Erstes Schreiben.

Von der Stadt Schafhausen, und der schweizerischen Handlung.

Mein Herr!


Nachdem ich vor einigen Tagen in Schafhausen glücklich angelanget bin, erinnere ich mich Ihres Befehls und meines Versprechens, alles dasjenige, was ich auf meiner angetretenen Reise einiger Anmerkung würdig finde, Ihnen getreulich und umständlich zu berichten.

Ich mache den Anfang von dieser artigen und in eine Ebene sehr wohl gelegenen Stadt, welcher es weder an breiten Straßen, noch schönen Häusern mangelt. Rand rechts: Schafhause. Der Rhein, so aus der mittäglichen Seite vorbey fließet, scheidet sie von dem Zürchergebiethe, (welches gleich über der schönen steinernen Brücke seinen Anfang nimmt) und trägt zur Aufnahme ihrer Handlung nicht geringen Vortheil bey. Rand rechts: Manufacturen und Handlung der Schweizer. Ueberhaupt muß ich Ihnen bey diesem Eintritte in die Schweiz gestehen, wie mich mein vormaliger Aufenthalt in diesen Ländern überzeuget, daß man sich von denselben und ihrer Handlung einen falschen Begriff macht, wenn man sich in diesen Gegen den fast nichts als unfruchtbare Klippen, rauhe Gebirge, beständigen Schnee und finstere Thäler vorstellet, worinn die armseligen Einwohner kaum dasjenige, was zum Unterhalte ihres kümmerlichen Lebens unentbehrlich ist, her vorbringen und genießen können. Allein dieses ist kein geringer Irrthum. Die Schweizer finden in ihrem Lande nicht nur gute Weine, Fische, Holz, Flachs, Pferde, Schafe, Wolle, Wildprät, Rindvieh, und alles was zum menschlichen Leben nöthig ist; sondern sie haben auch an verschiedenen Dingen einen solchen Ueberfluß, daß sie davon einen guten Theil den Nachbarn und Ausländern überlassen können. Der Flachs und die Leinwand zieht vieles[1] Geld ins Land, und haben insonderheit Bern und St. Gall grossen Vortheil davon. Krepen, grobes hanfenes Gewand, medicinische Kräuter, Wacholder- und andere Brandtweine gehen häufig nach Deutschland und Holland. Die Schweizerkäse sind durch ganz Europa berühmt, und wird die Butter weit und breit verführet. Rand links: Sulphur Virgineum. Bey Bex, in dem Gebiethe von Aigle, welches zum Pais de Vaud gehöret, findet man schönen lebendigen Schwefel oder Sulphur Virgineum, so denjenigen, welchen man bisher als eine Rarität aus America gebracht hat, in vielen übertrifft. Man brauchet ihn zu Stärkung der Brust und Nerver. Viele Schweizer meynen, es sey dieser ihr Schwefel der einzige, welcher von dieser Art in Europa gefunden werde; allein sie irren sich, und kann man solchen auch gar sein aus den braunschweigischen Bergwerken auf dem Rammelsberge1, wie auch aus den Bädern von Acken, bekommen. Ferner wird jährlich eine solche Menge von Schafen und Hornviehe im Lande geschlachtet und verzehret, daß man die Felle und Häute nicht alle verbrauchen, sondern damit einen grossen Handel in die benachbarten Länder treiben kann. Ochsen und Schafe werden haufenweise den Fremden zugetrieben; und wie man anderwärts aus Holstein und Jütland die Art von guten Kühen holet: also wendet man in Bayern, Oesterreich und so gar in Ungarn auf den Gütern vornehmer Herren viele Unkosten an, um sich mit Schweizerviehe zu versehen, welches gleichwohl, da es in der Zucht ausartet, immer mit neuem Zuschusse aus der Schweiz unterhaltenwerden muß. Die Lombarder ziehen einen großen Theil ihrer Kutschpferde aus der Schweiz, und Savoyen bekömmt die Dragoner- und Artilleriepferde daher. Die Franzosen geben sich zwar seit einiger Zeit viel Mühe, ihre Stutereyen in guten Stand zu bringen; bisher aber haben sie noch einen großen Theil so wohl ihrer Artillerie- und Dragoner-, als auch Reuterpferde aus der Schweiz geholet, deren Anzahl bisweilen in einem Jahre sich auf zehn tausend Stücke erstrecket hat. Bey Kriegsläusten zwischen Deutschland und Frankreich hat die Schweiz insbesondere diesen Vortheil, daß bey versperreten Pässen und verbothener Lieferung der deutschen Pferde an die französische Unterthanen, solcher Handel fast gänzlich durch die Schweiz, als durch ein neutrales Land, seinen Lauf nimmt. Es kann also den Einwohnern der hiesigen Länder an Handlung nicht fehlen, welche sie um so vortheilhafter einrichten könnten, als sie von ihren Nachbarn, nämlich den Tirolern und Bayern, oder aus der Franche-Comté nichts zu nehmen nöthig haben, als das Salz, weil die Quellen, die man bey Aigle im Canton Bern entdecket hat, noch nicht im Stande sind, das ganze Schweizerland mit Salze hinlänglich zu versorgen. Allein man bleibt nicht bey der Einfuhre der nöthigen oder unentbehrlichen Sachen, sondern die Krankheit, woran so vieleandere europäische Nationen darnieder liegen, hat auch dieses Land nicht unangesteckt gelassen. Die Wollust, Pracht, Liebe zu aller Bequemlichkeit, nebst der Begierde andern nachzuahmen und mit fremden Federn sich zu schmücken, hat auch hier die Handlung vermehret, jedoch nur mit solchen Waaren, welche das Geld aus dem Lande ziehen und wenig Vortheil bringen. Ich rede vonden Kostbarkeiten der beyden Indien, von Porzellan, von Juwelen, häufigem Gebrauche der Spezereyen, von silbernen und goldenen Stoffen, seidenen Zeugen, Treffen, seinen Tüchern, Spitzen, silbernen Geschirren und vielen andern Dingen, durch welche das baare Geld in andere Länder geschleppet wird. Man hat zwar, um der fernern Einreißung dieses Uebels zu steuren, an guten Polizeyordnungen nichts[2] ermangeln lassen, und sich bemühet, den allzuvielen Gebrauch der ausländischen Waaren einzuschränken; allein es geht auch allhier, wie in andern Orten, daß gute Gesetze vielfältig gemachet, und selten oder schlecht beobachtet werden, zumal da man leichtlich Ausflüchte finden, und der Verordnung eine willkührliche Erklärung geben kann. Ist es in der Stadt Geneve auch den reichesten Einwohnern untersaget, sich eines silbernen Service zu bedienen: so findet man diesen kostbaren Hausrath desto öfter und häufiger auf den herumliegenden Landgütern solcher Leute, die in Ansehung ihres Vermögens gar vielen andern den Vorzug lassen müssen. Rand rechts: Reisen des schweizeris. Frauenzimmers in die deutschen Bäder. Hat etwan an einigen Orten der Schweiz das Frauenzimmer nicht die unumschränkte Gewalt, in kostbaren Kleidern und neuen Trachten sich hervor zu thun: so reisen sie mit desto größerer Begierde des Sommers indas Zellerbad, oder nach den Teinach, Selze, Embs, und zu anderen in Deutschland gelegenen Gesundbrunnen, umdaselbst dem Zwange der Landesgesetze in aller Freyheit zu entgehen; und dingen sich ihrer viele solche jährliche Erlaubniß in ihren Ehepacten aus. Allen Misbräuchen aber durch Gesetze vorzubeugen, ist in dieser Welt unmöglich, sonderlich bey einem Geschlechte, das nichts weniger als die Herrschaft über sich ertragen kann. Man hat daher auf mehrere Mittel, der vielen Ausfuhre des Geldes aus dem Lande vorzubeugen, bedacht seyn müssen, und zu solchem Ende hie und da eigene Manufacturen errichtet. Anfänglich fanden sich bey diesem Werke verschiedene Schwierigkieten, die sich aber nach und nach, sonderlich in den reformirten Cantons gegeben, als welche in solchem Stücke es den Römischkatholischen weit zuvor thun, indem von diesen letztern wegen vieler Ursachen auch ins künftige keine große Dinge zu vermuthen sind. In Zürch verfertiget man gutes Tuch; Seidenmanufacturen hat man im Pais de Vaud nicht ohne Nutzen angeleget; Geneve hat durch die Aufnehmung der französischen Religionsflüchtlinge eine große Anzahl tüchtiger Künstler und Arbeiter in Stahl, Uhren, Seidenwaaren, Strümpfwirken, und andern Fabriken bekommen: und wäre zu wünschen, daß damals die ganze Schweiz dem löblichen Exempel der Genfer gefolget, und solchen Ankömmlingen wegen des zu ertheilenden Bürgerrechtes nicht zuviele Schwierigkeiten gemachet hätte. Ueberhaupt führet Zürch schon von den ältesten Zeiten her die größte Handlung ... Nächst derselben wird zu Basel, Geneve und Schafhausen vieles Gewerbe getrieben; und können diese vier Städte als die Ablager der Waaren des ganzen Landes angesehen werden. Zur Handlung außerhalb des Landes dienen ihnen die Rhone und der Rhein. Jene liefert die Waaren nach Frankreich und in die mittelländische See; der Rhein aber nach Deutschland, in die Niederlande, und nach der Nordsee. Basel und Schafhausen sind gleichsam die Magazine und Vorrathshäuser gegen Deutschland; die letztere Stadt aber hat seit einigen Jahren großes Abnehmen in ihrer Handlung erlitten, dergestalt, daß ihre Kaufleute itziger Zeit mehr in Commissionen, als auf eigene Gefahr und mit eigenen Capitalien, handeln.

Rand rechts: Zeughaus zu Schafhausen. Man zählet in Schafhausen bey zwey tausend Bürger. Das Zeughaus ist nicht von Wichtigkeit, jedoch zureichend, um im Fall der Noth die Bürgerschaft und Unterthanen zu bewaffnen; wiewohl dieselben ohnedem schon einigermaßen mit Gewehre versehen sind. Rand rechts: Bewaffnung des gemeinen Manns, auch in der Kirche. Jeder auch gemeiner Bürger und Bauer in der Schweiz geht mit seinem Schwert in die Kirche, kömmt auch allezeit mit selbigem und im Mantel, nach der Verordnung der Landesgesetze, vor seine Obrigkeit, wenn er nicht in eine gesetzte Strafe verfallen will. Das Schwert[3] dienet ihnen zur Zierde und zum Zeichen ihrer Freyheit. In der ganzen Gegend des Berges Jura, so weit er unter dem Canton Bern steht, gehen die Mannspersonen mit Degen, Flinten und Bajonetten zur Kirche, behalten auch bey währendem Gottesdienste dieses ihr Gewehr an der Seite, oder hängen es in einem besondern Winkel der Kirchen auf2. Zu solcher Fürsicht haben vermuthlich die ehemaligen vielen Unruhen und Kriege mit den Burgundern Anlaß gegeben, wider welche, als angränzende gefährliche Feinde, man stets auf guter Hut seyn mußte. Denn übrigens war es in alten Zeiten nicht erlaubt, mit einem Der gen in die Kirche zu kommen3.

Die Kirche St. Johannis zu Schafhausen wird für die größeste in der Schweiz gehalten. Rand links: Vornehmste Kirchen in Schafhausen. Der Münster oder die Kirche des alten Klosters, welches zur Erbauung und Vergrößerung der Stadt vieles beygetragen hat, ist ein schönes Gebäude. Rand links: Merkwürdige Umschriften an Glocken. An der größten Glocke des dazu gehörigen Thurmes stehen die Worte:


Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango,


und kommen solche noch aus den finstern Zeiten, da man nicht sowohl aus einer natürlichen Ursache und wegen der Bewegung, so in der Luft durch den Schall hervorgebracht wird, als vielmehr darum, weil die Glocken mit vielem Gepränge getaufet wurden, ihnen die Kraft beylegte, die etwan von bösen Geistern erregte Ungewitter zu zertheilen. Daher liest man in der Umschrift einer Glocke zu Steckborn im Thurgauischen die Worte:
[4]

Colo verum Deum, plebem voco & congrego Clerum,

Divos adoro, festa decoro, defunctos ploro,

Pestes dæmonemque fugo.


d.i. Ich ehre den wahren Gott, rufe das Volk und die Geistlichkeit zusammen; ich bethe die Heiligen an, ziere die Festtage, beweine die Todten; ich verjage die Pest und den Teufel. Zu Regenspurg habe ich bey St. Emeran folgende Worte an einer Glocke wahrgenommen:


Magnæ Virgini campana maxima ore & ære supplex esto. Ite nubes, fusæ preces adVirginem penetrabunt


An einer andern:


Divis Emmerano & Cœlestino Cœlestinus Pontificibus Abbas, Patronis cliens, æs fudit campanam, ut aëreas confundat potestates. O cœlum fave Cœlestino4.


Ich gedenke mich hier nur noch kurze Zeit aufzuhalten; werde aber nicht unterlassen etc.


Schafhausen, den 1 May

1729.

Fußnoten

1 Die Schweizer schmeicheln sich vergeblich mit dem eigenthümlichen Besitze dieser Seltenheit: weil außer Indien auch England lebendigen Schwefel zeuget; welcher deswegen also genennet wird, weil er selbst gewachsen, und noch von keinem Feuer berühret worden. Die Gute des rammelsbergischen Sulphuris virginci rühmet Iac. TOLLIVSepist. itiner. I. p. 12. Sustuli virginei, ut vocatur, sulphuris particulas, permittentibus, ut fieri solet, ductoribus, tam purl, ut ipsos vulgares sulphuris flores superaret.


2 Es scheint fast, als ob bey dieser Gewohnheit das Blut der alten Deutschen sich in den Adern der tapfren Schweizer reget. Von jenen unterrichten uns die ältesten Geschichtschreiber, daß ste selbst ihre gottesdienstlichen Handlungen mit dem Degen an der Seite verrichtet haben. Ob gleich Herodot, Lucian und Ammian Marcellin eine überaus große Leichtglaubigkeit verrathen, wenn sie uns überreden wollen, daß unsre Vater ihre Waffen angebethet hätten: so muß man doch zugeben, daß sie ihren Degen selbst in den neueren Zeiten eine gewisse Art der Heiligkeit zugeschrieben. Man wird dieses einem Volke zu gute halten, welches den Ruhm der unerschrockenen Tapferkeit als ein beständiges Eigenthum behauptet, und daher den Krieg Oorlogh, oder das älteste Gesetz genennet hat. Nach Cromers Berichte in der Beschreib. von Polen, im 3 V. haben die Polnischen vom Adel selbst in den aufgeklärten Zeiten des Christenthums die Gewohnheit eine Zeit lang beybehalten, daß sie ihre Degen in den Kirchen bis über die Hälfte entblößet, wenn der Prediger das Evangelium vor dem Altare abgelesen; um dadurch ihre Bereitwilligkeit anzuzeigen, daß sie zur Vertheidigung des seligmachenden Glaubens alles mögliche beytragen, und die Wahrheit desselben selbst mit einem blutigen Tode versiegeln wollten.


3 Die Decreta des Concilii, so unter dem KaiserConrado II gehalten worden, setzen ausdrücklichcap. VII. beym Auctore Anonymo vitæ Meinwerci §.LXXVI. p. 552: Ut nemo gladium in Ecclesiam portet, regali tantum excepto.


4 Vom Wetterläuten ist eine besondere chursächsische Verordnung im Jahr 1573 herausgekommen, in deren neun und dreyßigstem Artikel folgendes zu lesen: »Sonderlich aber soll das abergläubische und abgöttische Wetterläuten (der Ursache die Glocken im Pabstthume mit lästerlichem Misbrauche der Stiftung Christi getaufet werden, daß sie die Kraft haben sollen, den Hagel und schädliche Wetter abzuwenden) wo es noch im Brauche, abgeschaffet und nicht gestattet, dargegen aber das Volk zur Buße und christlichem eiferigen Gebethe vermahnet werden, dadurch der Zorn Gottes gestillet und solche Plagen abgewendet werden mögen.« Augustinus und verschiedene andere Kirchenvater stunden in den Gedanken, daß die bösen Geister Sturm und Ungewitter erregeten. Daß auch die Heiden geglaubet, man könne durch den Schall von metallenen Gefäßen die schädlichen Geister verjagen, und insbesondere bey Mondfinsternissen diesem nothleidenden Gestirne auf gedachte Art zu Hülfe kommen, siehtman aus ALEXANDRO Aphrodisæo, in Problematibus, OVIDIOFastor. lib. V. LIVIO, LVCANO und andern.A1 Bey mehr und mehr in die christliche Religion einreißenden Misbräuchen, und da der Clerisey nicht wenig daran gelegen war, daß das Christenthum mit äußerlichen Satzungen und Gepränge überhäufet wurde, fand man für rathsam, zu dem itztgedachten heidnischen Aberglauben eine christliche Ceremonie, nämlich eine Art von Taufe zu fügen, und jenem dadurch eine andere Gestalt zu geben. Daß es aber auch schon in alten Zeiten nicht an Leuten gemangelt habe, welche die Glockentaufe für unerlaubt gehalten, sieht man aus dem Capitul. Caroli M. de diversis rebus beym LABBEOTom. VII. p. 990. Capitul. 18. da es heißt: Ut cloccae non baptizentur, nec chartae per perticas pendeant propter grandinem. VenerabilisBEDA, derim siebenten Jahrhunderte gelebet hat, ist meines Erachtens der erste,A2 so von Glocken Meldung thut. UnterCarolo M. reden die Scribenten davon, als von einer bekannten Sache. Im Orient sind sie später bekannt worden: gleichwie man hingegen von daraus die Orgeln in Europa bekommen hat, als von welchen die Franken vor dem Jahre 757 nichts wußten.


A1 Kein Volk ist durch diesen Aberglauben mehr bezaubert worden, als die alten deutschen und nordischen Völker. Carl der Grosse verdammet ihre thörichte Gewohnheiten in indic. superstit. et pagan. §. 21: De lunae defectione, quae dicitur:vince luna. Ueber der Auslegung dieser Worte haben sich die Geschichtschreiber den Kopf ganz unnöthiger Weise zerbrochen. Bald haben sie eine Ohnmacht und Entkräftung, bald eine Bezauberung des Mondes in die Glaubenslehren unsrer Vater eingemischet. Man lese MEINDERSde staturelig. sub Carolo M. p. 199. sq. und CALVOERSaxon. infer. antiq. etgentil. p. 81. Wenn wir die isländische Edda hören wollen, so wurde der Mond nach dem Lehrbegriffe unsrer Vorfahren von einemheißhungrigen Wolfe verfolget, und mußte zuletzt die Raubbegierde desselben sättigen,myth. 10. und VOLVSP. stroph. 38. 39. Da man nun bey entstehenden Verfinsterungen des Mondes besorgte, daß sich der Wolf desselben bemächtigen wollte: so suchte man dieses nothleidende Gestirn zur muthigen Vertheidigung anzufrischen. Uber die gutherzige Sorgfalt der Deutschen wird man sich nicht so sehr verwundern dürfen, als über die Verfinsterung des Verstandes bey den übersichtigen Römern.PLVTARCHVSin Aemilio: Lunam obscurari cœpit, tandemque nusquam adparuit, Romanis, ut consuetudo est, tinnitu aeris Jumen eius revocantibus. PLINIVS: In lunaveneficia arguit mortalitas, et ob id crepitu dissono auxiliatur. LIVIVS: Disposita in muris multitudo tantum cum aeris crepitu, qualis in defectu lunae fieri solet, edidit clamorem.


A2 Bey dem Mangel bewährter Nachrichten des Alterthums ist schlechterdings nicht auszumachen, in welchem Jahre der Welt, und von welchem Meister die erste Glocke sey gegossen worden. Angelus ROCHA, von dem wir im Jahre 1612 eine eigne Schrift de campanis, in 12 erhalten haben, weis davon eben so wenig zuverlässiges. als Polydor.VERGIL. de rer. inventor. Daß man im fünften und sechsten Jahrhunderte nach Christi Geburt die Glocken schon gekannt habe, beweiset theils GuidPANCIROLLVSrer. mem. et deperd. l. II. tit. 9, theils erhellet es auch aus der Begebenheit, deren Simon MAIOLVSin dieb. canicul. colloqu. 19. p. 226 gedenket, daß eine hellklingende Glockein der Stephanskirche zu Sens vom Clotarius dem ersten, welcher doch schon im Jahre Christi 561 verstorben, nach Paris gebracht seh, woselbst sie allen Laut verlieren, bis sie an ihrem ersten Ortewieder aufgehangen worden. Insgemein nennet man den Aaullinus, Bischof zu Nola, den Urheber der Glocken, ob gleich solche schon vorher erfunden gewesen, von diesem aber zum Gebrauch gewiedmet worden. Man lese Rudolph. HOSPINIAN. de templ. c. 26. de orig. campanar. p. 332; und M. Steph. Andr. MIZLER. diss, de campanis, Viteb. 1695. Die Glockentaufe, welche Carl der Große zu verdammen scheint, hat Pabst Johannes der XIVte durch sein Beyspiel geheiliget, indem er die neue Glocke auf dem Thurme des Laterans nach seinem Namen die Johannisglocke getauft. Eine Beschreibung der mit dieser Hand lung vergesellschafteten abergläubischen Gebrauche liefert Ioh.WOLFIIlect. memor. tom. II. p. 117; sq. Eben derselbe unterrichtet uns auf der 218 S. daß die Glockentaufe in den mittleren Zeiten eine Art von Bürger- und Baurenlust gewesen sey. Der Suffraganeus und kein gemeiner Priester durfte taufen. Eine Anzahl von reichen Gevattern mußte den herrlichsten Schmaus besorgen, und die ganze Handlung endigte sich mit üppigen Fröhlichkeiten.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 5.
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