[1430] Fünf und neunzigstes Schreiben.

Von dem itzigen Zustande des Reichstages zu Regenspurg.

Ich will meinem Herrn nicht beschwerlich fallen mit Anführung vieler Nachrichten von dem Reichstage zu Regenspurg, die in verschiedenen gedruckten Schriften enthalten sind, sondern nur einige kurze Anmerkungen, die ich allhier gemacht oder von guten Freunden mündlich mitgetheilt bekommen habe, ihrem Urtheile hiemit unterwerfen, und mache ich billig den Anfang mit dem Haupte dieser allgemeinen Reichsversammlung, dem kaiserlichen Principalcommissarius, welcher in Ansehung seiner aufgetragenen Würde den Rang über alle kaiserliche Ambassadeurs (denjenigen, so zu Rom am päbstlichen Hofe sich als Ambassadeur aufhält, allein ausgenommen) nimmt, weil er allhier vornehmlich die Person des Hauptes vom deutschen Reiche vorzustellen hat. Rand links: Von dem kaiserlichen Principal commissarius. Er legitimiret sich durch ein kaiserliches Decretum Commissoriale, welches er dem zu sich gebethenen churmainzischen Gesandten durch einen Cavalier zuschicket, und der mainzische per dictaturam publiciret. Rand links: Ceremoniel der churfürstlichen Gesandten: Er giebt keinem Gesandten die Gegenvisite oder den Titel Excellence, auch selbst die churfürstlichen nicht ausgenommen. Kömmt ein churfürstlicher Gesandter zu ihm, so läßt er ihn unten am Wagen durch vier Cavaliere, zween Pagen und den Hoffourier empfangen, geht ihm bis an die Thür der zweyten Antichambre entgegen, hernach zur Rechten des Gesandten vor ihm her, und eben so weit begleitet er ihn allezeit im Vorangehen wieder zurück. Bey der Audienz steht sein Stuhl unter einem Baldachin, worunter des Kaisers Portrait gestellet ist: der Fußboden ist mit Tuch beleget, auf welchem die vordersten Füße des Stuhls, der für den churfürstlichen Gesandten gesetzet ist, ruhen. Der churfürstliche mainzische Gesandte muß jederzeit vorher melden lassen, ob er komme als churfürstlicher Gesandter, oder (da es inpuncto deputationis ordinariæ noch viele unerörterte Streitigkeiten giebt) als Deputatus Imperii, wenn z. E. Reichsgutachten zu überbringen sind. Rand links: mit dem mainzischen; Jn dem letzten Falle kommen ihm[1430] fünf Cavaliere des Principalcommissarius entgegen, und empfangen ihn: die Gesandten der Directorum im fürstlichen Collegio genießen fast gleicher Ehre mit den churfürstlichen, wider welche Distinction jedoch die alten fürstlichen Häuser protestiren und gleiches Ceremoniel verlangen, wie dann dieses eine schon alte reichstägische Irrung ist, daß nämlich die sogenannten correspondirende oder alt-fürstliche Häuser sich über die Ungleichheit des Ceremoniels beschweret, auch solches bis diesen Tag thun. Rand rechts: mit den fürstlichen. Weil aber die Churfürsten, zu Feststellung ihrer Vorzüge, durch die von Zeit zu Zeit errichtete Wahlcapitulationen gar vortheilhafte Gelegenheiten gehabt, mithin dieses Präeminenz-Werk in solchen Stand gerathen, daß vermuthlich wenig dagegen wird auszurichten seyn; (wesfalls jedoch die alt-fürstlichen Häuser ihre Prätension auch nicht wollen fahren lassen) so pfleget es bey Ankunft neuer kaiserlichen Principalcommissarien zu geschehen, daß die Correspondirende unter sich eine Protestation und Reservation zu Papiere bringen, in welchersie sich wegendes Ceremonial-Unterschiedes beschweren und um dessen billige Aenderung bitten. Diese Schrift wird dem kaiserlichen Principalcommissarius durch eine Deputation ihres Mittels geziemend eingehändiget. Wie nun dieser solche mit der Versicherung anzunehmen pfleget, selbige an Kaiserliche Majestät mit savorabiem Berichte abzusenden, auch die darüber einlaufende allergnädigste Antwort seiner Zeit bekannt machen zu wollen; so hat es dann dabey, bis zu neuer Veränderung, sein Bewenden. Falls man aber auf Seiten des kaiserlichen Principalcommissarius sich sollte merken lassen, daß man einen Unterschied halten müsse, (wie solches bey dem itzigen Principalcommissarius, Fürsten Frobenius Ferdinand von Fürstenberg geschehen) so kom men die daran Theil habende Gesandten niemals nach Hofe, als wenn sie insbesondere dem kaiserlichen Principalcommissarius etwas vorzutragen haben. Hieher gehöret auch die besondere Unzufriedenheit der alt. fürstlichen Gesandtschaften, daß nämlich die Cavaliere des kaiserlichen Principalcommissarius ihnen nicht auch, wie denen churfürstlichen, den Titel von Excellenz geben1.

Es mangelt auch nicht an Schwierigkeiten über dieExcellence zwischen den churfürstlichen Gesandten und dem Principalcommissarius, weil dieser denen böhmischen und österreichischen Gesandten, die schon seit einiger Zeit immer zugleich kaiserliche geheime Räthe sind, desgleichen dem Con-Commissario den Titel Excellenz nach wienerischer Gewohnheit giebt, denen churfürstlichen Gesandten aber nicht, weswegen diese ihn gebethen, sie nicht mehr zu Gaste zu laden, wenn diejenigen, denen er in Gegenwart der churfürstlichen Gesandten den Titel Excellenz gäbe, mit an der Tafel sich befinden würden, welches auch beobachtet wird. Dieser verschiedenen angeführten Umstände ungeachtet ist indessen des Principalcommissarius Tafel niemals ledig, und wird solche von Fremden, Domherren und vornehmen durchreisenden Standespersonen besetzet. Außer der schon erwähnten Differenz verlangen auch die churfürstlichen Gesandten, daß der kaiserliche Principalcommissarius nur ihnen allein durch seinen ersten Cavalier seine Ankunft zu wissen mache. Rand rechts: Notification des Principalcommissarius.

Es hat aber der itzige Principalcommissarius solches auch gegen die Gesandte von etlichen alten fürstlichen Häusern thun lassen, mit dem Bedeuten, daß unter seinen Cavalieren kein Rang sey.

Der itzige Principalcommissarius, Fürst von Fürstenberg, genießt jährlich vier und zwanzig tausend Gulden rheinisch alte Kammerbesoldung, und zwölf tausend Gulden aus der[1431] kaiserlichen Schatulle. Rand rechts: Seine Einkünfte. Vor ihm wurde der Platz von dem Kardinal von Sachsen-Zeiz bekleidet, welcher in der evangelischen Religion gebohren und erzogen war, nachher aber mit solchem Eifer an der Ausbreitung der katholischen Religion gearbeitet, daß man über zwanzigtausend Menschen rechnet, welche er sowohl in hiesiger Gegend als in Ungarn dazu gezogen hat. Seine Bediente waren gleichfalls fast lauter Leute, die seinem Exempel gefolget waren.

Die gar leichten Bekehrungen haben selten einen tüchtigen Grund, und erinnere ich mich hiebey desjenigen, was zwischen itztgedachtem Kardinale und dem protestantischen Obersten – – – vorgefallen. Denn als der Kardinal einem jeden, der sich zur römischkatholischen Kirche wandte, einen Thaler austheilen ließ, und dadurch ein großer Theil von dem Regiment des Obersten gewonnen wurden, versuchte der Kardinal einsmals über der Tafel sein Heil an dem Obersten selbst, dem er das Exempel der meisten seiner Soldaten zu Gemüthe führte. Der Oberste aber antwortete: diese Exempel machten ihn wenig irre, und wenn es darauf ankäme, so getraue er sich, alle diese Neubekehrte mit sechs Tonnen Bier wieder protestantisch zu machen.

Zwischen dem kaiserlichen Con-Commissario und denen churfürstlichen Gesandten ist allbereit gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts verglichen, und in diesem aufs neue festgestellt worden, daß sie beyderseits einander den Titel Excellence, und diese demCon-Commissario die erste Visite geben. Rand links: Ablegung der ersten Visiten. Wenn ein neuer churfürstlicher Gesandter anlanget, und ein Tag verabredet worden, an welchem er bey dem Con-Commissario den ersten Besuch abstattet, und von diesem die Gegenvisite, von denen übrigen churfürstlichen Gesandten aber, denen er seine Ankunft kund gethan hat, die erste Visite annimmt, so verrichtet der neuangekommene Gesandte seinen Besuch bey dem Con-Commissario des Morgens etwan um acht Uhr, eine Stunde hernach findet sich dieser mit seiner Gegenvisite ein, und nach ihm folgen abgeredetermaßen die übrigen churfürstlichen Gesandten mit ihrer ersten Visite, und zwar jederzeit in Wagen, die mit sechs Pferden bespannet sind.

In dem Hause des Gesandten, bey welchem die Visiten abgeleget werden, sind die Legations- und Privatsecretärs, Kanzellisten, Copiisten und alles was man nur zusammen bringen kann, zu der solennen Reception fertig, und der Gesandte empfängt den ankommenden am Wagen. Dergleichen solenne Visiten geschehen öfters erst lange Zeit nach der Ankunft des neuen Gesandten, und wenn dieser sich erst recht eingerichtet hat. Die fürstlichen und churfürstlichen Gesandten notificiren einander ihre Ankunft durch den Legationssecretär, die Visiten aber unterbleiben, weil die churfürstlichen ohne Unterschied und auch wenn der fürstliche erst neu ankömmt, die erste Visite verlangen, und den Titel von Excellence in reciproco nicht geben wollen.

Die Gesandten der alten fürstlichen Häuser wollen sich in diesem Stücke auch nichts vergeben, und statten sie unter sich, zum theil, die ersten Visiten ebenmäßig gegen einander mit sechs Pferden, wie die churfürstlichen, ab. Uebrigens ist in Ansehung der Anzahl von Pferden vor dem Wagen noch dieser Unterschied bey Deputationen, daz. E. das Corpus Evangelicum den ersten Antrag ihrer Gravaminum bey dem kaiserlichen Principalcommissarius durch zween churfürstliche, zween fürstliche und zween städtische Gesandte gethan, daß die chur- und fürstlichen mit sechs, die städtischen aber nur mit zweyen Pferden gefahren.

Unter dem Titel und Jure Repræsentationis erstrecket sich der Rang der Herren Gesandten in Regenspurg sehr weit, und ist bekannt, daß als des Herzogs Friedrich Heinrichs zu Sachsen-Zeiz hinterlassene Wittwe, eine gebohrne Prinzeßinn von Holstein-Wiesenburg,[1432] ihren Herrn Schwager, den Kardinal von Sachsen-Zeiz, zu Regenspurg besuchte, sie in wenige Gesellschaften kommen konnte, weil die Gemahlinnen der churfürstlichen Gesandten den Rang über sie prätendirten. Rand links: Großer Rang der Gesandten.

Auf gleiche Art ist es geschehen, daß die churfürstlichen Gesandten einem bayerischen Prinzen, und die fürstlichen einem Prinzen aus dem Hause Würtemberg haben vorgehen wollen. Wenn regierende deutsche Fürsten dem Reichstage beywohnen, sitzen sie auch im Collegio über alle fürstliche Gesandten, es haben sich aber die österreichischen, burgundischen und salzburgischen Gesandtschaften durch die Gewohnheit von dieser Regel ausgenommen, als welche noch jederzeit die Oberhand behaupten. Wegen des streitigen Ranges wohnen die holsteinischen Gesandten niemals dem Collegio bey, wenn man ad Sessionem geht.

In dem Freundschafts- und Unionstractate, welchen die herzoglichen Häuser Braunschweig-Wolfenbüttel und Würtemberg im Jahre 1727 mit einander geschlossen, und wozu im Jahre 1729 der König von Schweden, als Herzog zu Pommern getreten, ist verabredet worden, daß die alten fürstlichen Häuser den neuen Fürsten nach Unterschied der Häuser das Prädicat Durchlauchtig-Hochgebohren oder auch Hochgebohren allein beylegen und dagegen das Prädicat Durchlauchtigst verlangen sollten; anbey ist beschlossen worden, mit Zuziehung alt. fürstlicher Häuser sich auf dem Reichstage und am kaiserlichen Hofe wider das zum Theil neuerliche Ceremoniel des kaiserlichen Principal- und Con-Commissarii wie auch der churfürstlichen Gesandten einmüthiglich zu regen, und insbesondere die fürstlichen Gesandten einander den Titel von Excellence beylegen sollten; es ist aber von Seiten der kaiserlichen Commissarien und der churfürstlichen Gesandten desfalls noch nichts geändert worden. Rand rechts: Ceremoniel der alten fürstlichen Häuser. Rand rechts: Titel Excellence. Die Fremden machen keinen Unterschied und heißen alles Excellence, indessen hat doch der churfürstliche – – Gesandte Herr von – – einsmals einen Cavalier, der öfters bey ihm speisete und daselbst die fürstlichen Gesandten auchExcellences titulirte, gebethen, an seiner Tafel mit dem Namen Excellence nicht zu freygebig zu seyn.

Der itzige französische Minister Chavigny, ein listiger und erfahrner Mann, der nur seinen Endzweck zu erreichen suchet, machetaus allen dergleichen Ceremonien nichts, und sieht sie mit ganz andern Augen an, als man hier zu thun pfleget. Rand rechts: Seltsame Aufführung des französischen Gesandten. Sein Vorfahrer, derComte de Gergi, wollte seine Vollmacht nicht in deutscher oder lateinischer Uebersetzung aushändigen, und daher geschah es, daß er nicht für einen bevollmächtigten Minister erkannt wurde; Chavigny aber verstund sich ohne Schwierigkeit dazu2. Weil auch Chavigny ohne Charakter war, so machten die churfürstlichen Gesandten unter einander aus, sie wollten darauf bestehen, daß er ihnen den Titel vonExcellence, den sie ihm hingegen weigern, geben sollte; desgleichen daß sie ihn bey seiner Visite erst oben an der Treppe empfangen und nur bis auf die dritte Stuffe zurück begleiten wollten, er hingegen sie unten am Wagen empfangen und wieder bis dahin zurück begleiten müsse. Es fehlte nicht an Leuten, welche itztgedachte Foderung also beschaffen fanden, daß sie glaubten, man habe solche nur ins Mittel gebracht, um dem Chavigny die Gelegenheiten vieles Umganges mit den Gesandten zu benehmen; allein dieser war mit allem zufrieden und bath, man möchte ihm nur vorschreiben, was von ihm verlangt würde, dem er sich auch willig unterwarf, Er legete hierauf seine Ceremonial-Visiten ab, (wozu er sich jedoch nur durch seinen Kammerdiener ansagen, durch zwey Pferde[1433] führen und durch zween Lackeyen folgen ließ;) besuchte die Assembleen der churfürstlichen Gesandten, und diese glaubten alle Ursache zu haben, sich eines erhaltenen Vortheils zu rühmen. Allein als er bey diesen letzten Gelegenheiten mit verschiedenen Gesandten alter fürstlicher Häuser zu sprechen kam, gab er ihnen zu verstehen, wie er gern ihre Bekanntschaft haben möchte, und als diese ihm vorstelleten, wie sie sich leicht einbilden kömmen, daß, du ep denen churfürstlichen Gesandten so vieles zugestanden hätte, das Ceremoniel gegen sie allzuunterschieden würde seyn müssen, als daß sie sich dazu ohne ihrer Principalen Präjudiz verstehen könnten; so antwortete Chavigny: es sollte dieser Punct keine Schwierigkeit machen, sie möchten nur sagen, um welche Stunde es ihnen gelegen wäre, daß er seine Aufwartung machte, dasjenige, wozu er sich gegen die churfürstlichen Gesandten verstanden, wolle er den fürstlichen gleichfalls nicht versagen. Denen fürstlichen war dieses eine gefundene Sache, und weil solches eine gute Gelegenheit war, sich denen churfürstlichen Gesandten in einigen Stücken des Ceremoniels gleich zu machen, so kamen sie sämmtlich zu dem Chavigny, und dieser hielt ihnen, nicht ohne Verdruß verschiedener anderer Gesandtschaften, sein gegebenes Wort, geht auch noch beständig und fleißig mit ihnen um, ohne den geringsten Unterschied zwischen ihnen und den churfürstlichen Gesandten zu machen. Was er gegen die Deputirte der Stadt Regenspurg gethan, geht noch weiter. Es ist nämlich gewöhnlich, daß sowohl einheimische als auswartige Gesandten ihre Ankunft der Stadt Regenspurg notificiren, und geschieht solches an zween Kämmerer, dem einen als Directori des reichsstädtischen Collegii, (weil jederzeit die Stadt, wo der Reichstag gehalten wird, das Präsidium des besagten Collegii führet) und dem regierenden, damit er der Stadtmiliz und den Wachten Befehl gebe, dem Gesandten mit Tretung ins Gewehr die gebührende Ehre zu erweisen. Chavigny ließ ihnen gleichfalls seine Ankunft melden, und die Deputirte der Stadt überbrachten das gewöhnliche Präsent, vor welchem sie herfuhren. Bey ihrer Ankunft fanden sie den französischen Minister an der Thüre, welcher sie (nicht ohne ihre Befremdung) am Wagen empfing, ihnen die Oberhand gleichsam aufnöthigte, und den Titel Excellence mit vieler Verschwendung ertheilte etc.

Was das gemeldte Präsent anlanget, so bringt man dem kaiserlichen Principalcommissarius bey seiner Ankunft einen Wagen mit etlichen mittelmäßigen Fässern verschiedener Gattung Wein, und sodann noch einen mit sechszehn Säcken voll Haber beladenen Wagen, der roth und weiß angestrichen ist. Rand links: Präsent der Stadt. Mit gleichen Farben sind alle dabey befindliche Bediente der Stadt gekleidet. Ueber dieses werden noch zwey große Gefäße oder Zuber voll schöner Fische von allerley Arten überliefert. Die churfürstlichen Gesandten bekommen gleichfalls das Geschenk von der Stadt; jedoch besteht dieses nur in einer Wanne voll guter Fische und in Wein, da nämlich vier und zwanzig Personen in vorgedachter alten doppelfarbigen Stadtliberey, in jeder Hand eine große gefüllte zinnerne Kanne tragen. Denen fürstlichen Gesandten machen nach der Notification ihrer Ankunft die Deputirte der Stadt bey der Visite auch das Compliment: es sey das gewöhnliche Geschenk bereit, und warte nur auf Ordre, wann es überbracht werden sollte; allein die fürstlichen Gesandten antworten, sie nehmen es als empfangen an, und refusiren es übrigens, weil man ihnen weniger mit Wein und keine Fische, wie denen churfürstlichen, schicken will, wie es nämlich die Stadt in ihren alten Registern findet. Auf Seiten der Stadt ist man übrigens gar wohl zufrieden, daß das Geschenk ersparet werden kann. Von dem Trankgelde, welches bey Ueberreichung des gedachten Präsentes gegeben wird, bekömmt der eine Brau- oder Umgeldschreiber, welcher vorangegangen, zwey Drittheile, das übrige gehört den Trägern.[1434]

Die Residenten der auswärtigen Potenzen bekommen kein Präsent, es sey denn, daß sie den von denen Franzosen seit einiger Zeit eingeführten Charakter oder vielmehr den Titel eines Ministers führen, wie es kürzlich mit dem französischen, englischen und holländischen gewesen ist. Was den letzten betrifft, so überbrachte man ihm das Geschenk erst nach seiner letztern Ankunft, da er den Titel von Minister, aus Holland mit zurück brachte, anstatt daß er vorher nur Resident war, der damals auch in wenigen Gesellschaften zum Vorscheine kam, weil er denen churfürstlichen Gesandten den Titel Excellence, ohne solchen wieder zu empfangen, nicht geben wollte. Hiezu versteht er sich anitzt ohne Schwierigkeiten, nachdem auch die französischen und englischen Minister sich dazu bequemet haben; wiewohl der französische sehr nachläßt, und sich begnüget, nur etwan beym Abschiede aus der Gesellschaft das Wort Excellence mit einzumischen, übrigens aber sich der Redensart Monsieur de Brandebourg, Monsieur de Saxe und dergleichen zu bedienen.

Die Gesandten der Reichsstände bringen außer ihrer Legitimation, welche an den churmainzischen übergeben wird, gemeiniglich auch ein Creditiv an den kaiserlichen Principalcommissarius mit, worinnen nur notisiciret wird: daß man N. als seinen Gesandten nach Regenspurg abgeschicket habe, und Se. Durchlaucht ersuche, bey vorfallenden Gelegenheiten ihm geneigtes Gehör zu ertheilen. Rand rechts: Creditiv an den kaiserl. Comissarius. Dergleichen Schreiben haben die chur – – – Gesandten nun schon zu zweyenmalen, als was überflüßiges, nicht mitgebracht, daher es der Fürst nach Wien berichtet, und darauf Ordre erhalten, gedachte Gesandten weder zu Festins noch sonst zu sich zu bitten, welches auch bisher beobachtet wor den3.

Der churmainzische Gesandte behauptet, daß erduplicem personam vorstelle, und solchemnach verlanget er außer der Legitimation, so bey ihm als dem Director geschieht, noch eine Notification als an Churmainz. Rand rechts: Prätensionen des mainzischen Gesandten. Er prätendirei auch, daß wenn ein Gesandter verreiset und indessen sein Votum einem andern aufträgt, daß solche Substitution nicht nur hier in der Stadt ausgefertiget, sondernauch noch währender Anwesenheit des weggehenden Gesandten ihm insinuiret werden müsse. Aus dieser Ursache notificirte er denen Directoribus des fürstlichen Collegii nicht, daß der Herr von Reck, da er eiligst zu dem Friedenscongresse nach Cambray abreisen mußte, die Beobachtung des sachsenlauenburgischen und blankenburgischenVoti dem churbraunschweigischen Gesandten, Herrn von Dieden aufgetragen; und als dieser im Fürstenrathe meldete, wie er nicht nur wegen seiner ehemaligen, sondern auch wegen der gemeldten zwo neuen Stimmen erschiene, so wußten die Directores nichts davon. Es gab solches Gelegenheit, von dieser neuen Prätension des churmainzischen Gesandten zu sprechen, die mehresten Anwesenden fielen dem Herrn von Dieden in seiner Beschwerniß zu, und dieser fing schon an, eine Protestation wider die gedachte mainzische Neuerung abzulesen, als die Directores, welche ungern Churmainz offendiren wollten, bathen, er möchte solche Protestation nicht ad acta geben, zumal da der Herr von Dieden ja ohnedem im Fürstenrathe genug legitimiret sey.

Wie vielerley andere Beschwernisse die Reichsstände wider das churmainzische Directorium führen, kann man zur Probe aus demjenigen Vorstellungsschreiben abnehmen, welches das Corpus Evangelicum an den Kaiser de dat. 16 Nov. 1720 hat abgehen lassen, und worinnen sie unter andern in der Beylage M. anführen: Es geschehe die Rathsansage zwar auf acht Uhr Vormittags, allein der churmainzische Gesandte komme selten vor eilf Uhr, und[1435] hernach halte er sich mit andern Unterredungen so lange auf, daß vor zwölf Uhr, da jedermann wieder nach Hause eile, nichts vorgetragen würde; er lasse in seinen Aufsätzen nicht gern etwas corrigiren, und dadurch geschehe es, daß bey dazu kommender Eile, bisweilen Sachen ausgefertiget würden, worüber die Nachwelt in Verwunderung stehen müßte, wie davon das Gratulations-Gutachten wegen Eroberung der Festung Belgrad vom 6 September 1717, und das Antwortschreiben an die verwittwete Markgräfinn von Baden vom 6 März 1707, zur Probe dienen könnten. Rand rechts:Gravamiun wider das mainzische Directorium. Ferner wären öfters die Ansagzettel confus und von zehnerley Sachen, die keine Verwandtschaft mit einander hätten, da es hingegen billig wäre, daß nichts in die Ansage gebracht würde, als was vorher in den Collegien beliebet worden; öfters kämen auch Sachen in Proposition, davon im Ansagzettel nichts zu lesen sey; wann der churmainzische Gesandte verreise, so scheine es, als stehe er in den Gedanken, daß indessen gar nicht Rath gehalten werden könne; was ihm nicht anstehe, lasse er aus der Ansage, und auf diese Art gehe es auch nicht nur mit der Dictatur, sondern es kämen auch wohl gar Sachen wider den Kaiser auf das Tapet, wovon das Jahr 1683 ein deutliches Zeugniß ablege; der itzige churmainzische Gesandte stehe in vielerley Diensten, und sey auch zugleich Reichs-Hofrath, welches mit dem vier und zwanzigsten Artikel der Capitulation streite; der churmainzische Gesandte prätendire ferner, man solle über nichts rathschlagen, als was er proponirt habe; er verzögere nach Gefallen die Ausfertigung der Reichsgutachten, referire nicht accurat, und habe wohl im Nomen des Reichs Schreiben abgelassen, wovon die Stände nichts gewußt; er dirigire und votire in Sachen, da er Actor oder Hauptinteressent ist, wie solches in der Pürkischen Sache geschehen, wobey der churmainzische mit dem in seiner eigenen Sache abgelegten Voto sogar die majora gemacht habe; er legitimire sich allein bey dem kaiserlichen Principalcommissarius, urtheile ohne Zuziehung der Stände über die Vollmachten, tractire öfters mit den Legitimandis über diesen oder jenen Punct; er prätendire von denen Gesandten, die mehr als ein Votum vertreten, über jedes eine besondere Legitimation; er habe sich als lichtensteinischen und hernach als wormsischen Gesandten bey sich selbst legitimiret etc. etc.

Wegen des Directorii vacante sede Moguntina giebt es besondere Dispüten, und als dergleichen im März des Jahres 1729 vorfiel, ließen Sachsen, Trier und Cölln die Ansage thun, der mainzische Minister aber allen Gesandten inhibiren, zu erscheinen, bis das churmainzische Directorium wieder besetzt worden. Rand links: Vom Directorio vacante sede Mogunt. Wider diese Inhibition schickte der chursächsische Gesandte, Herr von Schönberg, ein Mann von vielen Wissenschaften und Verdiensten, dem mainzischen Herrn von Otten eine Protestation ins Haus, worinnen dessen als itzt eines Privati Unternehmen ziemlich scharf angegriffen wurde; der Herr von Otten brauchte in seiner Gegenprotestation den Comparativum, und der Herr von Schönberg begegnete wiederum mit dem Superlativo. Als sie im churfürstlichen Collegio zusammenkamen, fielen zwischen denen vier obgenannten Interessenten lauter Protestationes und Reprotestationes vor, bis endlich beliebt wurde, die Ferien zu anticipiren und solchergestalt die Besetzung des erzbischöflichen mainzischen Stuhls abzuwarten, nach welcher der Herr von Otten seine neue Legitimation erhielt. Churmainz beschwerte sich darauf mit einem Memorial in pleno und meynte, ein churmainzischer Geheimer. Rath bliebe allezeit in Pflichten, und könne demnach niemals als ein Privatus angesehen werden, welches jedoch von vielen widersprochen wurde. Diese Affaire ist hernach, und da ein jeder respective Protestationes und Reservationes eingelegt und abgelesen, wieder ruhig und das Reichsdirectorium durch Mainz herkömmlich fortgeführet worden. Währender Vacanz des mainzischen Stuhls, waren die[1436] fürstlichen Gesandten gar nicht zahlreich zusammen gekommen, weil ihre Directoren von keinem der obgedachten Prätendenten die Ansagzettel angenommen hatten. Uebrigens sieht man aus dem fürstlichen Protocoll vom 4 August im Jahre 1727, daß des Domkapitels zu Salzburg Vollmacht zur Fortsetzung des Condirectorii im fürstlichen Collegio legitimiret; welcherley Vorrecht die Churfürsten in ihrem Collegio dem Erzstifte Mainz niemals einräumen werden. In dem verwichenen Jahre ist dem churmainzischen Gesandten, Herrn von Otten, sein Sohn als æque principalis Legatus zugegeben worden, und aus dieser Ursache zählet man in der churfürstlichen Nebenstube (woselbst die Herren Gesandten allein und ohne Beyseyn der Secretarien sich unterreden) zehn Stühle um einen runden Tisch, weil man auf der Präsentanten. Banknicht mehrals eineneinzigen Gesandten von jeglichem Churfürsten hat zulassen wollen.

Was etliche Scribenten von der Alternation des trierischen und köllnischen Gesandten auf der Präsentanten. Bank bey einem jeden Rathgange melden, ist gänzlich falsch, und nur ein einziger Fall, den man dahin ziehen könnte, nämlich wenn Churtrier zween Gesandte (davon der eine an dem Votanten-Tische und der andere auf der Präsentanten-Bank sitzt) auf dem Reichstage hat, und NB. eine Sache zweymal hintereinander in den Vortrag kömmt; alsdann nimmt das anderemal oder am zweyten Tage der churköllnische Gesandte auf der Präsentanten-Bank den Sitz über den trierischen; außer diesem casu wissen diese beyden Gesandtschaften von keiner Alternation, und auch selbst in diesem Falle leget Trier sein Votum nach der gewöhnlichen Ordnung, nämlich vor dem churköllnischen Gesandten ab, obgleich dieser am zweyten Tage den Vorsitz hat. Rand rechts: Ob Trier und Cölln alterniren? Man kann dabey auch leicht erachten, daß gedachte Abwechslung nicht vorkommen, und Trier, aus eben dieser Ursache und um solche Gelegenheit zu vermeiden, niemals zween Gesandte nach Regenspurg schicken werde.

In der Ordnung zu proponiren alterniren im Reichsfürstenrathe Oesterreich und Salzburg nicht tagweise, sondern nach den vorfallenden Materien, und hat z. E. Oesterreich zehnmal hintereinander den Vortrag, wenn die von ihm einmal in Proposition gebrachte Sache so oft wieder vorkommen sollte.

In dem churfürstlichen Collegio sitzen die Gesandten mit bedecktem Haupte, welches sie, wenn sie haranquirea, entblößen. In dem Fürstenrathe setzet niemand den Huth auf. Rand rechts: Sitzen mit bedecktem Haupte. Beym Votiren nimmt der Substitutus des Substituentis Platz nicht ein, sondern bleibt auf seinem alten Orte. Rand rechts: Platz des Substituti.

Sowohl durch Gelegenheit von dergleichen Substitutionibus, als auch daß manche Stände theils etwas an Unkosten ersparen, theils einem zu Regenspurg schon befindlichen Gesandten eines andern Standes eine Gnade und Vortheil gönnen wollen, geschieht es, daß öfters ein Gesandter viele Vota zu vertreten hat, wie dann vor etlichen Jahren der Herr von Plettenberg dreyzehn Vota, und darunter (welches unerhöret ist) fünf churfürstliche Stimmen, das Directorium mit begriffen, zu führen gehabt hat. Rand rechts: Vertretung vieler Votorum. Rand rechts: Außerordentlich Exempel. Absonderlich ist es unter den katholischen Ständen gewöhnlich, daß ihrer viele einem einzigen Gesandten ihre Vollmachten und Legitimationes gegen sehr mittelmäßigedouceurs ertheilen. Die Reichsstädte geben gemeiniglich denen Rathsherren der Stadt Regenspurg Vollmacht, ja Goslar, Mülhausen und Nordhausen zahlen ihren Bevollmächtigten gar nichts, daher der Rath zu Regenspurg diesen Charakter jederzeit einem Rathsherrn aufträgt.

Es haben seit einiger Zeit verschiedene Gesandte und insonderheit der herzogliche würtembergische angefangen, öfters lange Zeit vom Reichstage abwesend zu seyn, und ihre Verrichtungen durch Legations-Secretarien zu besorgen; ja es ist geschehen, daß zu Sparung[1437] der Unkosten die Gesandtenstelle lange Zeit unbesetzt geblieben, und indessen die Höfe durch Legations-Secretarien dasjenige sich haben berichten lassen, was auf dem Reichsconvent vorfiel; nachdem aber die übrigen Gesandten gesehen, daß auf diese Art ihre Anzahl gar geringe und gleichsam nur ein engerer Ausschuß werden würde, worunter das allgemeine Beste nothwendig leiden müßte, so hat man beschlossen, in Abwesenheit des Gesandten seinen Legations-Secretair nicht zum Protocolliren zu lassen. Rand rechts: Von dem Legationssecretarien. Die Sache wurde insonderheit wieder rege gemacht, als vor einiger Zeit der würtembergische Gesandte nach Wien reisete, da denn der Legations-Secretarius Sturm seinen Platz bey der Verfertigung des Protocolls maintenirte, indem er behauptete, die Gesandtschaft sey noch besetzt, und wolle er es eher auf die Extremität ankommen lassen, als weichen. Dabey ließ man es. Indessen aber hält man darüber, daß kein Secretarius zur Protocollirung, noch ein Kanzellist ad Dictaturam zugelassen wird, so lange die Gesandtschaft gar nicht besetzt oder wenigstens niemand zum Votiren substituirt ist.

Die Gesandten richten sich zwar nach den Befehlen ihrer Höfe; allein es könnte dennoch ein Fall sich eräugen, daß einer Partey auch wider die Instruction eine Gunst möchte erwiesen werden, wenn man nämlich eine Abrede mit andern Gesandten nehme und sich hernach auf die Mehrheit der Stimmen, von welcher man sich nicht gern habe scheiden wollen, berufe. Rand links: Ob die Gesandten favorisiren können? Die Art, wie der salzburgische Gesandte in der Zwingenbergischen Sache den 26 Sept. 1727 sein Votum im fürstlichen Collegio abgeleget und sich zu gleicher Zeit für die gerechte Sache und auch für die Mehrheit der Stimmen, wenn solche dagegen seyn würde, erkläret hat, ist vielen seltsam und bedenklich vorgekommen. Rand links: Außerordentliches Votum. Sein Vortrag war: Es habe sich das Dom-Capituldiese Sache gebührend referiren, auch die beyderseitige momenta causæ vortragen lassen, nach allen wohlerwogenen Umständen aber befunden, daß der von der vortrefflichen Churpfälzischen Gesandtschaft ad Comitia genommene Recursus nicht statt habe, sondern diese schon so langedaurende Streit-Sache an den Kayserlichen Reichs-Hof-Rath zu einstmahliger völliger und Reichs-Constitutions-mäßiger Erörterung zu remittiren sey, woferne aber per majora ein anders davor gehalten und beliebet werden solte, so wäre Er, Gesandter, gnä dig befehligt, demselben aus sonderbahr tragend schuldigstem Egard vor Se. Churfürstl. Durchl. nicht das geringste in den Weg zu legen. Ich lasse anitzt dahin gestellet seyn, wie dieses GesandtenVotum würde gelautet haben, wenn eine paritas votorum sich eräuget hätte, und es auf ihn angekommen wäre, was für eine Partey hätte triumphiren sollen. In itztberührter zwingenbergischen Sache gieng hernach der Churfürst von Pfalz so weit, daß er in öffentlichen Schriften vorgab, es sey solche Affaire connivente Cæsare von ihm an den Reichstag gebracht, und solchemnach habe man mit der Execution des Decreti aus dem Reichshofrathe nicht so sehr zu eilen. Rand links: Anmerkung über die Zwingenbergische Affaire. Oesterreich hatte auch auf dem Reichstage in dieser Sache für Churpfalz votiret. Allein da die Protestanten in partes giengen, so konnte die Execution nicht wohl länger verzögert werden, und in dem Reichshofrathe war die Sache allzuweit gekommen, als daß man sie hätte ruhen lassen oder ändern können.

Verschiedene fürstliche Gesandten sind instruiret, sich nach den österreichischen Votis zu richten, und hat ein gewisser Gesandter einsmals aus Einfalt in öffentlicher Rathsversammlung declariret, daß seine Ordre dahin gienge. Rand links: Wie sich viele nach Oesterreich richten.

Zu Anfange dieses Jahrhunderts und des spanischen Succeßionskrieges meldete Oesterreich eins mals in seinem Voto, (worinnen es die Waffen mit allem Eifer wider das Haus[1438] Bourbon zu wenden rieth) es wolle dreyßig tausend Mann an den Rhein stellen; als hernach die Reihe an einen sichern bischöflichen Gesandten kam, sagte er: in omnibus wie Oesterreich, worauf der damalige churbrandenburgische Gesandte, Herr von Jena, antwortete: Nun, so haben wir schon sechszig tausend Mann beysammen.

Bey der großen Anzahl der Interessenten, und da nicht alle Gesandten von gleicher Capacität und Verdiensten sind, ist leicht zu erachten, daß das Secretum Comitiorum nicht allezeit gehörigermaßen beobachtet werde. Rand rechts: Von dem Secreto Comitiorum. Die Secretarien kommen so wenig in die Nebenstube, als in die Conferenzen des Corporis Evangelici, indessen erfähret man dennoch gar bald, was in beyden paßiret, und ist noch niemals eine Schrift von gleicher Natur geschwinder gemein geworden, als das holländische Schreiben vom 31sten Jennerim Jahre 1713 über den damaligen Kriegsstaat, da man doch solches als ein großes Geheimniß tractirte, und es der mainzische Director, mit Ausschließung der Secretarien, den chur- und fürstlichen Gesandten selbst in die Feder dictiret hatte.

Bey dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin mit beyzufügen, daß es meines Erach. tens gut wäre, wann das Corpus Evangelicum wöchentlich einmal zusammen käme, wie ehemals alle Sonnabend geschehen ist. Rand rechts: Von den Zusammenkünften des Corporis Evangelici. Denn wenn gleich nicht wöchentlich etwas noth. wendiges vorfällt, so wären doch die katholischen Stände und Gesandten daran gewöhnet, und könnten auch geheime Sachen ohne Verdacht abgehandelt werden, an statt daß anitzt eine jede solche Versammlung als etwas außerordentliches ein Aufsehen verursachet.

Was des Reichsstädtischen Collegii votum decisivum auf dem Reichstage anlangt, so gehen diejenigen zu weit, welche solches mit einer Glocke ohne Schwengel vergleichen, andern Theils aber ist die Wirkung ihres Voti auch sehr eingeschränkt, und erfodern öfters die Umstände, daß die Städte damit gar behutsam verfahren müssen. Rand rechts: Votum decisivum der Reichsstädte. Ein deutliches Exempel davon giebt die Westerwäldische Fürsten- und Stände-Sache, die im April des Jahres 1709 zu einem Reichsgutachten gediehen, und mit verschiedenen hieher gehörigen merkwürdigen Umständen begleitet ist. Das gemeinschaftliche Conclusum der beyden höhern Reichscollegien (vom 15 April 1709) hielt folgende Ausdrückungen in sich: – – So ist nach der Sachen reiffer Uberlegung und allen erwogenen Umständen dafür gehalten, daß gleichwie man bey denen in deductione gravaminum dahier angeführten Umständen nicht sehen könte, wie diese Sachean den Reichs-Hof-Rath gezogen werden können, Ihro Kayserl. Maj. von selbsten dahin allergnädigst gemeynt seyn würden, vor allen darauf sehen zu lassen, daßnach der Kayserlichen Wahl-Capitulation dem Westphälischen Frieden und andern Reichs-Satzungen, auf dergleichen wider die Reichs-Stände movirte Strittigkeiten behörige Reflexion gemacht, folglich die Stände mit schnellen Processen, Mandatis sine clausula & executionibus wider die Gebühr nicht beschwehrt werden mögten etc. Als nun das reichsstädtische Collegium sein Conclusum abfassete, gieng dessen Meynung dahin, es wären Se. Kaiserliche Majestät unterthänigst zu bitten, daß denen etwan sich eräugendenGravaminibus, so sich derselben einige ausfindig machen sollten, denen Reichsconstitutionen gemäß abgeholfen würde etc. und in den Monitis ad Conclusum superiorum Collegiorum zeigete das reichsstädtische Collegium an, man müsse die in demselben eingeflossene Formalia assertiva nothwendig dahin annehmen, daß selbige in effectu eine Reformatoriam sententiæ in Celsissimo judicio Cæsareo Aulico causa cognita latæ importirten, wozu man sich auf Seiten der Reichsstädte nicht verstehen könne etc. wenn demnach beyde höhere Collegia bey ihrem Schlusse blieben, so bäthen sie, das Ihrige besonders an Seine Kaiserl. Maj. mit beyzuschließen.[1439] Bey der hierauf erfolgten Umfrage im churfürstlichen Collegio ließ sich Chur, brandenburg folgendergestalt heraus: »Dießseits hätte man sich wohl nimmer versehen, daß die erbare Frey- und Reichsstädte der Churfürsten und Fürsten hohe Territorial Jura, Freyheiten und Befugnisse in so geringer Consideration haben sollten, daß sie von demjenigen sich ausnehmen würden, was zu deren Behauptung beyde höhere Collegia an Seine Kaiserliche Majestät durch eine allerunterthänigste Remonstration zu bringen einmüthig für gut befunden. Man erinnere sich nicht, daß Churfürsten und Fürsten eine solche unfreundliche Bezeugung um gedachte Städte verdienet, und sey also der Meynung, es sey im Namen der obern Collegien denenselben nachdrücklich zuzusprechen und zu versuchen, ob sie nicht noch dahin zu bewegen, daß sie mit Hindansetzung gewisser gar nicht unbekannten privat Respecte, welche der Zeit zu dergleichen widrigen Conduite Anlaß möchten gegeben haben, sich noch mit beyden höhern Reichscollegien vereinigen und communia statuum, jura gesammter Hand mit vertheidigen helfen. Im Falle aber bey ihnen keine Remonstrationen etwas versängen, sondern selbige auf ihrem Sinne beharren sollten, müsse man es endlich dahin gestellt seyn lassen, und dennoch beyder höhern Collegien gemeinsamen Schluß an Seine Kaiserl. Maj. bringen. Ob man aber dieses reichsstädtische Conclusum mit referiren oder denen Städten zu verstehen geben sollte, daß sie es allein dahin schicken und den Dank verdienen möchten, das dürfte etwan weiter zu überlegen und eine Resolution darüber zu fassen seyn; dießseits sey man indifferent und müsse das übrige der Zeit befehlen, welche hiernächst schon Gelegenheit geben würde, daß Chur- und Fürsten bey künftigen dergleichen Fällen und Gelegenheiten es wiederum mit eben solchen guten Officiis könnten verschulden lassen.« Hiernächst waren der chursächsische und churbrandenburgische Gesandte der Meynung, man habe wegen des hochlöblichen churfürstlichen Collegii dem reichsstädtischen eine Erinnerung und Ahndung zu thun, daß es sich so viel unterstanden und beyder höherer Collegien Schlüsse eine solche Interpretation gegeben, welche weder aus den Worten noch aus dem Verstande könne gezogen werden. Das reichsstädtische Collegium hingegen contestirte, daß es niemals gemeynt gewesen, beyder höhern Collegien Meynung zu interpretiren, sondern vielmehr die Ursache zu allegiren, warum es denenselben nicht beytreten könne. Uebrigens blieben sie in der Hauptsache bey denen ihnen gegebenen Instructionen, und wurde hernach das reichsstädtische Votum dem andern communi besonders angehängt. Dergleichen Recht haben die Städte vor etlichen Jahren abermals in der Moderationssache der Kammerzieler exerciret, und hierinnen besteht ihr Votum decisivum4. Zur Re- und Correlation der beyden obern Collegien werden sie nicht gelassen, noch weniger gestattet man ihnen das Jus majora faciendi. Nicht weniger wird in der Reception neuer Mitglieder in die chur- und fürstliche Collegia ihre Einwilligung gänzlich vorbey gegangen.

Verschiedene Publicisten vermischen ein Reichsgutachten mit einem Concluso Trium Collegiorum, da sie doch eigentlich von einander unterschieden sind, und jenes die Meynung oder die Resolution der Reichsstände ist, wann der Kaiser vorher über eine Sache hat angefragt[1440] und sie proponiren lassen. Rand links: Reichsgutachten. Ist dieser Umstand nicht vorhanden, so führt der einmüthige Schluß der hier versammleten Stände den Namen eines Conclusi trium Collegiorum, und wird nur dem kaiserlichen Principalcommissarius communiciret, wie dergleichen anitzo wegen der Gelder zu dem Festungsbau von Kehl und Philipsburg geschieht, wobey ich nicht unterlassen kann anzumerken, wie bey den Anlagen und der Bezahlung der Reichsgelder von den mächtigen Ständen so viele Exemtiones gemacht werden, daß itziger Zeit ein Römermonat nicht mehr als etliche und funfzig tausend rheinische Gulden beträgt.

Eine itzt obschwebende Zwistigkeit betrifft das Reichs-Erbmarschallamt, womit das reichsgräfliche pappenheimische Haus von Chursachsen subinfeudirt ist. Rand rechts: Jurisdiction des Erbmarschallamts. Es ist solche seit kurzem wieder rege gemacht worden, da man gesucht, die Jura des Erbmarschallamts auf den alten Fuß herzustellen, weil wegen der Jurisdiction, Versiegelung der Erbschaften und anderer Gerechtsamen mancherley Schwierigkeiten entstanden waren. In dem fürstlichen Collegio machte man ein Conclusum dawider und behauptete, es sey dieses bisher nur eineJurisdictio delegata gewesen, die man jederzeit wieder zurückziehen könnte; Churmainz, so sonst in gedachten Sachen den Schluß des fürstlichen Collegii nicht ad acta Imperii hatte bringen wollen, nahm ihn diesesmal an, und die Zeit muß lehren, was für ein Ausgang erfolgen werde. Ueberhaupt, von diesem Handel nur noch ein Wort zu melden, so haben die Grafen von Pappenheim es nicht wenig darinnen versehen, daß sie zu Exercirung ihrer Gerechtsame nicht beständig tüchtige und dem Werke gewachsene Leute auf dem Reichstage gehalten haben. Rand rechts: Fehler der Grafen von Pappenheim.

Man fraget übrigens, ob die fortwährende Dauerung des Reichstages dem Kaiser und dem Reiche nützlich sey, und ich sehe nicht, warum man Bedenken tragen sollte, diese Frage mit Ja zu beantworten. Rand rechts: Ob ein beständiger Reichstag nützlich sey? Die kaiserlichen Minister behaupten zwar immer, es geschehe einzig und allein den Ständen zu gut, daß das Haus Oesterreich jährlich über hundert tausend Thaler Unkosten an den Reichstag wende, allein man kann begreifen, daß zugleich auch des Kaisers Vortheil befördert werde, indem sonst das Oberhaupt des Reichs bey jeder vorfallenden Gelegenheit und mit vielen Unkosten die Höfe derer Stände, deren Hülfe er in einem und andern benöthiget seyn kann, beschicken müßte, es auch kaum möglich seyn würde, die kleinen Stände wider die großen und mächtigen Häuser beysammen zu halten. Vielleicht möchte einer oder der andere mächtige Reichsstand bey einer Dissolution des beständigen Reichstages seine Rechnung finden, das allgemeine Beste aber des deutschen Staats würde unfehlbar darunter leiden, und nichts anders als eine völlige Anarchia entstehen.

Eine andere Frage ist, ob die Stadt Regenspurg großen Vortheil von der Reichsversammlung habe, wie solches außer Zweifel zu seyn scheint, wenn man nur das viele Geld, welches bey Gelegenheit des Reichstages innerhalb ihren Mauern verzehret wird, in Betrachtung zieht. Rand rechts: Ob die Stadt Regenspurg einen Vortheil von Reichstagen habe? Allein, wo die Stadt keinen Schaden davon hat, so wird der Vortheil dennoch nicht gar hoch zu rechnen seyn, wenn man verschiedene dabey vorkommende Umstände nicht außer Acht läßt.[1441]

Denn erstlich vermeynet die Stadt, daß durch die Bedienten verschiedener Gesandtschaften die ihren Principalen gebührende Zollfreyheit aus Eigennutz dahin erweitert werde, daß auch viele für Bürger gehörende Waaren mit frey paßiren, wodurch nothwendig die Stadt an ihrer Zolleinnahme Abbruch leidet. Rand links: Zollfreyheit der Gesandten. Ost werden in einer Woche über die Donaubrücke für achtzehn hundert bis zwey tausend Gulden Victualien mit Freyzetteln eingebracht unter dem Namen, daß sie für Gesandtschaften gehören.

Insonderheit geht der Religionseifer verschiedener römischkatholischen Gesandten so weit, daß sie der evangelischlutherischen Stadt so wenig, als es nur möglich ist, zuwenden, und daher ihre Victualien und andere Nothwendigkeiten aus der Stadt am Hof und aus der andern bayerischen Nachbarschaft kommen lassen.

Zum andern bringen die vielen Protectionen, welche manche Gesandtschaften zu ertheilen pflegen, der Stadt schlechten Vortheil: wie man denn weis, daß ein gewisser Gesandter einsmals funfzig Leute gehabt, die sich zu seiner Gesandtschaft gerechnet, und daher keine Steuern, Contributionen, Umgeld und andere gemeinschaftliche onera der Stadt bezahlet, da sie indessen doch bürgerliche Nahrung, Handlung und Handwerke getrieben haben. Etliche Gesandten gestatten ihren eigenen Bedienten, sich mit bürgerlicher Nahrung zu bereichern und schenken Kutscher und Lackeyen, unter solchem Prätexte, öffentlich Bier, und zwar mit so gutem Abgange, daß in mancher solchenvel quasi privilegirten Schenke das Jahr hindurch etliche hundert Eimer Bier zu der sogenannten Hausnothdurft ausgezapfet werden.

So geht es auch mit dem Weine, welchen sowohl als das Bier dergleichen Leute, die keine Imposten bezahlen, leichtlich etwas wohlfeiler als andere geben können. Den Misbrauch der Protectionum erkennen viele von denen anwesenden Gesandten, und hat der churbraunschweigische, Herr von Dieden, sich mehrmalen verlauten lassen, er würde dergleichen niemals verstatten, weil er sie sowohl wider seine als seines Königs Reputation zu seyn erachte.

Ferner gereichet dieses dem Magistrate zu keiner geringen Beschwerlichkeit, daß wenn auch die kleinesten Dienste ledig werden, alsbald von vielen Gesandten Recommendationen für Leute, die sich an sie addreßiren, einlaufen; und obgleich in den Complimenten nur von Gefälligkeiten gesprochen wird, so sind doch in der That dem Magistrat die Hände gebunden, daß er nicht nach völligem Gefallen die Bedienungen vergeben oder seine eigene Leute befördern kann. Bey vorfallenden Zwistigkeiten mit der Stadt, müssen sich auch die Bürgermeister und andere Stadtherren gefallen lassen, insonderheit von einigen katholischen Gesandten derbe Verweise einzunehmen. Hiezu kömmt, daß die Stadt vielen verdrüßlichen Streitigkeiten mit dem Reichs-Erbmarschallamte wegen der Jurisdiction, Schutz und Schirm der Juden und anderer Gerechtigkeiten unterworfen ist. Endlich sind auch einige der Meynung, daß vieler Landadel aus der Stadt bleibe und solchemnach weniger Geld als sonst, in derselben verzehret würde, weil dieser in den Gedanken stehe, als würde er von vielen Gesandten allzugeringe geachtet, worinnen er jedoch wenigen Beyfall von unparteyischen Richtern zu gewarten hat, weil man den hiesigen Gesandten das Leb einer großen Höflichkeit gegen alle fremde Cavaliers, so nur ein wenig zu leben wissen, keines, weges streitig machen kann. Rand links: Lebensart der Fremden in Regenspurg. Der freye Zutritt bey den Stiftsfräulein, die täglichen Assemblées und vielfältigen Mahlzeiten geben den Fremden genugsame Gelegenheiten sich zu diver, tiren. Liebhaber des Spiels finden gleichfalls allhier ihre Rechnung; Wie weit die Begierde zu diesem Zeitvertreibe bey einer der hiesigen Damen gegangen, ist meinem Herrn bekannt, und erinnere ich mich dabey der Frau von O. welche vor ungefähr zwanzig Jahren[1442] eine der eifrigsten Spielerinnen im Haag war, wie es denn auch sich zugetragen, daß sie einsmals mit der Gräfinn von B. vier und zwanzig Stunden lang hintereinander weggespielet. Rand links: Spiele. Bey einer andern Gelegenheit pointirte ein Engländer ein sehr hohes sept & le va wider sie, da sie denn, als beym Umwenden des Kartenblatts sich zeigte, daß das Glück ihr nicht günstig gewesen, sich dergestalt darüber alterirte, daß die Geburtsschmerzen sich ungesäumt einstelleten. Die Gesellschaft, worinnen dieses vorgieng, war zahlreich, das nöthigste, was man zu thun hatte, war, daß man die Lichter auslöschete, bis die Mannspersonen und andere zu dem neuen actu unnöthige Zeugen sich retiriret hatten, und das ganze Schauspiel endigte sich mit einer fausse couche.

Die Menge der Reichsstände und daß gemeiniglich über jede Sache die benöthigten Instructiones von den Höfen eingeholet werden müssen, verursachen viele Ferien, und daß die Arbeit denen Herren Gesandten nicht allzusauer werden kann.

Ich habe vergessen, oben anzuführen, daß kein einziges gesandtschaftliches Archiv in Regenspurg recht vollkommen ist, wie es billig seyn sollte, und daß man keine ältere acta als vom Jahre 1654 darinnen findet. Das churbrandenburgische geht indessen gar vielen vor, das beste aber ist das würtembergische Gesandtschaftsarchiv, welches seine gute Einrichtung und Ordnung dem Legationssecretarius Sturm zu danken hat. Was den westphälischen Friedensschluß betrifft, müssen in Stutgard treffliche Nachrichten vorhanden seyn, weil der damalige würtembergische Gesandte in den wichtigsten Sachen gebrauchet, und von ihm mehr als dreyßig Folianten voll Memoires und Berichte hinterlassen worden sind.

Ehe ich schließe, ist noch die verlangte Nachricht von des gewesenen churbrandenburgischen Gesandten, Grafen von Metternich Religionsveränderung und Lebensende beyzufügen. Es war dieser Herr anfänglich auf gutem Wege, indem er die Ungerechtigkeit der Religionsverfolgungen einsah und allenthalben zur Moderation rieth; Er blieb aber nicht auf der Mittelstraße, sondern verfiel auf den Indifferentismum, und die Begierde nach Reichthum gab Gelegenheit, daß er mit der Zeit viel weiter gieng, als er vorher jemals würde geglaubet haben. Man überredete ihn, es sey ein ungemeiner Gewinn auf den Kauf einiger böhmischen Landgüter zu machen, und dadurch wurden sowohl er, als sein Bruder, der Baron von Metternich, und des Grafen Schwiegersohn der General Regal verleitet, fast ihr sämmtliches Vermögen in dieselben hinein zu stecken. Itztgedachte Güter machten zwar ein großes und weitläuftiges Wesen aus, allein es fand sich hernach, daß die Gegend nicht gar vortheilhaftig gelegen, auch der Grund und Boden von keiner sonderlichen Fruchtbarkeit sey. Die Absicht der Interessenten war, diese angekaufte Herrschaft durch einen Sohn des Grafen, welcher zur römischkatholischen Kirche getreten war, zu besitzen und zu genießen. Allein die göttliche Vorsehung machte einen Strich durch solche Rechnung, indem sie bald darauf diesen Sohn in der besten Blüthe der Jugend aus dieser Zeitlichkeit abfoderte. Ihm folgte bald hernach der General von Regal, nach dessen Tode man der Wittwe mit ihren Kindern anmuthete, entweder römischkatholisch zu werden, oder die Güter zu verkaufen. Das letztere schien mit vielem Einbuße und Verlust der zeitlichen Haabe verknüpfet, daher wählte man das erste und lebet anitzt die Wittwe wirklich auf gedachter Herrschaft in Böhmen. Es geschah aber auch, daß nach dem Todesfalle des Generals von Regal die neuen Besitzer in die Landtafel mußten eingetragen und desfalls eine große Summe Umschreibgelder, meist an die Officialen, bezahlt werden. Dieses machte den Baron von Metternich so verdrüßlich, daß er seine im Gute habende dreyßig tausend Gulden herauszog.[1443]

Was den churbrandenburgischen Gesandten, Grafen Ernst von Metternich anlagt, so hatte derselbe noch den 12 December im Jahre 1727 von dem reformirten holländischen Prediger das h. Abendmahl empfangen. Nach solcher Zeit, als er am Stein und retentione Urinæ Noth litte, und der kaiserliche Principalcommissarius, Fürst von Fürstenberg sich öfters nach des Grafen Gesundheit durch den Herrn von Geismar erkundigte, fanden dieser und die Gräfinn von Regal, die in ihrer neuen Religion gar eiferig ist5, Gelegenheit, verkleidete Jesuiten zu dem Patienten zu bringen, die ihn endlich beredeten, sich zu der römischen Kirche zu bekennen. Der reformirte Geistliche wurde von den Katholiken in den letzten Tagen der Krankheit nicht mehr in das Zimmer des Grafen gelassen. Er starb den 27 December 1727 Morgens gegen 6 Uhr, im ein und siebenzigsten Jahre seines Alters. Nach seinem Tode richteten die Pfaffen ungehindert etliche Altare in dem churbrandenburgischen Gesandtschaftsquartiere auf, lasen Messen und verrichteten ihre andern in solchen Fällen gewöhnlichen Ceremonien: welche nach einiger Meynung dadurch am besten von diesem Quartiere hätten abgelehnet werden können, wenn die Leiche alsbald in ein anderes Haus wäre gebracht worden. Die Grabstäte ist in St. Emmeran und mit folgender Schrift gezieret:


Hic positæ sunt exuviæ

Illustrissimi ac Excellentissimi Domini,

Domini Ernesti Comitis

de Metternich

Regiæ Majestatis Borussicæ dum viveret

Consiliarii status intimi & qua Electoris

Brandenburgici ad præsentia

S R. I. Comitia Legati

Qui XIII annorum maneris lui spatio

Per varias fortunæ vicissitudines

Eadem semper fuit virtute

Ac

Voce, Consilio & Eruditione potens

Tractavit magna, complevit egregia,

Perfecit maxima,

Et quod arduorum ultimum

Religionis fluctibus diu immersus Tandem emerus

Tandm emersit

Sanctissimæque Matri

Catholicæ nimirum Ecclesiæ

Quasi regenitus, paucisque postea diebus interjectis

In ipsiusmet Salvatoris natalitiis

Anno MDCGXXVII. ætat. LXXI.

Sub proprio occasu, divini Solis exortum

Lætabundus adspexit[1444]

Atque, sic amicumcœlorum regnum

Non tam capere, quam violentia quadam

(Salutari) rapere visius suit.

Tu qui admirator accessisti imitator,

Recede.


Die Römischkatholischen vermeynten, durch seine Bekehrung einen großen Sieg wider die Ketzer erhalten zu haben, und solchemnach fehlte es nicht an vielen Versen und Inscriptionen, die zum Lobe dieses Proselyten ans Tageslicht kamen. Es sind keine großen Meisterstücke darunter anzutreffen, wie aus folgenden zwoen, die noch die besten zu seyn scheinen, erhellen wird:


EPITAPHIVM.

Viator

Paululum morare, multum mirare

Imo lugebis, si leges

Quantus & qualis Vir exiguis his loculis concludatur,

Scilicet hic positæ sunt exuviæ

Excell. & Illustr. DD. Ernesti Comitis de Metternich

Vixit A. LXX. mensem I. dies XXIII.

Conversus die 13. & mortuus d. 27. Dec. MDCCXXVII.

Pride Innocentum

Requiescit in Pace!

Quid caperas frontem Viator

Et expectas accidentia in Quali

Cum habeat substantiam in Quanto.

Si tamen hæc transeuntia transeundo audire annuis,

Dicam, quis fuerit, quis sit, & quis non sit.

Fuit nimirum

Per annos omnino XXXV. Elector. Legatus Brandenb.

in Comitiis

In publicis officiis per annos ultra XLII

Ubique virtute, consilio, sapientia, fidelitate,

Eruditione & eloquentia

Incomparabilis.

Sed eheu! fuit

Pro Salute publica,

Magna de pace & bello negotia tractavit,

Majora complevit,

Perfecit maxima

Ad immortalem famam

Non minus pro salute propria

Ngotium veræ fidei,

Quod est omnium negotiorum negotium,

Tota quidem sua vita

Examinavit, ponderavit, tractavit,

Complere autem & perficre non ita potuit,[1445]

Vt non maneret in conflictu,

Hinc respectus humanus, inde divinus,

Hic vocabat, iste avocabat.

Vicit tandem conscientiæ libra, vicit Dei timor.

Vt jamjan intelligas,

Quis sit, & quis non amplius sit,

Vtpote quando resignatis omnibus titulis, honoribus,

Officiis ac legationibus suis

Grata mente depositis,

Imo mundanis rebus omnibus quasi retinaculis valere jussis

Sptuagenario major

In quo mens & ratio & consilium cum senio maturaverat,

Mature cogitatum ponderose examinatum

Diu dilectum negotium salutis suæ

Viriliter aggressus est, complevit, perfecit

Et ad cœlestem legationem fidei Cathol. professione facta

sese disponens

Et domi suæ fidem Rom. Cathol. adjutorio altissimi

Liberrime amplexus est

Corde, Votis & Opere.

Intelligis nunc, opinor,

Quis jam non amplius sit & quis sit,

Imo totus mutatus ab illo,

Cum sacra confessione expiatus induit novum hominem

Et novum cibum sumsit panem Angelorum,

Proinde ex eo tempore mundo mortuus

Soli sibi, soli DEO, vivens & vacans

Per sacrosancta Ecclesiæ sacramenta sese confortævit

Ad iter æternitatis in montem DEI Horeb,

Filius regenitus Ecclesiæ Augustinus, nisi Ernestus esset,

Denatus est in ipso natali Domini post solstitium hiemale

Mane sub solis ortum,

Vt citius ingrediatur vitam

Et ei lux luceat in perpetuas æternitates

Ad immortalem sautem animæ.

Sed jam erravi

Dum volui tibi ad longum & latum describere

Quis. sit

Factus enim est repente nihil.

Nihil in mundo

Multum in Dei oculis,,

Et hoc satis est,

Ne vero reœdatis spectatores, absque doctrina,

Cum melius sit,[1446]

Ire in domum luctus quam in domum convivii,

Venite filii,

Timorem Domini docebo vos.

Nam perversæ cogitationes separant a Dee,

Probata autem virtus corripit insipientes6.

Hinc Deus

A seductoribus tutavit illum7,

Quia nullus, qui speravit in Domino, confusus est8

Vtique scio,

Quia resurget in resurrectione in novissimo die9.

Proinde

In domo pulveris pulvere vos conspergite,

Habitate vel abitate10.

Quid contristaris viator & obvertis tergum?

Veh!

Consideravit se & abiit, & statim obitus est qualis fuerit,

Veruntamen

Revertere viator, revertere,

Hic lapis clamat post te, antequam in pulverem reverteris.

Aliquando enim & Tu

Totus, quantus & qualis es,

Fies totus & tantus talis,

id est Nihil

Interim fave Ernesto suam requiem,

Donec tuba inflaverit:

Ossa arida audite verbum Domini,

Atque hoc saltem vivens disce ab ipso mortuo,

Quod fides sit Donum DEI,

Hoc siut homo homini dare non potest,

Nisi descendat a patre luminum11,

Ita nemo velit alterum decipere,

Sed qui sanctus est, sanctificetur,

Donec dissidia Religionis amcabili compositione terminentur,

Quod vero non est negotium hominis volentis,

Sed solius miserentis & facientis DEI,

Quod hactenus Reges frustra tentarunt,

Dabit autem Reges & Deus.

Amen.

MDCCXXVII.
[1447]

II. Poëta Catholicus ad Catholice & pie defunctum Excell. Dnum Comitem de Metternich:


Directore Deo votum commune12 relinquis

Et Classi nostræ Te sociare cupis.

Quod Monicæ lacrymis sis, Augustine, renatus,

Hoc nobis facile eft credere, Mater erat13.

Ordine retrogrado sed Patri filia14 vitam

Quod dedit, hic labor est, hoc Deitatis opus.

Vix natus moreris, dubitas Erneste? parata est

In cœlo meritis dgna corona tuis.

Nam veluti lapides Stephano15 fecere coronam,

Sæva Lapis Lydius, sic Tibi petra16 fuit

Egregie benedixisti dilecte17 Ioannes.

Sic bibitur (profit) perpetuanda salus18.

Dum Christo nascente homini pax alma refuget,

Dum sonat Hispanis pax oritura plagis19,

Tu moreris. Sed cur? ut sancta pace quiescas,

Urna Tibi Christi nam sacra cuna fuit.


Nach des Grafen Tode fand man unter seinen Schriften ein sogenanntes Soliloquium oder verschiedene Sätze, deren Zusammenhang einen die Wahrheit suchenden Menschen zur römischkatholischen Religion bewegen sollte. Rand links: Soliloquium. Allein wie wenig diese Betrachtungen schliessen und an einander hängen, haben etliche desfalls herausgegebene Schriften an den Tag geleget, und selbst der Bruder des Verstorbenen, der Baron von Metternich, hatsolches in einer besondern Widerlegung gezeiget. Wie schlecht der Verstand des Grafen in seinen letzten Tagen müsse gewesen seyn, kann man deutlich aus demjenigen Schreiben abnehmen, welches er auf dem Krankenbette an den König in Preußen hat abgehen lassen, und worinnen er seine Bedienung niederlegt. Rand links: Schlechtes Schreiben an den König zu Preußen. Denn nachdem er angeführet, wie er die ihm aufgetragenen Commissionen mit aller Treue und Devotion verrichtet, setzet er hinzu: Und wie sollte ich anders thun, denn ich habe nicht meinen Willen sondern meines Herrn Willen thun müssen, welches kein rechtschaffener Katholischer sich entlegen wird. Zudem habe ich von dem Marquis d' Uxelles gelernet, daß seines Königes Fundamental-Artikel sey: de garder la Foy. Nachdem ich aber nunmehro 71 Jahre alt worden, und dabey in Todesschmerzen liege, unterwinde ich in tiefster Submission, Eur. Königl. Maj. allerunterthänigst zu bitten, meine Charge und Commission. zu Dero Füßen niederlegen zu dürfen, mit allerunterthänigster Danksagung etc. Regenspurg den 22 December 1727, wie dieses Schreiben zu finden ist in dem römischkatholischer Seits zu Stadt am Hof im Jahre 1728 herausgegebenen Berichte: Wahrhafter[1448]

Verlauf von dem, was bey des sel. Herrn Grafen Ernst von Metternich ohnlängst erfolgten Annehmung der katholischen Religion geschehen. Hiebey möchte man nun billig fragen: ob der Herr Graf die Regel, daß man Treue und Glauben halten müsse, nicht vorher schon gewußt habe, ehe er von dem d' Uxelles gelernet, daß dieses eine Maxime des Königes in Frankreich sey, welche jedoch jeder rechtschaffene Mensch halten wird, wenn auch niemals ein Ludwig der vierzehnte in der Welt gewesen wäre; zu geschweigen, daß der Herr Graf in der Historie leichtlich Exempel von andern Regenten würde haben bemerken können, welche in der Ausübung dieses Artikels dem obgedachten Könige es zuvor gethan haben.

Die Wittwe des Grafen ist evangelischer Religion, und hält sich noch in Regenspurg auf.

Regenspurg,

den 11 Februar. 1731.

Fußnoten

1 Dem zuverläßigen Berichte nach soll sich bey dem gegenwärtigen kaiserlichen Principalcommissarius; (1736) dem Fürsten Joseph von Fürstenberg, dieser Punct geändert haben, und dessen Hofcavaliere, sowohl bey der Notification, als sonst, denen alt-fürstlichen Gesandten ebenmäßig die Excellence beylegen, wobey man jedoch nicht mit Gewißheit sogen kann, ob solches auf expressen Befehl des Fürsten geschehe, oder ob er gleichsam nichts davon wisse?


2 Wann auch im Namen des Reichs oder Erzkanzlers etwas an auswärtige Minister durch Secretarien oder Kanzellisten zu bestellen ist, geschieht solches jederzeit in deutscher oder lateinischer Sprache, und muß der auswärtige Gesandte einen Dolmetscher bey sich haben.


3 Denen neuern Nachrichten zu Folgehat der itzige Chur – – Gesandte, bey dem gegenwärtigen neuen Principalcommissarius, Fürsten Joseph von Fürstenberg, dergleichen Creditiv übergeben, weshalber auch derselbe bey allen Gelegenheiten mit bey Hofe erscheint.


4 Die jüngern Comitial-Nachrichten geben, daß durch Gelegenheit dervon den Reichsstädten Rotenburg an der Tauber, Windsheim und Dortmund gesuchten respective Moderation und Temporal-Exemtion, abermals ein heftiger Streit zwischen denen beyden höhern und dem reichsstädtischen Collegiis, ratione præstationum Imperii & Circulorum und der in dem abzufassenden Reichsgutachten deutlich zu machenden Separation, entstanden; da die Reichsstädte ebenmäßig behauptet, daß ihnen ihr Votum decisivum zu allen effectibus inutil gemachet werden wollte. Weil sie nun von der österreichischen und andern Gesandtschaften gegen die mehresten übrigen fecundiret wurden, so bekam die Sache eine weit aussehende Gestalt, wlches zu unterbrechen, Se. Kaiserliche Majestät ein eigenes Commißionsdecret an den Reichsconvent sandte, wornächst die Zwistigkeit, in Ansehung des allergnädigsten kaiserlichen Fürworts, doch ohne Consequens, wieder beygeleget wurde.


5 Wie insgemein die Proselyten zu seyn pflegen, theils um sich bey der neuen Partey desto mehr zu insinuiren und für aufrichtig zu paßiren, theils um der verlassenen Secte weis zu machen; daß sie nicht aus weltlichem Interesse, sondern aus Ueberzeugung zur Veränderung geschritten wären.


6 Sap. I, v. 3.


7 Sap. X, v. 12.


8 Eccl. II, v. 11.


9 Joh. XI, v. 24.


10 Mich. I, v. 10..


11 Iac. I, v. 24.


12 Votum commune Evang. Defunctus veluti Legatus Magdeb. in Collegio Principum per Saxo-Gothanum aliquot septimanis ante obitum suum adhuc deposuit..


13 Monica, Augustini mater, precibus & lacrymis quotidianis a Deo impetravit, ut filius ex Ethnicismo ad sacra Christiana converteretur,


14 Domina de Regal, filia defuncti.


15 Stephanus Græce sonatCorona.


16 Defunctus laborabat vehementer calculo.


17 Mortuus est festo sancti Iohannis.


18 In Ecclesia Catholica tertia feria natalitiorum, quæ Johanni Evangelistæ sacra est ac Comiti de Metternich emortualis fuit, vinum benedictum distribuitur.


19 Hoc ipso tempore nunciabatur, Præliminaria pacis in Hispania fuisse subscripta.


Quelle:
Johann Georg Keyßler. Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 2. Hannover 1751, S. 1449.
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