[92] Funfzehntes Schreiben.

Anmerkungen aus der Naturgeschichte des würtembergischen Landes.

Mein Herr!


Die gütigen Nachrichten, womit sie mich öfters beehren, sind mir allezeit sehr angenehm, und hat die Begebenheit mit dem Storche, welcher sich lieber selbst verbrennen, als seine Jungen, die er aus dem Brande nicht retten können, allein umkommen lassen wollen, zu vielerley Gedanken Anlaß gegeben. Rand rechts: Poesie auf einen Storch, so sich aus Liebe zu seinen Jungen selbst verbrannt. Ein guter Freund überschickte mir des folgenden Tages, als ich ihm dero Brief vorgelesen hatte, beykommende wohlgesetzte Verse:


Viderat arsuros flagranti in culmine nidos,

Nec teneras voluit linquere mater aves.

Undique prostantes animosa ciconia flammas

Sprevit, & in medio maluit igne mori.

Hanc modo Phœnici deceat præferre volucrem,

Non datur ex isto vita secunda rogo.

De eadem:

Effcetæ hanc docuit pietas succurrere matri,

Nec minus in natos nunc animavitamor.

Cum subita in charos furerent incendia nidos,

Pullorum haut renuit tristia fata sequi.

Noluit orba parens cineri superesse suorum.

Funera num vidit splendidiora Mogol?

Claruerit quanivis fumanti Scævola dextra,

Clarior incensæ fama volucris erit.

Fortius hæc certe facinus quam Mutius ausa est;

Torruit ille manum, tota sed arsit avis.


Wie fern man den Thieren eine Vernunft und Aneinanderhängung und Vergleichung ihrer Gedanken beylegen könne, verlange ich itzt nicht zu entscheiden, kann aber als eine gewisse Sache dasjenige versichern, was noch vor etlichen Jahren in dem Collegio Illustri zu Tübingen mit einem zahmen Storche sich zugetragen hat. Rand rechts: Begebenheiten eines Storches zu Tübingen. Dieser lebte ruhig in dem Hofplatze, bis einsmals der Graf Victor von Grävenitz, der damals dort studirte, auf ein benachbartes Storchnest mit einer Kugelbüchse aus dem Collegio schoß, und vermuthlich den darauf sitzenden Storch verwundete, weil er in etlichen Wochen nicht vom Neste kam. Dieses geschah im Herbste, und die fremden Störche zogen nach Gewohnheit aus dem Lande. Im folgenden Frühlinge fand sich ein Storch auf dem Dache des Collegii ein, der mit seinem vielen Klappern zu verstehen gab, daß er den im Hofe herum spazierenden zahmen[93] Storch gern bey sich haben wollte. Diesem aber war solche Freyheit wegen der beschnittenen Fügel verbothen, und also mußte es der Fremdling wagen, mit vieler Vorsichtigkeit erstlich auf die obersten Galerien, des andern Tages etwas niedriger, und endlich nach vielen Ceremonien ganz unten in den Hof zu kommen. Der zahme Storch, welcher sich nichts Böses bewußt war, gieng ihm mit einem sanftmüthigen Geklapper entgegen, und gedachte ihn aufs freundlichste zu empfangen, als er mit Verwunderung erfahren mußte, wie ihm der andere mit vielem Ungestüme anfiel. Die gegenwärtigen Zuseher verjagten zwar diesesmal den fremden Storch, der sich aber dadurch so wenig abschrecken ließ, daß er vielmehr die folgenden Tage wieder kam, und im ganzen Sommer den zahmen Storch mit beständigen Scharmützeln beunruhigte. Herr G. R. v. F. hatte befohlen, daß man dem zahmen Storche nicht beystehen sollte, so lange er es nur mit einem einzigen Gegner zu thun hätte: also lehrte ihn die Noth, besser auf seiner Hut zu seyn, und sich dergestalt zu wehren, daß der Fremdling sich zu Ausgange der Campagne keines großen Vortheils zu rühmen hatte. Im folgenden Frühjahre kamen an statt eines einzelnen Storches, auf einmal vier, welche ohne vorgängige Weitläuftigkeit in den Hof des Collegii hinunter flogen, und den zahmen Storch feindlich angriffen. Dieser that zwar in Gegenwart vieler Zuseher, so auf den Galerien stunden, übermenschliche Dinge, wenn ich also reden darf, und wehrte sich mit seinen von der gütigen Natur verliehenen Waffen aufs äußerste; allein die Menge der Widersacher begonnte dennoch der gerechten Sache obzusiegen, Muth und Kräfte verließen den zahmen Ritter, und es schien mit ihm gethan zu seyn, als sich eine unvermuthete Hülfe hervor that. Die im Hofe vorhandene sämmtliche wälsche- und andere Hähne und Hühner, Enten, Gänse und alles übrige Federvieh, dessen Freundschaft sich der edle Storch ohne Zweifel mit seinem freundlichen und bescheidenen Umgange erworben hatte, scheueten keine Gefahr, sondern schlugen um ihn eine Wagenburg, unter deren Schutz er sich mit Ehren aus dem ungleichen Gefechte zurück ziehen konnte. Selbst ein Pfau, der sich vorher niemals mit dem Storche vertragen können, ergriff bey solchen Umständen die Partey der unterdrückten Unschuld, und wurde, wo nicht ein aufrichtiger Freund, jedoch zum wenigsten ein Syncretist zum Vortheile des Storches. Man gab hierauf fleißiger auf solche verrätherische Unternehmungen der fremden Störche Acht, und wurde kein Blut mehr vergossen, bis endlich zu Anfange des dritten Frühjahres über zwanzig Störche mit größter Furie in den Hof hinein stürzten, und ehe weder Menschen noch die getreue Leibwache das ihrige thun konnten, den armen Storch ums Leben brachten; welches er doch durch seine tapfere Gegenwehr noch theuer genug zu verkaufen suchte. Der Haß der Fremdlinge gegen dieses unschuldige Blut kann unmöglich anders woher rühren, als von dem Büchsenschusse, der aus dem Collegio[94] gekommen, und fälschlich dahin muß ausgeleget worden seyn, als wenn solcher auf Anstiften des zahmen Storches geschehen, und dieser mit unter der Decke gelegen sey1.

Nachdem ich einmal in die Naturgeschichte gerathen: so ist billig, daß ich vondenenjenigen versteinerten Sachen, welche ich in hiesigen Gegenden gesehen, und theils selbst gesammelt habe, Nachricht ertheile. Rand rechts: Würtembergische Petrefacta. Ich setze aber zum voraus, daß mein Herr noch ein Liebhaber dieser Dinge sey. Denn in dem Falle, daß sie hierinnen ihre Neigung verändert haben: so halte ich fürs beste, daß sie das übrige dieses Schreibens ungelesen lassen, weil es ihnen nicht anders als langweilig vorkommen kann. Alle bergichte unebene Gegenden haben dieses voraus, daß sie sowohl in itztgedachten als andern natürlichen Merkwürdigkeiten einen größern Reichthum, als die großen weiten Ebenen besitzen, und findet dieser Satz auch in Betrachtung des Herzogthums Würtemberg seine Richtigkeit.

Unter die hieher gehörigen vornehmsten Stücke rechne ich billig die schwarze Schiefertafel, welche der Hofprediger D. Hiemer hinterlassen hat2. Rand rechts: Vorgegebenes Caput Medusæ. Sie ist drey Fuß und zehn Zoll lang, drey Fuß und drey Zoll breit, und stellt im Erhabenen verschiedene über einander liegende Stellas marinas von einer besondern Art vor. Rand rechts: Stellæ marinæ. Dasjenige, was man insgemein den Schwanz zu nennen pfleget, besteht aus fünfeckigten, ungleichen und abwechselnden Theilchen oder Asteriis, welche von aschfarber und glänzender oder selenitischer Materie sind. Der Ort, wo dieser Stein gefunden worden, heißt Ombden, und liegt zwischen Kirchheim und Göppingen. D. Hiemer hat von dieser Rarität ein besonderes Schreiben an den D. Scheuchzer drucken lassen, in welchem er gedachtes Petrefactum für eine solche Seecreatur ausgiebt, die vom RVMPHIO in seinem amboynischen Raritätenkabinette unter dem Namen Capitis Medusæ beschrieben wird. Das sogenannte Caput Medusæ hält sich vornehmlich im Freto Waigat und bey Spitzbergen, wie auch im weißen Meere undbey Archangel auf, in welchen Gegenden die Einwohner des Landes ihm den Namen einer Meerspinne zu geben pflegen. Wo man viele dergleichen Creaturen antrifft, vermuthet man Wallfische, weil diese sie gern fressen und ihnen aus solcher Ursache nachfolgen. Man fängt sie lebendig an hölzernen Stöcken, um welche sie sich im Wasser zu schlingen pflegen, Eine davon ist vom Czare Peter, als ein Geschenk an den König August gesandt worden, und noch in der Naturaliengalerie des dresdenischen Zwingers zu sehen. Ein noch schöneres Caput Medusæ besitzt D. Kisner in Frankfurt am Mayn. Die Mitte oder das Centrum dieses Thieres ist breit und dick; es vertheilet sich aber rund herum in viele Aeste, welche sich in einer Menge kleiner Faserchen, die aus vielen zarten Theilen zusammen gesetzet sind, und an Dünne einem Pferdehaare wenig nachgeben, endigen. Wenn das Thier stirbt, krümmen sich diese rami oder Aeste gegen die Mitte des Körpers zusammen: so lange es aber[95] lebet, dienen sie ihm zur Bewegung von einem Orte zum andern, indem es im Schwimmen alle seine Enden zusammen zieht, und hernach gleichsam als Ruder wieder von sich schlägt. In dem trefflichen Vorrathe von versteinerten Dingen, welche der Licentiat Joh. Heinrich von Sprekelsen zu Hamburg gesammelt hat, habe ich auch ein sonderbares hieher gehöriges Stück bemerket, dessen mittelster dicker Körper aus runden erhabenenconcamerationibus, welche den alveolis belemniarum gleichen, besteht. Es ist solches nebst vielen andern schönen Petrefactis bey Aranville in der Normandie gefunden worden.

Die viele Künsteley, welche D. Hiemer an seinem Schiefer gemacht, hat die Hauptstämme der Figur ein wenig abgerieben, und die Glieder derselben einander fast völlig gleich oder rund gemacht, an statt daß sie fünfeckig und von ungleicher dabey auch abwechselnder Dicke seyn müssen.

Aus dieser itztberührten Anmerkung ist nicht nur der hiemerische Kupferstich, sondern auch seine Muthmaßung, daß solches Petrefactum ein wahrhaftes Caput Medusæ gewesen, zu verbessern, indem dieses letzte aus keinen dergleichen Entrochis oder Gliedern zusammen gesetzet ist, auch nirgends große Klumpen von Fäserchen beysammen hat. Hingegen kann man gedachtes würtembergisches Petrefactum mit allem Rechte unter die Stellas marinas zählen, welche mehr als hundert Arten ausmachen, meistentheils aber ihre Entrochos gerade zu und ohne Vertheilung in mehrere Aeste haben. Wollte man ja das nordische Caput Medusæ mit unter diesem Namen begreifen, so müßte man es Stellam arborescentem nennen. An den eigentlichen Stellis marinis sind dieAsterlæ, Trochitæ oder kleinen Theilchen (welche zusammen gefüget den Namen von Entrochis führen) von vier, fünf, ja sechs Ecken, theils auch rund, und haben sie gemeiniglich Glieder von anderer Figur und Dicke wechselsweise zwischen sich. Man findet sie sowohl in vielen andern Provinzen Deutschlandes, als insbesondere im Würtembergischen beym Dorfe Ombden, desgleichen bey Echterdingen zwischen Tübingen und Stutgard, am Achalmberge oder Achelberge bey Reutlingen, beym Kloster Bebenhausen ohnweit Tübingen, zu Boll und anderwärts.

Nächst diesen verdienen die vielen kleinen Gebeine, welche bey Canstadt3 eine Stunde von Stutgard ausgegraben worden, in Betrachtung gezogen zu werden. Nicht nur die holen Röhren, welche man noch in gar vielen bemerket und für nichts anders als für Behältnisse des Markes ansehen kann, sondern auch die eigentlichen anatomischen Untersuchungen beweisen, daß sie Ueberreste vieler kleiner und unterschiedener Thiere, sonderlich von Ratzen, Mäusen etc. seyn. Man bemerket gar deutlich die mandibula, dentes, ossa scapularum, vertebras, costas, claviculas, ossa humerorum, cubitorum, metacarporum, femorum, tibiarum, caudarum, und andere Theilchen, welche in einem Strato versammlet und von andern größern Knochen abgesondert sind. Rand links: Große Knochen. Die größesten und theils ganz ungeheuren Stücke von Knochen und Zähnen nehmen gleichfalls ihr eigenes Stratum ein, und kann davon des D. Spleiß besondere Beschreibung und REISELII Brief an den D. Spleiß, welchen dieser seinem Oedipo osteolithologico de Corn. & Ossib. fossil. Canstad. vorgesetzet hat, nachgesehen werden. Daß sie ins regnum animale gehören, zeigt sowohl der Augenschein, als die chymischen Proben, welche der ehemalige öringische Medicus D. Joh. Samuel Karl damit vorgenommen hat4. Rand links: Ob sie von Riesen? Diejenigen, so dergleichen große Knochen und Zähne von Riesen[96] herleiten, bedenken nicht, daß sie mit ihren Gründen mehr, als sie selbst wollen, beweisen würden. Ich besitze einen Zahn, der vor kurzer Zeit in dem churbraunschweigischen Amte Calemberg gefunden worden, und fünf Pfunde nach dem Fleischergewichte schwer ist. An demselben sieht und unterscheidet man deutlich die Wurzeln, die äußerste harte Schale oder Glasur, und die innerste weichere oder mehlhafte Materie, so als eine marga an der Zunge klebet. Wenn man nun bedenket, daß ordentlicher Weise ein Mensch zwey und dreyßig Zähne im Munde hat, und man dabey einen Ueberschlag des Gewichtes von einem gewöhnlichen Menschenzahne gegen eine solche fünfpfündige Last machet: so müßte der Rachen eines solchen Riesen beynahe so groß gewesen seyn, daß man mit einem kleinen Fuder Heu hätte hinein fahren können, und würde ein solches abentheuerliches Geschöpf ohngefähr drey hundert Zentner gewogen haben; an welchen lächerlichen Satz noch niemand im Ernste gedacht hat. Von denen canstädter Zähnen (die übrigens nicht von einerley Art oder von einerley Thieren sind) wiegen etliche sieben und mehr Pfunde: und reimen sich die übrigen Gebeine auch deswegen nicht zu menschlichen Körpern, weil etliche derselben zehn und mehr Fuß lang sind. Im Jahre 1700 hatte man in allen an großen Zähnen, Schulterblättern, Ribben und Rückgradsgelenken über sechszig Stücke gefunden, davon die vornehmsten noch in der herzoglichen Kunstkammer zu Stutgard aufbehalten werden. Theils scheinen von großen Raubfischen, oder von Bären, Tygern, Löwen, Pferden etc. theils auch (sonderlich die größesten Zähne) von Elephanten zu seyn. Rand rechts: Gerippe von Elephanten, Krokodilen etc. Diese Muthmaßung wird wenigern Widerspruch finden, wenn man erwäget, daß man auch im Jahre 1672 zu Camburg in Thüringen, und im 1685sten Jahre bey Hildburghausen einige von den langen Elephantenzähnen oder Fängen, woraus das Elfenbein gemachet wird, in der Erde gefunden hat. Ja im Jahre 1695 wurde bey Tonna in Thüringen ein ganzes Elephantengerippe mit vier dentibus molaribus, oder Backenzähnen, und den zween acht Fuß langen elfenbeinernen Fängen ausgegraben. Bon dem petrificirten Scelet eines Krokodils, das in thüringischen Bergwerken gefunden worden, handeln die Miscellanea Berolinensia. In der Baumannshöle, wie nicht weniger in der scharzfeldischen Höle auf dem Harzgebirge, werden nicht nur mancherley Zähne, sondern auch Rückgradsgelenke, Schulterblätter, Ribben und dergleichen von wilden Thieren ausgegraben. Auch in Siberien ist es nichts rares, daß Elephantenzähne und große Knochen in der Erde entdecket werden, und nennen die Einwohner dieselben Mammonsgebeine. Bey Boll im Würtembergischen findet man petrificirte und in Stein verwachsene Sceleta, aus deren Rückgraden (weil sie ohne durchgehende Hölung und Mark sind) man abnehmen kann, daß sie von Fischen seyn. Eine Probe davon besitzt der gelehrte Anatomicus und D. Med. Mauchart in Tübingen, und noch ein größeres Stück zeiget man in der Naturaliengalerie zu Dresden, wohin es von dem berühmten Chymico und tübingischen Apotheker Gmelin, für funfzig Reichsthaler verkaufet worden ist.

Das sechseckigte Mauerwerk, welches auf dem etwas erhabenen Platze, wo zu Canstadt die großen Gebeine ausgegraben worden, stund, hat etlichen Gelehrten Gelegenheit gegeben, zu muthmaßen, als seyn sie erst zur Zeit, da die römische Macht sich in dieser Gegend ausgebreitet, hieher verscharret worden. Allein die Römer haben wenig Elephanten nach Italien gebracht, auch sich niemals derselben gegen die deutschen Völker gebrauchet;[97] die spitzigen und scharfen Zähne, welche man gleichfalls bey den übrigen entdecket, zeigen über dieses an, daß etliche der Gerippe von andern großen und wilden Thieren seyn müssen; es ist aber nicht abzusehen, warum die Römer allhier, als in einem Winkel ihres Reichs, da keine Amphitheatra waren, so viel wilde und kostbare Thiere sollten unterhalten haben: noch viel weniger kann man begreifen, warum sie solche so tief unter ein schönes Gebäude, welches vielleicht ein Tempel oder Thurm einer wahrsagenden Frau, wie die Velleda bey den Deutschen war, gewesen seyn mag5, verscharret haben sollten6. Vielmehr ist wahrscheinlich, daß diejenigen, so dieses Gebäude aufgeführet, nichts von den darunter befindlichen Knochen gewußt haben, und diese viele Secula vorher dahin gekommen sind, weil das Stratum terræ, in welchem sie lagen, zwanzig Fuß tiefer, als das Fundament der Mauer war, auch dergleichen Knochen aus dem festen Felsen zum Vorscheine kämen, als dieser mit Pulver gesprenget wurde.

Bey der Untersuchung des Ursprunges dieser und anderer Creaturen, welche man versteinert und tief in der Erde findet, zeigen sich allenthalben viele Schwierigkeiten, wo man seine Zuflucht nicht zu der Wirkung der allgemeinen Sündfluth nimmt, oder auch zu den Veränderungen, die unsere Weltkugel, selbst noch vor der Sündfluth, mag erlitten haben. Rand links: Erläuterung der Petrefactorum aus der allgemeinen Sündfluth. Diejenigen, so ein Spiel der Natur7 aus diesen Dingen machen wollen, haben sich gewißlich niemals die Mühe gegeben, solche Petrefacta genau gegen die Originale, deren Nachahmung sie (ihrer Meynung nach) seyn sollen, zu halten, weil sie sonst ohne Zweifel aus der künstlichsten Structur und der trefflichsten Ausdrückung der zartesten Fugen, Striche, Löcher, Schuppen und aller Glieder, welche die Petrefacta mit andern lebendigen Geschöpfen gemein haben, würden erkennen müssen, daß eben so leicht und noch leichter von der spielenden Natur eine vollständige englische Repetiruhr hervor gebracht werden könne, und zwar nicht nur eine einzige, sondern viele tausend, welche alle einerley Proportion und künstliche Ausarbeitung der kleinsten Räder hätten. Man mag unter dem Namen der Natur begreifen, was man will, so ist es entweder ein Nichts, dem eine künstliche und beständige Wirkung keinesweges zugeschrieben werden kann, oder es ist ein Wesen, von welchem man ohne Hindansetzung des ihm gebührenden Respects nicht sagen kann, es spiele.

Zu dieser itztgedachten Anmerkung kömmt, daß man z. E. an vielen versteinerten[98] Muscheln noch diejenige glänzende Schale oder testam findet, welche dergleichen Thiere in der See haben. Ja was noch mehr, so bringet man bey der Calcinirung und bey andern chymischen Versuchen, die man mit diesen Schalen der Petrefactorum vornimmt, gar nicht dasjenige heraus, was die Erde oder die Felsen, worinnen sie liegen, geben; sondern vollkommen dasjenige, was aus den testis marinis, oder Seemuscheln zubereitet wird, und leisten auch beyderley Materien in dem Gebrauche der Arzeneyen einerley Nutzen. Daß aber eine allgemeine Wasserfluth dergleichen Umkehrung und Vermischung unsers Erdbodens verursachet haben müsse, ist nicht nur daraus abzunehmen, daß diese versteinerte Dinge sowohl auf den höchsten Gebirgen, als in den tiefsten Gründen sich befinden, sondern auch daraus, daß wir anitzt solche Muscheln und Thiere bey uns versteinert ausgraben, welche unsers Wissens niemals in andern Gegenden, als in Asien und Africa gewesen, auch noch itzt sich daselbst allein aufhalten.

Was mir bisweilen am bedenklichsten bey diesenPetrefactis überhaupt vorgekommen, ist die große Menge von einerley Art oder specie, welche man öfters an einem Orte beysammen antrifft, wie z. E. bey Brüggen im Hildesheimischen viele Millionen Trochitæ oder Theilchen von Stellis marinis bey Haufen liegen, und ganze Felsen, woraus auch das schöne Schloß daselbst gebauet worden, damit angefüllet sind. Allein ich habe hiernächst in Betrachtung gezogen, wie es nicht anders habe seyn können, als daß die ungestüme Gewalt der Wellen alle solche homogenea oder Körper, die am Gewichte, Gestalt und Materie einander gleich gewesen sind, hie und da haufenweise zusammen bringen müssen, sich auch dergleichen Creaturen von einerley Art gemeiniglich in Menge beysammen aufhalten. Wer hievon einen in die Sinne fallenden Beweis haben will, darf nur zu Schevelingen oder an andern Orten die Ufer der offenbaren See besehen, da er ohne Mühe diese oder jene Art Muscheln fast in unzähliger Menge am Strande antreffen wird, welche er eine halbe Stunde davon vergebens suchet. Ueber dieses ist zu glauben, daß nach der allgemeinen Sündfluth die Austrocknung mancher niedrig liegenden Gegenden viele Jahre erfordert haben wird, in welcher Zeit eine in Menge beysammen liegende Art von Seemuscheln sich fast auf eine unbegreifliche Anzahl hat vermehren können, bis ihr endlich alles Wasser entgangen, und sie in einen Schlamm, woraus mit der Zeitein harter Stein entstanden, eingehüllet worden8.[99]

Uebrigens machen die Urtheile vom Ursprunge der Petrefactorum keinen Glaubensartikel aus, und ist nichts abgeschmackters, als daß D. Reißel und der alte Schuckart, Antiquarius und Aufseher der herzoglichen Kunstkammer zu Stutgard, sich über der Erklärung der canstädtischen Gebeine dergestalt entzweyet haben, daß sie beständige Feinde geblieben sind.

Man findet bey Bebenhausen, desgleichen auf dem Achelberge, und an etlichen andern Orten des würtembergischen Landes auch Glossopetras, dergleichen man insgemein aus Malta bringet, und für Schlangen- oder Natterzungen ausgiebt. Rand links:Glossopetræ. Sie sollen in dieser Insel von dem Wunderwerke, welches der Apostel Paulus auf seiner Reise daselbst gethan, ihren Ursprung haben; daher man sie auch sowohl als die sogenannten Schlangenaugen und die der terræ Lemnlæ gleichende weiße Erde, in welcher sie liegen, für ein sicheres Mittel wider Gift und gefährliche Bisse der Thiere hält. Allein wenn man auch die Frage, ob Paulus jemals in der Insel Malta gewesen9, bey Seite setzet: so kann man doch leicht zeigen, daß diese Zungen mit den Schlangen keine Gemeinschaft haben, sondern nichts anders sind, als Zähne von der Lamia, oder von Pisce und Cane Carchariæ; gleichwie die erhabene und innen etwas holeOcchi di Serpi (wie sie in Italien genennet werden) eigentlich die Backenzähne des Lupi marini sind, oder Beinchen, welche an dem Gaumen des Fisches Sarago fest sitzen. Rand links: Canis Carhcariæ Rachen. Es ist kein Wunder, wenn die Glossopetræ fast aller Orten gefunden werden, weil nicht nur ihre Materie die allerdauerhafteste ist, sondern auch öfters eine einzigeCarcharia mehr als vier bis fünfhundert solcher Zähne im Rachen hat, wie ich aus denenjenigen, welche in den mitternächtlichen Meeren gefangen worden, an verschiedenen Orten und sonderlich bey Hans Sloane in London, und bey Valisulcri zu Venedig deutlich bemerket habe. Sie stehen bey etlichen dieser Fische einfach, bey andern in zwo, drey, vier bis fünf Reihen hinter einander, und zwar also, daß das Thier sie sowohl platt niederlegen und den Rachen ganz glatt machen, als auch nach Art eben so vieler Reihen von scharfen und spitzigen Pallisaden in die Höhe richten kann. Man hat auch eine Art von Meerigeln,[100] deren Stacheln aber nicht so breit, als die Glossopetræ, sondern gegen das Ende den Dornen ähnlicher sind. Die Glossopetræ sind verschiedener Arten, und theils glatt mit einer kleinen Beugung, theils gerade, und auf den Seitenmit kleinen Zäckchen, alsmit einer Säge, versehen. Beyderley Arten sind in Malta, und im würtembergischen Lande sowohl bey Bebenhausen als anderwärts zu finden10.

Sollten die itztgedachtenmaltesischen Zähne von einiger Kraft in der Arzeney seyn: so würden dergleichen in Schwaben und an andern Orten befindliche Stücke, auch wohl dieselbe Wirkung thun, gleichwie die bey Urach im Würtembergischen befindliche weiße Erde es der maltesischen Terræ sigillandæ noch zuvor thut. Rand rechts: Terra sigillanda.

Von denen bey Blaubeuern befindlichen Belemniten hat der gelehrte memmingische Medicus, D. Ehrhard, eine artige Dissertation geschrieben: und habe ich dergleichen Steine auch aus dem Herzogthume Würtemberg vom Achelberge, von Nürtingen, Pöppingen, Pfulingen, Rosenfeld, Bahlingen, Duslingen, Echterdingen, Heiningen, Lorch, Heidenheim und andern Orten. Rand rechts: Belemnitæ Man benennt sie von der Gestalt eines stumpfen Pfeiles mit dem aus der griechischen Sprache herkommenden Worte Belemniten, und Dactylos Idæos, weil sie nach PLINII Zeugnisse lib. XXXVI, c. 10. auch auf dem Berge Ida gefunden werden. Von ihrem stinkenden Geruche, der einem Mischmaschevon verbranntem Horn, Schwefel, Harz und Urin nachahmet, heißen sie auch Lapides Lyncis, oder Luchssteine, weil die Alten fabulirten, der Urin des Luchses verwandle sich in Stein. (OVID. Metam. XV.) Das gemeine Volk, welches sie Alpschoß oder Alpsteine nennet11, giebt das davon geschabte Pulver bey verschiedenen Krankheiten ein, brauchet es auch äußerlich, indem es solches als ein Mittel wider die Blindheit den Pferden in die Augen bläst. In ihrer holen basi findet sich ein kleinerer Stein von conischer Figur, der aus runden concamerationibus besteht, und Alveolus genennet wird. Die Größe ist unterschieden. Vom Achelberge kommen sie gar klein; hingegen findet man sie in der Gegend von Thalheim und Duslingen[101] gen bisweilen von der Dicke eines Arms. Was sie eigentlich für eine Seecreatur gewesen, getraue ich mich nicht zu entscheiden, ehe man mehrere von den ausländischen Testaceis dagegen halten kann.

Cornua Ammonis sind häufig um Pfulingen, Rosenfeld, Boll, Nähren, Urach, Blaubeuern, Echterdingen, Mezingen, Denkendorf, Heidenheim und den Achelberg anzutreffen. Rand links: Cornua Ammonis. Absonderlich findet man sie von ungewöhnlicher Größe, die sich bisweilen bis an zween Fuß im Diameter erstrecket, auf dem Wege nach Pezingen, nicht weit von Reutlingen, desgleichen bey Duslingen, Ofterdingen, Alting und am Heuberge, welcher wegen der Hexenversammlungen berüchtiget ist, und in Schwaben die Stelle des Brocks- oder Blocksberges (Montis Bructerorum) vertritt. Rand links: Heuberg, die Hexenversammlung. Die bollische Cornua Ammonis haben meistentheils noch wirklich ihre testam, oder weiße und mit Perlenfarbe spielende Schale, welche man sonst selten antrifft. Die articulationes dieses Petrefacti sind wunderwürdig, und giebt die Zusammenfügung solcher Glieder der äußern Fläche des Steines, von welchem die Schale abgefallen ist, bisweilen eine so artige Veränderung und Gestalt, als wenn schöne Blätter, Bäumchen und Blumen darauf eingedrückt wären.

Lapides Judaici werden um den Achelberg und in der Nachbarschaft von Tübingen so häufig gefunden, daß man in den Apotheken das Loth nur für drey Kreuzer verkaufet. Rand links: Lapides Judaici. Man verbrauchet viele zu Arzeneyen; und erhellet daraus, daß die Untersuchung der versteinerten Körper sich nicht mit der Neugierde endiget, sondern auch einigen Nutzen zur Erhaltung der menschlichen Gesundheit stiften kann. Die meisten Petrefacta führen korallische Salze bey sich; und weil sie nebst ihrer Muschelschale vieles von einer calcinirten Erde an sich haben: so können sie in der Hämorrhagie, Diarrhoa, Kolik und fieberhaften Umständen einigermaßen eben diejenigen Dienste thun, welche von dem Gebraucheder Perlen,Terræ sigillatæ, Krebsaugen, Unicornu fossilis, gebrannten Hirschhorns, der Korallen unddergleichen Dingen erwartet. Vom Nutzen dieses Studii in der Oekonomie, Philosophie und Theologie will ich anitzt nicht gedenken. Rand links: Medicinischer Gebrauch derPetrefactorum.

Um aber wieder auf die Lapides Judaicos zu kommen: so sind solche nichts anders, als versteinerte Stachel eines gewissen Echini marini, der sich wegen seines holen Körpers selten mit seiner Schale in der Erde erhält, sondern mehrentheils nur in seinen hinterlassenen Eindrückungen gespüret wird. Rand links:Echini marini. Diese Echinitæ gleichen den Knöpfen, welche man an Mannskleidern trägt, und werden sie gleichfalls hie und da im Herzogthume Würtemberg gefunden.

Fungitæ und Alcyonia sind schön am Achelberge, wie auch bey Beiningen, zwischen Ulm und Blaubeuern zu haben. Rand links: Fungitæ. Von den letzten besitzt der wegen seiner Gelehrsamkeit und Höflichkeit von mir nicht ohne Ruhm zu nennende Prälat des Klosters Hirschau, Herr Weissensee in Stutgard eine ansehnliche Sammlung. Astroitæ und Favonitæ finden sich gleichfalls an diesem letzten Orte, und sind entwederfragmenta Fungitarum, oder neben einander stehende tubuli und cannelli, oder Gehäuse gewisser Seewürmer. Sie werden in America und aus dem adriatischen Meere von schöner korallenrother Farbe gefischet, und Milleporæ, Madreporæ, oder auch Corallium sistulosum sive tubulosum, Alcyonium Milesium, Tubulara purpurea genennet. Rand links: Favonitæ. Etliche sehen itztgedachte in der See befindliche Tubularam purpuream für eine Art Korallengewächse an; allein sie ist, wie gedacht, nichts anders, als ein Klumpe von Röhrchen, die dünnen Strohhalmen gleichen, dicht an einander stehen, und kleinen Würmern zur Wohnung dienen. In ihre Classe können auch diejenigen Tubulitæ petrefacti gerechnet werden, welche von etlichenLepidotæ genennt werden, und[102] nicht sowohl Sterne als Puncte und kleine schwarze Flecken vorstellen. Eine andere Art der Lapidum stellarium scheint von dem Seegewächse, so insbesondere Porus Matronalis genennt, und unter andern auch im mittelländischen Meere bey Marseille sehr weiß gefunden wird, zu kommen. Ein schönes Petrefactum davon, so aus Siberien übersandt worden, besitzt der geschickte tübingische Apotheker, Hr. Joh. Conrad Gmelin.

Die Alcyonia cum ramis collateralibus & nodosis, so bey Blaubeuern gefunden werden, gleichen denenjenigen, welcheman in den Sandgruben bey Quernfurt ausgräbt.

Conchæ, Chamæ, Cochleæ, Turbinitæ, Trochi, Pectines, Limnostritæ und dergleichen Testacea von verschiedenen Arten, sind am Achelberge bey Reutlingen, Bebenhausen, Canstadt, Dahlen, Pfulingen, Boll, Ofterdingen, Duslingen, Nähren, Mözingen etc. anzutreffen; Rand rechts: Conchæ etc. Rand rechts: Conchæ venereæ. absonderlich sind die Conchæ Venereæ theils mit ihren unverletzten Schalen, wie sie solche in der See gehabt, bey Dahlen, Pfulingen und Boll zu finden Sie gleichen gar sehr der Seemuschel, welcheVulva marina genennt und mit Stacheln instar pubis versehen ist. Rand rechts: Vulva marina. Diese Muschel wurde ehemalsmit funfzig bis sechszig Thalern bezahlt, anitzt aber kann man sie für einen einzigen haben. Petrefacta von der letzten Art findet man auch bey Buschweiler und zu Dieve in der Normandie. In Ansehung desjenigen Gliedes, welchem dieser Stein gleichet, könnte man ihn nennen:


– – – lapidem, quo dicitur olim.

Dencalion nostrum restituisse genus.


Eine sonderbare versteinerte Muschel, welche manConcham bivalvem dentatam & incisam oder ostream imbricatam & rugatam nennen könnte, wird zu Dahlen, nicht weit von Hechingen gesammlet. Rand rechts: Ostrea imbricata. Man trifft sie auch zu Buschweiter, wie auch bey Neufchatel an. Scheuchzer in Mus. n. 979 und in Lithograph. Helvet. fig. 88, p. 66 nimmt aus Irrthume ein Stück davon für den Schwanz eines unbekannten Thieres.

Vor andern sind fünf Sorten kleiner, weißer und reiner Schnecken, so bey Heidenheim gegraben werden, zu bemerken. Ihre Gestalt hat D. EliasCAMERARIVSin Ephem. Nat. Cur. und D. LENTILIVSin Eteodromo Medico-Practico beschrieben. Die kleinste Art dieser Cochleolarum wird von den Einwohnern der dasigen Gegend zur Scheurung des Zinns gebrauchet; und gleichenihnen sehr diejenigen Muscheln, die manvorohngesähr zwanzig Jahren zu Mainz, bey Anlegung etlicher neuer Befestigungswerke, in solcher Menge gefunden hat, daß ganze harte Steineaus nichts anders, als dergleichen Schneckchen zusammen gesetzet waren. Rand rechts: Cochleolæ von Heidenheim. Man entdeckt sie gleichfalls bey Boll in einem sehr harten Steine, auf welchem auch öfters Fischschuppen bemerket werden.

Mit den Lapidibus Pollymorphis von Nähren will ich mich hier nicht aufhalten, weil solche vermuthlich nur farragines variorum fragmentorum und quisquiliæ maris sind, die aber bisweilen artige Figuren von Blumen und Laubwerke vorstellen. Rand rechts:Lapides Pollymorphi.

Was versteinerte Kräuter belanget: so findet man zu Canstadt Millefolium aquaticum petrefactum majus & minus; und zu Manebach Filicem cum Equiseto Rand rechts: Versteinerte Kräuter. Rand rechts: Filix. Equisetum. Am schönsten fällt das Equisetum fœtidum sub aqua repens in die Augen, wie solches zu Herrenberg in einem Bache versteinert wird.

Unter den Pseudo-Dendritis von Boll giebt es artige Stücke, welche mit ihren weißen Figuren im schwarzen Schiefer die Gestalt der Bäume und Sträuche sehr wohl ausdrücken. Rand rechts: Pseudo-Dendritæ.

Zu Bahlingen und an andern Orten des würtembergischen Landes gräbt man versteinertes Holz. Rand rechts: Versteinertes Holz.

Violensteine habe ich von Freudenstadt am Schwarzwalde. Rand rechts: Violenstein. Der gute Geruch derselben[103] kömmt nicht von den darauf wachsenden Kräutern, wie etliche Gelehrte wollen, sondern vom temperirten Vitriol, wie solches dergeschickte tübingische Chymicus Gmelin, durch genaue Untersuchung befunden hat. Vor diesem war der schlesischeJolithus oder Lapis Violaceus allein berühmt.

Auf den würtembergischen Alpen und bey Kirchheim unter dem Teckerberge, trifft man Gagatem, oder schwarzen Bernstein an, der, wenn man allein den angenehmen Geruch ausnimmt, alle Tugenden und Eigenschaften des gelben Bernsteinsan sich hat. Rand links: Schwarzer Bernstein. Ich besitze davon ein Stück, welches anderthalb Fuß lang und einen halben Fuß breit ist. Ein gar außerordentliches Stück eines solchen Gagatis, das aus Island gekommen, und sieben und zwanzig Pfund wiegt, habe ich bey dem Medico, D. Voß in Kopenhagen angetroffen.

Bey Bulach im Würtembergischen hat man Krystallen nachahmende Kieselsteine von solcher Härte, daß Glas damit geschnitten werden kann. Rand links: Krystall.

Argentum felium oder Katzensilber geben die würtembergischen Alpen; Schwefelnüsse oder Pyritas bringet die Gegend um Nähren in Menge hervor. Rand links: Katzensilber.

Eisenerzt findet man zu Heidenheim nicht nur in kleinen Kugeln, welche daher auch Bohnenerzt oderMinera Martis pisiformis genennet werden; sondern auch in einem nicht gar festen rothen Steine, von welchem ich etliche Stücke mit eingeprägten Figuren von Conchis und Pectinibus besitze. Rand links: Bohnenerzt. Man hat an besagtem Orte auch einen Fluorem Martis mit sehr artigen kleinen Krystallen. Rand links: Fluor Martis. Das Bohnenerzttrisst man auch zu Nattheim bey Nähringen, zu Blaubeuern, und bey Hall in Schwaben an. Es hält das beste und reicheste Eisen in sich, ist aber dabey so hart und intractabel im Feuer, daß es ohne ein anderes Eisenerzt nicht zum Flußqebrachtwerden kann.

Seit etlichen Jahren hat man nicht weit von Ludwigsburg sowohl braunen als weißen Marmor entdecket, dem aber die vollkommene Härte zu mangeln scheint. Rand links: Marmor.

Es fehlt dem Lande auch nicht an merkwürdigen Hölen, unter welchen das sogenannte Nebelloch bey Pfulingen vor andern bemerket zu werden verdienet. Rand links: Sonderbare Hölen. Die Länge der sämmtlichen unterirdischen Gänge und Grotten erstrecket sich von dem äußersten Eingange bis an den Ort, woselbst man davon am weitesten entfernet ist, auf vierhundert und acht und achtzig Schuhe. Die Tropfsteine formiren hie und da einige Gestalten, welchen die dazu kommende Einbildungskraft eine Figur von Orgeln und andern Dingen geben kann, und findet man überhaupt eine nicht geringe Gleichheit zwischen dieser und der Baumannshöle. An verschiedenen Plätzen zeiget sich ein selenites rhomboidalis, oder hellglänzendes Fraueneis, welches, wenn es zerschlagen wird, allezeit in viereckigte Rauten oder würfeliche Figuren zerfällt. Eine andere dem Nebelloche in vielen Dingen gleichkommende Höle findet sich auf der Alb, unweit dem Dorfe Sontheim, eine Meile von der Amtsstadt und Kloster Blaubeuern gegen Abend, und wird solche insgemein das Erdloch genennt.

Bey Urach sind zur Bequemlichkeit des herzoglichen Jagdschlosses und der Stutereyen auf dem Gebirge, gute Wasserkünste angeleget, bey welchen man die Probe machen kann, wie dasiges Wasser diejenigen Dinge, welche man darinnen aufhängt, nach und nach mit einer steinernen Rinde überzieht. Itztgedachte Wasserkunst ist auf der Hälfte des Berges angelegt, und zwar bey zwoen nahe an einander befindlichen Quellen, deren die eine ganz reines Brunnenwasser, die andere aber dabey vermischten Tufstein führet. Dieses letzte Wasser wird nur zur Treibung der Wasserkunst gebraucht. Der ganze Berg scheint fast ausStalactite oder Tufsteine zu bestehen, und in etlichen daselbst anzutreffenden[104] Hölen hängen oben und auf den Seiten sehr schöne Tropfsteine, als von candirtem Zucker und weißen Korallen.

Bey der gethanen Meldung des Orts Urach kann ich nicht umhin, noch einer besondern und kostbaren Maschine, welche bey dem untern Schlosse angeleget ist, und insgemein die Holzrutsche genennet wird, Erwähnung zu thun. Rand rechts: Holzrutsche. Es besteht solche in einem eisernen Canale oder einer Röhre von mehr als neunhundert Schuhen in der Länge, wodurch das auf der Hinteralb oder in der an Buch- und Brennholze reichen Waldung oberhalb Urach gefällete Holz, nachdem es in Stücke oder Scheite gehauen ist, in einer glatten und ganz bedeckten Aushölung von einem steilen und hohen Berge mit solcher Gewalt herunterschießt, daß solches unten beym Ausgange (der noch auf einer Höhe liegt) über zweyhundert Schritte weiter in freyer Luft hinaus fährt. Man zählet ohngefähr die Zahl von einhundert, ehe ein Stück Holz den gedachten eisernen Canal mit großem Gerassel durchstreicht. Ohne dieses Werk würde man einen weiten und beschwerlichen Umweg nehmen müssen, um das Brennholz, womit die Residenzstadt Stutgard auf diese Art versehen wird, vom Gebirge herunter zu bringen. Von Urach wird es im Frühjahre und im Herbste, wenn die Wasser schwellen, in die Lauter gestoßen, von der Lauter in den Necker gebracht, und endlich zu Berge bey Stutgard heraus gezogen.

Zu Sulz hat man eine Salzsiederey angelegt, es ist aber solche nicht hinlänglich, mehr als zwey bis drey Aemter mit Salze zu versehen etc. Rand rechts: Salzwerke.


Ludwigsburg, den 1. Sept.

1729.

Fußnoten

1 Wer alles, was man von den Seelen und von dem Verstande der Thiere von undenklichen Zeiten her behauptet hat, kurz zusammengefaßt Lesen will, den wird des Herrn Ribovs Abhandlung de anima brutorum vergnügen können. Einige Weltweisen haben der Sache ohnzweifel zu viel, und andere zu wenig gethan. Eine Geschichte, welche dem D. Gahrliep mit seinem zahmen Fuchse begegnet ist, soll hiebey die Aufmerksamkeit der Leser unterhalten. Gahrliep ließ seinen zahmen Fuchs alle Abende an die Kette legen, und dieser ertrug sein Schicksal mit einer mehr als thierischen Großmuth. Er merkte bey einigen angestellten Versuchen, daß sich sein Halsband über den Kopf streifen lasse. Er bediente sich einer so schönen Gelegenheit zur Nachtzeit, und richtete unterden Hühnern und Gänsen der Nachbarn eine seiner Raubbegierde gemäße Niederlage an. Er kehrte jedesmal vor Anbruche des Tages zu Hause, er streifte sein Halsband wieder über den Kopf, und reinigte sich dadurch von allem Verdachte der Ausschweifungen. Bey den heftigen Klagen der Nachbarn schien die Unschuld des Fuchses desto bewährter, weil die Hühner und Gänse des Gahrlieps einer ungestörten Ruhe genossen. Endlich wurde der Räuber von einem auflaurenden Nachbar ertappet. Der Herr Doctor mußte den Schaden ersetzen, und der Thäter wurde zur Anatomie verdammet. Wan lese hiebey Joh. Henr. MÜLLER diss. de brutorum actionibus mechanice inexplicabilibus, Altorf. 1719: und Hier. RORAR. Quod animalia bruta sæpe ratione utantur melius homine, Helmst. 1728. Die meiste Aufmerksamkeit verdienen zwo lehrreich geschriebene Abhandlungen: des Herrn Prof Winklers Untersuchungen von dem Seyn und Wesen der Seelen der Thiere; Leipzig, 1745; und des Herrn Prof. Meiers Versuch eines neuen Lehrgebäudes von den Seelen der Thiere, Halle, 1749, 8.


2 Seit der Zeit, daß obiges geschrieben worden, ist gedachte Schiefertafel eigenthümlich an mich, und dann ferner an den weltberühmten königlichgroßbritannischen Leibmedicum D. Hugo in Hannover, gekommen.


3 Man findet dergleichen kleine Gebeineauch zu Nieder-Jossen im Fürstenthume oderder ehemaligen Abtey Hersfeld.


4 Hier ist der Titel der Schrift, worinnen er seine Entdeckungen beschrieben hat: Lapis lydius philosophico-pyrotechnicus ad ossium fossilium docimasiam analytice demonstrandam adhibitus & per multa experimenta chymico-physica in lucem publicam missus abIoh. Sam. CARL I. & medico ord. Oringensi, Francof. ad Moen. 1703.


5 Man wird dieser Muthmaßung nicht alle Glaubwürdigkeit absprechen, wenn man bedenket, daß Velleda nicht das einzige Frauenzimmer gewesen, dessen Ansehen die alten Deutschen bezaubert hatte. Tacitus setzt ihr mehrere an die Seite de mor. German. c. 8:Vidimus sub Divo Vespasiano Velledam diu apud plerosque numinis loco habitam; sed & olim. Auriniam & complures alias venerati sunt, non adulatione nec tamquam facerent deas. Und hist. l. IV, c. 61: Ea virgo nationis Bructeræ late imperitabat, vetere apud Germanos more, quo plerasque feminarum fatidicas & augescente superstitione arbitrentur deas. Daß Velleda auf einem Thurme gewohnet habe, bejahet Tacitus ausdrücklich hist. l. IV, c. 65: und der Bischof Ferdinand zu Paderborn rechnet ihre Wohnung in der Vorrede der monum. Paderborn. billig unter die verehrungswürdigsten Denkmaale des Alterthums. Nichts ist ähnlicher, als was Hubert Thomas Leodius von der Jettha erzählet antiqu. Heidelberg. p. 296: Quo tempore Velleda virgo in Bructeris imperitabat, vetula quaedam, cui nomen Jettha, eum collem, ubi nunc est arx Heidelbergensis, & Jetthæ collis etiam nunc nomen habet, inhabitabat, vetstissimumque fanum incolebat, cuius fragmenta adhuc nuper vidimus, dum Comes Palatinus Fridericus factus Elector egregiam domum construxit, quam novam aulam adpellant. Haec mulier vaticiniis inclita, & quo venerabilior foret, raro e fano in conspectum hominum prodiens, volentibus consilium ab ea petere de fenestra non prodeunte vultu respondebat.


6 Daß man auch unausgearbeitete große Elephantenzähne zur Zierde in dem Tempel der Juno auf der Insel Malta aufgehoben, sieht man aus CICERONIS Grat. II. in Verrem.


7 Die ungegründeten Hypothesen des Whiston und des Thom. Burnets in seiner theoria sacra telluris, sind durch den Fleiß der glücklichsten Naturforscher entkräftet worden. Die Instanz, welche hier der Verfasser von den englischen Repetiruhren machet, ist allein schon vermögend, die Spiele der Natur, diese Hirngeburten des ausschweifenden Witzes. zu vereitlen. Wan lese aber auch des D. S. Büttners rudera diluvii testes, Lips. 1710, welche S. 171 bis 184 die Untersuchung eines großen Arztes des D. Stahls von Entstehung der versteinerten Sachen enthalten. Womit Ioh. WOODW ARDspecimen geographiæ physicæ, Tigur. 1704 zu vergleichen. Da die häufigsten Druckfehler die Ausgabe dieser Schrift ganz verunstaltet haben, so ist die richtigere Uebersetzung vorzuziehen: Physikalische Erdbeschreibung oder Versuch einer natürlichen Historie des Erdbodens. Erfurt 1744, nebst der Beantwortung der hierüber gemachten Zweifel 1746. Vielleicht verdienet Leibnitz den größten Beyfall, wenn er die petrefacta lusus imaginationis humanæ nennet in Protog. §. 18, 20. Unter den neuesten und gründlichsten Schriften gehöret hieher des Herrn Prof. Krügers Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten, 1746, und des Herrn Prof Deliusrudera diluvii testes, 1748.


8 Dieses Urtheil hat die größte Wahrscheinlichkeit vor sich, und kann fast unwidersprechlich erwiesen werden mit dem fossili, welches in Mainz auf der Festung häufig ausgegraben wird. Es ist eine terra margacea, in welcher eine unglaubliche Menge von einem seminio concharum zu sehen. welche theils kleiner. theils größer als ein Hirsekörnlein sind, und denen, wie hier der Verfasser redet, das Wasser endlich entgangen, worauf sie in dem Schlamme versteinert worden.


9 Diese zweifelhafte Frage gründet sich auf das ungegründete Vorurtheil einiger Ausleger, welche lieber die Insel Meleda, sonst Melitime genannt, für die Insel Malta ausgeben wollen. Das unwahrscheinliche bey dieser Meynung offenbaret sich aus der Reise Pauli selbst. Paulus segelte aus Malta nach Syrakus. Meleda aber liegt im adriatischen Meerbusen bey Ragusa. Er hatte also aus unbegreiflichen Ursachen einen Weg doppelt reisen müssen, da er doch gerade gegen über in einem wälschen Hafen hätte einlaufen und nach Rom zu Lande kommen können. Es hat über dieses sich noch niemand unterstanden auszumachen, dafern Paulus nicht in Malta verunglücket, ob solches bey Meleda, in der Gegend von Ragusa, oder bey Melada, einer dalmatischen Stadt geschehen sey. Die ausführlichste Nachricht hievon ertheilet Frid. Christ. BÜCHERin Peregrinatione D. Paulli transmarina geographice descripta, Viteb. 1679.


10 Diese also genannte Schlangenzungen oder piscis Carchariæ dentes fossiles finden sich inder Schweiz, in Crayn bey Podgoriz. inden Niederlanden bey Gent und Antwerpen, in der Pfalz bey Alzey, und bey Lüneburg, und sind allerdings ein sicherer Beweis einer großen Ueberschwemmung und darauf erfolgten Niederlage fremder Fische. Ueber die ungeheure Menge derselben darf man sich nicht verwundern, weil ein Carcharia viele hundert solcher Zähne liefern kann. Peter Kolb, der diesen Fisch ofters gesehen und davon gespeiset hat, unterrichtet uns in seiner Beschreibung des Vorgebirges guter Hoffnung S. 197, daß die verschwenderische Natur dem Carcharia drey Reihen, dem andern Geschlechte dieser Fische aber, Lamia genannt, sechs Reihen Zähne verliehen habe. Diese Erfahrung schützet den Ioh. IONSTONde piscibus & cetis l. V, p. 24: Dentes trianguli forma, durissimi, acutissimi, utrimque serrati seno ordine dispositi sunt. Man lese VALENTINImuseum museorum l. I, c. 24, und die ephemer. natur.curios. dec. I, a. 9, obs, 119, woselbst die glossopctræ am natürlichsten abgebildet sind. Die ganze Gestalt des Fisches, dessen Länge sechszehn Fuß ausmacht, hat Kolb am obgedachten Orte vorgestellet. Der Rachen desselben aber mit seinen sechs Reihen Zähnen ist in LEIBNIT.Protog. tab. 7 am schönsten zu sehen. Diejenigen, welche diese Zähne gern für Schlangenzungen ansehen möchten, haben den Zweifel erreget, daß man noch niemals einen ganzen Rachen, auch nicht einmal eine maxillam carchariæ ausgegraden, da man doch Elephanten und Krocodile in der Erde gefunden hätte. Das scheinbare dieses Einwurfs hat Leibnitz am gründlichsten beantwortet in Protog. § 31: Dudum observatum est a curiosis, lamiarum dentes non æque in ore firmos esse, sed membranæ tantum inhærere. Itaque evulsi motu aquarum longiusque provecti maxillas suas facile deseruere. Præterea pronum est credere, etiamsi una mansissent, maxillam piscis consumtam tempore aut vi ambientis. Nam & in sepulcris constat dentes præ ceteris animalis partibus inprimis ævum ferre. Siehe anch, dasMuseum Reg. Hafniense P. I, Sect. III, n. 7.


11 Der Name Alpschoß und Alpstein hat seinen Ursprung ohnzweifel jenen finstern Zeiten zu danken, da man sich den Alp als ein fürchterliches Gespenst vorstellete, welches die Menschen im Schlafe zu quälen suchte, und welches der Aberglaube sogar mit Opfern zu versöhnen gedachte. Man versteht dadurch die Pfeile der Berggespenster, welche die Deutschen auch sonst Twarfsteine, und die Dänen Vettelius nennen, weil diese die nächtlichen Poltergeister mit den Namen Vettel belegen. WORM. in mus. p. 70. BIRCHEROD. palæstr. antiqu. p. 182.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 105.
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