[57] Neuntes Schreiben.

Beschreibung der churbayerischen Schlösser, Sleisheim, Nymhenburg, Starenberg, nebst andern Anmerkungen von Bayern.

Mein Herr!


Man rechnet von München nach Sleisheim drey Stunden, fährt aber diesen Weg in anderthalb Stunden, und der Churfürst braucht nur die Hälfte solcher Zeit. Rand links: Sleisheim. Der Weg ist ganz eben (wie auf viele Meilen weit um München), der Grund und Boden aber nicht gut, sondern kiesigt.

Der Eingang des Schlosses Sleisheim ist trefflich, und sowohl das Estrich, als die vielen reihenweise stehende Seulen, von rothem und grauem Marmor. Die Treppe wird mit Seulen von grünem Marmor ausgesetzt, welcher von Brixen kömmt, dahingegen der rothe Marmor in Bayern selbst gebrochen wird. In dem ersten obern Saale sind in zwey großen Gemälden der Entsatz von Wien und die Schlacht von Hagaz vorgestellt. In dem nächst daran stoßenden sogenannten Victoriensaale sind des vorigen Churfürsten bey Belgrad, Pest, und andern Orten befochtene Siege von dem noch lebenden Künstler Bruch, abgemalet. Die Frescogemälde sind vom Amadoni. Das Schlafzimmer der Churfürstinn ist mit gelbem Damast und Silber meubliret. Nahe an der Churfürstinn Bette hat ein Hund ein dergleichen kleines Gezelt mit einem Küssen. Auf der Seite hängt das Brustbild des Herrn Christi, mit der Dornenkrone, so schön als wenn es gemalt wäre, da es doch nur gewebte Arbeit ist, von L. Latour. In einem andern Zimmer stellt ein von Abraham de Lele, im Jahre 1503 verfertigtes Gemäld die Penelope vor, wie sie mit ihrem Frauenzimmer fleißig arbeitet. Ferner findet sich im obern Stockwerke ein Kabinet von Gips so wohl gemacht, als wenn alles vom feinsten Marmor verfertigt wäre. Auf der andern Seite gegen München ist eine treffliche Galerie von Gemälden. Rand links: Gemälde Die größten Stücke, so Jagden vorstellen, sind vom Rubens. Zwey Stücke des Annibal Caracci sind von Maximilian, dem ersten Churfürsten aus dem Hause Bayern, jedes mit vierzigtausend Gulden bezahlet worden. In einem andern Zimmer ist der bethlehemitische Kindermord trefflich von Peter Paul Rubens abgeschildert, und die Gemüthsregungen der Mütter auf verschiedene Arten, als durch Bitten, Schreyen, Beißen, Schlagen, Ohnmachten, aufs beste ausgedrücket. Rand links: von P P. Rubens. Dieser Maler hat es in den Colorts, oder geschickten Gebrauche von frischen und lebhaften Farben denen meisten seiner Vorgänger zuvor gethan, auch in seiner äußerlichen Lebensart es weiter als die andern gebracht, indem er die Ehre gehabt, von der Infantinn Isabelle in wichtigen Staatssachen und um etliche geheime Nachrichten zu eröffnen, nach Spanien gesandt zu werden. Er that auch eine Reise nach England, um die Freundschaft zwischen den beyden Kronen wieder herzustellen. Man rühmt von ihm, daß er sieben Sprachen verstanden habe. Er erblickte das Tageslicht im Jahre 1577, zu Cölln, und starb am Podagra 1640. Die luxemburgische Galerie zu Paris wird jederzeit als ein unsterbliches Denkmaal von den Verdiensten dieses Mannes in der Malerkunst verehret werden.

Man sieht in Sleisheim auch ein Stück, welches jedermann allhier vermuthen wird, weil es den Sieg des Herzogs Maximilian wider Fridericum Palatinum, welchen die Böhmen[58] zu ihrem Könige erwählet hatten, vorstellet. Von den Plafonds hat der noch lebende Nic. Stübber aus München, etliche gemalet.

Der größte Schatz von Gemälden ist in einem besondern Zimmer, worinnen alle Wände mit kleinen Stücken bedeckt sind. Hierinnen ist nichts, als was in der Kunst vortrefflich geachtet wird, gekommen, und konnte der vorige Churfürst desto leichter eine solche Wahl treffen, weil er im Ueberflusse mit auserlesenen Stücken versehen war, und unter andern in den Niederlanden auf einmal für zwo Millionen Gulden Gemälde gekaufet hatte. Das unterste Stockwerk ist mit schönen niederländischen und andern seidenen Tapeten behängt: es zeiget sich auch ein Tisch von gegossenem Silber, und eine Uhr, welche ein Orgelwerk treibt, da indessen eine Kugel von oben herunter als in einem Irrgarten herum läuft, sich endlich verliert, und dann wieder als ein Perpetuum mobile oben heraus kömmt, um den vorigen Lauf zu wiederholen. Rand rechts: Perpetuum mobile. In einem andern Zimmer ist Alexanders des großen erste Schlacht wider Darium, von Albrecht Dürer, im Jahre 1529 mit unglaublicher Arbeit gemalet. Rand rechts: Gemäld von Albrecht Dürer. Man sieht auf diesem Stücke viele tausend Menschen, an welchen man die Haare am Kopfe und Barte, die geringsten Fugen der Harnische und andere Kleinigkeiten aufs deutlichste und zarteste ausgedrückt sieht, nach des Meisters Gewohnheit, die ihm von etlichen für übel genommen wird, da sie ihm übrigens das Lob einer netten Zeichnung nicht versagen können. Das gewöhnliche Zeichen seiner Arbeit ist folgender Zug:


9. Schreiben

Dieses Gemäld hat einen trefflichen Nachbar an dem Streite der Alexandriner wider Julium Cäsarem, welchen M. Fesele, im Jahre 1533 gemalet hat.

Des Churfürsten Schlafzimmer ist gerade unter der Churfürstinn Kammer, und kann er durch eine kleine Treppe zu ihr kommen. Rand rechts: Logen für Hunde. Bey des Churfürsten Bette ist eine Loge für einen Hund, und dergleichen für zwölf andere in dem nächst anstoßenden schönen Schreibsaale.

In dem Garten hinter dem fleisheimischen Schlosse, längst dem mittlern Gange, sind in dem Graben zu beyden Seiten kleine Springwasser bis zu einem großen Bassin, so itzt ausgeräumet wird. Rand rechts: Garten. Dann nimmt die große und mit schönen Linden besetzte Mailbahn ihren Anfang, welche der vorige Churfürst in dreymalen ausschlagen konnte, ob sie gleich neunhundert und siebenzig Schritte lang ist. Zu Ende derselben liegt das artige lustheimer Gebäude. Der ganze fleisheimische Garten ist mit Graben und hohen Alleen umgeben.

Zu Lustheim findet man viele große Gemälde, von verschiedenen Jagden, so unter dem Großvater des itzigen Churfürsten gehalten worden: die dabey gegenwärtigen Personen wurden damals alle nach dem Leben geschildert; es lebet aber keine mehr davon, als der alte Oberfalkenmeister von Freiberg. Rand rechts: Lustheim. Wenn alle Thüren geöffnet sind, so sieht man aus alt Sleisheim durch neu Sleisheim, die große Allee und Lustheim, noch eine halbe Stunde weiter über den Canal hinweg, welcher auf der einen Seite bis Dachau, und auf der andern in die Iser geht, also, daß aus Tirol die Marmor und einige andere Baumaterialien leicht hieher und nach Dachau gebracht werden können. Den langen Canal, der zu Lustheim anfängt, haben die bey Ofen gefangenen Türken graben müssen. Oben auf dem platten[59] Dache zu Lustheim ist eine treffliche Aussicht durch die in Holzungen gehauene Alleen, deren eine sich mit Freysingen, welche Stadt zwo Meilen von hier entfernet ist, endiget. Auf der Seite nach diesem letzten Orte sind des Churfürsten Stutereyen angelegt, und gegen München die Viehzucht. Man sieht auch von hier das schöne churfürstliche Schloß Dachau liegen.

Nächst an dem lustheimischen Hause, linker Hand, ist ein dreyfaches Echo zu hören. Die Wohnungen der Cavaliere und Hofbedienten sind etwas weit vom Hauptgebäude entfernet, und als ein Amphitheatrum gebauet, welches dem Platze ein gutes Ansehen giebt. Linker Hand ist ein Stall für sechszehn churfürstliche Pferde, der mit schönen Plafonds und einer großen roth marmornen Muschel zur Pferdetränke ausgezieret ist. Anitzo wird sowohl hier als zu Sleisheim wenig mehr gebauet, theils aus ökonomischen Ursachen, theils weil sowohl der Churfürst, als die Churfürstinn, mehr Liebe für Nymphenburg bezeugen.

Uebrigens könnte Sleisheim ein Werk werden, welches man in der Baukunst dem Schlosse zu Versailles mit Recht entgegen setzen möchte.

Nymphenburg liegt auf der andern Seite, eine halbe Stunde von München, und ist, dem Gebäude nach, nicht so prächtig als Sleisheim, allein wegen der schönen Gärten und Wasserkünste zur Sommerlust eines großen Herrn besser eingerichtet. Rand links: Nymphenburg. Rand links: Meublen. Man sieht in etlichen Zimmern die Portraite von dem schönsten Frauenzimmer des französischen Hofes, nebst den Gemälden von den Schlössern Dachau, Starenberg, Slelsheim, Nymphenburg etc. desgleichen einen Kamin und zween Tische von weißem Marmor mit eingelegtem Golde und Farben nach Art der emaillirten Arbeit. Diese drey Stücke sind in Paris gemacht, und sollen dem vorigen Churfürsten hundert tausend Thlr. gekostet haben, ob er gleich nur sechszigtausend Thlr. gestand. In dem Garten ist eine treffliche Cascade und Bassin mit vielen vergoldeten metallenen Figuren. Rand links: Garten. Badenburg. Zwischen den schönen Gängen und Bäumen des Gartens liegt Badenburg, ein Gebäude, welches aus artigen Grotten und einem großen Bade, worein man kaltes und warmes Wasser leiten kann, besteht. Das Estrich ist mit Kupfer belegt, die Wände mit porzellanen Fliesen ausgesetzt, und oben herum geht ein eisernes meistentheils vergoldetes und künstlich verfertigtes Gitterwerk, aus welchem man in das Bad sehen kann. Die kleinen Nebenzimmer sind mit Betten versehen.

Gegenüber bey einer Mailbahn und andern zum Kegeln, jeu de passe, und dergleichen Spielen angelegten Plätzen liegt die Pagodenburg, welche vornehmlich dazu dienet, daß der Churfürst, wenn er sich zu starke Bewegung in dem Mail etc. gemacht hat, darinnen weißes Zeug und Kleidung verändern könne. Rand links: Pagodenburg. Man bemerket hier etliche kleine Kabinetter von chinesischer Arbeit, und andere zu vielerley Bequemlichkeit dienende Einrichtungen. Auf dieser Seite näher am Schlosse, ist die Hermitage sehr artig angeleget, als ein wegen seines Alters zum gänzlichen Ruin und Untergange sich neigendes Werk, so man nicht ohne Verwunderung besehen kann. Rand links: Hermitage. Bald scheint es, man habe mit anderm Kalk und Steinen etwas daran verbessern und den Einfall verhindern wollen, bald fürchtet man, daß die hie und da sehr geborstene Mauern, und an etlichen Orten nur ein wenig noch hängende Backsteine im Augenblicke gar zusammen fallen werden. Alles dieses ist mit solcher Kunst nachgeahmet, daß auch einer von unserer Gesellschaft, der doch schon einmal mit dem Churfürsten hier gewesen, in Gedanken und spottweise unsern Führer fragte: wer der Baumeister von diesem so schlecht gerathenen Werke sey? Der vorige Churfürst war Willens, an diesem Orte sich bisweilen aufzuhalten und geistlichen Betrachtungen obzuliegen, ohne jemanden bey sich zu haben, als seinen Beichtvater und einen Kammerdiener. Der Tod aber hat ihn auch in[60] diesem Anschlage übereilet. In dem Gebäude selbst, welches als in einer wüsten Einöde liegt, ist eine große Grotte, nebst einem geweiheten Altare, worauf ein Crucifix nebst zween Leuchtern steht, und sind diese drey Dinge aus einem einzigen Stücke Einhorn verfertiget. Die andern Kammern sind ganz schlecht und ohne Zierrathe, falls man dahin nicht eine kleine Bibliothek von geistlichen Büchern in französischen Bänden zählen will. In den untern Gewölbern ist Küche und Keller, und alles darinnen befindliche Geschirr von schönem, obgleich falschen Porzellane oder von Glase. Der Churfürst von Cölln hat erst vorm Jahre den Altar selbst geweihet, bey welcher Gelegenheit sich die Gesellschaft sehr lustig gemacht, und für zweyhundert Thlr. Trinkgläser zerbrochen hat.

Längst dem Canale von Nymphenburg nach München sollen Gärten und Häuser, jedes von besonderer Bauart, angeleget werden; und weil der itzige Churfürst Nymphenburg sehr liebet, so fürchten einige, daß durch Vergrößerung dieses Ortes, der Stadt München schlechter Vortheil zuwachsen werde.

Drey Stunden von München liegt ein anderes churfürstliches Lustschloß, Starenberg, woselbst sich die Herrschaft bisweilen mit einer sonderlichen Wasserjagd ergötzet: Der Hirsch wird in den dabey gelegenen See forciret, und allda von den Hunden in die Enge getrieben, wobey die Jagdbedienten in Kähnen, und die churfürstlichen Herrschaften in einem schönen Bucentauro, der vier und zwanzig Gestücke führet, folgen. Rand rechts: Schloß Starenberg. Wasserjagd. Diese ganze Jagd ist auf einem großen Gemälde zu Nymphenburg, vorgestellet. In gedachtem See wird auch eine Art Fische, Renken genannt, gefangen, deren Fleisch so weiß als Milch, und von gutem Geschmacke ist. Rand rechts: Renken, Fische. Das besonderste ist, daß sie in dem Augenblicke, da sie aus dem Wasser kommen, sterben, da hingegen die andern Fische, Forellen, Karpen, Parse etc. welche auch in diesem See gefangen werden, in solchem Stücke von andern ihres gleichen nichts unterschiedenes haben.

Auf diesen Lustschlössern vergnügt sich der Hof öfters mit der Reyherbaize, und alle Jahre wird, bey Endigung derselben, zum Andenken ein Reyher, den man etwan lebendig bekommen hat, wieder in seine vorige Freyheit gelassen mit einem silbernen Ringe am Fuße, worauf der Name des regierenden Herrn eingegraben ist. Rand rechts: Reyherbaize. Rand rechts: Alter der Reyher. Noch in diesem Frühlinge hat man einen solchen Vogel wieder gefangen, auf dessen Ringe des itzigen Churfürsten Herrn Großvaters Ferdinands Namen gezeichnet war, also daßer schon vor mehr als sechzig Jahren auch dergleichen Schicksal erlebet hatte. Man hat ihm an dem andern Fuße einen Ring mit des itzigen Churfürsten Namen befestiget, und nochmals die Freyheit geschenket. Im Jahre 1719 starb in Wien ein Adler, der schon vor hundert und vier Jahren seine Freyheit verlohren hatte, und ist zu glauben, daß diese und dergleichen andere Vögel ihr Alter noch viel hoher bringen, wenn sie ihrer natürlichen Freyheit genießen können.

Noch eine Seltenheit der Natur findet sich in hiesigen Landen an dem Wallersee, nicht weit von Benedict-Bayern. Rand rechts: Wallersee. Er liegt auf einer Höhe, und seine Ufer nebst dem umliegenden Erdreiche sind so locker, daß sein Wasser in den untengelegenen Knochelsee durchseiget. In der so genannten Gruft zu München wird täglich eine Messe gelesen, damit der Wallersee nicht durchbrechen möge, weil sonst das ganze umliegende Land Gefahr laufen würde, überschwemmet zu werden.

Uebrigens kann derjenige, so wegen der deutschen Sprache reiset, getrost aus diesem ganzen mittäglichen Striche unsers geliebten Vaterlandes bleiben, weil sowohl die Schwaben, als Schweizer, Bayern und Oesterreicher etwas hart mit unserer Muttersprache verfahren und öfters solche Redensarten einmischen, die einem Obersachsen gar fremde vorkommen,[61] zu dessen Beweis ich voritzt auf das einzige Wort Schnupftuch mich beziehe, für welches die Bayern sagen: ein Nosenwischer; die Schweizer: ein Nosenlumpen; und die Oesterreicher: Fazonetla, welches sie aus dem Italienischen entlehnet haben. Rand rechts: Bayerische Sprache.

Seit kurzer Zeit kann man aus dem Gruße der gemeinen Leute gleich abnehmen, ob sie protestantischer oder römischkatholischer Religion sind. Rand links: Neuer päbstlicher Gruß. Pabst Sixtus der fünfte, hatte schon im Jahre 1587, den Gruß: Gelobet sey Jesus Christus, nebst der Antwort: in Ewigkeit, oder, Amen, mit hundert Tagen Ablaß begnadiget. Er war aber entweder niemals in Gebrauch gekommen, oder schon längstens wieder erloschen, als der itzige Pabst Benedict der dreyzehnte, im Jahre 1728, solche Verordnung wieder erneuerte. Dieses Befehls und der dabey gefügten Verheißung ungeachtet, höret man in Italien nichts oder wenig von dieser neuen Art Complimenten; in den katholischen deutschen Provinzen aber, welche von den Italienern terra obedientlæ genennet zu werden pflegen, hat diese neue Gewohnheit in kurzer Zeit dergestalt Ueberhand genommen, daß man sich höchlich darüber verwundern muß. Bey Hofleuten höret man zwar diese Redensart noch nicht; allein es giebt doch schon Leute vom Adel, sonderlich weiblichen Geschlechts, welche darauf achten: und als neulich mein guter Freund v. B. von seiner Baase Abschied nahm mit den Worten: Ich empfehle mich ihnen unterthänig; rufte ihn die Dame zurück; und sagte ihm in meinem Beyseyn ins Ohr: man sehe aus seinem Complimente gar wohl, daß er viel mit Ketzern umgehe, und bey ihnen wenig in seinem Glauben zunehme. Daß man Christum in alle Ewigkeit loben und preisen soll, wird kein Christ leugnen; ob aber solches Lob wahrhaftig und in der That erhalten werde durch eine solche angewöhnte Formel, die man zuletzt hersaget und beantwortet, ohne die geringsten andächtigen Gedanken von unsrem theuren Erlöser zu haben, solches ist eine andere Frage. Misbräuche des Namens Christi habe ich genug dabey in Acht genommen: und wer daran Zweifel trägt, darf nur des Abends vor den Wirthshäusern spazieren gehen, da er erfahren wird, wie der gemeine Mann, wenn er auch dergestalt besoffen ist, daß er kaum mehr auf den Füßen stehen kann, sich beym Abschiede beurlaubet mit den Worten: Gelobet sey Jesus Christus; dem die übrige Gesellschaft mit lallender Zunge und vollem Munde antwortet: in Ewigkeit, Amen. Und was denkt mein Herr von dem Grafen N. – welcher neulich, um seine böse Lust zu büßen, eine nichtstaugende Person auf seine Kammer kommen ließ, und als solche der Gewohnheit nach, beym Eintritt ihn anredete: Gelobet sey Jesus Christus; ihr auch antwortete: in Ewigkeit, Amen; herunter mit dem Mieder! (welchen Namen man in Oesterreich, Bayern und Schwaben einer Schnürbrust giebt.)

Schließlich füge ich noch hinzu, daß aus München niemand mit Postpferden gelassen wird, er habe denn vom Oberhofmeister oder dessen Unteramte eine schriftliche Erlaubniß, welche zwölf Kreuzer kostet. Dergleichen geschieht auch zu Cassel, Paris, und in etlichen andern Orten.


München, den 21 Jun.

1729.

Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1. Hannover 1751, S. 57-62.
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