [402] giebt auch dieser Situation die Beimischung von Humor, welche die ganze Oper charakterisirt und dessen musikalischer Ausdruck hier ungemein sein und liebenswürdig ist. Dies Element richtet sich gegen keine Person so schonungslos wie gegen Elvira, die durch ihre Leidenschaftlichkeit, welche ihre Verschuldung herbeigeführt hat, auch dazu die Veranlassung bietet; schon hier zeigt die musikalische Darstellung deutlich, daß Elvira in ihrem eigensten Wesen davon unberührt bleibt.
Ihren Entschluß Don Giovanni zu verfolgen und in seinem Beginnen zu hindern sehen wir sie zuerst ausführen, als sie in dem Augenblick, wo er mit der leicht gewonnenen Zerlina in sein Casino eilen will, ihnen entgegentritt und durch ernste Mahnworte sie bewegt ihn zu verlassen. Die Arie nun, in welcher sie der Zerlina gleichsam eine Bußpredigt zuruft
Ah! fuggi il traditor!
Non lo lasciar più dir;
Il labbro è mentitor
E falso il ciglio!
Da' miei tormenti impara
A creder a quel cor,
E nasca il tuo timor
Dal mio periglio!
ist in einem Stil geschrieben, der ganz abweichend von der Haltung der übrigen Oper, die Formen der älteren Meister, wie man sie besonders in der Kirchenmusik noch zu hören gewohnt war, mit unverkennbarer Absichtlichkeit darstellt104. [403] Offenbar wollte Mozart, wie Ambros mit Recht geltend macht105, durch die strenge, herbe Form, welche ihrem ganzen Zuschnitt nach dem Zuhörer die Vorstellung des Geistlichen erweckt, den Eindruck der Moralpredigt machen und gegen »die bunten rauschenden Scenen trunkener Selbstvergessenheit« einen einschneidenden Contrast hervorrufen. Auch in dieser, wie es nun scheinen könnte, nur äußerlich angewandten Form offenbart sich aber die kräftige, leidenschaftliche Natur der Elvira unverkennbar und mit großer Wirkung; es ist als ob sie auf die eigene Rede verzichtend der Bethörten einen heiligen Spruch in seiner althergebrachten, und deshalb um so eindringlicheren Fassung mit Heftigkeit entgegenriefe.
Dem jungen Bauermädchen gegenüber war diese Sprache am Platz, ganz anders tritt Elvira auf, als sie zurückkehrt und Don Giovanni im angelegentlichen Gespräch mit Donna Anna findet. Hier, in dem schon erwähnten Quartett (I, 8) nimmt ihre Warnung, ganz entsprechend der vornehmen Haltung der Trauernden, den Ton einer sanften Klage an, und erst durch Don Giovannis falsches Benehmen entzündet sich ihre Leidenschaft und steigert sich nur je mehr er zu begütigen und abzuwehren sucht. Daher tritt sie in dem Quartett entschieden als die Hauptperson hervor und beherrscht durch den energischen Ton, welchen sie anschlägt, namentlich die Ensemblesätze, obgleich die stille Macht, welche echter [404] Seelenadel und wahre Trauer unwillkührlich auf die Umgebung ausüben, die Heftigkeit ihres Hasses im Ausdruck mäßigt. Auch im ersten Finale (I, 13) tritt sie in ähnlicher Weise auf. Nachdem sie Donna Anna und Don Ottavio aufgeklärt hat, veranlaßt sie dieselben gemeinschaftlich Don Giovanni zu beobachten und zu entlarven. Sie ermahnt, als sie maskirt vor dem Casino desselben erscheinen, zu muthigem Handeln und treibt zur That, Don Ottavio nimmt ihr bei und wiederholt daher die ganze musikalische Phrase der Elvira, Donna Anna wird angesichts eines solchen Wagnisses von einem mädchenhaften Zagen und Bangen ergriffen, das sich aber nicht klein, sondern in der edelsten Weise ausspricht; die beiden Frauen sind mit wenigen Zügen in der ganzen Verschiedenheit ihres Wesens treffend hingestellt106. Diese bewährt sich auch als nach kurzer Unterredung [405] mit Leporello, der sie einladet näher zu treten, die Drei sich zu der schwierigen Unternehmung in Zuversicht auf ihre gerechte Sache sammeln. Nach dem unruhigen, wechselnden Treiben der vorhergehenden Scenen giebt dieser klare, zusammengefaßte Ausdruck eines sittlichen Gefühls eine überaus wohlthätige Ruhe. Ohne aus dem Charakter der dramatischen Situation herauszutreten hat Mozart dieser ernsten Stimmung eine höhere Weihe zu geben und das Feierliche in einen so unvergleichlichen Wohlklang zu kleiden gewußt, daß in diesem Moment das Reine und Edle einen ebenso hohen Triumph feiert, wie wir später das Schlechte im Schauer des Entsetzlichen vernichtet sehen. Die Gliederung dieses Satzes stellt Donna Anna und Don Ottavio, indem sie zusammengehen oder einander antworten, unmittelbar neben einander; Elvira tritt ihnen gegenüber und äußert sich auch hier, immer in Uebereinstimmung mit der Haltung des Ganzen, bewegter, energischer als jene, wodurch denn wesentlich die dramatische Charakteristik gewahrt wird107. In der folgenden Scene ist es Elvira, die nachspürend [406] beobachtet, dann mit Don Ottavio Don Giovanni entgegentritt, sie ist die erste, welche die Maske abnimmt und sich ihm zu erkennen giebt; darauf tritt sie mit allen übrigen zu einer Gesammtheit zusammen.
Bisher haben wir Elvira mit Entschlossenheit sich feindselig Don Giovanni gegenüberstellen sehen, wir sollen uns aber auch überzeugen daß ihre Liebe für ihn noch tief in ihrem Herzen wurzelt und der Zauber seiner Persönlichkeit solche Macht über sie hat, daß sie im Stande ist alles was geschehen ist zu vergessen und sich ihm von Neuem anzuvertrauen. Eine schwierige psychologische Aufgabe, welche die Poesie nur durch eine Kette von Mittelgliedern lösen könnte; die Musik ist in der Wiedergabe der verborgensten Gemüthsregungen glücklicher: gelingt es ihr den rechten Ton zu treffen, so ist auch die Stimmung unmittelbar da. Und selten ist wohl eine für Worte unbeschreibliche Stimmung so wahr und schön ausgedrückt wie in dem Terzett (II, 2). Elvira, allein in der Dämmerung, tritt ans Fenster, mit den alten Erinnerungen tauchen auch die alten Gefühle auf, die sie selbst verdammt und deren sie sich doch nicht erwehren kann; durch das kurze Ritornell ist der Zuhörer so vollständig in diese weiche zarte Stimmung eingeführt, daß er vollen Glauben mitbringt für das was er nun erfährt. Don Giovanni, der zugegen ist, beschließt diesen schwachen Augenblick zu nutzen, er wünscht Elvira zu entfernen und seinem Uebermuth ist dieser neue Triumph über ihr Herz eine Genugthuung; Le porello in seines Herrn Hut und Mantel muß vortreten, hinter ihm versteckt redet Don Giovanni sie[407] zärtlich an, mit denselben Tönen, welche man so eben aus Elviras Munde gehört hat. Welche Wirkung muß es auf sie machen, wenn so wie ein Wiederhall ihrer eigenen Gefühle Don Giovannis Liebesruf zu ihr dringt, den sie so heiß ersehnt, so ungern sie sich es gesteht. Daher fällt sie ihm ins Wort und mit lebhafterem Ausdruck macht sie ihm den Vorwurf, den sie vorher bei sich selbst ausgesprochen hat, er aber fleht mit der rührendsten Zärtlichkeit um Mitleid108. Elvira in betroffen, und ganz richtig tritt hier das Motiv wieder ein, mit welchem Leporello seine Betroffenheit über Elviras Erscheinung ausdrückte. Um so dreister fährt Don Giovanni in dem eben angeschlagenen Ton fort und die kurz vorher angedeutete Wendung wird nun zu einer Cantilene voll bezaubernder Liebessehnsucht ausgesponnen109; [408] als Elvira ihm mit lebhaften Vorwürfen entgegentritt, antwortet er mit ebenso lebhaften Ausrufen gesteigerter Leidenschaft und droht sich zu todten, wenn sie nicht nachgebe110. Wir fühlen daß Elvira durch diesen Ausdruck der Leidenschaft, welcher ihr Herz sie entgegendrängt, besiegt werden muß, so gut wir auch begreifen daß Leporello in seiner Situation dabei das Lachen ankommt. In dem Moment aber, wo Elvira wirklich ihrem Gefühl nachgiebt, kann Leporello sich des Mitgefühls nicht erwehren, während Don Giovanni spöttisch sich seines Sieges erfreuet; beide haben dadurch gewissermaßen ihre Rollen wirklich getauscht, Don Giovanni ist es, der Spaß treibt, was nun wiederum sehr artig zu der Situation paßt, in der man sie verkleidet vor sich sieht. Da aber die Hingebung der Elvira noch nicht zur That geworden ist, sondern nur in der Vorstellung der Betheiligten als unausbleiblich gefaßt wird, so entsteht dadurch [409] wieder jene schwebende, ahnungsvolle Stimmung, welche durch das anfangs ausgesprochne Gefühl der Elvira hervorgerufen, ganz folgerichtig zum Ausdruck derselben zurückkehrt, denselben aber durch die gleichmäßige Theilnahme aller Personen steigert und zum Abschluß führt. Man kann dies Terzett unbedenklich als ein Muster anführen, wie mit der einfachsten, klaren Form der Anlage und Gliederung sich die vollendete Schönheit des Ausdrucks und die tiefste psychologische Wahrheit in der sprechendsten, echt dramatischen Charakteristik vereinigen könne, und wer wäre im Stande den Duft einer leisen Sehnsucht, der wie auf einer schönen stillen Abendlandschaft über diese Musik ausgebreitet ist, in Worten auszudrücken!
Nimmt man die Züge der musikalischen Charakteristik in dem Duett mit Zerlina (I, 6), dem Ständchen (II, 3) und diesem Terzett zusammen, so gewinnt man das Bild einer Persönlichkeit von hinreißender Liebenswürdigkeit, welche den Ton zärtlicher Neigung und Verlangens in verschiedener Nüancirung, aber stets mit bezaubernder Anmuth und Feinheit und dem nicht zu verkennenden Ausdruck wirklicher Empfindung, mit immer gleicher Sicherheit trifft und dadurch unwiderstehlich die Herzen der Frauen gewinnt. Aber damit ist Don Giovannis Charakter nicht erschöpft.
Wenn Elvira durch ihre Schwäche hier in eine zweideutige Situation geräth, so wird sie durch Don Giovannis herzlosen Uebermuth, der sie sogar Leporello Preis giebt, in eine Lage gebracht, die nur durch den komischen Charakter Leporellos aufhört eine absolut peinliche zu werden. Die Aengstlichkeit, welche ihn bei diesem Rendezvous allein beherrscht, läßt ein Streiflicht des Lächerlichen auch auf Elvira fallen, die nicht ohne ihre Schuld in diese Gesellschaft gerathen in, aber ihr Charakter wird dadurch nicht wesentlich afficirt. [410] Vortrefflich hat Mozart es verstanden im Sextett (II, 6) die edle Haltung Elviras sowohl dem hasenherzigen Leporello als ihren früheren Verbündeten gegenüber zu wahren und sie nicht unter sich selbst sinken zu lassen; aber das Bewußtsein ihrer Nachgiebigkeit und nachher die furchtbare Enttäuschung haben ihre Kraft gebrochen, von der aufflammenden Leidenschaftlichkeit und machtvollen Energie, durch welche früher Elvira selbst vor Donna Anna hervortrat, zeigt sich keine Spur, die reine Gestalt Donna Annas leuchtet jetzt hoch über sie empor, und da alle sich in dem Gefühl des Erstaunens und der Empörung über diesen unwürdigen Streich Don Giovannis vereinigen, tritt auch Elvira nicht mehr in so eigenthümlicher Weise vor den übrigen hervor111.
Jedes nähere Verhältniß zu Don Giovanni ist natürlich jetzt aufgehoben, Elvira fühlt aber auch daß ihre eigene Existenz vernichtet ist, sie beschließt ins Kloster zu gehen – ein Zug, der für die Haltung des Ganzen und namentlich den Charakter der Elvira keineswegs bedeutungslos ist und durch die strenge Haltung jener Sittenpredigt an Zerlina schon in gewissem Sinne vorbereitet erscheint. Aber indem ihre Vorstellungen diese Richtung nehmen, kann sie sich von Don Giovanni nicht trennen, ohne auch ihn, den sie nicht besitzen kann, zur Reue und Besserung zu bewegen; ihr lebhafter energischer Charakter und ihre unzerstörbare [411] Neigung bewähren sich von Neuem auch durch diesen Schritt. Ihr Eintreten unterbricht im zweiten Finale das lustige Leben welches Don Giovanni bei Tafel unter Musik und Scherzen mit Leporello führt, und wie durch wechselnde Beleuchtung eine Landschaft ist wie mit einem Schlage Haltung und Ton der Musik geändert112. Wie ganz anders klingt hier ihre Mahnung, als die an Zerlina gerichtete. Hier spricht sie aus vollem, von Liebe bewegtem Herzen, die lebhafteste innerlichste Theilnahme verleiht ihr eine glühende Beredsamkeit, mit der sie Don Giovannis Herz zu bestürmen sucht. Aber nun offenbart sich auch seine völlige Gemüthslosigkeit. Anfangs sucht er es als einen Scherz zu fassen, auf den er eingehen wolle; als ihr Schmerz, ihr Flehen, ihre Entrüstung sich dadurch nur steigert, tritt er mit offnem Hohn ihr entgegen und prahlt mit der Frivolität seiner unersättlichen Genußsucht. Während Leporello dies doch zuviel wird und er sich durch seine Theilnahme Elvira nähert113, steigert Don Giovanni den Uebermuth seiner wilden Luft zu schneidender Schärfe und fordert selbst das Schicksal heraus, das ihn, nachdem auch Elvira ihn verlassen hat, ereilen muß. Diese Scene ist wiederum ein Meisterwerk von hoher dramatischer Vollendung. Nach den heiteren und leichten Scherzen der vorhergehenden Scene, die der Natur der Sache nach lose und locker aneinander gereihet sind, fließt jetzt [412] die Musik in einem mächtigen unaufhaltsamen Zuge wie ein glühender Lavastrom aus einem Vulcan dahin, ein Ausdruck tief erregter Leidenschaft, und entfaltet dabei im steten Wechsel die feinsten Züge individualisirender Charakteristik. Zum erstenmal treten Don Giovanni und Elvira als ebenbürtige Rivalen einander gegenüber, und wenn Elviras leidenschaftliche Empfindung, ohne an Stärke und Lebhaftigkeit einzubüßen, geläutert und geadelt erscheint, so offenbart Don Giovanni hier wie nie vorher eine Energie und Kraft der Lebenslust, welche den Charakter der Größe annähme, wenn sie einem hohen Zweck diente, die so aber vielmehr Entsetzen erregt und uns auf den Widerstand vorbereitet, welchen er der Geistererscheinung entgegensetzen wird. Ja man kann sagen, der kalte Hohn und die übermüthige Frivolität, womit er den warmen Bitten Elviras gegenüber sich verstockt, ist dem Gefühl schrecklicher, als die Entschlossenheit, mit der er sich nachher dem Schauer des Geisterreichs widersetzt, welche uns Theilnahme abnöthigt. Dadurch bewährt sich nun Mozart als Meister der Charakteristik, daß Don Giovanni, wie scharf auch die Züge des Hohnes und der Sinnenlust gezeichnet sind, doch nie gemein und widerwärtig erscheint. Das ist nicht allein die Wirkung der Formenschönheit, die sich auch hier nirgend verleugnet, sondern hauptsächlich der Kraft und Kühnheit, welche sich in derselben ausspricht und den Anspruch einer vornehmeren Natur nirgend aufgiebt114. Dies ist eben ein nicht minder wesentlicher Zug in Don Giovannis Charakter als seine Genußsucht, der sich namentlich in ernsten Momenten äußert. So zeigt er sich uns gleich bei seinem ersten Auftreten Donna Anna und dem Comthur gegenüber; in seinem Ringen mit ihr [413] ist keine Spur von Rohheit, er vermiede gern das Aufsehen, wie nachher den Kampf mit dem Vater – erst nachdem sein Ehrgefühl als Cavalier aufs höchste gereizt ist, greift er zum Degen und ist innerlich bewegt bei seinem Fall. Regungen dieser Art sind bei ihm freilich nicht von Dauer, denn er ist ohne Gemüth und Edelsinn, aber nicht ohne Muth. Als es in der Kirchhofsscene, die sein Uebermuth herbeiführt, Ernst wird und Leporello vor Angst vergeht, ruft das Entsetzliche seine Entschlossenheit auf, die ihn dann dem Geist gegenüber über die Grenzen tollkühner Verwegenheit hinausführt. Diese Scene aber, in welcher menschlicher Trotz in furchtbarem Grausen zerschellt, wird motivirt und bedingt durch die vorangehende mit Elvira, in welcher der eigentlich sittliche Kampf ausgekämpft wird, und die deshalb auf der Höhe des Pathos steht. Daß Mozart es gewagt hat auf dieselbe eine Scene von größtem Humor folgen zu lassen und dadurch von einer ganz anderen Seite der Empfindung her den Eindruck eines Schauers vorzubereiten, der als ein über die menschliche Natur hinausragender empfunden werden soll, und daß es ihm gelungen ist, diese widerstrebenden Elemente auf gleicher Höhe zu halten daß sie sich zu einer harmonischen Größe vereinigen, das haben wir schon als die Großthat eines Genius erkannt und bewundert.
[414] Nimmt man zu dieser herzgewinnenden Liebenswürdigkeit und der übersprudelnden Kraft und Kühnheit die Feinheit und Leichtigkeit des vornehmen Mannes, die Lust am Scherz und die Freiheit sich in jovialer Laune gehen zu lassen hinzu, zu einem einzigen Bilde vereinigt, so erkennt man den von der Natur glänzend ausgestatteten, reich begabten Menschen, dem aber um groß und edel zu sein das sittliche Bewußtsein abgeht115. Er zieht an, er erregt Theilnahme, aber er ist dem Untergange verfallen.
Dieser verführerischen Erscheinung, welche alles was sich ihr nahet zu sich heran und herabzuziehen pflegt, ist Donna Anna116 als ein Bild geistiger Hoheit und sittlicher Reinheit gegenübergestellt. Bei ihrem ersten Auftreten sehen wir sie ihm siegreich gegenüber treten, der Zauber seiner Persönlichkeit ist wirkungslos geblieben vor ihrem reinen Sinn, aber ihr Stolz ist durch die unwürdige Zumuthung zu hoher Leidenschaft erregt, der Gedanke daß eine so unerhörte Beleidigung nicht ungestraft bleiben darf läßt sie alles andere vergessen, und dieses sittliche Gefühl verleiht dem schwachen [415] Mädchen die gewaltige Kraft, welcher selbst Don Giovanni nicht zu widerstehen vermag. Die Musik giebt dem Ausdruck der leidenschaftlichen Erregung einen Charakter von Adel und Hohheit, der Donna Anna entschieden als die überlegene erscheinen läßt, vor welcher Don Giovanni nicht bloß weil er unerkannt bleiben will zurückweicht, sondern weil er sich schon dadurch daß er nicht siegreich ist bezwungen fühlt; ihr Verhältniß ist dadurch entschieden, von keiner Seite tritt später wieder die Andeutung eines näheren persönlichen Interesses hervor117.
Bei ihrer Rückkehr mit Don Ottavio findet sie ihren Vater als Leiche; dieser Anblick, der sie zuerst aufs heftigste erschreckt, ruft, indem sie sich in ihn versenkt, die rührendsten Klagen hervor, unter denen ihr Bewußtsein schwindet. Als sie unter dem tröstenden Zureden Don Ottavios zu sich kommt, gilt ihr erster halb unbewußter Ausruf dem Vater, verstört glaubt sie den Mörder vor sich zu haben und verlangt von ihm auch ihren Tod118, erst allmählich erkennt sie den Geliebten, und nachdem die schreckliche Gewißheit daß der Vater ihr entrissen wurde ihr zu klarem Bewußtsein gekommen ist, faßt sie alle Kraft ihres Gemüths zu dem Vorsatz der Rache [416] zusammen. Sie nimmt Ottavio den Schwur ab das schmählich vergossene Blut zu rächen und die unruhige Aufregung in welche beide durch diese düstre Vorstellung versetzt werden steigert sich zu einer unheimlichen Freude, mit welcher sie in derselben schwelgen. Diese ganze Scene (I, 2) ist ein Meisterstück durch ihre psychologische Wahrheit und musikalische Schönheit. Die hochgespannte Stimmung Donna Annas ist in ihren einzelnen, so stark contrastirenden Aeußerungen mit einer Feinheit und Schärfe charakterisirt, die fortschreitende Steigerung beruht auf einem so wohl motivirten Zusammenhange, den namentlich die musikalische Gliederung fühlbar macht119, daß man sich wie gefangen giebt und [417] willenlos diesen wie unwillkührlichen Ausbrüchen der Leidenschaft folgt. Auch die tröstenden Worte Don Ottavios, so scharf der cantilenenmäßige Vortrag auch gegen die abgerissenen Ausrufe Donna Annas absticht, erhalten durch die sich windende Begleitungsfigur und die wechselnde Harmonie den Ausdruck innerer Unruhe und Bewegung, von der er sich nicht ganz frei machen kann. So wie aber der Gedanke der Rache gefaßt ist, gehen beide zusammen; das Gefühl, welches sie gleichmäßig beseelt und mit einander verbunden hält, findet unter diesen Umständen seinen höchsten Ausdruck in dem gemeinsamen Vorsatz der Rache. Daher sind auch die [418] beiden Singstimmen eng verbunden, denen das Orchester – das in dieser ganzen Scene einen Hauptfactor in der musikalischen Darstellung bildet und eine wunderbare Schönheit des instrumentalen Colorits entfaltet –120, mit den schärfsten Accenten bald treibend, bald widerstrebend gegenübertritt; nach der langen Spannung durch einzelne, rasch wechselnde Aeußerungen strömt jetzt die empörte Leidenschaft in einem langen unaufhaltsamen Erguß aus, der die Seele erleichtert.
Donna Anna tritt vor uns in den Momenten der höchsten Anspannung ihrer gesammten geistigen Natur, und diese Leidenschaftlichkeit ist vollkommen gerechtfertigt, weil sie sich in ihrem jungfräulichen Gefühl und in ihrer kindlichen Liebe bis zur Vernichtung bedroht sieht. Dies sind die beiden Factoren auf deren Zusammenwirken aus dem Grunde einer edlen Sittlichkeit der Charakter Donna Annas beruht, deren Auffassung und Ausbildung die künstlerische Gestaltung desselben bedingt. Der Schmerz um den geliebten Vater bleibt ein dauernder, der daher ihre Stimmung auch später unausgesetzt beherrscht, die leidenschaftliche Entrüstung über den frechen Angriff auf ihre Ehre ist eine vorübergehende, die nur zufällig wieder aufgeregt wird, aber je reiner und tiefer das Gefühl ist, dessen Verletzung diese Aufregung hervorrief, um so mehr muß auch die mädchenhafte Scheu und Zurückgezogenheit sich geltend machen, wenn die Erregung aufgehört hat, und in der That ist es der Ausdruck der edelsten, reinsten Jungfräulichkeit, welchen Mozart der musikalischen Darstellung Donna Annas zu geben gewußt hat. Sie ist keine Heldin, obwohl sie eine große Kraft der Seele besitz, [419] die durch das Außerordentliche auch außerordentlich gesteigert wird, sondern eine echte Mädchennatur. Sie vermag nicht wie Elvira, durch leidenschaftliche Empfindung bestimmt, selbständig allein zu handeln121, sie schrickt vor der That zurück und dagegen tritt das echt weibliche Bedürfniß, in einem ihr wahrhaft ergebenen Mann Halt und Stütze zu finden, entschieden hervor. Während ihre Beziehung zu Don Giovanni eine äußerliche ist, so verhängnißvoll sie auch die Ereignisse bestimmt, ist ihr Verhältniß zu ihrem Verlobten für ihren Charakter maaßgebend. Dasselbe wird aber dadurch entschieden daß sie in dem Augenblick, wo alles auf sie einstürmt, mit vollem Vertrauen die Rache für den Frevel, der sie mit Vernichtung bedroht, ihm übergiebt122.
Don Ottavio123 ist einem ungünstigen Vorurtheil verfallen, das kaum völlig zu überwinden sein wird, wenn auch die üblich gewordene Uebertreibung leicht zu beseitigen [420] ist124. So hoch man im Leben die Charaktere zu schätzen weiß, welche bei schweren Ereignissen sich Ruhe des Gemüths und Klarheit der Einsicht bewahren und die ihnen Angehörigen mit treuer Anhänglichkeit und zartem Sinn zu stützen und zu leiten nicht ermüden, so wenig poetisch pflegt man sie zu finden. Don Ottavio zeigt sich als ein solcher Mann; in dem verwirtenden Strudel der Leidenschaften, der ihn von allen Seiten umbraust, behält er die Ruhe und Besonnenheit, seine Liebe zu seiner Verlobten legt ihm nach dem Tode ihres Vaters vor allem die Pflicht auf sie zu trösten und zu stützen. Hier zeigt er sich gefühlvoll ohne alle Weichlichkeit und der musikalische Ausdruck des Tröstens ist so männlich als edel gehalten125, es spricht sich darin jene Intensivität einer tiefen aber gehaltenen Empfindung aus, welche Mozart dem Tenor zu verleihen wußte (III S. 100). Höher steigert sich die Kraft derselben natürlich bei der Aufforderung zur Rache und hier bleibt er hinter Donna Anna nicht zurück. Ohne sich von ihrer Leidenschaftlichkeit blind hinreißen zu lassen, kommt er ihrem Verlangen den Verbrecher zu strafen entgegen und bietet zur Ausführung des Vorhabens mit Entschlossenheit die Hand. Als beide zuerst wieder auftreten, ermahnt er Donna Anna sich nicht mehr [421] der Trauer zu ergeben, sondern an die Rache zu denken126; die unerwartete Erscheinung Elviras und das auffallende Benehmen Don Giovannis machen auch ihn stutzig; aber ebenso wie Donna Anna bewahrt er im Quartett (I, 8) die vornehme und edle Haltung, die zwar von theilnahmloser Kälte weit entfernt ist, aber dem Fremden gegenüber sich zurückhält, um so mehr als sie durch die schmerzliche Empfindung des eigenen Schicksals schwer bedrückt sind. Sie sind hierin beide ganz eins und daß sie im musikalischen Ausdruck so nahe zusammenhalten ist auch dramatisch vollkommen motivirt; wie die Ueberlegenheit ihrer höheren Persönlichkeit auch auf die beiden anderen einwirkt und den Ton des Ganzen bestimmt, darauf ist schon hingewiesen worden.
Don Giovannis Auftreten, sein Ton und Blick, giebt Donna Anna die Gewißheit daß er der Mörder ihres Vaters ist, wie ein Blitz durchzuckt sie die Erinnerung an das entsetzliche Ereigniß, das schreckliche Bild steht wieder vor ihrer Seele – in schneidenden Dissonanzen, die durch widerstrebende Rhythmen noch hervorgehoben werden, drückt das Orchester den Aufruhr der Gefühle aus welche sie bestürmen, deren Qual sie zu erliegen droht127. Mit Mühe gewinnt sie die Fassung, dem Geliebten die ganze traurige Begebenheit zu berichten, die in den schrecklichsten Momenten fast krampfhafte Regungen des Schmerzes hervorruft. Und nun, da er alles weiß, fordert sie ihn von Neuem zur Rache auf, in [422] einer Aria (I, 10), welche durch die feinste Charakteristik das Bild der Individualität Donna Annas vollständig entwickelt.
Der Ausdruck derselben ist gegen das vorangehende Recitativ, wie gegen das erste Recitativ und das Racheduett in jeder Beziehung bedeutend gemäßigt. Dort sahen wir sie unter dem unmittelbaren Eindruck des furchtbaren Ereignisses, fieberhaft erregt durch das einzige Gefühl der Rache; jetzt eben ist die Erinnerung an das Unheil in ihr wach geworden, es treibt sie derselben Worte zu leihen. Allein durch dieses Aussprechen ist eine gewisse Erleichterung bewirkt; die erneuerte Aufforderung zur Rache ist nicht mehr der unwillkührliche Ausbruch der Leidenschaft, sie ist der Ausdruck der Ueberzeugung, des festgewurzelten Gefühls und spricht sich deshalb gefaßter und klarer, wenn auch nicht minder kräftig und bestimmt aus. Diese Sicherheit und Entschlossenheit, welche durch den Ausdruck des Stolzes und der Hohheit ihren eigenthümlichen Charakter erhalten, ist durch die ersten Motive128
und
mit unnachahmlicher Kraft und Schärfe ausgedrückt, während die murmelnden Sextolen der Geigen und Bratschen, die nachdrängende Figur der Bässe welche beim zweiten Motiv zur Imitation wird, die leise mahnenden Zwischenreden der Blasinstrumente die treibende Unruhe darstellen, aus welcher jener Entschluß sich emporringt. Allein indem die Größe und [423] Gefahr dieser Aufgabe ihr unmittelbar vor die Seele tritt, erwacht auch die mädchenhafte Scheu und Weichheit in ihr; es ist nicht allein die rührende Klage, mit welcher sie dem Geliebten das Bild des hingemordeten Greises zurückruft, sondern auch Furcht und Zagen, wel che in den zitternden Geigenfiguren und den dumpfen Tönen des Fagotts und der Bratsche sich vernehmen lassen. Aber ihr Stolz rafft sie wieder empor, sie wiederholt ihre Aufforderung zur Rache, die sich zum Schluß mit gesteigerter Anstrengung geflügelt emporschwingt; und im Nachspiel des Orchesters sinkt diese Kraft wie vor übermäßiger Anspannung wieder in sich zusammen129.
[424] Versteht der Darsteller Don Ottavios es durch das angemessene stumme Spiel die innere Theilnahme an den Tag zu legen, welche dieses rückhaltlose Vertrauen hervorruft und rechtfertigt, so tritt durch diese Scene das innige Verhältniß, in welchem beide zu einander stehen, ins hellste Licht; von dem hohen Sinn, welchen Donna Anna offenbart, fällt ein Abglanz auf den Mann ihrer Wahl und die jungfräuliche Zaghaftigkeit, welche sie nicht verhehlen kann, giebt dem Vertrauen, das sie in ihn setzt, den bräutlichen Charakter. Im Bewußtsein dieser auf sittlicher Treue beruhenden Neigung treten sie Don Giovanni entgegen, wie sich dies im Maskenterzett so rein und edel ausspricht. Uebrigens tritt ganz naturgemäß bei Donna Anna im Verlauf der Handlung die mädchenhafte Schüchternheit und die Furcht vor der gegenwärtigen Gefahr immer mehr hervor. Von Elvira über Don Giovannis Treulosigkeit gegen sie selbst und seinen Versuch Zerlina zu verführen unterrichtet, beschließen beide mit ihr gemeinsam Don Giovanni zu beobachten; allein als sie nun zu diesem Zweck maskirt auftreten, fühlt Donna Anna sich von Bangen ergriffen, ungeachtet des Zuredens der anderen fürchtet sie die Gefahr die dem Geliebten, ihnen allen droht: temo pel caro sposo singt sie mit dem ihr eigenen schmelzenden Ton rührender Klage – nur mit Mühe nimmt sie sich zusammen. Als sie darauf in den Saal treten, wo sich eben noch alles in geräuschvoller Lustigkeit tummelte, verbreitet ihre würdevolle Erscheinung einen feierlichen Glanz über die Versammlung: Leporello und Don Giovanni begrüßen sie rücksichtsvoll, sie antworten mit einem gewissen Ceremoniell und vereinigen sich mit ihnen in dem Rufe: [425] Viva la libertà!130, der in ihrem Munde einen ganz anderen Ausdruck von Festlichkeit bekommt, als die ausgelassene Luft vorher – man fühlt daß vornehme Gäste sich unter die frohe Menge begeben131. Als der Tanz von Neuem beginnt, da ist es wieder Donna Anna, deren Gefühl durch diese Umgebung und durch das was sie hört und sieht so verletzt wird, daß sie kaum an sich halten kann und nur durch Ottavios und Elviras Zureden bewogen wird sich nicht zu verrathen. Der Angstschrei Zerlinas bringt alle in gleiche Aufregung und von da an stehen sie zusammen gegen Don Giovanni, allein natürlich ist es Don Ottavio, der vor ihn hintritt und ihm mit Würde und Festigkeit sein Verbrechen vorhält, indem er mit gespannter Pistole einem Angriff Don Giovannis begegnet132 und sich als den entschlossenen Vertheidiger der Frauen ihm gegenüberstellt. Auf eine Rauferei mit Don Giovanni ist es dabei nicht abgesehen; Zerlina ist [426] aus seiner Gewalt befreiet, er selbst als frevelnder Wüstling entlarvt, er findet sich umgeben von ehemals Befreundeten, die jetzt ebenso entschlossen sind ihn der Strafe zu überliefern, aber weder einen Mord an ihm zu begehen noch eine Schlägerei anzufangen. Masetto, der solche Gelüste später zu befriedigen sucht, wird hier durch die Gegenwart der Vornehmen, welche seine Sache führen, zurückgehalten. Es geht lebhaft und leidenschaftlich aber würdig und anständig her, und als Don Giovanni sich von seiner ersten Betäubung erholt hat, fällt es ihm nicht schwer sich solchen Gegnern durch einen bewaffneten Rückzug zu entziehen; es würde namentlich Don Ottavio, der auch jetzt noch keinen Beweis hat daß Don Giovanni der Mörder des Comthurs ist, wenig anstehen denselben mit gewaffneter Hand anzugreifen133.
Bis hieher hat sich Don Ottavio als ein Mann gezeigt der Donna Annas Neigung und Vertrauen verdient, gefühlvoll und ergeben, umsichtig und entschlossen, auch bewahrt er überall die edle und seine Haltung, welche ihn Don Giovanni gegenüber auszeichnet. Nun aber erwartet man daß er auch als Mann thatkräftig handeln werde, und daß ihm im zweiten Aufzug hiezu keine Gelegenheit geboten wird ist ein wesentlicher Mangel. Es wurde schon bemerklich, [427] daß die Handlung des zweiten Akts viel lockerer und loser geführt ist als die des ersten, und ganz besonders Donna Anna und Don Ottavio sind dadurch geopfert; während Elvira sowie Zerlina und Masetto in den neu angesponnenen Faden nicht ungeschickt verwebt sind, treten jene ganz aus der Handlung heraus. Schon im Sextett (II, 6) ist ihr Auftreten weder nothwendig bedingt noch greifen sie eigenthümlich in die Handlung ein; das frühere Motiv, daß Don Ottavio durch tröstenden Zuspruch Donna Annas Trauern zu mildern strebt, wiederholt sich ohne eine bestimmt ausgesprochne neue Veranlassung, und nur der hier zu einer wahrhaft überirdischen Hohheit sich verklärende musikalische Ausdruck läßt es vergessen, daß ein neuer Zug für die dramatische Charakteristik darin nicht gegeben ist. Auch an der Entlarvung Leporellos sind sie keineswegs nothwendig betheiligt, ihre Gegenwart ist vorzugsweise durch musikalische Gründe veranlaßt, denn allerdings wird der hohe und edle Ton, welcher in seinem Contrast gegen Leporellos komische Angst den Charakter des Ensembles bezeichnet, durch ihre Theilnahme bedingt: ohne die unwillkührlich erhebende Macht ihrer ganzen Erscheinung würden alle übrigen sich weniger zusammenfassen.
Da Ottavio durch diese neue Schändlichkeit Don Giovannis überzeugt worden ist daß derselbe auch der Mörder des Comthurs sei – ein Schluß, der allerdings nicht ganz motivirt erscheint – zaudert er nun nicht länger von ihm blutige Rechenschaft zu fordern. Im Begriff fortzugehen wenden sich seine Gedanken natürlich Donna Anna zu, welche nach dem Sextett die Scene verlassen hat; er bittet die Freunde sie während seiner Abwesenheit zu trösten, in kurzer Zeit werde er selbst die glücklich vollzogene Rache ihr berichten. Diese Empfindung ist wahr und richtig und die Arie (II, 8), [428] in welcher sie ausgesprochen wird, ist für die musikalische Charakteristik durchaus geeignet. Seine Aufforderung die Geliebte zu trösten hat in einer der schönsten Cantilenen, welche für eine Tenorstimme geschrieben sind, den treffendsten Ausdruck gefunden; Innigkeit und Herzlichkeit sind mit einer so edlen Haltung gepaart, daß sich die sein empfindende Natur Don Ottavios aufs glücklichste darin ausspricht134; [429] allein der zweite Theil hält sich nicht ganz auf gleicher Höhe. Mit richtigem Gefühl hat Mozart darauf verzichtet den Ausdruck der Kampfeslust in einem eignen Satz selbständig auszuführen und dadurch dem Ganzen einen heroischen Charakter aufzuprägen, was zu einer falschen Betonung geführt haben würde; die Hinweisung auf den Kampf als einen bevorstehenden machte eine Mäßigung des Ausdrucks nothwendig. Es ist nun vorzugsweise die charakteristische Bewegung des Orchesters, welche dieses Moment wiedergiebt, und rein musikalisch betrachtet ist die Wirkung dieses zweiten Theils vortrefflich135, aber indem die Singstimme der wunderbaren Süßigkeit und Fülle gegenüber, welche sie so eben entfaltet hat, hier, wo sie einen entsprechenden Aufschwung zur glänzendsten Kraftentwickelung nehmen sollte, zurücktritt, fällt auf diese Seite der Charakterentwickelung ein Schatten, der das Ganze nicht in seiner vollen Energie erscheinen läßt136.
Daß Don Ottavio die Rache an Don Giovanni nicht vollziehen kann thut ihm im Urtheil des Zuhörers, vor dem die Handlung ihren Verlauf nimmt, keinen Abbruch, und [430] wenn er nach der ursprünglichen Anlage zum Schluß, nachdem eine höhere Hand den Verbrecher zur Strafe gezogen hat, Donna Anna auffordert ihm ihre Hand zu reichen, so ist das nicht die unzeitgemäße Aeußerung eines zärtlichen Liebhabers, sondern der natürliche Ausdruck männlicher Treue, da er allein berufen ist ihr Schutz und Halt zu gewähren. Daß Donna Anna die Gewährung hinausschiebt mit Beziehung auf das Trauerjahr ist wieder einer jener realistischen Züge, in welchen die Sitte und Denkweise jener Zeit unmittelbar zur dramatischen Motivirung verwendet erscheint, wie sie uns mehrfach in der Oper begegnen und kann uns nicht eben für poetisch gelten; allein sicher streitet es gegen die überall deutlich ausgesprochne Intention des Textes das Liebesverhältniß Donna Annas zu Don Ottavio als ein wahres und inniges darzustellen, wenn man hierin entweder den Vorwand finden wollte, hinter welchem die Abneigung gegen Don Ottavio sich versteckt, oder einen Hinweis darauf, daß Donna Anna fortan jeder irdischen Liebe entsagen müsse, und nur im Kloster oder im Tode Ruhe finden könne.
Unrecht aber ist Don Ottavio dadurch geschehen daß er, nachdem er seinen Vorsatz ausgesprochen hat an Don Giovanni Rache zu nehmen, ohne daß man erfährt, ob er auch nur einen Versuch dazu gemacht hat und warum er mißlungen sei, unmittelbar nach der Kirchhofsscene auftritt, und Donna Anna bitten muß ihre Vereinigung nicht länger aufzuschieben, was hier nicht allein unmotivirt ist sondern auf ihn den Schein eines sehnsüchtigen Liebhabers ohne Thatkraft wirst. Es ist schon bemerkt worden daß diese Scene höchst wahrscheinlich erst später eingeschoben ist, vielleicht um auf den Kirchhof nicht unmittelbar das Abendessen folgen zu lassen, hauptsächlich um der Sängerin noch eine Arie zu geben: dem ist die Charakteristik Don Ottavios und der [431] natürliche Gang der Handlung geopfert. Dagegen ist diese Arie (II, 10) nicht allein eine dankbare Aufgabe für die Sängerin, sondern ein wesentliches Element in der musikalisch-dramatischen Charakteristik der Donna Anna und vollendet erst das Bild derselben. Bis dahin sind es die Gefühle der Trauer und der Rache, welche sie vorzugsweise beseelen; ihre Neigung für Don Ottavio ist mehr indirect bezeugt, indem sie in ihm ihre Stütze sucht und mit vollem Vertrauen ihm ihre heiligsten Interessen übergiebt. Hier aber spricht sie unverholen ihre Liebe aus137, und wenn sie auch seinem Andringen jetzt noch glaubt ausweichen zu müssen, so dient die jungfräuliche Zurückhaltung wie der Ausdruck ihrer Trauer hier nur dazu der Aeußerung ihrer Neigung jenen ganz eigenen rührenden Charakter zu geben, welcher die Individualität Donna Annas bezeichnet.
Die Arie ist ihrer Form – sie wird durch ein obligates Recitativ eingeleitet und zerfällt in zwei selbständige Sätze von verschiedenem Tempo138 – und Behandlung nach, [432] namentlich durch die fast solomäßige Anwendung der Blasinstrumente und die Bravurpassagen der Singstimme, der herkömmlichen italiänischen Arie näher gestellt als irgend eine andere der ursprünglich für Don Giovanni geschriebenen Arien, aber diese Form ist ungeachtet ihrer sauberen Ausführung unbedingt im Dienste der musikalischen Charakteristik. Die seine und nicht bloß edle, sondern auch vornehme Natur der Donna Anna bedingt in einem solchen Moment eine Haltung, welcher die bestimmt ausgeprägte und geschlossene musikalische Form schon an sich sehr wohl entspricht. Der Grundton einer herzlich innigen Empfindung ist mit der mädchenhaftesten Zartheit ausgesprochen und zugleich von einem leisen Hauch von Schmerz und Schwermuth durchzogen, wie sie in den tragischen Masken der Alten bei den verschiedensten Individualitäten als der gemeinsame Charakterzug hervortreten, welcher der ganzen Erscheinung der Donna Anna die unverlöschliche Weihe eines großen edlen Schmerzes verleiht. Nicht minder bewundernswerth ist die ruhige, fast heitere Klarheit, welche über dieser tief bewegten Seelenstimmung ausgegossen ist, durch welche die musikalische Gestalt der Donna Anna jenen idealen Gebilden der alten Kunst so nahe gerückt wird, welche uns in eine andere, höhere Welt erheben, während sie fest und sicher in der Welt begründet sind, der wir angehören139.
Wir haben eine Reihe von Charakteren vor uns vorübergehen lassen, von denen jeder in scharfen Umrissen fest umgränzt und bis in die feinsten Detailzüge, so daß die zartesten [433] Nuancen in leisen Uebergängen zu einem lebendigen Ganzen verschmolzen erscheinen, mit treffender Wahrheit ausgeführt dasteht. Wollte man einen vergleichenden Blick auf Figaro werfen, so ließe sich bei oberflächlicher Betrachtung eine große Aehnlichkeit mancher Gestalten vermuthen; ein näheres Eingehen ergiebt die vollständige Verschiedenheit. Keine Figur gleicht auch nur entfernt der anderen, jede hat ihr Wesen, ihre Natur, ihr Leben für sich, jede ist eine vollkommen ausgebildete Individualität und bewährt dieselbe in der allgemeinen Anlage wie in den einzelnen Zügen. Wie bewundernswerth aber auch dieser Reichthum und die Wahrheit der musikalischen Charakteristik einzelner Gestalten erscheint, um nichts geringer ist auch hier die Kunst anzuschlagen, da wo die dramatische Handlung mehrere Charaktere zusammenführt und in Conflict treten läßt, die verschiedenen Elemente so gegeneinander abzustimmen daß ohne die volle Energie im Ausdruck der Situation, die lebendige Wahrheit in der Charakteristik der Individualitäten irgend zu schwächen ein Gesammtton hervorgebracht wird, von welchem getragen alles zu einer harmonischen Totalität zusammenklingt.
Was die dramatische Kraft und Lebendigkeit der Situationen anlangt, wie sie hauptsächlich in den Ensemblesätzen hervortritt, so ist offenbar Figaro durch die meisterhafte Führung und Verschlingung der Handlung vor Don Giovanni im Vortheil. Die Introduction des ersten Aufzugs ist dramatisch und musikalisch gleich vortrefflich angelegt, im Quartett (I, 8) und Terzett (II, 2) ist Situation und Stimmung, obwohl im Wesentlichen einfach, doch gut gewählt und festgehalten, auch ist der Einfall Don Giovanni und Leporello bei der ersten Arie der Elvira (I, 3) zu betheiligen von guter Wirkung. Dagegen ist das Sextett (II, 6) nur sehr locker zusammengefügt und kann weder mit dem Sextett [434] noch mit dem Terzett im Figaro hinsichtlich der dramatischen Bewegung den Vergleich aushalten; um Leporello gruppiren sich zwar die übrigen Personen ganz passend, aber ihr Zusammentreffen ist nicht aus der Situation heraus motivirt und die Steigerung der Handlung ist eine rein äußerliche. Noch mehr tritt dieser Abstand in den großen Ensembles der Finales hervor. Wie meisterhaft die Anlage und Führung derselben im Figaro sei, so daß alle Glieder wie zu einer Kette verschlungen sind, jeder Knoten nur gelöst wild um einen neuen zu schürzen und die Steigerung durch die stets wachsende dramatische Spannung hervorgerufen wird haben wir gesehen. Wenn gleich die Finales im Don Giovanni den damals gewöhnlichen Finales, die selbst in besseren Opern meistens aus einer Reihe locker zusammenhängender, wechselnder Scenen gebildet werden, die nur zufällig gesungen und nicht gesprochen werden, weit voranstehen, so darf man doch eine so künstlich combinirte, in strengster Consequenz sich entwickelnde Handlung wie im Figaro nicht erwarten. Es sind durch die Folge der Handlung zusammenhängende Situationen, die ihre wesentliche Bedeutung für sich haben, die aber mit sehr geschickter Berechnung der Wirkung, namentlich durch scharfe Contraste, angeordnet sind, sämmtlich einen vortrefflichen musikalischen Kern enthalten und in ihrem Verlauf ein lebendiges und glänzendes Bild entrollen.
Das erste Finale beginnt äußerst lebhaft mit dem Zank zwischen Masetto140, dessen Eifersucht neu erwacht, und [435] Zerlina, die voll Angst einen Ausbruch zu vermeiden sucht; höchst charakteristisch ist neben den rasch gesprochenen Noten und einigen scharfen Accenten des Zorns das durch das Orchester wie die Singstimme schleichende, immer wieder sich aufdrängende Motiv
des Argwohns141. Sie werden unterbrochen durch die geräuschvolle Lustigkeit Don Giovannis und seiner Begleiter, die zum Fest ins Casino ziehen142; das allmähliche [436] Verklingen des Gesanges der sich entfernenden Gäste bereitet die ungemein zart und lieblich gehaltene Scene zwischen Zerlina und Don Giovanni vor, welche im Gegensatz zu dem Eingangsduett mit Masetto erst recht deutlich empfinden läßt, wie gefährlich der Verführer ist, dessen Liebenswürdigkeit auch jetzt auf Zerlina fast noch größeren Einfluß übt als die Angst vor dem versteckten Bräutigam, wie sich in der Haltung, welche die Musik ihr giebt, deutlich ausspricht. Nach der köstlich ausgedrückten Ueberraschung bei Masettos Erscheinen nimmt die Musik natürlich einen anderen Charakter an, Don Giovanni kehrt den cordialen Freund statt des Liebhabers heraus, und schlägt den Ton einer munteren Heiterkeit nicht zarter Empfindung an. Hervorgerufen wird dieser dadurch daß man aus dem Casino heraus wenige Takte der eben begonnenen Tanzmusik hört; zugleich eine musikalische Vorbereitung auf das was kommen wird, denn diese 8 Takte sind aus dem zweiten der nachher combinirten Tänze genommen, und zwar hat Mozart auch hier mit seinem gewöhnlichen Kunstgriff die beiden Anfangstakte verschluckt, um den Hörer mitten in den Tanz zu versetzen (s. ob. S. 236). Die drei vereinigen sich nun in ihrer Aufforderung zur Lustigkeit, welche in einer lebhaften Figur der Geigen sich geräuschvoll vernehmen läßt. Dieselbe Bewegung in den Geigen bleibt, als darauf Elvira, Don Ottavio und Donna Anna auftreten um unerkannt an dem Feste Theil zu nehmen, einzelne Wendungen der Begleitungsfigur werden auch beibehalten, aber durch die wesentliche Umgestaltung derselben, durch das Versetzen in die Molltonart, wel che hier zum erstenmal hervortritt, durch die ganz verschiedene Behandlung des Orchesters wird eine Grundlage für die Singstimmen gewonnen, welche uns fühlen läßt daß aus dem Gewühl dieser rauschenden Lustigkeit Elemente sich entwickeln, [437] welche einen düsteren unheimlichen Schatten über das Fest werfen; die Stimmung der Verfolger ist innerlichst aufgeregt wie die der lustig Schwärmenden, diese innere und äußere Beziehung beider zu einander giebt die Möglichkeit diese Scenen durch die einheitliche Darstellung zu einem Ganzen zusammenzuschließen. Das Hervortreten des Ballfestes, welches den Mittelpunkt für die Gliederung dieses Finales bildet, giebt von Neuem das Motiv her um die Handlung fortzuführen. Leporello öffnet zufällig ein Fenster des Saals, gewahrt die Masken und ladet sie auf Befehl seines Herrn ein, was sie denn auch annehmen. Durch das offne Fenster wird jetzt deutlicher als vorher die Tanzmusik vernehmbar, eine neue Vorbereitung auf das Folgende; diesmal wird Menuett gespielt, den man nun ganz hört, denn so lange das Fenster offen bleibt tritt die Tanzmusik ganz in den Vordergrund, das Orchester schweigt und die Unterhaltung wildparlando dazu geführt. Durch diese ganz ungewöhnlich behandelte Scene wird zwar zunächst die Erwartung auf den schon so vielfach angekündigten Ball neu angeregt, allein sie ist ebensowohl auf das darauf folgende Adagio berechnet, dessen überraschenden Eintritt und tiefe Wirkung sie meisterhaft vorbereitet. Die gehobene ernste Stimmung, welche sich in demselben ausspricht, zur Gewähr daß höhere, sittliche Mächte hier walten, macht dem unruhigen, durch Leidenschaften aller Art erregten Treiben, wie es sich bisher entwickelte, gegenüber den herrlichsten Eindruck und kommt durch die rechte Anwendung der künstlerischen Mittel zur vollen Geltung. Zum erstenmal in diesem Finale entwickeln hier die Singstimmen ihre ganze Schönheit und Fülle in ausdrucksvollem Gesang und ihre siegreiche Macht wild durch die Blasinstrumente, welche sie allein begleiten, wunderbar gehoben. Treten die Stimmen [438] gegen die eigenthümlichen tiefen Clarinettentöne wie auf einem dunklen Grunde hervor, so breiten die vollen Accorde einen leuchtenden Glanz, gleich einer Glorie, über dieselben aus, daß das Ganze wie in einer Verklärung aus höheren Regionen herabgekommen scheint.
Die Scene wechselt, was in den Finales damaliger Opern nicht selten ist, wir werden nun in den Ballsaal geführt. Der Tanz ist soeben beendigt, alle vertheilen sich um sich zu erholen und zu erfrischen, Don Giovanni und Leporello, welche die Wirthe machen, Zerlina, welche sich Don Giovannis Aufmerksamkeiten nicht ganz entziehen kann und sich von diesen angezogen ihm unwillkührlich immer mehr nähert, endlich Masetto, der sie eifersüchtig beobachtet, kommen in den Vordergrund. In dem lebhaften Satze im Sechsachteltakt, der diese Situation ausführt, hat das Orchester die Hauptrolle; in durchaus selbständiger, zusammenhängend fortlaufender Entwickelung stellt es das ganze Treiben in lebendigen Zügen dar. Melodie und Rhythmus, die Färbung der Instrumentation, die mehr voll und gesättigt als glänzend ist, prägen den Charakter des Ueppigen, sinnlich Erregten aufs bestimmteste aus, man glaubt die heiße Luft des Tanzsaales zu spüren. Die Singstimmen ergehen sich dabei aufs freieste, bald schließen sie sich den Motiven des Orchesters an, bald suchen sie ihren eigenen Weg, äußern sich bald im leichten parlando bald in gehobener Melodie, gruppiren sich untereinander je nach Bedürfniß der Situation – kurz es ist eine ungezwungene, natürliche Bewegung aller Elemente, welche dieses lebende Bild zur Darstellung bringen. Mit dem Eintreten der Masken nimmt alles wie schon bemerkt eine andere Haltung an; die vornehmen Gäste werden mit vornehmer Courtoisie begrüßt, [439] und entgegnen in den seinen Formen adligen Anstands143. Don Giovannis Aufforderung den Tanz zu erneuen eröffnet endlich die Darstellung der Ballscene, auf welche schon so oft hingewiesen ist, in voller Anschaulichkeit; der Umstand daß das reale Motiv derselben ein musikalisches ist wird mit dem größten Geschick benutzt, so daß zugleich der musikalischen Gestaltung eine Aufgabe von ungewöhnlichem Interesse und Charakter, der dramatischen Darstellung die natürliche Grundlage geboten wird.
Um alle Gäste zu vergnügen sind verschiedene Tänze für die verschiedenen Schichten dieser gemischten Gesellschaft arrangirt; zugleich wird Don Giovanni dadurch die willkommene Gelegenheit geboten die Personen zu vertheilen und sich denen zu entziehen, von denen er nicht belästigt sein will. Seine vornehmen Gäste treten zum Menuett an, er selbst tanzt mit Zerlina den gewöhnlichen Contretanz, Masetto wird von Leporello, der ihn beschäftigen soll, in den Wirbel des Walzers hineingezogen; so ist diese auch räumlich scharf hervortretende Dreitheilung die Voraussetzung der sich entwickelnden Handlung. Die musikalische Darstellung der Situation [440] in den drei verschiedenen Tänzen wird dadurch zur Hauptsache, die Handlung schreitet rasch vorwärts, keine der Personen ist in der Lage ihre Stimmung ausführlich auszudrücken, einzelne Ausrufe deuten alles an, die Continuität des Ganzen ruht in dem Tanze. Dadurch erwuchs nun für Mozart in der Combination der drei gleichzeitigen Tänze von ganz verschiedenem Charakter im Rhythmus und Ausdruck eine contrapunktische Aufgabe, welche mit solcher Leichtigkeit und Sicherheit gelöst ist, daß sie dem nicht technisch gebildeten kaum als eine besondere Leistung erscheinen wird144; er empfindet nur daß am rechten Fleck das Angemessene treffend ausgesprochen ist145. Natürlich tritt ein Tanz nach dem andern ein. Zuerst beginnt der dem Zuhörer bereits bekannte Menuett, ganz so instrumentirt – außer dem Quartett Oboen und Hörner –, wie er schon gehört wurde. Bei der Wiederholung des zweiten Theils bereitet sich das zweite Orchester durch Stimmen vor, die leeren Saiten werden in Quinten angestrichen, pizzicato angegriffen, ein kleines Trillerchen versucht, einmal über alle Saiten gerissen, das Violoncell stimmt in ähnlicher Weise ein – das alles paßt [441] natürlich in den Menuett der ruhig fortgeht146. Endlich wird ein muntrer Contretanz 2/4 angefangen, in Melodie und Rhythmus so verschieden vom Menuett als nur möglich, obgleich er wie sich von selbst versteht auf denselben Grundbaß gebauet ist. Das Orchester dieses zweiten Tanzes besteht zwar nur aus Violine und Baß, allein nach den ersten Takten lassen die Oboen und Hörner des ersten Orchesters ihren Menuett im Stich und unterstützen durch Markiren des Rhythmus, hie und da auch durch Betheiligung an der Melodie den Contretanz des zweiten Orchesters um diesen vor dem schon geläufigen Menuett herauszuheben. Beim zweiten Theil des Menuetts tritt das dritte Orchester stimmend wie vorher das zweite hinzu und fällt dann mit einem frischen lustigen Walzer 3/8 ein. Auch hier sind es nur Violine und Baß, welche neu hinzukommen, aber die Hörner wenden sich jetzt, während die Oboen dem Contretanz treu bleiben, dem Walzer zu und heben durch ihre Triolenbewegung den Rhythmus desselben kräftig hervor147. Ehe der Menuett von Neuem beginnt, hört man den Angstschrei Zerlinas, der Tanz hört auf, die Musik dazu bricht plötzlich ab, – das Orchester, welches bis dahin geschwiegen hat, fällt mit seiner ganzen Kraft ein; ist auch dafür gesorgt, daß ein Musikstück von so besonderer Art das Interesse nicht länger als angemessen ist in Anspruch nehme148.
[442] Zerlinas Hülferuf bringt eine veränderte Stimmung hervor, die nun auch eine ganz andere Ausdrucksweise bedingt. Bei der lebhaftesten Aufregung sind doch alle außer Don Giovanni und Leporello von einer Empfindung beseelt und treten beiden daher auch als eine geschlossene Masse gegenüber, daher sie meistens im Einklang oder durch rein harmonische Behandlung zu einer Einheit zusammengefaßt sich vernehmen lassen. Nur auf besondere Veranlassung, wie beim Demaskiren, treten die einzelnen heraus, und die Imitation, durch welche die Stimmen wieder vereinigt werden, hebt den Eindruck der engen Zusammenhörigkeit in seiner ganzen Schärfe hervor. Diese Art der Gruppirung verlangt ebensowohl eine breitere und größere Behandlung, als auch einen kräftigeren Ton in Singstimmen und Orchester, um die gebührende Wirkung hervorzubringen; ganz besonders aber ist es anzuerkennen, wie Mozart bei großer Energie und scharfer Betonung im Ausdruck es doch glücklich vermieden hat einen eigentlich tragischen Ton anzuschlagen, welcher der Situation nicht entsprechen würde. Wir sind in Don Giovannis Casino auf einem Ball, wo er ein junges Bauermädchen zu entführen sucht, man jagt sie ihm ab, man zwingt ihn sich ruhig zu verhalten, man überhäuft ihn mit Schmähungen – das ist keine hochpathetische Situation; ihm stehen Don Ottavio, Donna Anna, Elvira gegenüber, deren Rang Masetto und Zerlina von gewaltsamen Ausbrüchen zurückhält: wie hoch auch die Wellen des Zorns und Unwillens steigen, die Schranken der Besonnenheit und des Anstandes überfluten sie nicht. Dadurch wild es auch [443] möglich daß solchem Ernst gegenüber die Betroffenheit und Verwirrung Don Giovannis und Leporellos von der komischen Seite zur Darstellung kommt, welche ihrem Charakter in einer solchen Situation entspricht149 und das eigenthümlich humoristische Wesen dieser Oper auch hier gewahrt bleibt.
Noch einfacher ist die Gliederung des zweiten Finales. Das Einflechten der Tafelmusik aus verschiedenen Opern nach einer kurzen glänzenden lustsprühenden Einleitung150 macht die ganze Scene der Abendtafel zwar zu einem Meisterstück musikalisch humoristischer Darstellung, das Ganze ist ein lebendiges, ebenso charakteristisches als ergötzliches Bild; indessen stehen diese Episoden mit der Handlung in keiner unmittelbaren Verbindung151. Diese beginnt erst mit dem Eintreten [444] der Elvira, nimmt aber hier einen Ernst und Schwung an, wie er seit dem Anfang der Oper nicht wieder hervorgetreten ist. Der glühenden Leidenschaft Elviras gegenüber, die durch die edlere geistige Richtung welche sie genommen hat an Kraft und Energie gewinnt, so daß sie sogar Leporello mit fortreißt, spricht sich auch die Genußsucht Don Giovannis mit erhöhetem Feuer aus und steigert sich zum Frevel an dem edelsten und heiligsten Gefühl; in diesem Widerstreit entwickelt sich ein wahres Pathos, welches das Grausenhafte motivirt und vorbereitet, das nah bevorsteht. Die Kraft und Fülle des musikalischen Ausdrucks in dieser Scene ist wunderbar, wie von einem starken Strom werden wir unwillkührlich hingerissen; die große Wirkung beruht auch hier, wie schon bemerkt wurde, auf der tiefen Wahrheit der Charakteristik. Man vergleiche die Aeußerungen des höchsten Pathos der Donna Anna mit diesen Ausbrüchen der Elvira und man wird gewahren, wie dies grundverschiedene Individualitäten sind, die sich ihrer Natur nach so und nicht anders aussprechen können, und wiederum erkennt man daß Elvira und Don Giovanni, wie schroff sie sich auch hier gegenüber stehen, doch im Grunde nahe verwandte, warmblütige, sinnlich erregbare Naturen sind, und daß Mozart diese innerste Verwandtschaft ebensowohl zur Geltung bringt als den Contrast der sie augenblicklich beherrschenden Stimmung. Wie zur Abwechslung und Erholung von dieser aufregenden Scene folgt dann die Ankündigung des Comthurs durch den vor Angst fast seiner Sinne beraubten Leporello. In der That aber wirkt die Komik dieses Auftritts stärker, spannt die Aufmerksamkeit schärfer an, als es selbst der erschütternde Schrei Elviras vermochte; wie lächerlich auch Leporellos Furcht sich darstellt, stärker empfindet man noch das Grauen vor dem Ungeheuren das herannaht. Und nun wird es zur [445] Wirklichkeit, der Comthur tritt ein. Mit den ersten, furchtbaren Schlägen des Orchesters, dessen gesammte Kräfte zu noch nicht gehörten Klängen sich vereinigen, mit den ersten einfachen, festen Tönen seiner Stimme152 fühlen wir uns wie gebannt in das Gebiet des Wunderbaren das uns als ein Leibhaftes entgegentritt. Es ist nicht so sehr zu bewundern daß Mozart diesen Ton des Erhabenen, Uebernatürlichen so sicher zu treffen wußte, daß wir uns ihm rückhaltslos hingeben als müßte es so sein und wäre man es nicht anders gewohnt, als daß er ihn während der verhältnißmäßig langen Scene so unerschütterlich festhält, daß der Zuhörer, den er mit gewaltiger Faust von seinem sicheren Boden emporgehoben hat, in athemloser Spannung aber ohne Schwindel über dem Abgrunde schwebt. Diese Ausdauer der höchsten Kraft beruht nicht etwa in einem starren Aushalten an einem Punkt, sondern vielmehr auf einer unausgesetzten Steigerung durch charakteristisch nuancirte Bewegung, und dieser in allen einzelnen Momenten denselben Ausdruck einer über das irdische Maaß hinausreichenden Größe zu geben, auf welcher der einheitliche Charakter der ganzen Erscheinung beruht – das ist die eigentlich künstlerische Aufgabe. Zu ihrer Lösung sind auch die äußeren Mittel, namentlich die Führung der Harmonie und das Colorit der Instrumentation, mit ebenso großer Kühnheit als Geschicklichkeit angewendet, aber die hohe Auffassung, die mächtige Begeisterung, welche die ganze Conception durchdringen [446] sind die wahren Bedingungen ihrer außerordentlichen Wirkung. Nimmt man hinzu, daß Don Giovanni und Leporello, obgleich sie wie die Zuhörer unter dem Bann dieser außerordentlichen Erscheinung stehen, doch sich jeder seiner Individualität gemäß, frei und selbständig bewegen und äußern, ohne daß die einheitliche Haltung auch nur einen Moment verletzt würde – und auf dieser Höhe würde der Zuhörer jeden Mißgriff peinlich empfinden –, so tritt die Vermählung dramatischer Wahrheit und hoher Idealität in das klarste Licht. Nach dieser ungeheuren Anspannung wirkt das Losbrechen des Sturms, indem Don Giovanni den Qualen der Höllengeister überantwortet wird, wie eine längst erwartete Lösung. Diese Geister selbst hält Mozart weislich im Hintergrund, nur in wenigen, durch ihre Monotonie nur um so stärker erschütternden, mächtig klingenden Tönen rufen sie ihm, wie aus der Finsterniß, ihr Verdammungsurtheil entgegen; die Qual der Verzweiflung, welche Don Giovanni erfaßt, der Schrecken von dem Leporello ergriffen wird, sind um so lebhafter ausgedrückt und das Orchester malt den Aufruhr in welchem die ganze Natur sich empört. Diese Scene wird von der ergreifendsten Wirkung sein, wenn man sich entschließt die Musik auf Phantasie und Gefühl des Zuhörers wirken zu lassen und darauf verzichtet ihn durch Feuerwerk und Höllenlarven zu beschäftigen153.
Nach allem was vorhergegangen ist wirkt dieses Nachtstück zwar nicht beruhigend, aber es löst die Spannung, während es die Handlung in der That abschließt. Denn daß die übrigen Personen noch auftreten, Don Giovannis [447] Schicksal von Leporello erfahren und den Zuhörer über ihr Schicksal beruhigen ist hauptsächlich eine Concession gegen die Sitte der Oper zum Schluß die Hauptpersonen auf der Bühne zu vereinigen, welche in diesem Falle noch durch den Vorgang der älteren Bearbeitungen der Sage veranlaßt war und auch in dem Verlangen begründet erscheinen konnte das Ganze mit einem beruhigenden und positiv moralischen Eindruck abzuschließen. Der wahre Abschluß der Handlung ist es aber nicht und über das Schicksal aller übrigen Personen ist man durch den früheren Verlauf derselben hinreichend aufgeklärt. Was die musikalische Darstellung154 anlangt, so ist die von den Ausrufen des Erstaunens der Uebrigen unterbrochene Erzählung Leporellos sehr frisch und lebendig gehalten, der Ausdruck ihrer Ueberraschung außerordentlich schön und sein; der Satz würde vortrefflich wirken, wenn er an einem anderen Platz stände, hier, nach so erschütternden Eindrücken, reicht er nicht aus. Das Andante, in welchem an ein Duett zwischen Don Ottavio und Donna Anna sich die kurzen Aeußerungen der anderen anschließen, hat, wie es die Situation mit sich bringt, keinen bedeutenden Gehalt, wie es denn auch von Mozart für die [448] Aufführung in Wien gestrichen war (S. 313). Sehr schön aber ist der Schlußsatz, und Mozart hat dem Ausdruck der moralischen Sentenz neben einigen leichten Anspielungen auf die strengeren, der Kirchenmusik vorzugsweise eigenen Formen, eine so helle Klarheit und einen so zarten Schimmer zu geben gewußt, daß sich aus dem düstern Granen, welches das bunte Leben des Dramas in tiefe Nacht begraben hatte, wieder ein lichtes Morgenroth tröstend erhebt.
Schon die Betrachtung des Finales zeigt, was die ganze Oper bestätigt, daß wenn Don Giovanni rücksichtlich der kunstreich geführten, zu immer neuer Spannung verschlungenen Handlung dem Figaro nachsteht, er dagegen vor demselben dadurch einen unvergleichlichen Vorzug voraus hat, daß alle Situationen und Stimmungen ihrem Wesen nach echt musikalisch sind. Zeigt sich dort Mozarts Genie darin besonders bewundernswerth daß er für die Handlung das musikalische Gebiet selbst zu schaffen vermochte, indem er die Träger derselben musikalisch beseelte, so bringt Don Giovanni der musikalischen Auffassung alle wesentlichen Elemente entgegen, und zwar in einer Fülle und einer Abwechslung, welche einen neuen Vorzug vor dem Figaro begründet. Zwar die Kraft der Charakteristik, welche jede handelnde Person zu einer bestimmten Individualität ausprägt, ist unerschöpflich und in dieser Beziehung ist Figaro so reich wie Don Giovanni. Allein dort erstaunt man, wie es möglich ist in einem eng beschriebenen Kreis nahe liegender Empfindungen, die selten bis zum Leidenschaftlichen gesteigert werden und nie sich zu hohem Pathos erheben, ein lebendiges durch Geist und Anmuth fesselndes Spiel unausgesetzt auf gleicher Höhe fortzuführen, und muß sich überzeugen daß es die Idealität der vollendeten künstlerischen Darstellung ist, auf welcher die Wirkung der Oper beruht. Dagegen giebt [449] es kaum eine Seite menschlicher Empfindung welche im Don Giovanni nicht zum Ausdruck gelangte; Liebe und Eifersucht, Haß und Zorn, Trauer und Trost, Furcht und Entsetzen werden in den mannigfachsten Nuancen männlicher und weiblicher Natur, verschiedener Individualitäten und Situationen, oft in den schneidendsten Contrasten nebeneinander zur Geltung gebracht, durch einen bunten Wechsel von Scenen des täglichen Lebens werden wir an die Pforten des Geisterreichs geführt, und durch das Ganze geht ein Zug des Komischen und Humoristischen, der auf alle Gegenstände ein eigenthümliches Licht fallen läßt. Einem Künstler von wahrhaft dramatischer Begabung bot sich hier eine solche Fülle von Motiven dar um die in ihrem Kern aus tiefer psychologischer Erkenntniß hervorgegangenen Gebilde in der glänzendsten Detailausführung zu beleben, daß die Schwierigkeit im Maaßhalten lag. Wir haben gesehen, mit welchem Behagen und mit welcher Laune Mozart sich dem Realismus solcher Darstellungsweise hingiebt und, ebenso wie da Ponte seinen Don Giovanni mitten in die Gegenwart hineingestellt hat, auch für die musikalische Charakteristik wo es nur thunlich ist Detailzüge und Färbung unmittelbar aus der Wirklichkeit schöpft. Durch diese Frische und Fülle der realistischen Ausführung unterscheidet sich Don Giovanni bestimmt von Figaro, ohne ihm rücksichtlich der Idealität nachzustehen. Denn jedes einzelne Motiv, das dem wirklichen Leben abgewonnen uns dasselbe täuschend wiedergiebt, ist der künstlerischen Idee des Ganzen dienstbar gemacht und allein dadurch für solche Wirkung befähigt. Wer die Statuen des Parthenon oder die Gestalten Rafaels mit Hingebung betrachtet und sie mit der lebenden Natur vergleicht, der wird mehr und mehr inne werden, wie die großen Meister der bildenden Kunst in allem und jedem der Natur folgen, wie [450] sie einfach und wahr immer das Motiv zu entdecken wissen, welches das nächste und darum das beste ist, weil es gleichsam die unwillkührliche Aeußerung der inneren Bewegung ist, welche im Kunstwerke ihren Ausdruck findet, wie sie aber den Schatz, welchen sie mit dem Blick des Genius aus den Tiefen der Natur gehoben haben, in die Tiefe der menschlichen Brust bergen, um aus sich heraus in freier Selbstthätigkeit das Kunstwerk zu schaffen, welches als ein Ganzes nur aus dem menschlichen Geiste wiedergeboren und vom menschlichen Geiste verstanden werden kann. Auf dieser Kraft alles was die Natur bietet durch die menschliche Seele hindurchzuführen, ohne der Gewalt des Natürlichen zu unterliegen, ohne das ohnmächtige Gelüste sie bezwingen zu wollen, beruht die Größe des schaffenden Künstlers, sie ruft jene wahre Idealität hervor, welche mit dem Wesen des Künstlerischen identisch ist. Nicht anders ist es mit dem Meister der in Tönen schafft. Was ihn auch anregen mag, das Wort des Dichters, die Erfahrung des Lebens, der sinnliche Eindruck durch Form, Farbe oder Töne, daß es in ihm wiederklingt und ihn zu künstlerischer Gestaltung treibt, die Idee des Ganzen, in welchem dann Alles erst zum Leben gelangt, Gestalt und Bedeutung gewinnt, geht aus dem Innersten seines Geistes hervor, sie ist die schöpferische Kraft, die unablässig fortzeugend thätig ist bis das Kunstwerk vollendet dasteht. Die Idealität des Kunstwerkes, welches der menschliche Geist im Einklang mit der Natur, soweit er sie zu durchdringen vermag, und deshalb frei schafft, ist der Ausdruck der Nothwendigkeit, welche für den Menschen allein im Kunstwerk – und zwar nur deßhalb weil es als ein Ganzes aus dem menschlichen Geiste hervorgegangen ist – faßbar und anschaulich wird, in ihr hebt sich was sich sonst als Gegensatz der Form und des Inhalts, der Schönheit [451] und des Ausdrucks darstellt, zur höchsten Einheit auf. Wo sie erreicht ist, tritt die volle Befriedigung ein, welche dem Sterblichen nur im Genuß der Kunst beschieden ist; aber unsere Freude und Bewunderung steigert sich, wenn diese Harmonie aus einer reichen, vielgestaltigen Composition, die eine Fülle von Motiven, welche uns in den verschiedensten Richtungen beschäftigen und uns tief im Innersten ergreifen, vor uns ausbreitet, hell und rein emporblühet – unmittelbarer und voller berührt uns dann das Wehen des Geistes, dem das Weltall ist, was dem Menschen sein Kunstwerk.
1 Rochlitz A. M. Z. I S. 51f.
2 E. T. A. Hoffmanns »Don Juan, eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen« geschrieben im September 1812 (Hitzig Hoffmanns Leben II S. 35), erschien im ersten Bande seiner Phantasiestücke in Callots Manier (Bamberg 1813). Schon durch die damals neue und um so frappantere Darstellung machte der Aufsatz großen Eindruck und unbestritten bleibt Hoffmann das Verdienst, daß er aus der Musik die poetische und psychologische Wahrheit der Oper ableiten will, da man ihn nicht verantwortlich machen kann für die zahllosen mißrathenen Versuche über Musik und noch vielmehr neben sie hin zu phantasiren und Einfälle und Reflexionen, welche durch Musik veranlaßt wurden, für eine künstlerische Würdigung und Verständigung derselben auszugeben, die er hervorgerufen hat. Von einzelnen seinen Bemerkungen abgesehen ist aber seine oft gepriesene Auslegung in ihren Hauptpunkten offenbar unrichtig. Sein Don Juan, der als eine dämonische Natur in der Liebe seine Sehnsucht nach dem Ueberirdischen zu befriedigen trachtet, bis er endlich übersättigt und enttäuscht das irdische Leben matt findet, den Menschen verachtet und im frevlen Hohn gegen die Natur und den Schöpfer das Weib nicht einmal mehr genießen sondern verderben will, ebenso wie seine Donna Anna, welche die ursprüngliche untergegangene Größe im Don Juan liebt, sich ihm widerstandslos hingiebt um nach der Verführung die Qual ihres Verderbens doppelt zu empfinden und dann in ihrer Rache ihren Untergang sucht: beide Gestalten sind der Zeit, der Natur, der Musik Mozarts fremd, wie das ganze romantische Raffinement, welches die gemeine Sinnlichkeit mit der Zerrissenheit und Weltverachtung sogenannter großer Geister decorirt. – Bezeichnend ist es, wenn Hoffmann auch dadurch den Don Giovanni auszeichnen will daß er dem Componisten räth bei Kirchenmusik sich durch alten Rhein- und Franzwein, bei komischen Opern durch Champagner, bei einer höchst romantischen Composition aber wie die des Don Juan durch ein mäßiges Glas von dem Getränk zu begeistern, welches erzeugt wird, wenn man Rum anzündet und auf einen Rost darüber gelegten Zucker hineintröpfeln läßt (Kreisleriana I, 5).
3 Ich führe hier nur die tief eingehenden Betrachtungen von H. G. Hotho in seinen Vorstudien für Leben und Kunst (Stuttg. 1835) S. 1ff. und den ausführlichen Aufsatz von P. Scudo (crit. et littér. music. I p. 150ff.) an. Anderes zu erwähnen wird sich Gelegenheit finden, ein Repertorium dessen was Treffendes und Verkehrtes über Don Giovanni geäußert ist anzulegen würde ungemein weitläufig und nicht nach Verhältniß lohnend sein.
4 Als opera buffa ist Don Giovanni von Mozart selbst in seinem thematischen Verzeichniß angegeben; es war die hergebrachte Bezeichnung der opera seria gegenüber. Die später gewöhnliche dramma giocoso-serio scheint willkührlich erfunden zu sein.
5 Ueber die Bearbeitungen dieses Stoffes vgl Cailhava de l'art de la comédie (Paris 1772) III, 11 p. 217ff. Kahlert, Die Sage vom Don Juan (Freihafen 1841; IV, 1 S. 113ff.). Viel brauchbarer Stoff neben wunderlichem Gerede findet sich bei Castil-Blaze Molière musicien I p. 189ff.
6 Namen und Wappen der Familie Tenorio, – einst in Sevilla angesehen, aber seit langer Zeit ausgestorben (v. Schack dram. Litt. in Spanien II S. 592) – giebt Castil-Blaze (a. a. O. p. 276f.) nach Gonzalo Argole de Molina Nobleza de Andaluzia (Sev. 1588) p. 222. Nach Favyn (théâtre d'honneur et de chevalerie Par. 1620) war Don Juan Tenorio Genosse des Königs Pedro (1350–1369) bei seinen Grausamkeiten und Lüsten (Kahlert a. a. O. S. 114f.). Die Sage erzählt Castil-Blaze (a. a. O. p. 221) nach Puibusque hist. comparée des littér. espagn. et franc. Par. 1843. Daß sie heutzutage im Volke verbreitet ist und in Sevilla fliegende Blätter verkauft werden, auf denen sie im Romanzenton erzählt wird, berichtet Schack. – In »Mozarts Geist« S. 298 wird erzählt, ein von einem portugiesischen Jesuiten verfaßter politischer RomanVita et mors sceleratissimi principis Domini Joannis sei die eigentliche Quelle der Erzählung; ich kann darüber nichts Näheres angeben.
7 Castil-Blaze a. a. O. p. 222. Hase, Das geistl. Schauspiel S. 162. Die Nachricht scheint unsicher, bei Schack ist nichts davon erwähnt.
8 v. Schack Gesch. der dram. Litt. u. Kunst in Spanien II S. 552ff. L. Schmidt, die vier bedeut. Dramatiker der Spanier S. 10ff. Tellez starb 1648 im Alter von 78 Jahren; im Jahr 1621 hatte er bereits 300 Komödien gedichtet.
9 Einen Auszug des ungemein seltenen Stücks gab Cailhava p. 221ff., dann Kahlert und Castil-Blaze. Jetzt ist es zugänglich in den Uebersetzungen von C. A. Dohrn (Spanische Dramen I S. 1ff.) und L. Braunfels (Dramen aus u. n. d. Span. I S. 1ff.).
10 Die Partie der Tisbea ist ungemein reizend behandelt; bekanntlich ist dies Motiv auch von Byron benutzt worden.
11 Als Don Juan der Aminta die Ehe zuschwört, sagt er mit zweideutigem Spott:
Wird mein Wort je im geringsten
Falsch befunden – nun so mag mich
Eine Leichenhand vernichten.
12 Schack, der hierüber einsichtig handelt (a. a. O. S. 569ff.), führt an, daß in einer der Druckerlaubnisse vor Tirios Werken gesagt werde, es sei nichts in denselben enthalten, das gegen die guten Sitten verstoße und nicht als treffliches Beispiel für die Jugend dienen könne.
13 Im Jahr 1725 bearbeitete Antonio de Zamora, Kammerherr König Philipps V, denselben Gegenstand unter dem Titel Non hay deuda que no se pagne y convidado de piedra. »Diese Umarbeitung, welche von vieler Geschicklichkeit zeugt, hat schon fast ganz die Gestalt, die wir aus der Oper kennen; die früheren Abenteuer des Don Juan in Neapel sind darin weggefallen und Zamora beginnt wie der Verfasser des Operntextes mit der Ermordung des Comthurs« (v. Schack a. a. O. III S. 469).
14 v. Schack a. a. O. II.
15 Castil-Blaze (a. a. O. S. 263f.) hat die Ausgaben verzeichnet.
16 Goldoni erzählt (mém. I p. 163f.), die Schauspieler hätten gescherzt, der Urheber des Stücks müsse selbst sich dem Teufel ergeben haben, sonst könnte es nicht so unausgesetzt die Menge anziehen. Vgl. die Vorrede zu seinem Don Giovanni.
17 Bei den italiänischen Gesellschaften befand sich ein Schauspieler, der den ausführlichen Plan der Stücke für die Aufführungen modelte, die Ausführung auf der Bühne war frei. Cailhava, der einen Plan des Convitato mittheilt (a. a. O. p. 229ff.), bemerkt, er habe bei verschiedenen Aufführungen wohl kleine Abänderungen z.B. Scenenversetzungen wahrgenommen, aber im Wesentlichen immer dasselbe Stück gefunden. Ausführlicher analysirt Castil-Blaze (a. a. O. p. 192ff.) den Plan eines in Einzelnheiten etwas abweichenden, offenbar späteren Stücks.
18 Das Stück bei Castil-Blaze läßt dies Abenteuer aus und beginnt mit Donna Anna und der Ermordung des Comthurs.
19 Arlecchino pflegte diese Rolle so zu handhaben daß das Ende derselben ins Parterre herunterfiel und forderte wohl gar die Zuschauer auf nachzusehen, ob sie Bekannte und Angehörige darauf fänden.
20 Der Entwurf bei Castil-Blaze schiebt hier die Bauernhochzeit ein.
21 Dieser Schluß allein war schriftlich überliefert, alles übrige wurde improvisirt.
22 Im Jahr 1673 wurde eine aggiunta al Convitato di pietra, eine durch Zusätze und neue Decorationen reicher ausgestattete Reprise ausdrücklich angekündigt (Castil-Blaze a. a. O. p. 243). Im Jahr 1717 brachte die neue italiänische Gesellschaft des Herzogs von Orleans das improvisirte Convitato di pietra gleich wieder auf die Bühne, das im Jahr 1743 erneuert wurde (Dictionn. des théâtres de Paris II p. 539).
23 Die französischen Stücke sind verzeichnet im Dictionnaire des théâtres de Paris II p. 540ff.
24 Dieser absurde Titel, der auf einem Uebersetzungsfehler (convitato – convié) beruht, hat sich nicht bloß in Frankreich lange erhalten, auch nachdem ihn de Visé (Mercure galant 1677 I p. 32) gerügt hatte; sondern in Deutschland den durch einen neuen Fehler noch unsinniger gewordenen »Das steinerne Gastmahl« hervorgerufen, welcher im vorigen Jahrhundert durchaus üblich war.
25 In demselben Jahr 1659 wurde auch Tirsos Originaldrama von spanischen Schauspielern in Paris aufgeführt (Castil-Blaze a. a. O. p. 247).
26 Der Ausruf Sgaranelles beim Versinken Don Juans: mes gages! mes gages! rief so heftige Angriffe hervor, daß Moliere ihn streichen mußte; bei den Italiänern hatte man ihn sich ruhig gefallen lassen.
27 Castil-Blaze a. a. O. p. 246.
28 Goldoni, der die Entstehungsgeschichte seiner Komödie erzählt (mém. I, 29 p. 163ff.), berichtet das Publicum sei anfangs überrascht gewesen und habe nicht gewußt ce que voulait dire cet air de noblesse que l'auteur avait donné à une ancienne bouffonnerie. Aber man habe bald erfahren daß die kokette Elisa das getreue Portrait der Schauspielerin Elis. Passalacqua sei, welche diese Rolle gab, und daß Goldoni sich an ihr habe rächen wollen, weil sie ihre Gunst ihm und dem Schauspieler Vitalba zugleich geschenkt habe; nun sei man für das Stück interessirt worden und habe sich überzeugt, que le comique raisonné était préférable an comique trivial.
29 Apprends, sagt er im Vorwort zum Leser, que je me connois trop pour m'être flatté d'en faire quelque chose d'excellent et que la troupe d'ont j'ai l'honneur d'être, étant la seule qui ne l'a point représentée a Paris, j'ai cru qu'en y joignant ces superbes ornements de théâtre, qu'on voit d'ordinaire chez nous, elle pourroit profiter du bonheur qu'un sujet si fameux a toujours en (Cailhava a. a. O. p. 238). Noch im Jahr 1746 wurde Le grand festin de Pierre in Paris als Pantomime gegeben (Dictionn. des théatr. II p. 542) und hat sich auf den kleinen Volks-und Marionettentheatern fortwährend erhalten.
30 Dav. Erskine Baker Biographia dramatica (Lond. 1782) II p. 188. Th. Shadwell, poeta laureatus unter Wilhelm III, lebte 1640–1692.
31 Müller Abschied S. 63.
32 Meyer, Schröders Biogr. I S. 153. vgl. II, 2 S. 55. 144.
33 Meyer a. a. O. II, 2 S. 44.
34 Meyer a. a. O. II, 2 S. 179. Schütze Hamburg. Theater-Gesch. S. 375.
35 [Oehler] Geschichte des ges. Theaterwesens zu Wien S. 328.
36 Drei Puppenspiele aus Augsburg, Straßburg, Ulm sind bei Scheible (Das Kloster III S. 699ff.) abgedruckt; sie sind sehr mittelmäßig.
37 Nähere Auskunft giebt das Dictionnaire des théâtres II p. 540ff.
38 Mém. sur les spectacles de la foire I p. 153f.
39 Ich weiß nicht, worauf Castil-Blazes Vermuthung (a. a. O. p. 265) begründet ist, dieses Ballet sei 1758 in Parma geschrieben. Das in der Bibliothek der école de musique gefundene Programm ist ausdrücklich verfaßt pour l'intelligence de la musique, que le Sr. Gluck a faite à Vienne sur ce sujet, und Schmid (Gluck S. 83), dem ein altes Manuscript vorlag, giebt Ort und Jahr als unzweifelhaft an. Sara Gondar in ihren Remarques sur la musique italienne et sur la danse (Paris 1773) schrieb über Gluck: Gluck, Allemand comme Hasse, l'imita [Jomelli]; quelquefois même le surpassa, mais souvent il fit mieux danser que chanter. Dans le ballet de Don Juan ou le testin de Pierre il composa une musique admirable (oeuvr. mél. II p. 12).
40 Ihm lag ein Textbuch vor, das für eine Aufführung in Wien im Jahr 1777 gedruckt ist. Auch in Braunschweig wurde diese Oper im Jahr 1782 aufgeführt (Cramer Mag. f. Musik I S. 474).
41 Ich kann nicht sicher entscheiden, ob Gazzanigas Convitato di pietra auf da Pontes Text componirt ist. Nach Castil-Blaze (a. a. O. p. 267) wurde diese Oper 1788 in Bergamo gegeben; im selbigen Jahr muß sie in Rom gegeben worden sein, vier Wochen lang jeden Abend, daß Niemand leben konnte, wie Goethe an Zelter schreibt (II S. 160), der Don Juan nicht hatte in der Hölle braten und den Gouverneur, als seligen Geist, nicht hatte gen Himmel fahren sehen. Im Jahr 1789 gab man sie in Mailand, 1791 in Paris (musik. Monatsschr. S. 122), wo Cherubini, damals Cembalist am Theater Feydeau, ein Quartett dafür componirte (Scudo crit. et litt. mus. p. 181), und zwar auf da Pontes Worte Non ti fidar o misera; woraus sich vermuthen läßt daß das Libretto desselben überhaupt zu Grunde lag. Im folgenden Jahr wählte man in London trotz da Pontes Widerspruch nicht Mozarts, sondern Gazzanigas Don Giovanni (mem. III p. 28), der nach Fétis im Jahr 1792 auch in Lucca aufgeführt wurde. – Ein angeblicher Don Giovanni von Cimarosa beruht auf einem Versehen; seine Oper Il convito, 1782 componirt, ist eine Bearbeitung von Goldonis Festino und hat mit Don Juan nichts gemein (Castil-Blaze a. a. O. p. 267).
42 Leider habe ich weder Zamoras Stück noch Righinis Textbuch einsehen können, um zu beurtheilen, was er von dem einen etwa entlehnen konnte und was das andere ihn zu beseitigen veranlassen mochte.
43 Eckermann Gespräche mit Goethe I S. 64. Ein andermal spricht er den Gedanken aus, die Dämonen stellten um die Menschen zu necken mitunter einzelne Figuren hin, so anlockend daß jeder ihnen nachstrebe, so groß daß niemand sie erreiche, und nennt als solche Rafael, Mozart, Shakespeare und Napoleon (a. a. O. I S. 153); auch sonst stellt er um das Höchste menschlicher Kunst zu bezeichnen Rafael, Mozart und Shakespeare zusammen (a. a. O. III S. 374).
44 Bei der folgenden Inhaltsangabe, die sich natürlich nur an die italiänischen Worte hält, sind hie und da Bemerkungen, die scenische Darstellung betreffend, benutzt worden, welche Mozart seiner Partitur beigeschrieben hat, denen mitunter ein sehr willkommner Aufschluß verdankt wird. Leider stand mir kein unter da Pontes Aufsicht gedrucktes Textbuch zu Gebot, das die bestimmten Angaben der Art enthalten muß.
45 Der Ausdruck kalten Spottes oder gar frechen Hohnes, den die Uebersetzer dem Don Giovanni geben, liegt nicht in den Worten ah! gia cade il sciagurato und ist der Musik so zuwider wie nur möglich. Da Ponte hat weislich hier wie an anderen Stellen dem Don Giovanni einzelne Züge edler und natürlich menschlicher Empfindung gegeben, die den Charakter wahr und lebendig machen, welche Mozart nie sich hat entgehen lassen.
46 Da Ponte ist Moliere gefolgt indem er das Abenteuer in Neapel ganz beseitigt und in der ganzen Art, wie er Elvira einführt und ferner darstellt; einzelne Züge, wie Leporellos Liste, sind der italiänischen Burleske entlehnt.
47 Die Auffassung der Zerlina ist offenbar durch Goldonis Elisa nicht wenig beeinflußt worden, der sie eine starke Dosis Gefallsucht zu danken hat, obwohl diese nicht so unverholen und überlegt hervortritt; vielmehr ist die Leichtglaubigkeit und Unerfahrenheit des Landmädchens, wie sie der alten Tradition gemäß ist, derselben beigemischt, nicht ohne einen Anflug etwas leichtfertiger Sinnlichkeit. Die so umgemodelte Zerlina ist nicht ohne Eigenthümlichkeit und sie ist mit soviel natürlicher Anmuth ausgestattet, daß Mozart ohne unwahr zu werden ein so liebliches Geschöpf daraus machen konnte. Das Motiv der Eifersucht ist im Grunde von Moliere entlehnt, aber mit Geschick verwendet.
48 Dies Motiv ist von Goldoni entlehnt, aber mit Einsicht benutzt, sowohl um die einander zum Theil fremden Personen zusammenzubringen und ihnen ein gemeinsames Interesse zu geben, als auch die Erkennung Don Giovannis herbeizuführen; beides bedingt die Verwickelung und Fortführung der Handlung die zu der Steigerung im Finale, welche da Pontes Verdienst ist.
49 Es ist ein Zug der damals namentlich in Venedig üblichen Sitte, maskirt umher zu gehen und wo ein fröhliches Fest gefeiert wurde auch Fremde die hinzukamen zur Theilnahme einzuladen, wobei die Maskentracht jeden Zwang aufhob. Das Erscheinen der Masken ist also nicht auffallend und deutet nicht etwa auf einen bestimmten Zweck der Mummerei hin.
50 In Hamburg verlangten bei den unter Ackermanns Direction gehaltenen Maskenballen die Mitglieder der Gesandtschaften und der vornehmen Familien daß außer den englischen Tänzen abwechselnd Menuetts gespielt würden, »weil sie sich dem Haufen nicht beigesellen wollten«. Diese neue Tanzordnung fand stürmische Opposition beim großen Publicum und konnte nur mit Mühe durchgesetzt werden (Meyer, L. Schröder I S. 150f.).
51 Mozart hat in der Partitur beim Anfang der verschiedenen Tänze bemerkt: D. Ottavio balla Minuetto con D. Anna – D. Giovanni si mette a ballar con Zerlina contradanza – Leporello danza la Teitsch con Masetto. Durch diese Anordnung wird die ganze Scene natürlich und lebendig, und die Zusammenstellung der drei Tänze, die vielfach nur als eine contrapunktische Spielerei angesehen wird, ist das sich von selbst darbietende Mittel ein der Wirklichkeit entsprechendes Bild musikalisch und scenisch herzustellen.
52 Dieses momentane Betroffensein und Verzagen, das die Worte
E confusa la mia testa,
Non sò più quel ch'io mi faccia,
E un orribile tempesta
Minacciando, o Dio, mi và,
deutlich aussprechen – im Deutschen ist es verwischt – ist psychologisch richtig und bringt einen bedeutsamen Zug in die Situation. Mozart hat sich denselben für die musikalische Charakteristik nicht entgehen lassen. Nicht nur ist ausdrücklich angemerkt daß Don Giovanni und Leporello dem auf sie eindringenden Sturm gegenüber sotto voce singen, was schon durch den Contrast wirkt, ungemein bedeutungsvoll ist die Uebereinstimmung mit Leporello zu welcher Don Giovanni hier herabsinkt. Erst mit den Worten Ma non manca in me corraggio rafft er sich wieder auf und schlagt sofort einen anderen Ton an, in den auch Leporello nicht gleich mit einstimmen kann. Dadurch fällt denn auch das lang anhaltende lächerliche Scheingefecht fort, das gewöhnlich auf der Bühne Statt findet.
53 Diese Scene enthält offenbar eine Reminiscenz an die Lieblingsscene der italiänischen Komödie in der Arlecchino Don Giovanni mit der Laterne sucht.
54 Das Motiv des Kleidertauschens ist schon in der alten Burleske angewendet, aber da Ponte hat es in eigenthümlicher Weise ausgebeutet. Seine Routine Opernsituationen herbeizuführen bewährt er auch hier, allein es ist unverkennbar, daß der Zusammenhang der einzelnen Scenen sehr lecker und Ton und Haltung mehr derb komisch sind als in den übrigen Theilen der Oper, wo da Ponte nicht selbst zu erfinden hatte.
55 In der Originalpartitur ist nach Leperellos ängstlichem Bericht (S. 239 Takt 8 der gest. Part.) beigeschrieben La statua china quì la testa, Don Giovanni vedendo il chino.
56 Diese Scene erregt großen Verdacht daß sie erst in Prag nachdem die Oper im Wesentlichen fertig war eingeschoben ist um der Sängerin eine Schlußarie zu geben. In der deutschen Bearbeitung, wo Donna Anna mit einem Brief allein auftritt, um Don Ottavio das stumme Spiel zu ersparen, ist sie ganz unverständlich; im Original klärt der Dialog freilich die Situation auf, allein diese kehrt nicht allein am Schluß des Finales ganz ebenso wieder, sondern sie paßt an dieser Stelle nicht zum Besten zu dem Auftreten Don Ottavios in der vorhergehenden Scene.
57 So steht in der Originalpartitur.
58 Die Arie ist mitgetheilt niederrhein. Mus. Ztg. II S. 413f. Mozart hat die ursprüngliche Tonart (A-dur) geändert und das Ganze etwas zusammengerückt, wo durch es entschieden gewonnen hat.
59 Hier ist wiederum Moliere mit Geschick benutzt, um die grausenhafte Schlußscene vorzubereiten und mit guter Berechnung der musikalischen Wirkung, welche die Frauenstimme und den veränderten Ausdruck einer leidenschaftlichen Erregung verlangte.
60 Mit richtigem Takt läßt da Ponte den Geist nur einmal auftreten und beseitigt das Gastmal in der Gruft. Eine Steigerung war nicht möglich, eine Wiederholung konnte die Wirkung nur schwächen; der symbolische Sinn, welchen die Einladung des Comthurs bekommt, giebt dem Ganzen eine feierliche Würde.
61 Daß alle Personen zum Schluß auftreten um den Zuschauer über ihr Schicksal zu beruhigen ist sämmtlichen älteren Bearbeitungen eigen und beruht auf hergebrachter Gewohnheit, namentlich der Oper, welcher da Ponte gefolgt ist; doch mochte auch der Wunsch nicht mit einem erschütternden Effect, sondern in beruhigter und zugleich gehobener Stimmung den Zuhörer zu entlassen auf die Gestaltung des Schlusses einwirken. Wie schwierig es sei nach jener mächtig ergreifenden Scene noch dauernd zu fesseln scheint man früh gefühlt zu haben; wir sahen daß Mozart selbst den Schluß bedeutend verkürzt hat, und später schloß man ziemlich allgemein mit Don Giovannis Höllen fahrt, die man freilich meistens zu einem gemeinen Feuerwerkseffect herabwürdigte. Versuche zu einer Abänderung, welche man vorgeschlagen hat, haben große Bedenken. Bei der Aufführung in Paris sah man nach Don Giovannis Verschwinden den Sarg Donna Annas umgeben von Leidtragenden und dazu wurde das Dies irae aus Mozarts Requiem gesungen (Castil-Blaze Molière music. I p. 338). Von dieser Idee ausgehend schlug Kugler (Argo 1854 S. 365ff.) vor, nach Don Giovannis Versinken die Scene in die Grabkapelle des Comthurs zu verwandeln, dessen Leichenfeier begangen wird, indem der Chor aus Mozarts Requiem singt Lux perpetua luceat ei (nicht eis, »weil es sich nur um eine Person handele«), domine, cum Sanctis tuis quia pius es, worauf um einen passenden Abschluß zu gewinnen das Osanna in excelsis folgen soll. Wie es möglich sei diese beiden Sätze so mit einander zu vereinigen ist mir ebenso unbegreiflich als daß man sich aus Pietät für den Meister erlauben dürfe, seine für die Kirche bestimmte Musik einer Oper anzuflicken, oder wie dies mit irgendwelchen Verstellungen von Einheit des Stils und des Kunstwerks vereinbar sei. Viol nahm den Gedanken soweit auf, daß er statt des überlieferten Schlusses ebenfalls eine Trauerfeier in der Grabkapelle des Comthurs vorschlug, bei der aber der Schlußsatz der Oper gesungen werden solle; der mir dafür doch nicht geeignet erscheint. Ueberhaupt ist nichts bedenklicher als einzelne Theile eines Kunstwerks in einem anderen Sinne anzuwenden als sie der Meister gedacht hat; dagegen ist Streichen meistens noch das glimpflichere Verfahren.
62 Auch die Uebersetzung von Rochlitz, welche der gedruckten Partitur untergelegt ist, kann von keinem dieser Mängel frei gesprochen werden, wie vortheilhaft sie sich auch vor den anderen auszeichnete. Kugler, der die schwachen Seiten der früheren Uebersetzungen und die Erfordernisse einer guten einsichtig bespricht, zeigt durch die von ihm mitgetheilten eigenen Versuche, wie schwer die Lösung der Aufgabe sei (Argo 1859 S. 353ff.). Die neueste Bearbeitung von W. Viol (Breslau 1858) zeigt zwar in mancher Hinsicht einen erfreulichen Fortschritt, entspricht aber auch noch keineswegs allen Anforderungen. Ueber eine nach Lysers Angabe von Mozart selbst unternommene Uebersetzung f. Beil. XXIV.
63 Mozarts Originalpartitur war im Besitz Andrés (Verz. 44 vgl. 52. 53); er theilte sie G. Weber mit, der einen Bericht über dieselbe veröffentlichte (Cäcilia XVIII S. 91ff.), in welchem außer andern die damals zweifelhafte und mehrfach besprochene Frage nach den Einlagestücken vollständig ins Klare gesetzt wurde. Das Kleinod, welches in keiner öffentlichen Sammlung Deutschmuds einen Platz finden konnte, erwarb Frau Pauline Viardot; einen neuen Bericht über dieselbe stattete Viardot in der Illustration von J. 1855 ab, wovon ein Separatabdruck mir durch die Güte des Verfassers vorliegt. Von Viardots Aufsatz erschien eine Uebersetzung Neue Wien. mus. Ztg. 1856 V N. 9–14. Er erzählt zum Schluß daß Rossini ihn besucht habe mit den Worten: Je vais m'agenouiller devant cette sainte relique und, nachdem er in der Partitur geblättert, gesagt habe: c'est le plus grand, c'est le maitre de tous, c'est le seul qui ait eu autant de science que de génie et autant de génie que de science. – Glücklicherweise habe ich auch durch Andrés Güte das Original noch selbst zu Rathe ziehen können. – Die einzelnen Stücke sind auch hier jedes für sich geschrieben und eingelegt in die Blätter welche das Recitativ enthalten, an dessen Schluß jedesmal auf das nächste Stuck verwiesen ist; die ersten 70 Blätter sind von Mozart durchpaginirt. Sie ist vollständig bis auf das letzte Blatt und das Recitativ vor dem Duett (II, 9) o statua gentilissima (S. 233 und 234), dessen Fehlen in der S. 299 erzählten Anekdote seine Erklärung findet. Auch fehlen die Extrablätter, auf denen nach Mozarts eigener Angabe die Blasinstrumente verzeichnet waren, und zwar
a. zum ersten Finale 2 Clarinetti (S. 109); 2 Flauti (S. 127); 2 Oboe 2 Clarinetti 2 Clarini e Timpani (S. 132); tutti liStromenti di Fiato (S. 145).
b. zum Sextett (II. 6) »Alle Blasinstrumenteextra.«
Beim zweiten Finale ist kein Extrablatt angemerkt, allein es sind nicht allein keine Trompeten und Pauken und Posaunen, sondern von S. 290 gar keine Blasinstrumente in die Partitur eingetragen; es war also ohne Zweifel vorhanden. Die Partitur erschien bei Breitkopf & Härtel im Typendruck und 1842 schön gestochen in zweiter Auflage, auf welche sich alle Verweisungen beziehen. Die zahllosen Klavierauszüge aufzuführen wäre nutzlos, selbst wenn es mir möglich wäre.
64 Charakter und Bedeutung dieses merkwürdigen vielbesprochenen Musikstücks ist so scharf ausgeprägt daß sie im Wesentlichen wohl nie verkannt worden sind; man vergleiche, um nur auf Einiges hinzuweisen, die Andeutungen bei Hoffmann (Fantasiestücke I, 4 ges. Schr. VII S. 92), Oulibicheff (Mozart III p. 105ff.), Krüger (Beiträge S. 160f.) und die ausführliche Analyse von Lobe (A. M. Z. XLIX, S. 369. 385. 417. 441), wo das Bestreben alles auf einen bewußten Ausdruck zurückzuführen freilich auch zu seltsamen Mißgriffen geführt hat. Unbegreiflich ist es, wenn die Eröffnung der Ouverture durch das Andante, weil dieses das Ende des Lebens andeute, das darauf im Allegro dargestellt werde, als ein Verstoß gegen die Logik bezeichnet wird, zu dem Mozart nur durch die Macht der Gewohnheit verführt worden sei, – in einem Aufsatze, der nachweisen soll daß derselbe Mozart in derselben Ouverture jede Periode mit dem klarsten Bewußtsein dessen was er durch sie ausdrücken wolle geschrieben habe. Unbegreiflich, wie ein Mann, der sich mit der musikalischen Form und Darstellung in ihrem Verhältniß zur poetischen Idee so viel beschäftigt hat, aus den Gedanken verlieren konnte, daß ein musikalisches Kunstwerk einem anderen Princip folgt als der historischen Reihenfolge der Begebenheiten, um die es sich hier noch mehr handelt als um die logische Consequenz der Gedanken, daß der Musiker, auch wo er von solchen ausgeht oder sich an sie anlehnt, mit Nothwendigkeit einen anderen Mittelpunkt suchen muß, von welchem aus er sein Kunstwerk bildet und gliedert, als der Historiker, wie dies ja auch vom bildenden Künstler gilt. Dieses Gesetz der musikalischen Organisation strebt der Componist auch da zu erfassen, wo das Wort des Dichters noch andere Gestaltungen zuläßt, wohl gar dazu verleitet, und es ist der sicherste Beweis für das musikalische Genie im eminenten Sinn, wenn es mit raschem Blick und sicherem Takt diesen Keimpunkt der musikalischen Gestaltung auffaßt und festhält; bei Instrumentalcompositionen liegt es vollends zu Tage daß die musikalische Conception allein das Princip der Formbildung sein könne. Allein soweit braucht man hier nicht einmal zu gehen. Die Ouverture wird wie eine Art Prolog angesehen, welcher den Zuhörer dadurch in die rechte Stimmung versetzen soll, daß er ihm die Hauptmomente der Handlung vergegenwärtigt: nehmen wir einen Prolog in Worten an, wer würde einen logischen Fehler darin sind en, wenn der Dichter mit der Erscheinung des Geistes als dem das Gemüth am stärksten erschütternden, die Eigenthümlichkeit des Ganzen recht eigentlich bezeichnenden Motiv beginnen und von da aus auf Don Giovannis Treiben übergehen wollte?
65 Auch in der Ouverture zu Così fan tutte hat Mozart ein Motiv der Oper, und zwar das der Titelwerte, auf die witzigste Weise angewendet; beidemal aber den Hauptsatz der Ouverture, der ein ganz selbständig ausgeführtes Musikstück ist, dadurch eingeleitet. In ganz ähnlicher Weise hat Beethoven in den drei ersten Leenorenouverturen das Motiv der Arie Florestans angewendet. Die äußerliche Weise aus einzelnen Motiven der Oper die ganze Ouverture zusammenzusetzen, welche vornehmlich durch Weber üblich geworden ist, lag Künstlern fern, die aus dem Innern heraus ein Ganzes zu gestalten gewohnt waren.
66 Es ist sehr merkwürdig zu sehen, wie die auf- und absteigenden Tonleitern der Geigen und Flöten, die wie unheimliches Windessausen ein fröstelndes Grausen hervorbringen, erst während der Ausführung der Geisterscene Mozart lebendig vor die Seele getreten sind. Denn im Finale fehlten sie da, wo sie zuerst vorkommen (S. 271) anfangs in der Partitur; Mozart hat sie nachträglich, und weil der Platz zu knapp war, mit winzig kleinen Nötchen, die auch so noch mitunter in den folgenden Takt hineinreichen, hinzugefügt, aber das zweitemal (S. 274) und in der Ouverture sind sie gleich geschrieben.
67 In der gedruckten Partitur wie in den Klavierauszügen ist dem h des letzten Taktes ein b vorgesetzt; das Original hat dies b nur im vorletzten Takte. Man hat es für ein Versehen des Componisten gehalten daß diese Vorzeichnung im letzten Takte fehlt. Die Lage dieses Accordes mit cis über h hat allerdings etwas auffälliges, sie kommt aber ausnahmsweis doch vor, und es bleibt die Frage ob Mozart, um die Hauptmelodie ungetrübt zu lassen, hier nicht h hat beibehalten wollen. Die Wiederholung der Stelle im zweiten Theile der Ouverture ist in der Originalpartitur nicht ausgeschrieben, kann also für unsere Zweifel nichts entscheiden.
68 Nägeli behauptet, Mozarts Genie sei zwar groß, aber ebenso groß sein Geniefehler »durch übertriebenes, ausschweifendes Contrastiren« zu wirken (Vorlesungen S. 157. 160). Der Ouverture zu Don Giovanni wirst er auch noch vor (a. a. O. S. 168) daß im Allegro zweimal ein Takt zuviel sei (Takt 36. 197) und die Eurhythmie störe, ein Vorwurf, welchen Kahlert (N. Ztschr. f. Mus. XIX S. 97ff.) gründlich widerlegt hat.
69 Man hat Mozart vorgeworfen Motiv und Imitation sei einem Canon von Stölzel entlehnt, welchen Marpurg (Kunst der Fuge II S. 49ff. Taf. 35ff.) als Beispiel anführt. Ein Blick auf die Takte, welche dafür ausreichen
wird beweisen, welche arge Reminiscenzenjägerei nöthig ist um eine Entlehnung in dieser, älteren Kirchencompositionen gewöhnlichen imitatorischen Stimmführung zu finden.
70 Mozart hat mit wenigen Worten diese Entwickelung angedeutet. Auf den Vorwurf des Comthurs così pretendi da me fuggir antwortet Don Giovanni im Begriff zu gehen »sotto voce«: Misero!, dann auf den erneuten Zuruf Battiti! wiederholt er »più voce«: Misero! und nun erst, als ihm der Cemthur näher tritt, bricht er forte aus: Misero attendi!
71 Das Malen des Kampfes in den sich antwortenden schwirrenden Figuren der Geigen und Basse ist nahe liegend und treffend; ganz ähnlich ist es auch in Glucks Ballet, nur viel länger ausgeführt (I, 3 und 5).
72 In der gestochenen Partitur ist nicht angemerkt daß die Viertelnoten der Bässe das ganze Andante hindurch pizzicato angegeben werden.
73 Es ist eine Kleinigkeit, aber nicht gleichgültig für die Wirkung daß es im Original nicht
sondern
heißt.
74 Schaul (Briefe üb. d. Geschmack in der Musik S. 51) führt dies Sertett unter den Beweisen an, wie oft Mozart gegen die gesunde Vernunft gesündigt habe, weil es im tragischsten Stil geschrieben sei, da es doch Halbcharakter sein müßte.
75 Von ganz eigenthümlicher Wirkung sind hier die Flöten, welche den Violinen antworten. Mozart, der sie nicht liebte (II S. 269), läßt sie selten hervortreten, aber dann sieht man, wie genau er die Eigenthümlichkeit des Instruments kannte.
76 Meisterhaft ist hier die harmonische Gestaltung. Nachdem von Anfang her nur die Haupttonart mit den nächst verwandten gehört worden ist, wird man durch den Trugschluß nach C-dur wie in eine andere Luft versetzt und auch die veränderte Bewegung des Orchesters spricht eine energische Lebendigkeit aus; durch wenige Accorde werden aber sogleich Don Giovannis Fragen wieder auf die Dominante der Haupttonart zurückgeführt und das bekräftigende Si des Comthurs antwortet mit der Tonica, deren klare Ruhe aber durch Leporellos c gleich wieder gestört wird; erst auf Umwegen wird der Abschluß erreicht. Wie verschieden ist beidemal die Wirkung des frei eintretenden fremdartigen c im Baß. Das erstemal, wo aufH-dur entschieden C-dur eintritt, macht es einen frischen, gehobenen Eindruck, das zweitemal, wo c zu dem ausgehaltenen e als Unterterz hinzutritt und zur Basis des Terzquartsextenaccords wird, empfindet man dagegen einen schweren Druck.
77 Dadurch ist auch die freie Form des Duetts bedingt, in welchem die einzelnen, in sich abgerundeten musikalischen Perioden, der sich entwickelnden Empfindung folgend, aneinander angereihet sind, ohne Wiederholung oder Durchführung eines Motivs; nur der Angstruf Leporellos kehrt zu verschiedenen Malen wieder und dient gewissermaßen als Bindeglied.
78 Die musikalische Behandlung dieser kurzen feierlichen Worte des Comthurs ist offenbar durch das Orakel in Glucks Alceste, dessen Einfluß auch im Idomeneo unverkennbar ist (II S. 484), hervorgerufen, nicht allein Ton und Haltung im Allgemeinen sondern die harmonische Führung zeigen die größte Aehnlichkeit. Aus der Zusammenstellung beider (mus. Beil. VII) wird man entnehmen, mit welcher Sicherheit Mozart feinere Detailzüge hineinbrachte ohne die imponirende Wirkung zu beeinträchtigen.
79 Diese Sparsamkeit ist nur dann zu loben, wenn sie nicht allein die Mittel auf einen Punkt concentrirt, sondern dadurch daß sie dieselben an einem anderen zu verschmähen scheint, dort erst den richtigen Ausdruck findet. Wie gut Mozart es verstand, die Erscheinung des Comthurs durch machtvolle Instrumentation hervorzuheben, zeigte er im Finale; hier kam alles darauf an daß man seine Stimme hörte, Mozart gab derselben nur den stützenden Halt des Horntones, dadurch wurde denn aber auch die größte Einfachheit in der gesammten Darstellung nothwendig.
80 Die Blasinstrumente, welche die Worte des Comthurs bald im Unisono bald mit ihren gewaltigen Accorden begleiten, erhalten durch die durchgängige Anwendung der Posaunen eine Macht und einen Glanz, welche nicht allein diese Scene über die ganze Oper hinausheben, sondern in der Art früher nicht geahnt worden waren. Zwar sind leider in der Originalpartitur, da das Beiblatt der Blasinstrumente verloren ist, die Posaunen nicht ausdrücklich angegeben; aber man darf daraus, daß sie im Andante der Ouverture nicht angewandt sind, gewiß nicht schließen, daß Mozart sie auch im Finale nicht gebraucht habe. Dort sollte nur eine Andeutung gegeben werden und Mozart wollte weder den überwältigenden Eindruck der wirklichen Erscheinung im Voraus schwächen, noch den allgemeinen Toncharakter der Instrumentation stören und seine Wirkung beeinträchtigen.
81 Vor allem bewundernswerth ist es, wie Mozart im Stande war, die ganze ziemlich lange Scene nicht nur auf gleicher Höhe zu erhalten, sondern unausgesetzt zu steigern. An zwei Stellen hat er in seiner Partitur eine kleine Kürzung vorgenommen. Die fünf Takte S. 273 Takt 3 bis S. 274 Takt 2 sollten nämlich ursprünglich wiederholt werden, sind aber das einemal von ihm gestrichen; und etwas später sind vier Takte (S. 277 Takt 2–5) herausgestrichen und im nächsten Don Giovannis -ro getilgt und Leporellos -sate hingesetzt, so daß die Worte a torto di viltate tacciato mai sarò ganz wegfallen.
82 Mozart hat hier (S. 272 Takt 5 bis S. 273 Takt 3) ursprünglich den Baß in Triolen mitgehen lassen, dann aber diese ausgestrichen und eine Viertelnote auf jeden halben Takt
an die Stelle gesetzt.
83 In der Arie (II, 7), welche auf das Sextett folgt, in welcher er sich nach allen Seiten rechtfertigt und dabei die Gelegenheit zu entwischen sucht, tritt mehr seine Verschmitztheit als seine Angst hervor. Er hat sich gefaßt und begriffen daß er einmal erkannt nicht so viel mehr zu fürchten hat, er sucht sich daher nur durch mancherlei Vorwände hinzuhalten bis er entkommen kann. Die Arie ist daher ihrer ganzen Haltung nach auch leichter, in starken Contrasten, je nach der Seite wohin er sich wendet, rasch wechselnd, aber in keiner Weise ausgeführt und schließlich in eine den Worten entsprechende artige musikalische Pointe auslaufend. Auf das lange Sextett von schwerer Wucht folgt sehr angemessen ein Musikstück von gemäßigtem Charakter.
84 In der Originalpartitur sind ursprünglich auch Clarini und Timpani beigeschrieben, aber ausgestrichen ohne daß eine Note in die betreffenden Systeme gesetzt wäre.
85 Wer gehört hat, wie Lablache das
halblaut, ein wenig durch die Nase gezogen, mit einem unbeschreiblichen Seitenblick auf Elvira sang, der hat auch die Vorstellung von der komischen Malice bekommen, welche Mozart in diesen Schluß gelegt hat.
86 Dahin gehört z.B. wie Leporello ganz im Vertrauen, als vergäße er mit wem er spricht, und mit der größten Wichtigthuerei – der Trugschluß nach B und die wundersamen Fagotttöne heben das ganz besonders hervor – Elvira zuflüstert sua passion predominante è la giovin principiante.
87 Sollte man es für möglich halten daß in einem Musikstück, in welchem jede Wendung charakteristisch ist, die oben angegebenen Züge von Rochlitz so wiedergegeben sind
Mek Blondinen phantasiren,
Mit Brünetten einherstolziren,
Mit Belesnen disputiren,
Mit Gelehrten kritisiren
so daß das »Kritisiren« auf
fällt? Statt la piccina heißt es »und dann jede, jede, jede, jede, jede, jede, jede, jede, jede, jede, jede Preis zu geben«, was ebenso abscheulich klingt als es unpassend ist.
88 Rochlitz übersetzt hier sogar: »Wer kann da scherzhaft bleiben? o Herr, das geht zu weit!« Und mit solchem Text hört man Mozarts Musik meist vortragen und urtheilt danach über dieselbe!
89 Diese bezeichnende Form der Imitation wird immer als eine nicht bloß musikalisch wirksame sondern durch die Zusammengehörigkeit der betreffenden Personen psychologisch gerechtfertigte sich nachweisen lassen z.B. wenn im Quartett Donna Anna und Don Ottavio (S. 79), im ersten Finale Zerlina und Masetto (S. 151f.) die Imitation ausführen.
90 Luigi Bassi ist in Pesaro geboren, nach seiner Grabschrift 1766, nach dem dresdener Leichenbuch 1753, und starb in Dresden, wohin er von Prag etwa 1815 gekommen war, als Regisseur der italiänischen Oper 1825. Ueber ihn wird im Jahr 1890 von Prag aus berichtet (A. M. Z. II S. 538f.): »Bassi war vor dem Verlust seiner Stimme ein vortrefflicher Sänger, selbst die Ueberreste derselben weiß er noch sehr gut zu handhaben und zu benutzen. Sie hält das Mittel zwischen Tenor und Baß, und obschon sie etwas hohl klingt, ist sie doch sehr geschmeidig, voll und angenehm. Hr. Bassi ist nebendem ein sehr geschickter Schauspieler im Tragischen ohne komödiantenartig, im Komischen ohne niedrig und abgeschmackt zu werden. In seiner wahrhaft seinen und possierlichen Laune parodirt er z.B. manchmal die Fehler der übrigen Sänger so sein, daß es zwar die Zuschauer, aber die Sänger nicht merken. Seine besten Rollen sind Axur, Don Giovanni, Teodoro, der Notar in der Molinara, der Graf im Figaro und noch einige andere.« Damit stimmen auch die Erinnerungen, welche ältere Zeitgenossen in Dresden bewahren, die ihn als einen Mann von stattlichem Aeußeren, seinen, liebenswürdigen Manieren und trefflicher Schulung einer allerdings passirten Stimme schildern. Man sieht aus allem, wie vieles in ihm zu einem vorzüglichen Darsteller des Don Giovanni zusammentraf.
91 Beethoven hat nach einer Mittheilung Seyfrieds (Beethovens Studien, Anhang S. 22) in Beziehung auf Don Giovanni geäußert, daß die heilige Kunst sich nie zur Folie eines so scandalösen Sujets entwürdigen lassen sollte. Die hohe Sittlichkeit, welche der große Mann im Leben wie in der Kunst unverbrüchlich bewahrte, wird man auch in diesem Ausspruch ehrend anerkennen; er hätte eine solche Oper nicht componiren können ohne sich selbst ungetreu zu werden. Indessen wird man, auch ohne die Kunst vom Boden der Sittlichkeit abzulösen, diese Seite der menschlichen Natur der künstlerischen Darstellung nicht entziehen wollen.
92 Er zeichnet hier die Situation vor, die nachher im Finale eintritt, sogar die drei verschiedenen Tänze werden im Voraus erwähnt
Senza alcun ordine
La danza sia,
Chi'l minuetto
Chi la follia,
Chi l'alemanna,
Farai ballar.
Es ist kaum zu glauben, daß es fast allgemein Eingang gefunden hat, wenn die Wiederholung des beliebten Stücks verlangt wird, einem Lied von solchem Charakter Worte zum Preise des göttlichen Mozart unterzulegen (A. M. Z. XXIV S. 21. XXXIX S. 840). Kann man das Andenken eines dramatischer Componisten, der wußte was er ausdrücken wollte, empfindlicher kränken?
93 Nächst dem Charakter der sehr einfachen Melodie und Harmonie und des stark hervorgehorchen Rhythmus ist die Färbung der Instrumentation hier sehr wesentlich. Daß Flöte und Violine fast unausgesetzt die Melodie führen hebt das Tanzartige hervor, die rasche Bewegung der Begleitung in den fast ununterbrochen fortgehenden Achteln hat etwas eigenthümlich Aufregendes, das durch die starken Accente der Blasinstrumente in anderer Weise gehoben wird. Das mehrfach besprochene Hinanstreifen an die Molltonart, das in der ausgelassenen Lust auch den Stachel derselben empfinden laßt, ist hier wieder von großer Wirkung.
94 Die Wirkung der reizenden Melodie und der gewählten Harmonie wird auch hier sehr gehoben durch die lebhafte Begleitungsfigur der Mandoline, welche nur von den pizzicato angegebenen Accorden der Saiteninstrumente unterstützt wird. Der zarte, eigenthümlich vibrirende Ton der Metallsaiten der Mandoline paßt unvergleichlich zu der süßen Anmuth des Liedes; das Instrument war damals noch üblich – Mozart hat auch sonst Lieder zur Mandoline componirt (III S. 347) – und wirkte um so charakteristischer. Unrichtig scheint mir die Bemerkung in den fliegenden Blättern f. Musik (I S. 184), das Lied zeige Don Giovanni wie er scheinen wolle, während das Accompagnement andeute, wie er wirklich sei und daß der Gesang nur Heuchelei sei. Don Giovanni heuchelt nicht, er spricht seine wirkliche Empfindung so aus, wie er sie fühlt, und daß sie rasch vorübergehen wird macht sie für den Moment nicht unwahr; die dort vorausgesetzte Charakteristik wäre also eine falsche. Der besondere Charakter der Begleitung ist aber ganz einfach durch die Natur des Instruments bestimmt und hat daher gar nichts Auffallendes, das einer Deutung bedürfte.
95 Dieses kleine Duett mit Chor ist auf einem besonderen Bogen geschrieben, wie die Arie Masettos (Anhang 2), und wohl während der Proben in Prag geschrieben, wo diese ganze Partie erst redigirt zu sein scheint.
96 Man hat den zweiten Theil des Duetts unbedeutend gefunden und für denselben im Gegensatz zum ersten mehr Feuer und Leidenschaft verlangt; offenbar zum Nachtheil der seinen Charakteristik. Zerlina ist keine tief und leidenschaftlich empfindende, sondern eine leicht erregbare Natur und Don Giovanni wird dadurch so gefährlich, daß er sich instinctmäßig der Natur der Frau assimilirt, die ihn anzieht; dies hat Mozart treffend ausgedrückt. Es ist zu beachten, daß in der Originalpartitur der zweite Theil keine neue Tempobezeichnung hat (Allegro ist eine willkührliche Zuthat), Mozart hat nur durch den Taktwechsel, nicht durch beschleunigtes Tempo eine Steigerung hervorbringen wollen. – Das chromatische Zwischenspiel (Takt 7 und 8 des zweiten Theils), welches Oulibicheff (II p. 125) als eine moralische Warnung auffaßt, macht mir den entgegengesetzten Eindruck des Schmachtens in sinnlicher Erregung.
97 Die Worte, welche Don Giovanni, nach der Wiederaufnahme des Menuetts (S. 137 Takt 3–8) gegeben werden Meco tu dei ballare, Zerlina vien pur quà fehlen in der Originalpartitur, und mit Recht; erst weiterhin (S. 140 Takt 1), da er mit ihr zum Contretanz antritt, sagt er zu ihr: Il tuo compagno io sono, Zerlina vien pur quà. Ich bemerke gleich hier, daß wenige Takte später (S. 141 Takt 6 und 8) im Original Leporello und Masetto folgendermaßen Worte wechseln
98 Diese Arie, welche in der gedruckten Partitur im Anhang 2 steht, galt früher für eine später eingelegte. Sie ist, wie Weber schon nachgewiesen hat, in Prag componirt, das ergiebt Mozarts eigenhändige Bezifferung und Paginirung in der Originalpartitur, wo sie mit der Ueberschrift Atto 1 n. 6 am rechten Ort (nach dem Recitativ S. 68 Takt 9) steht; aber da sie auf kleinerem Papier und mit etwas anderer sehr flüchtiger Schrift als das eigentliche Corpus der Partitur geschrieben ist, läßt sich daraus abnehmen daß sie erst während der Vorbereitungen zur Aufführung entstanden ist. Man hört sie jetzt selten, weil gewöhnlich Masetto als Lückenbüßer betrachtet wird, zum wesentlichen Schaden eines Kunstwerks, das dergleichen nicht kennt.
99 Den Schluß hat Mozart in der Originalpartitur gekürzt, indem er Takt 7 und 8 vom Ende an gezählt gestrichen hat. – Um einen Stichfehler der Partitur zu berichtigen bemerke ich daß im zweiten Takt die letzten Sechszehntel des Violoncello nicht
sondern
zu schreiben sind, und ebenso wenn der Takt wiederholt wird. S. 103 Takt9 –11 haben die Hörner nicht Pausen, sondern
100 Mozarts Tempobezeichnung ist nicht Andante, sondern Grazioso.
101 Es ist sehr zu bedauern daß nicht eine große Künstlerin, wie die Schröder-Devrient, auf den Gedanken gekommen ist, die großartige Gestalt der Elvira, welche Mozart geschaffen hat, auf der Bühne zu verkörpern; die Darstellung der ganzen Oper würde eine andere Haltung gewonnen haben. Aber die Vorstellung der verlaßnen Geliebten scheint einen sehr ungünstigen Einfluß gehabt zu haben.
102 Nicht Terzetto sondern Aria nennt Mozart das Stück mit Recht, denn die Zwischenreden Don Giovannis und Leporellos sind nur eigenthümlich gestaltete Ritornells und ändern nichts am Charakter der grade hier sehr einfachen Arienform, während sie zeigen, wie frei Mozart diese dem Bedürfniß gemäß behandelt.
103 Von großer Wirksamkeit ist die gegen die vorhergehenden Stücke sehr abstechende Klangfarbe der Instrumentation; Clarinetten sind hier zuerst angewendet und geben mit Hörnern und Fagotts (ohne Flöten) dem Orchester einen vollen und glänzenden Klang. Uebrigens hat diese Arie in ihrer ganzen Haltung etwas, das an den specifisch heroischen Typus der italiänischen Oper erinnert, ohne doch der individuellen Charakteristik Eintrag zu thun.
104 Rochlitz berichtet (A. M. Z. I S. 116): »Er hatte sogar die Grille, eine Arie in seinem Don Giovanni in Händels Manier zu setzen und seiner Partitur dies offenherzig beizuschreiben«; andere, wie Seyfried (Cäcilia XVIII S. 72), haben nacherzählt Mozart habe über die Arie gesetzt nello stile di Haendel. Schon Weber, der bemerkt die Bezeichnung nello stile spagnuolo würde treffender sein, hat berichtigt daß sich davon in der Originalpartitur keine Spur findet (Cäcilia XVIII S. 114); es ist ein neuer Beleg für die Art, wie Rochlitz Thatsachen erfand um von ihm erdachte Erklärungen zu unterstützen.
105 Ambros Gränzen der Musik und Poesie S. 61f. Oulibicheffs Einfall (II p. 126f.), Mozart habe damit zur Prüfung auffordern wollen, wie sehr seine Arien den Händelschen vorzuziehen seien, ist gar zu abenteuerlich. Es ist merkwürdig, wie selbst enthusiastische Verehrer, wenn ihre Exegese sie im Stich laßt, bereit sind dem Meister die größten Absurditäten zuzutrauen.
106 Auch die Begleitung ist ungemein charakteristisch. Gegen die heitere Regsamkeit, welche Don Giovannis, Zerlinas und Masettos Abgehen bezeichnete, sticht die düstere, leidenschaftlich treibende Bewegung, mit welcher das Orchester Elvira begleitet, scharf ab; Don Ottavios kräftiger Tenorstimme gegenüber heben die Blasinstrumente durch verstärkte Accente neben der Unruhe die Energie mehr hervor. Ohne den wesentlichen Charakter zu ändern wird die Begleitung beim Eintritt Donna Annas bald unheimlich beängstigend bald klagend, aber diese Aufregung afficirt die getragenen Töne nicht, in denen ihre hohe und reine Seele sich ausspricht. Um sich zu überzeugen, wie viel kleine Mittel am rechten Ort wirken, vergleiche man die Wirkung, welche bei der gleichen Figur der Saiteninstrumente zuerst die dazwischenschlagenden Achtel der Hörner (S. 120 Takt 14–17)
und darauf die Figur der Oboen (S. 122 Takt 5–7)
hervorbringen.
107 Auch hier wird die ganz eigenthümliche Wirkung durch das Orchester sehr unterstützt. Die Blasinstrumente ganz allein zur Begleitung zu verwenden, war schon etwas Neues; der volle und weiche Klang dieser weit ausgebreiteten Accorde, die ein helles Licht auszustrahlen scheinen contrastirt seltsam mit den tiefen Tönen der Clarinette, deren fremdartiger Klang noch gar nicht gehört worden ist. Und in welchem Gegensatz steht es zu der Klangfarbe der vorhergehenden Sätze: es ist als wäre man für den Moment in eine andere Welt entrückt. Kaum sind die letzten Töne verhallt, so wird man durch die scharfen Schläge des Orchesters im folgenden Satz wieder unter die Sterblichen versetzt. – Beiläufig ist zu bemerken daß S. 125, Takt 9 die Oboen und Hörner nicht pausiren, sondern
haben.
108 Sehr eigenthümlich, und dem Sinn ganz entsprechend, sind zwischen die viertaktigen Glieder dieser ersten Phrase die beiden an sich so scharf abstechenden Takte 9 und 10 eingeschoben; sie unterbrechen den gleichmäßigen rhythmischen Gang, wie die Vorstellung welche sie ausdrücken die Grundstimmung Elviras. Eine überaus charakteristische Wirkung macht dann die verschiedene Wendung, mit welcher erst Elvira und dann Don Giovanni die ganze Phrase abschließen. Bedeutsam ist auch der Wechsel der Tonart, durch das Verlegen nach E-dur ist nicht allein die günstige Tonlage für den Bariton gewonnen, die hohe Lage giebt der Begleitung einen ganz anderen Charakter, alles tritt wie aus dem Zwielicht heller hervor.
109 Die Weise dieser Melodie ebenso wie die Begleitung ist schon angedeutet in den Takten mit welchen Don Giovanni vorher abschließt, durch den leise rückenden Uebergang in das fremde C-dur bekommt aber diese Melodie einen ganz anderen Charakter und überraschenden Aufschwung. Ganz vortrefflich wirkt das ruhige Festhalten an dieser Tonart, aus der erst bei der steigenden Aufregung der Rückgang in die Haupttonart gemacht wird. In den fliegenden Blättern für Musik (III S. 11ff.) ist darauf hingewiesen daß der Anfang dieser Melodie
übereinstimme mit dem Ständchen
und dies als ein beabsichtigter Zug seiner Charakteristik so erklärt worden, daß er die Heuchelei Don Giovannis gegenüber Elvira bezeichne, zu welcher er rede, während er an das Kammermädchen denke. Mir scheint die Erklärung und das Postulat falsch. Die Erklärung, denn der Zuhörer würde erst hinterher, wenn er das Ständchen hört, zum richtigen Verständniß des Terzetts gelangen; das Postulat, weil es darauf ankommt, daß das Gefühl des Zuhörers von den Aeußerungen der Liebe Don Giovannis ebenso ergriffen werde als er dies von Elvira voraussetzen soll, sonst fehlte der Situation die innere Wahrheit; was er auf der Bühne sieht klärt seine Vorstellung über die wirkliche Meinung Don Giovannis auf: beides ergänzt sich unmittelbar zu dem richtigen Gesammteindruck.
110 Zu den Worten ah! credi mi o m'uccido! hat Mozart beigeschrieben: Don Giovanni con trasporto e quasi piangendo – Leporello piano a Don Giovanni.
111 Im letzten Ensemble hat Zerlina die obere Stimme vor Elvira und ist dadurch bei der Gliederung des Satzes näher an Donna Anna gerückt, was nicht ohne Bedeutung ist. Ohne charakteristische Züge bleibt darum die Mittelstimme der Elvira doch nicht z.B. die Stelle
welche ihre Stimmung treffend ausdrückt.
112 Auch hier ist der Wechsel der Klangfarbe von großer Bedeutung. Nach dem ersten durch Trompeten und Pauken und lebhafte Figuren der Saiteninstrumente geräuschvollen und glänzenden Satz folgt die arrangirte Harmoniemusik, gegen welche nun das volle Orchester, das die ganze Kraft der Saiten- und Blasinsirumente entfaltet, erstaunlich absticht.
113 Von großer Wirkung ist es, wenn die Figur, unter deren mächtiger Wucht bei Elviras Eintritt alles zu erzittern scheint, nachher Leporello (S. 261) in den Mund gelegt wird.
114 Einen merkwürdigen Eindruck macht es, wenn gegenüber der sonst so reichen Begleitung das mehrmals wiederholte charakteristische Motiv Don Giovannis
so nackt mit dem bloßen Baß mit größter Scharfe hervortritt.
115 J.J. Wagner setzt das Ideale von Don Giovanni in eine doppelte Tendenz, die durch sein Schwelgerleben gehe, indem er die Größe in der Ausdehnung und die Freiheit im Hinwegspringen über alle Schranken suche (A. M. Z. XXVI S. 335).
116 Es ist ein oft z.B. bei Fétis (biogr. univ. III p. 29) wiederholter Irrthum daß diese Partie von Mozart für die Campi geschrieben sei, ebenso falsch ist es daß Castil-Blaze (Molière music. I p. 320) dieselbe 1788 in Wien als Donna Anna auftreten läßt. Antonia Miklasiewicz ist 1773 in Lublin geboren, entwickelte frühzeitig ihr Gesangstalent und wurde 1788 zur Kammersängerin des Königs von Polen ernannt. Im Jahr 1791 heirathete sie in Prag den Bassisten Campi, und war eine Hauptstütze der Guardasonischen Gesellschaft (A. M. Z. II S. 537f.), bis sie 1801 nach Wien auf das Theater an der Wien ging, von wo sie 1805 zum K. K. Hoftheater überging; sie starb 1822 in München (Wien. Theaterztg. 1841 N. 136).
117 Der unglückliche Gedanke Hoffmanns daß Donna Anna von Don Giovanni entehrt sei, den Oulibicheff (III p. 91f.) kurz abweist, ist oft wiederholt, näher ausgeführt von Marx (Berl. Mus. Ztg. I S. 319ff.). Der Text da Pontes, welcher ihre Neigung zu Don Ottavio ungleich stärker betont als die Uebersetzungen, widerspricht dem bestimmt, und der hochgeschwungene ideale Charakter der Musik nicht minder; denn daß das Bewußtsein der Schande, eines inneren unwürdigen, durch nichts motivirten Zwiespalts, fortgesetzte Lüge und Heuchelei gegen den Bräutigam die »hohe tragische Weihe« geben und nicht vielmehr hohe Sittlichkeit, edler Stolz und kinelicher Schmerz um den schmählich gemordeten Vater, wird sich nicht halten lassen.
118 Dem Anfang des Allegro: Fuggi, crudele! hat Mozart noch beigeschrieben disperatamente.
119 Nur ein Beispiel. Donna Anna wiederholt zweimal ihren Ausruf ah! il padre mio dov'è! während das Orchester das Gefühl, das sie dabei empfindet, ausführt. Welche einfache aber ergreifende Steigerung ist es, daß ihre Worte das erstemal
ganz einfach und auf dem Duraccord, das zweitemal aber erst in einzelnen abgebrochenen Worten und dann auf dem Mollaccord
wiederholt werden.
120 Auch hier sei nur beispielsweise darauf hingewiesen, welchen Eindruck bei den Worten quel sangue, quella piaga u.s.w. die wechselnde Zusammenstellung der Blasinstrumente und dann das Hinzu treten der Saiteninstrumente hervorbringt.
121 Man darf nur das hohe Pathos mit welchem Donna Anna Ottavio auffordert Rache zu schwören mit dem so ganz verschiedenen Ausdruck der Leidenschaft vergleichen, mit welchem Elvira unmittelbar darauf Rache zu nehmen droht, um den ganzen Unterschied dieser beiden weiblichen Naturen zu empfinden.
122 Wer es Donna Anna zutraut daß sie im Moment der leidenschaftlichsten Aufregung mit rührender Zärtlichkeit zu Don Ottavio sagt: tu sei, perdon, mio bene, und ihm den Schwur der Rache abnimmt, während sie ihn im Stillen verachtet und Don Giovanni liebt, der sie entehrt hat, der muß ihr eine überlegte Heuchelei beilegen, die an sich schon alle tragische Würde aufhebt und auf ein gesundes Gefühl um so widriger wirken muß, je länger sie geübt wird.
123 Von Baglione, welcher in Prag Don Ottavio sang, ist mir nur bekannt, daß er 1796 nach Wien ging (A. M. Z. XXIV S. 301), wo man ihn als bedeutenden Sänger schätzte, und nach da Pontes Versicherung (mem. III, 1 p. 80 zw. Ausg.) personaggio di sommo gusto e saper musicale war, che aveva fatti i più celebri cantanti in Italia.
124 Oulibicheff (III p. 113ff.) und eingehender ein verständiger Aufsatz in den fliegenden Blättern für Musik (I S. 221ff.) haben Don Ottavio richtiger gewürdigt, als gewöhnlich geschieht.
125 Im italiänischen Text ist manches, was im Deutschen unerträglich sein würde, z.B. wenn Don Ottavio als Donna Anna ohnmächtig wird, ausruft: cercatemi qualche odor, qualche spirto! – dessen Realismus sich hier nicht mit Gretchens »Nachbarin, euer Fläschchen!« vergleichen läßt; oder in entgegengesetzter Weise wenn er schwört: lo giuro agli occhi tuoi. Beides macht im Italiänischen einen wesentlich anderen Eindruck.
126 Ah ch'ora, idolo mio, son vani i pianti, di vendetta si parli! sagt er beim Auftreten. Manche Züge der Art sind im deutschen Dialog verwischt.
127 Der Eindruck der Klangfarben, wenn nach dem vollen und weichen Ton des vorhergehenden Quartetts, die grellste Schärfe des Klanges in Saiten- und Blasinstrumenten eintritt – unter denen die nach der Ouverture nicht wieder gehörten Trompeten (ohne Pauken) von einschneidender Wirkung sind – ist ganz außerordentlich.
128 Die Aenderung, welche Mozart hier vorgenommen hat, ist schon erwähnt worden (III S. 447).
129 Marx, dem diese Arie als ein schmerzliches Beispiel gilt, wie das Orchester aus einfacher Versäumniß nicht zu der Fülle seines Wesens, wie der Moment sie forderte, gekommen sei (Kompositionslehre IV S. 448), findet die Singstimme, den melodisch-harmonischen Inhalt, kurz den ganzen geistigen Gang der Arie, großartig, mächtig, zuletzt bis zum Heroischen sich aufschwingend, die Instrumentation aber theilweis zerstreut und dadurch geschwächt, ja kleinlich der großartigen Führung der Singstimme und des Basses gegenüber (a. a. O. S. 529ff.). Er vermuthet sogar daß in diesem wie in ähnlichen Fällen die Instrumentation nicht von Mozart sondern einem Schüler, vielleicht Süßmaier ausgeführt sei (a. a. O. S. 448). Diese Vermuthung wird hier durch die eigenhändige Partitur widerlegt, und die Beihülfe welche Süßmaier leistete ist auf so bestimmte Fälle beschränkt, daß es nicht erlaubt ist daraus weitergehende Schlüsse abzuleiten. Eher könnte man annehmen daß dabei auf die Stimme der Saporiti Rücksicht genommen wäre, die sich als ein hoher, klarer, aber wahrscheinlich nicht sehr starker Sopran erkennen läßt; wenigstens hat Mozart durchgängig große Sorgfalt angewendet, die Partie der Donna Anna nicht durch die Instrumente zu decken. Indessen würde sich eine solche Rücksicht immer darauf beschränken, daß die Individualität der Sängerin dem Componisten überhaupt ein Moment darbietet für das geistige Bild, welches er sich von der dramatischen Gestalt bildet, und nicht zu einzelnen Concessionen gegen das wahre Interesse der musikalischen Charakteristik führen. In diesem Fall aber erscheint die Instrumentation sehr wohl darauf berechnet, den Charakter des Heroischen nicht vorwiegen zu lassen, sondern das nicht minder wesentliche Element jungfräulicher Zaghaftigkeit aus zudrücken.
130 Um einen kleinen Irrthum zu berichtigen bemerke ich daß S. 135 Takt 1 Don Giovanni nicht pausirt, sondern gleich mit einfällt
131 Auch dies gehört der realistischen Charakteristik an, welche die Sitte der Zeit in einzelnen Zügen in die Darstellung hinübertrug. Schon deshalb würde die Theilnahme des Chors, welche in der Partitur auch nicht vorgeschrieben ist, hier unangemessen sein. Als Don Giovanni zu Anfang des Finales mit den jungen Burschen kommt und der buona gente cordial zuredet, stimmen diese ein, aber wie ganz anders ist dort der Ton! An beiden Stellen ist das volle Orchester durch Trompeten und Pauken verstärkt, aber durch die verschiedene Art der Anwendung wird hier der Eindruck feierlicher Würde, dort rauschender Lustigkeit erreicht. Es ist nur in der Ordnung daß sich die Landleute nachher vor der vornehmen Welt in bescheidener Entfernung halten.
132 Pistola in mano ist in der Originalpartitur den Worten Don Ottavios Nol sperate! S. 149 beigeschrieben.
133 Ein Chor ist auch in den letzten Sätzen des ersten Finales nicht vorgeschrieben und der Anlage der Situation nach nicht denkbar. Was dadurch an materieller Klangstärke gewonnen wird geht an der richtigen dramatischen Wirkung verloren; denn durch diese tobende und schreiende Masse entsteht der widerwärtige und lächerliche Eindruck einer langen und erfolglosen Rauferei mit dem einzelnen Don Giovanni. Diebuona gente hütet sich wohl an dem Streit der Herren sich zu betheiligen; wie die Sache ernsthaft wird, verlassen Tänzer und Musikanten eiligst den Saal und lassen die wirklich Betheiligten ihren Handel unter sich ausmachen. Nur so ist eine würdige Darstellung und die richtige musikalische Wirkung zu erreichen.
134 Das Tempo ist von Mozart als Andante grazioso bezeichnet. – Rubini, der diese Arie mit wunderbarem Schmelz und Feuer sang, pflegte in der Stelle (S. 229 Takt 4ff.)
anstatt der vorgeschriebenen Singstimme die der Violine zu übernehmen; die Ausführung möchte wenigen so wie ihm gelingen, die Wirkung war von der Art daß man kaum zweifeln konnte, es sei das Mozarts eigentliche Intention gewesen.
135 Im ersten Theil sind Geigen und Bratschen gedämpft, die Bässe spielen pizzicato, Clarinetten, Fagotts und Hörner sind durchaus weich behandelt; dagegen sticht die rauschende Bewegung des zweiten Theils, in der die ganze Kraft des Instrumentalklangs zur Geltung kommt, um so auffallender ab.
136 Vielleicht hat die Eigenthümlichkeit des Sängers auf diese Behandlung einigen Einfluß gehabt; wenigstens ist die in keiner Weise charakteristische Coloratur, durch welche der Rückgang ins erste Thema gemacht wird, wohl ein Opfer »an die geläufige Gurgel« des Sängers.
137 Die wunderbar ergreifend ausgedrückten Worte des Recitativs: abbastanza per te mi parla amore und der Arie selbst
Non mi dir, bel idol mio,
Che son io crudel con te.
Tu ben sai,
Quant' io t'amai,
Tu conosci la mia fè
sind so einfach und herzlich, daß man sich wundern muß, wie sie haben mißverstanden werden können.
138 Das Tempo des ersten ist von Mozart als Larghetto, des zweiten Allegretto moderato angegeben; das ganze Stück ist Rondò überschrieben. Anstatt der Oboen hat Mozart Clarinetti in C vorgeschrieben. Die ersten Noten der zweiten Violine und Bratsche im Larghetto sind zu schreiben
139 Wer diese Arie von einer wahrhaften Künstlerin gehört hat, wird sich überzeugt haben daß auch der zweite oft verkannte Satz derselben ein nothwendiges Element der Charakteristik ist und daß auch die, freilich leicht zu mißhandelnden, Coloraturen den innigsten Gefühlsausdruck nicht bloß zulassen sondern verlangen.
140 Sehr bezeichnend ist es, wie die pochenden Töne
von den Trompeten in Masettos Rede hineingeworfen, nachher Zerlina gegenüber von den Flöten
aufgenommen werden und sich zu den ungeduldigen Achteln der Violine
steigern, während das Hauptmotiv ruhig fortgeht.
141 In der gestochenen Partitur ist S. 109 Takt 8 die Trompetenstimme
ausgelassen. Und grade in diesem Satz sind die Trompeten (ohne Pausen), die den Zorn Masettos nachdrücklich unterstützen, von eigenthümlicher Wirkung. Wenn sie unmittelbar darauf beim Eintritt Don Giovannis mit den Pauken in gewöhnlicher Weise angewendet werden, ist der Eindruck ein vollständig verschiedener.
142 Ich bemerke beiläufig daß S. 112 T. 13ff. die Hornstimme so
und S. 113 Takt 10 die Trompetenstimme so
zu schreiben ist.
143 Der unvermittelte Eintritt der Tonart C-dur aufEs-dur unterstützt das imposante Auftreten der ungewöhnlichen Erscheinung nicht wenig; außerdem ist es sehr wohl berechnet daß die Haupttonart hier wieder eintritt, wo alles zusammenschließt um die eigentliche Katastrophe einzuleiten. Die Folge der Tonarten ist auch hier im ganzen Finale sehr einfach. Auf den ersten Satz in C-dur, der außer der Dominante gar keine andere Tonart berührt, folgt der zweite in F-dur, der außer einigen kleineren Seitenbewegungen einen längeren Aufenthalt in D-moll macht und dann wieder nach F-dur zurückkehrt, hierauf B-dur, Es-dur und nun überraschend C-dur. Von da wendet es sich auf die andere Seite hin nach G-dur, das durch den Septimenaccord auf b beim Angstschrei Zerlinas abgebrochen wird; dann geht es durch verschiedene Modulationen nach F-dur und schließt endlich breit und fest mit einem langen Satz in C-dur ab.
144 Das Rechenexempel, daß drei Takte 2/4 zwei Takten 3/4 entsprechen und ein Takt 3/8 ein Viertel in Triolen darstelle, ist leicht gemacht und das Schema ohne Schwierigkeit hergestellt. Die Aufgabe ist aber, durch den Charakter der Melodie und des Rhythmus das Schema zu verdecken und das nothwendige Zusammenfallen gewisser Taktglieder als ein zufälliges Zusammentreffen erscheinen zu lassen, und zwar so daß es durch die Individualität jeder Tanzweise bedingt erscheint. Betrachtet man den Contretanz und den Walzer jeden für sich, indem man die Harmonie vervollständigt, so wird man jede vollkommen selbständig und charakteristisch finden, auch ohne die Mitwirkung der anderen voraussetzen zu müssen. Nur an wenigen Stellen ist der Gang der Harmonie etwas steif geworden, was aber beim Zusammenwirken gar nicht bemerkbar wird.
145 Die Skizze, welche Mozart von den drei combinirten Tanzmelodien entworfen hatte, ist bereits (III S. 452) erwähnt.
146 Denselben Scherz hat Weber im ersten Aufzug des Freischützen angewandt, wo die Bauernmusikanten in das Ritornell nach dem Spottchor einfallen, indem sie stimmend die Quinten der leeren Saiten nacheinander anschlagen.
147 Deutlicher würde es wohl herauskommen, wenn die Blasinstrumente wirklich dem neu eintretenden Orchester angehörten, und die Anordnung auf dem Theater würde leichter sein; vielleicht hatte Mozart Grund die allzu große Vervielfältigung der Mittel zu vermeiden.
148 Bemerkenswerth ist daß sich im Don Giovanni keine Spur nationaler Charakteristik in der Musik zeigt. Hier bei der Tanzmusik, wo es nahe gelegen hätte, wie bei der Tafelmusik im zweiten Finale, bei dem Ständchen hat Mozart die Elemente der musikalischen Charakteristik aus der Gegenwart genommen und diese unmittelbar auf die Bühne versetzt.
149 Der erste Gedanke, welcher ihnen beim Losbrechen des Sturms durch den Sinn gehen muß: »wie anders hat dies Fest begonnen!« ist auf witzige Weise dadurch angedeutet, daß bei ihren Worten
ein unverkennbarer Anklang an Don Giovannis Aufruf: Sù svegliatevi da bravi! hervortritt.
150 Das Tempo ist von Mozart angegeben als Allegro vivace. Um noch einige kleine Versehen zu berichtigen, so fehlt S. 251 Takt 15 die Angabe senza Bassi; S. 265 Takt 10 ist der Takt (nicht ) bezeichnet; S. 275 Takt 5 ist kein pp angemerkt; S. 280 Takt 2 ist im Baß zu schreiben
151 Man erzählt, die ganze Tafelmusik sei erst in Prag während der Proben eingeschoben, und allerdings gleicht sie ganz einem witzigen, rasch ausgeführten Einfall.
152 Allerdings wird eine Baßstimme von kräftigem Klang vorausgesetzt, doch ist trotz der starken Instrumentation gesorgt daß sie sich geltend machen kann. Indessen hat ein Kunstfreund, im Jahr 1822 Meyerbeer vorgreifend, vorgeschlagen, die Partie des Comthurs durch ein Sprachrohr hinter den Coulissen singen zu lassen, während ein Schauspieler auf der Bühne agiren sollte (A. M. Z. XXIV S. 230f.).
153 In München setzte man früher an den Schluß des Finales den Furienchor aus Voglers Castor und Pollux, der noch dazu aus As-dur geht (A. M. Z. XXIII S. 385)!
154 Ich bemerke hier daß nach der Originalpartitur Donna Anna bis zum 17 Takt des Allegro assai schweigt, und daß in diesen ersten Takten die Stimmen der Elvira und Zerlina vertauscht sind. S. 293 Takt 7ff. ist die Stimme Elviras so auszufüllen
und S. 299 Takt 8 in derselben
zu lesen. Die Violoncellstimme S. 302 Takt 7–11, S. 304 Takt 9 bis S. 306 Takt 4 ist fremder Zusatz.
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