XIII.
(1825.)

Nachdem unser Tondichter schon während seines früheren Aufenthaltes in Steyr einen Vorgeschmack von der Schönheit des Landes empfangen hatte, regte sich nun in ihm abermals die Sehnsucht nach den Bergen und blauen Seeen Oberösterreichs. Noch vor dem Beginn der Sommerszeit begab er sich auf die »Wanderung«, welche sich diesmal bis Salzburg, Gastein und den Tirolerbergen zu ausdehnen sollte.

In Oberösterreich traf er verabredeter Maßen mit Vogl zusammen, der bereits am 31. März nach Stadt Steyr vorausgeeilt war1.[335]

Der Sänger hauste sich, wie gewöhnlich, bei Paumgartner ein; Schubert nahm abwechselnd bei Koller und Schellmanns2 sein Absteigequartier.[336]

Wandernden Barden gleich zogen die beiden Künstler mit dem Beginn der Sommerszeit durch die blühenden Gauen des schönen Landes, um bald in stattlichen Klöstern, bald in Städten und Städtchen die schon berühmt gewordenen Weisen erklingen zu lassen. Namentlich in Linz und Gmunden und dann wieder an dem eigentlichen Ausgangspunkte ihrer Wanderschaft – in Vogl's Heimat – wurde längere Rast gemacht3. Allerorts fanden sie Freunde und Bekannte, von welchen sie auf's Herzlichste aufgenommen wurden4. Die[337] noch lebenden Zeugen jener Wanderzeit gedenken mit Freude der vergnügten Stunden, die sie in Gesellschaft des anspruchlosen, damals sehr heiter gestimmten Schubert verlebt haben. An musikalischen Genüssen fehlte es selbstverständlich nicht, wobei neuentstandene Lieder, von Vogl vorgetragen, oder Schubert'sche Claviercompositionen die Hauptrolle spielten, und daß der nie rastende Genius des Tondichters auch in dieser Zeit der mannigfachsten Zerstreuungen nicht geschlummert hat, bezeugen mehrere auf der Reise entstandene Compositionen.

Einige Briefe, welche Schubert damals theils an seine Familie, theils an Freunde und Bekannte gerichtet, oder von diesen erhalten hat5, mögen hier, der Zeitfolge nach gereiht, ihre Stelle finden, da sie einen Blick in sein Inneres gewähren, und wohl auch so manches Streiflicht auf sein äußeres Leben fällt.

Am 2. Juni richtete die Sängerin Anna Milder-Hauptmann von Berlin aus, wo sie seit dem Jahre 1816 ihren Aufenthalt genommen hatte, an den von ihr hochverehrten Liedercomponisten folgende, in stylistischer Beziehung etwas nachläßig gehaltene Zeilen:


»Geehrtester Herr Schubert!


Ich kann nicht unterlassen, Ihnen von meiner musikalischen Abendunterhaltung Nachricht zu geben, die den 9.[338] d. M. stattgefunden hat; ich habe doch die Suleika vor dem Publicum gesungen, und zwar bin ich dazu aufgefordert worden, wie Sie sehen. Der Erlkönig und die Suleika haben unendlich gefallen, und zu meiner großen Freude kann ich Ihnen diese Zeitung schicken; ich wünsche und hoffe, daß sie Ihnen ebenfalls die Freude verursachen möge. Man wünscht, daß die Suleika bald zu haben wäre, und sie wird vermuthlich schon erschienen sein. In Berlin ist Trautwein der honetteste Musikhändler, wollten Sie die Suleika hier herausgeben, rathe ich Ihnen diesen Mann.

Wie steht's mit die Empfindungen an meinem Platze von Goethe?6 haben Sie daran gedacht? Ich reife den 30. d. von hier ab, und erhalte wahrscheinlich vor der Abreise von Ihnen nichts, was mir unendlich leid thut. Den Monat August bin ich in Ems meiner Gesundheit wegen; hätten Sie vielleicht Gelegenheit, mir von Ihren letzteren Compositionen dorthin zu schicken, oder nach Paris, wo ich zwei Monate sein werde, September und October, würden Sie mich unendlich erfreuen. Wie geht's dem Vogl? Ich hoffe gut und nach meinen Wünschen sehr wohl, grüßen Sie ihn gefälligst unendliche Mahle von mir, ich betrübe mich noch, daß ich in Wien war und nicht so glücklich war, ihn zu sehen. Haben Sie die Güte zu sagen, daß ich nach Paris reife, ich werde dort durchaus nicht singen, obschon man im Publiko[339] mehr weiß, wie ich. Leben Sie recht wohl, und vergessen Sie bei Ihren Compositionen nicht


Ihrer ergebensten

Anna Milder.«


Dieser Brief war zunächst Schubert's Vater in Wien übergeben worden, der denselben (am 8. Juni) mit nachstehenden Zeilen an seinen Sohn übersendete:


»Lieber Sohn!


Der Herr Vater der Madame Milder überbrachte mir diesen Brief an Dich und ließ mich aus Berliner Zeitungsblättern sehr viel Rühmliches über die am 9. Juni d. J. von seiner Tochter gegebene Abendunterhaltung lesen, wo auch Deine Compositionen sehr erhoben werden.

Es wundert mich und alle Angehörigen sehr, warum Am gar nichts von Dir hören läßt. Segenswünsche und Freundschaftsgrüße ohne Zahl soll ich Dir von allen Seiten mittheilen. Auch Dein letzter Hausinhaber7 ließ sich schon um eine Nachricht von Dir durch seine Dienstmagd anfragen. Ich und alle meine Anverwandten sind, Gott sei Dank, wohlauf, und in der Erwartung auf eine erfreuliche Antwort von Dir, wünsche ich Dir alles wahre und dauerhafte Gute als

Dein treuer Vater

F. Schubert8


»An den hochzuverehrendsten Herrn v. Vogl, Deinen erhabenen Gönner, meine herzliche Verehrung.«
[340]

Der erste der (mir vorgelegenen) Schubert'schen Briefe ist an den damaligen Bankal-Assessor Josef Spaun, seinen ehemaligen Convicts-Kameraden und treuesten Freund, gerichtet9, welchen er in Linz besuchen wollte, der aber kurz vor seiner Ankunft daselbst im Dienste nach Galizien übersetzt worden war.

Das Schreiben10 lautet:


Linz, 21. Juli 1825.


»Lieber Spaun!


Du kannst Dir denken, wie sehr mich das ärgern muß, daß ich in Linz einen Brief an Dich schreiben muß – nach Lemberg. Hol' der Teufel die infame Pflicht, die Freunde auseinander reißt, wenn sie kaum aus dem Kelch der Freundschaft genippt haben. Da sitz' ich in Linz und schwitz' mich halb tod in dieser schändlichen Hitz. Habe ein Heft neuer Lieder11 und Du bist nicht da. Schämst du Dich nicht? Linz ist ohne Dich wie ein Leib ohne Seele, wie ein Reiter ohne Kopf, wie eine Suppe ohne Salz. Wenn nicht der Jägermaier gutes Bier hätte und auf dem Schloßberg ein passabler Wein zu haben wäre, so müßte ich mich auf der Promenade aufhängen aus Schmerz über die entfloh'ne Linzer Seele. Du siehst, daß ich ordentlich ungerecht werde gegen das übrige Linzthum, indem ich doch in Deiner Mutter Hause,[341] in der Mitte Deiner Schwestern, des Ottenwalt und Max12 recht vergnügt bin und aus den Leibern manches noch andern Linzers der Geist herauszublitzen scheint. Nur fürcht' ich, wird dieser Geist nach und nach verblitzen, und da möchte ich vor Unmuth zerplatzen. Ueberhaupt ist es ein wahres Elend, wie jetzt überall alles zur faden Prosa verknöchert, wie die meisten Leute dabei ruhig zusehen oder sich gar wohl dabei befinden, wie sie ganz gemächlich über den Schlamm in den Abgrund glitschen. Aufwärts geht's freilich schwerer, und doch wäre dies Gesindel leicht zu Paaren zu treiben, wenn nur von oben etwas geschehe.

Uebrigens lasse Dir kein graues Haar wachsen, daß Du so weit von uns bist; biete dem einfältigen Schicksal Trotz, laß Dein weiches Gemüth wie einen Blumengarten erblühen, daß Du in dem kalten Norden Wärme des Lebens verbreiten und Deine göttliche Abkunft beurkunden mögest.

Niederträchtig ist die Trauer, die ein edles Herz beschleicht; wirf sie von Dir und zertritt den Geier, der sich in Deine Seele hineinfrißt.

Von Schober höre ich, daß er nach Wien zurückkommen soll. Nun frag ich, was wird er da machen?13 Indessen freue ich mich doch sehr auf ihn, ich hoffe, er wird[342] wieder ein etwas lebendigeres und gescheidteres Wesen in die zwar sehr zusammengeschmolzene Gesellschaft hineinbringen.

Ich bin seit 20. Mai in Oberösterreich und ärgerte mich, als ich erfuhr, daß Du ein paar Tage zuvor von Linz abgereist bist. Ich hätte Dich so gerne noch einmal gesehen, ehe Du Dich dem polnischen Teufel überliefert hast.

In Steyr hielt ich mich nur vier Tage auf, worauf wir (Vogl und ich) nach Gmunden gingen, wo wir sechs volle Wochen recht angenehm zubrachten. Wir waren bei Traweger14 einloschirt, der ein prächtiges Fortepiano besitzt und, wie du weißt, ein großer Verehrer meiner Wenigkeit ist. Ich lebte da sehr angenehm und ungenirt. Bei Hofrath von Schiller wurde viel musicirt, unter andern auch einige von meinen neuen Liedern aus W. Scott's ›Fräulein vom See‹, von welchen besonders die Hymne allgemein ansprach.

Daß Du mit dem jungen Mozart zusammenkommst, freut mich recht. Grüße ihn von mir.

Nun lebe wohl mein lieber Spaun, denke öfters an Deinen aufrichtigen Freund

Franz Schubert.«


»Schreibe mir doch nach Steyr.«
[343]

Von den Wiener Freunden scheint sich der geniale Moriz Schwind am lebhaftesten brieflich mit Schubert unterhalten zu haben; denn dem hier folgenden Schreiben waren offenbar eines oder mehrere schon vorausgegangen. Der erste der mitzutheilenden Briefe ist zwar etwas mysteriöser Natur und wird wohl nur von jenen Personen vollkommen verstanden werden, denen das Verhältniß bekannt ist, in welchem der damals zur Schwärmerei hinneigende Maler und der mehr realistische Musiker zu der Familie H. in Wien gestanden haben; dennoch soll der Brief unverkürzt wiedergegeben werden, da auch ein derlei Herzenserguß, wie der nun folgende, immerhin zur Charakteristik des derbgemüthlichen Verhältnisses der beiden Freunde zu einander beiträgt, und Schubert's Brief an Bauernfeld (vom 19. September) auf diese beiden Schreiben Schwind's Bezug nimmt. Der Brief lautet:


»Mein lieber Schubert!


Ich glaube fast, daß mein letzter Brief einiges enthalten hat, was Dir unangenehm war. Ich will aufrichtig sein und Dir gestehen, was mich noch immer kränkt. Du erinnerst Dich gewiß daran, wie Du das letzte Mal nicht zu H. gekommen bist. Ich müßte ganz blind sein, wenn ich mich's verdrießen ließe, ja wenn es mir nicht angenehm wäre, wenn Du thust, was Du willst und Dich um das bekümmerst, was ich allenfalls von Dir begehre. Hättest Du aber daran denken wollen, wie viel Liebe Dich erwartet hat, so wärst Du gekommen. So wenig es mich abhalten wird, Dir zu sein und zu thun, was Dir bis jetzt von mir willkommen war, so muß ich mich fast fürchten, so viel Freuden von Dir zu empfangen,[344] da ich sehe, wie wenig Uebergewicht ich über Dein Mißtrauen und Deine Furcht, Dich geliebt und verstanden zu sehen, durch so manches Jahr habe erringen können. Das mag der Grund einiger boshaften Späße sein, die ich nicht habe unterdrücken können, so sehr sie mir selbst weh thun. Das verteufelte Spotten hat wohl überhaupt seinen Grund in ähnlichen Dingen. Warum soll ich's nicht sagen? Seit ich Dich und Schober kenne, bin ich gewohnt, mich in allen Dingen verstanden zu sehen. Da kommen die Andern und spotten und lauern in Verbindungen und Gedanken herum, von denen sie irgend ein Fragment zu Gesicht bekommen, und wir lassen sie Anfangs gewähren, dann thun wir's selber mit, und da der Mensch nicht von Diamant ist, so verliert sich Unersetzliches um den Spottpreis eines erträgliches Umganges. Wenn das zu bitter ist, so war ich leider oft zu gut. Ich bitte Dich, antworte mir hierüber, so grob und so aufrichtig als ich, denn es ist alles besser als diese qualvollen Gedanken, die ich nicht los werden kann.

Ich höre, daß Du mich schon bald erwartest; das ist aber leider nicht wahr. Ich kann es nicht verschieben, mich ganz auf das Malen zu werfen, und ein ganzer Sommer ist das geringste, was ich meinen bisherigen Versuchen zugeben kann, um nur zu einiger Sicherheit zu gelangen. Auch muß ich Schober erwarten und kann dann nicht gleich weglaufen; er wird sich so genug ärgern, daß Du nicht hier bist. Uebrigens gehe ich fleißig nach Grinzing, wo sich mehr als eine saure Woche vergessen läßt. Ich habe etwas anderes schreiben wollen, aber ich höre Dich ordentlich spotten, wiewohl Du so gut als ich und noch besser weißt, wie wohlthuend und lieblich ein Umgang ist, in dem man sich und[345] seine Freunde verstanden sieht. Beiliegendes Zeitungsblatt schickt dir die N. Du wirst bemerken, wie sie sich bemüht hat, Deine Freundschaft mit Tieze zu vernichten, dem Du auch in ihrer Gegenwart verschiedene Ehrentitel beigelegt hast. Es grüßen Dich Alle vielmals und es ist kein Ende von Erinnerungen und Wiederholungen aus der Zeit, wo Du da warst.

Ich weiß nicht, ob ich Dir geschrieben habe, daß ich bei Grillparzer war. Er zeigte viele Freude über meine ›Hochzeit‹15 und versicherte mich, in zehn Jahren werde er sich noch jeder Figur erinnern. Da wir in Ermangelung eines Weimar'schen Herzogs, der zu schützen und zu zahlen vermag, nichts begehren können, als das geistige Urtheil bedeutender Männer, so kannst Du Dir denken, wie vergnügt ich nach Hause ging. Uebrigens bezeugte er sich sehr freundlich und gesprächig, großentheils über die mangelhafte und erkünstelte Richtung[346] gewisser Künstler und Gelehrten, die wir kennen. Daß er die ›Hochzeit des Figaro‹ ganz so ansieht wie ich, war mir kein kleiner Triumph. Mit seiner Oper16 wird es nichts sein, denn sie gehört nimmer sein, und er kann daher nicht ganz thun, wie er will. Dafür hofft er Dir eine Oper vom Königsstädter Theater in Berlin zu verschaffen, dessen Director er kennt und der eine Oper sucht. Er wiederholte öfters, daß es ihm eine wahre Angelegenheit sei. Bauernfeld studiert und grüßt Dich. Viele Empfehlungen an Herrn v. Vogl; er soll ja nicht vergessen, der schönsten Frl. Amalia17 in irgend einer gelegentlichen Schäferstunde die zwei Zeichnungen abzulocken. Ich selbst habe sie nicht, und da ich doch bald malen soll, so brauche ich sie unumgänglich. Zur Fr. v. Lascny kann ich noch immer nicht. Das ist auch .... Wenn Du nach Ebenzweyer kommst, so empfiehl mich und richte aus, was Du nur Schönes austreiben kannst. Schreibe mir auch recht bald, wie es Dir geht, was Du machst, wie es Dir gefällt und ob Du bestätigt findest, was ich Dir erzählte. Empfiehl mich bei Hofrath Schiller so artig als Du weißt. Wenn ich an voriges Jahr denke, so halte ich mein unterthänigstes Compliment noch für grob. Weißt Du von der Fritzi Dornfeld nichts, von Linz und Florian? Ich werde curios ausstreichen, wenn ich hier fertig bin. Lebe recht wohl

Dein Schwind.«
[347]

Der Brief, dto. 25. Juli nach Gmunden adressirt, wurde dem mittlerweile nach Steyr abgegangenen Schubert nachgesendet. Dieser richtete von dort aus an demselben Tag an seine Eltern folgendes Schreiben:


»Theuerste Eltern!


Mit Recht verdiene ich den Vorwurf, den Sie mir über mein langes Stillschweigen machten, allein da ich nicht gern leere Worte schreibe und unsere gegenwärtige Zeit wenig Interessantes darbietet, so werden Sie mir's verzeihen, daß ich erst auf Ihr liebevolles Schreiben etwas von mir vernehmen lasse. Sehr freute mich das allerseitige Wohlbefinden, zu dem ich, der Allmächtige sei gepriesen, auch das meinige hinzufügen kann. Ich bin jetzt wieder in Steyr, war aber sechs Wochen in Gmunden, dessen Umgebungen wahrhaftig himmlisch sind und mich so wie ihre Einwohner, besonders der gute Traweger, innigst rührten und mir sehr wohl thaten. Ich war bei Traweger wie zu Hause, höchst ungenirt. Bei nachheriger Anwesenheit des Herrn Hofrath Schiller, der der Monarch des ganzen Salzkammergutes ist, speisten wir (Vogl und ich) täglich in seinem Hause und musicirten sowohl da, als auch in Traweger's Hause sehr viel. Besonders machten meine neuen Lieder aus Walter Scott's ›Fräulein vom See‹ sehr viel Glück. Auch wunderte man sich sehr über meine Frömmigkeit, die ich in einer Hymne an die heil. Jungfrau ausgedrückt habe und, wie es scheint, alle Gemüther ergreift und zur Andacht stimmt. Ich glaube, das kommt daher, weil ich mich zur Andacht nie forcire und, außer wenn ich von ihr unwillkürlich übermannt werde, nie dergleichen Hymnen oder Gebete componire, dann aber ist[348] sie auch gewöhnlich die rechte und wahre Andacht. Von Gmunden gingen wir über Puschberg, wo wir einige Bekannte antrafen und uns einige Tage aufhielten, nach Linz, wo wir acht Tage verweilten, die wir wechselweise in Linz selbst und in Steyreck zubrachten. Zu Linz quartirte ich mich im Spannischen Hause ein, wo man Spaun's (dessen, den Sie kennen) Versetzung nach Lemberg noch sehr betrauert. Ich las einige Briefe von ihm, die er von Lemberg geschrieben hatte, die sehr betrübt lauten und wirkliches Heimweh verrathen. Ich schrieb ihm nach Lemberg, machte ihn über sein weibisches Benehmen sehr aus, wäre aber an seiner Stelle vermuthlich noch jammervoller als er. In Steyreck kehrten wir bei der Gräfin Weißenwolf ein, die eine große Verehrerin meiner Wenigkeit ist, alle meine Sachen besitzt und auch manches recht hübsch singt. Die Walter Scott'schen Lieder machten einen so überaus günstigen Eindruck auf sie, daß sie sogar merken ließ, als wäre ihr die Dedication derselben nichts weniger als unangenehm18. Mit der Herausgabe dieser Lieder gedenke ich aber doch eine andere Manipulation zu machen als die gewöhnliche, bei der gar so wenig herausschaut, indem sie den gefeierten Namen des Scott an der Stirn tragen und auf diese Art mehr Neugierde erregen könnten und mich bei Hinzufügung des englischen Textes auch in England berühmter machen würden. Wenn nur mit den – von Kunsthändlern etwas Honnetes zu machen wäre, aber dafür hat schon die weise und wohlthätige Einrichtung des Staates gesorgt, daß der Künstler ewig der Sclave jedes elenden Krämers bleibt.[349]

Was den Brief der Milder betrifft, so freut mich die günstige Aufnahme der ›Suleika‹ sehr, obwohl ich wünschte, daß ich die Recension selbst zu Gesichte bekommen hätte, um zu sehen, ob nicht etwas daraus zu lernen sei; denn so günstig als auch das Urtheil sein mag, eben so lächerlich kann es zugleich sein, wenn es dem Recensenten am gehörigen Verstand fehlt, welches nicht so selten der Fall ist.

In Oberösterreich finde ich allenthalben meine Compositionen, besonders in den Klöstern Florian und Kremsmünster, wo ich mit Beihilfe eines braven Clavierspielers meine vierhändigen Variationen und Märsche mit günstigem Erfolge producirte. Besonders gefielen die Variationen aus meiner neuen Sonate zu zwei Händen19, die ich allein und nicht ohne Glück vortrug, indem mich einige versicherten, daß die Tasten unter meinen Händen zu singenden Stimmen würden, welches, wenn es wahr ist, mich sehr freut, weil ich das vermaledeite Hacken, welches auch ausgezeichneten Clavierspielern eigen ist, nicht ausstehen kann, indem es weder das Ohr noch das Gemüth ergötzt. Ich befinde mich gegenwärtig wieder in Steyr und wenn Sie mich bald mit einem Schreiben beglücken wollen, so wird es mich noch hier treffen, indem wir nur 10 bis 14 Tage verweilen und dann die Reise nach Gastein antreten, einer der berühmten Badeörter, ungefähr 5 Tage von Steyr entfernt. Auf diese Reise freue ich mich außerordentlich, indem ich dadurch die schönsten Gegenden kennen lerne und wir auf der Rückreise das wegen seiner herrlichen Lage und Umgebungen berühmte Salzburg besuchen werden. Da wir von dieser Reise erst halben September zurückkommen werden und dann noch einmal nach Gmunden[350] Linz, Steyreck und Florian zu gehen versprochen haben, so dürfte ich wohl schwerlich vor Ende October in Wien eintreffen. Uebrigens bitte ich, doch mein Quartier neben der Carlskirche zu miethen und gefälligst die 28 fl. W.W. indessen zu erlegen, die ich bei meiner Wiederkunft mit Dank zurückerstatten werde, weil ich es einmal versprochen habe und es doch möglich wäre, daß ich früher eintreffe, als ich glaube. Das Wetter war hier den ganzen Juni und halben Juli sehr unstät, dann 14 Tage sehr heiß, daß ich ordentlich mager wurde vor lauter Schwitzen, und jetzt regnet es 4 Tage beinahe in einem fort. Den Ferdinand und seine Frau sammt Kindern lasse ich schönstens grüßen. Er kriecht vermuthlich noch immer zum Kreuz20 und kann Dornbach nicht los werden; auch wird er gewiß schon wieder 77 Mal krank gewesen sein und 9 Mal sterben zu müssen geglaubt haben, als wenn das Sterben das Schlimmste wäre, was uns Menschen begegnen könnte. Könnte er nur einmal diese göttlichen Berge und Seen schauen, deren Anblick uns zu erdrücken oder zu verschlingen droht, er würde das winzige Menschenleben nicht so sehr lieben, als daß er es nicht für ein großes Glück halten sollte, der unbegreiflichen Kraft der Erde zu neuem Leben wieder anvertraut zu werden. Was macht Carl21? Wird er reisen oder nicht? Er hat wohl jetzt viel zu thun; denn ein verheirateter Künstler ist verpflichtet,[351] sowohl Kunst- als Naturstücke zu liefern, und wenn beide Arten gerathen, so ist er doppelt zu loben, denn das ist keine Kleinigkeit. Ich leiste Verzicht darauf. Ignaz wird vermuthlich jetzt eben bei Hollpein sein; denn da er nur Morgens, Nachmittags und Abends dort ist, so wird er schwerlich zu Hause sein. Ich kann nicht aufhören, seine Ausdauer zu bewundern, nur weiß man nicht recht, ob es eigentlich ein Verdienst ist oder keines, ob er sich dadurch mehr den Himmel oder die Hölle verdient. Er möchte mich doch darüber aufklären. Der Schneider22 und seine Schneiderin sollen auf den zu kommenden kleinen oder kleine Schneiderin schön Acht haben, auf daß die Schneider zahllos werden wie der Sand am Meere, nur sollen sie darauf sehen, daß keine Aufschneider oder Zuschneider, keine Ehr- oder Gurgelabschneider überhand nehmen. Und nun muß ich das Geschwätz endlich enden, da ich glaubte mein langes Schweigen durch ein dito Schreiben ersetzen zu müssen. Marie und Pepi und den kleinen Probstl Andre23 küsse ich tausend Mal. Uebrigens bitte ich Alles, was nur grüßbar ist, schönstens zu grüßen. In Erwartung einer baldigen Antwort verharre ich mit aller Liebe


Ihr

treuester Sohn

Franz.«


Ein Schreiben geschäftlicher Art ist das folgende von Herrn Hüther im Namen der Verlagshandlung Pennauer in Wien an Schubert24 unter dem 27. Juli 1825 gerichtete:
[352]

»Verehrtester Freund!


Bei meiner Rückkunft von Leipzig erfuhr ich, daß Sie bereits nach Oberösterreich abgereist wären, Niemand konnte mir aber eine bestimmte Adresse geben, ich mußte daher bis heute des Vergnügens entbehren, mich um Ihr Wohlsein zu erkundigen, und rücksichtlich Ihrer neuen Compositionen in Unterhandlungen zu treten. Heute erst erfahre ich durch Herrn v. Pinterics Ihren Aufenthalt bei Herrn v. Vogl und benütze diesen Augenblick, um Ihnen Gegenwärtiges zuzusenden. Ich kann (Sie in solcher Gesellschaft wissend) nur Ihr Wohlsein vermuthen, gehe daher gleich zum Geschäft über und bin so frei mich anzufragen, was Sie im Laufe dieser Zeit componirt und davon geneigt wären, im Publikum erscheinen zu lassen. Ich bitte Sie ferner, mir zu sagen, wie viele Lieder Sie aus W. Scott's Werken componirten, ob die deutsche Uebersetzung im Metrum des englischen Originals ist und daher geeignet wäre, beide Texte unter die Composition zu legen. Ich bitte Sie, mir den genauesten Preis als Anfänger zu machen und überzeugt zu sein, daß ich mein Möglichstes zur Ausstattung einer sehr schönen Ausgabe und Verbreitung Ihrer Compositionen beitragen werde. Von Ihren Werken habe ich das Heft ›Die junge Nonne‹ ausgegeben, ein zweites Heft Lieder folgt nächstes Monat, die Sonate25 aber, welche auch schon gestochen ist und wo ich täglich vom Erzherzog Rudolf die Erlaubniß der Dedicasse erwarte, im Monat September. Ich bitte mir zu wissen zu machen, auf welche Weise ich Ihnen Exemplare der Lieder zusenden darf. Ich hoffe, Sie werden[353] mit der Auflage zufrieden sein, und obwohl bei drei Correcturen einige unbedeutende Fehler bei den beiden Heften stehen geblieben, so sind doch selbe sogleich verbessert worden und nur die ersten zwanzig Exemplare, welche nicht einmal alle ausgegeben worden, sind fehlerhaft geblieben. Ich werde Ihnen durch eine Privatgelegenheit per Adresse des Herrn v. Vogl einen Abdruck der Sonate zusenden und bitte selbe genau durchzusehen; denn mir liegt sehr daran, daß die Werke fehlerfrei bei mir erscheinen. Wollen Sie mir gefälligst anzeigen, wie lange Sie noch von Wien wegzubleiben gedenken. Sehr lieb wäre mir die Nachricht, daß Sie ein Werk zu vier Händen geschrieben hätten, und bitte Sie hierauf zu reflectiren, wenn Sie Luft zu einem recht brillanten Werke von nicht zu großem Umfang zu componiren hätten, z.B. eine große Polonaise oder Rondeau mit einer Introduction etc. oder eine Fantasie! – Ich erbitte mir nochmals Ihre billigsten Bedingungen hinsichtlich der Lieder von W. Scott und ersuche Sie, Ihre gefällige Zuschrift blos an uns mit Adresse: A. Pennauer, Kunsthändler in Wien, zu stellen. Ich wünsche Ihnen recht schöne und günstige Witterung, um ungehindert Ausflüge in die herrlichen Umgebungen Ihres Aufenthaltes machen zu können, bitte Sie uns Herrn v. Vogl ganz ergebenst zu empfehlen und der armen, jetzt ganz verlassenen Wiener manchmal zu gedenken. Genehmigen Sie die Versicherung meiner vorzüglichsten Werthschätzung und Auszeichnung, mit welcher verharret Ihr ganz ergebenster Diener

Fr. Hüther


»P.S. Es wird Sie vielleicht interessiren, von unsern Theatern etwas zu erfahren. Ich kann Ihnen mit Gewißheit[354] sagen, daß Barbaja auf zehn Jahre die Direction der Oper übernommen hat und bereits schon von Duport das Chorpersonale wieder engagirt wird. Mit der deutschen Oper aber!! – ist es total aus; wie ich höre, wird nur Ballet und opera italiana. Graf Palffy möchte gerne einen Compagnon mit viel Geld. Der Wunsch ist gut, dürfte aber schwer zu realisiren sein. – Ueber das Schicksal dieses Theaters ist man noch ganz ungewiß; indessen hat Herr Carl26 vom bairischen Theater für drei Monat zum Versuch dasselbe gepachtet und fängt am 15. August zu spielen an.«


Auf den früher erwähnten Brief M. Schwind's hatte Schubert in seiner Art, wahrscheinlich in derb humoristischer Weise, geantwortet; am 1. August schreibt Schwind abermals an ihn:


»Liebster Schubert!


Ich muß einen schönen Unsinn geschrieben haben, das merke ich an dem schönen Gesetzel ›Diamant und Fragment‹, wofür ich aber durchaus keinen Zusammenhang finden kann. Uebrigens sei's wie's sei, ich habe doch etwas erfahren, was mir im Schlaf nicht eingefallen, daß Dich bei H. Jemand beleidigt hat. Von der N. glaub' ich es nicht und ich hoffe, Du auch nicht, und von den Andern sollte es mich sehr wundern.[355] Hättest Du's nur gleich gesagt, die Sache hätte sich anders zeigen müssen, oder ich Dir nicht einen Augenblick zugemuthet, hinzugeh'n; auch wirst Du wohl glauben, daß ich auch keine Sehnsucht mehr nach einer solchen Gesellschaft hatte. Indessen werde ich in Teufels Namen das Haus umkehren, ob sich etwas findet, was einer ecclatanten Widerrufung oder Deiner Beschuldigung gleich sieht. Ich kann Dich aber bei allen Heiligen versichern, daß ich gar keine Vorstellung davon habe.«


»Den 6. Abends.


Ich habe die N. von weiten, aber so bestimmt als möglich gefragt, und schon der Gedanke liegt ihr so fern, daß ich Dir gutstehe, sie hat sich nicht sonderbar benommen, noch weniger zweideutig. Ich hoffe, Du wirst, wenn Du zurückkömmst, an die Sache nicht mehr denken.

Schober ist hier. Er grüßt Dich tausendmal. Er ist ganz der alte, ja lebendiger und frischer. Von Kupelwieser ist heut' ein Brief aus Padua gekommen, in drei Wochen dürfte er schon hier sein. Die junge Nonne ist erschienen. Ich habe viel zu thun, daß ich nicht weiß, wann ich reisen kann, ich hoffe aber zuversichtlich, Dich zu sehen. Lebe recht wohl und schreibe uns bald. Bauernfeld macht Examen und Lebensblätter durcheinander, und wir sind recht fröhlich zusammen, so weit wir es ohne Dich sein können. Wenn Du Resi Clodi27 siehst, so grüße sie; ich freue mich sehr, sie wieder[356] zu sehen. Empfiehl' mich Herrn Vogl, und erinnere ihn an die zwei Zeichnungen, die Mali hat. Pinterics, Doblhoff und Alle grüßen Dich.


Dein Schwind«28.


»Bald hätte ich das Wichtigste vergessen. Schober hat mit Tieck, der Theater-Hofrath in Dresden geworden ist, wegen Deiner Oper ›Alfonso‹ gesprochen. Du mußt gleich schreiben, ob sie noch in Dresden ist oder wo sonst, denn Tieck wartet auf Nachricht. Ich habe nicht mehr Zeit. Lebe vielmal wohl.«


Am 14. August schreibt Schwind abermals:


»Lieber Schubert!


Ich weiß zwar nicht, wo Du bist, aber der Brief wird Dir schon nachgeschickt werden29. Daß Schober schon da ist, wirst Du aus meinem letzten Brief schon wissen, wenn Du ihn erhalten hast. Nun ist aber Kupelwieser seit acht Tagen auch schon da. Nach den letzten Briefen konnten wir ihn erst in drei Wochen erwarten. Er sieht prächtig aus und hat einen vollkommenen Haarputz, den er Nervenfiebers halber lange Zeit hat entbehren müssen. Sie grüßen Dich alle tausend Mal. Es fehlt nichts, als daß Du endlich einmal zurückkömmst. Schober und Kupelwieser wohnen beisammen.[357]

Dein Hausherr möchte bestimmt wissen, ob Du Dein Quartier bestimmt diesen Winter wieder wirst beziehen wollen. Schreibe mir das bestimmt, so werde ich ihm's sagen.

Wenn gewisse Unterhandlungen nach meinem Wunsche ausschlagen, so bin ich entschlossen, für mich zu wohnen, aber wahrscheinlich auf der Wieden. Rieder30 ist an der Ingenieurs-Akademie als Professor mit 600 fl. angestellt, dafür aber in dem Verdacht, daß er heirathen will. Wenn Du Dich ernstlich um die Hoforganistenstelle bewirbst, so kannst Du's auch so weit bringen. Es wird Dir nichts übrig bleiben, als ordentlich zu leben, da Du im widrigen Falle bei der entschiedenen gänzlichen Armuth Deiner Freunde Deine fleischlichen und geistigen Bedürfnisse von Fasanen und Punsch in einer Einsamkeit wirst befriedigen müssen, die einem wüsten Inselleben oder einer Robinsonade nichts nachgeben wird. Vom Theater scheint gar keine Rede mehr zu sein, wenigstens von Opern, und da im Winter keine Harmonie bei Wasserburger ist, so können wir uns was pfeifen. Wie freu' ich mich wieder auf die erste Schubertiade. Wegen Deiner Sinfonie können wir uns gute Hoffnungen machen. Der alte Hönig31 ist Dekan der juridischen Facultät und wird als solcher eine Akademie geben. Dieß kann wohl Gelegenheit geben, vielmehr es wird darauf gerechnet, daß sie aufgeführt wird.«


»Den 1. Sept.


Ich war unterdessen ein wenig unglücklich, bin aber schon wieder frisch. So lange man noch den Muth hat, aufrichtig[358] zu sein, läßt sich alles beilegen. Kommen kann ich nicht, denn ich habe zu viel zu thun. Damit Du aber nicht glaubst, ich sei durch gewisse Leute gehalten, so wisse nur, daß ich doch nach Weikenstein, dann nach Azenbruck32 gehe, wo Schober jetzt ist, um das Landleben zu genießen. Wiewohl ich noch aus Deinem Mund nicht weiß, ob Du schon wieder gut bist, so schmeichle ich mir doch, daß ich und Bauernfeld nicht hinauskommen können, könnte auch noch ein Grund für Dich sein, eher zu kommen. Kupelwieser ist sehr fleißig und Schober scheint ernste Anstalten dazu zu machen, aber wiewohl auf diese Art Jeder glücklich ist, haben wir keine frohe Vereinigung ohne Dich. Du kannst Dich darauf verlassen, Du findest ein größeres Leben als Du es verlassen hast. N., die einzige, die Du bezweifelst, zeigt ihre unbegrenzte Anhänglichkeit an Dich und Deine Sache so vielfach und natürlich, daß, wenn ich einigen Glauben verdiene, ich mich verbürgen kann, daß Du nicht leicht vor Jemand leben und singen kannst, der Dich mehr achtet oder einen innigeren Antheil und tiefere Freude empfinden kann.

Worschizek33 geht auf den letzten Füßen und der Hoforganismus will ernstlich betrieben sein. Es wird, so viel ich[359] erfahren kann, auf ein Georgel über ein gegebenes Thema ankommen, um ein gemachter Mann zu sein.

In Gmunden wird Dir doch eine Orgel zu Gebot stehen, um Dich zu üben. Schließlich bitte ich Dich, Herrn Vogl nebst allen möglichen Empfehlungen Tag und Nacht anzuliegen, die bewußten zwei Zeichnungen auf jede Art zu erobern und mitzubringen. Ich hoffe, daß ich und meine Kunst ihm lieber sein werden, als selbige Dame, die übrigens so liebenswürdig sein mag, als sie will, und zu deren Gunst und Freundschaft ich ihm alles Glück wünsche, ja im Nothfall mit aller uneigennützigen Anstrengung behilflich sein will. Ich möchte selbe Sachen gerne malen, und weiß den nicht für meinen Freund zu halten, der mir da entgegen ist oder hilft.

Ich bleibe der Deinige, so lange ich mich selbst nicht verlasse, und wünsche für mich und alle die Du liebst baldige

Ankunft oder Antwort.

Dein Schwind.«


»Viel Schönes von Pinterics, Doblhoff, Randhartinger, und glaube mir's auf meine Treue, das Herzlichste von der kleinen Person. Briefe erhalte ich von Haus, wo ich auch sei.«


Schubert unternahm mittlerweile eine kleine Gebirgstour und sendete am 12. September von Gmunden aus seinem Bruder Ferdinand folgenden ausführlichen Reisebericht:


»Lieber Bruder!


Deiner Aufforderung gemäß möchte ich Dir freilich eine ausführliche Beschreibung unserer Reise nach Salzburg und Gastein machen, allein Du weißt wie wenig ich zum Erzählen und Beschreiben geeignet bin; da ich indessen bei meiner Zurückkunft nach Wien auf jeden Fallerzählen müßte, so will[360] ich es doch lieber jetzt schriftlich als dann mündlich wagen, ein schwaches Bild all' dieser außerordentlichen Schönheiten zu entwerfen, indem ich jenes doch besser, als dieses zu treffen hoffe.

Wir reiseten nämlich ungefähr halben August von Steyr ab, fuhren über Kremsmünster, welches ich zwar schon öfter gesehen habe, aber wegen seiner schönen Lage nicht übergehen kann. Man übersieht nämlich ein sehr liebliches Thal, von einigen kleinen sanften Hügeln unterbrochen, auf dessen rechter Seite sich ein nicht unbedeutender Berg erhebt, durch dessen Gipfel das weitläufige Stift schon von der Fahrstraße, die über einen entgegengesetzten Bach herabführt, den prächtigsten Anblick gewährt, der besonders durch den mathematischen Thurm sehr erhöht wird. Hier, wo wir schon länger bekannt sind, besonders Herr v. Vogl, der hier studirt hat, wurden wir sehr freundlich empfangen, hielten uns aber nicht auf, sondern setzten unsere Reise, ohne daß sie eine besondere Erwähnung verdiente, bis nach Vöklabruck fort, wo wir Abends anlangten; ein trauriges Nest. Den andern Morgen kamen wir über Straßwalchen und Frankenmarkt nach Neumarkt, wo wir Mittag machten. Diese Oerter, welche schon im Salzburgischen liegen, zeichnen sich durch eine besondere Bauart der Häuser aus. Alles ist beinahe von Holz. Das hölzerne Küchengeschirr steht auf hölzernen Stellen, die außen an den Häusern angebracht sind, um welche hölzerne Gänge herumlaufen. Auch hängen allenthalben zerschossene Scheiben an den Häusern, die als Siegestrophäen aufbewahrt werden aus längst vergangenen Zeiten, denn man findet die Jahreszahl 1600 und 1500 häufig. Auch fängt hier schon das bairische Geld an. Von Neumarkt, welches die letzte[361] Post vor Salzburg ist, sieht man schon Bergesspitzen aus dem Salzburger Thal herausschauen, die eben mit Schnee bedeckt waren. Ungefähr eine Stunde von Neumarkt wird die Gegend schon wunderschön. Der Waller-See, welcher rechts von der Straße sein helles blaugrünes Wasser ausbreitet, belebt diese anmuthige Gegend auf das herrlichste. Die Lage ist sehr hoch und von nun an geht es immer abwärts bis nach Salzburg. Die Berge steigen immer mehr in die Höhe, besonders ragt der fabelhafte Untersberg wie zauberhaft aus den übrigen hervor. Die Dörfer zeigen Spuren von ehemaligem Reichthum. An den gemeinsten Bauernhäusern findet man überall marmorne Fenster- und Thürstöcke, auch sogar manchmal Stiegen von rothem Marmor. Die Sonne verdunkelt sich und die schweren Wolken ziehen über die schwarzen Berge wie Nebelgeister dahin; doch berühren sie den Scheitel des Untersberges nicht, sie schleichen an ihm vorüber, als fürchteten sie seinen grauenvollen Inhalt. Das weite Thal, welches mit einzelnen Schlössern, Kirchen und Bauernhöfen wie angesäet ist, wird dem entzückten Auge immer sichtbarer. Thürme und Paläste zeigen sich nach und nach; man fährt endlich an dem Kapuzinerberg vorbei, dessen ungeheure Felswand hart an der Straße senkrecht in die Höhe ragt und fürchterlich auf den Wanderer herabblickt. Der Untersberg mit seinem Gefolge wird riesenhaft, ihre Größe will uns fast erdrücken. Und nun geht es durch einige herrliche Alleen in die Stadt selbst hinein. Festungswerke aus lauter Quadersteinen umgeben diesen so berühmten Sitz der ehemaligen Churfürsten. Die Thore der Stadt verkünden mit ihren Inschriften die verschwundene Macht des Pfaffenthums. Lauter Häuser von 4 bis 5 Stockwerken erfüllen die ziemlich breiten[362] Gassen und an dem wunderlich verzierten Hause des Theophrastus Paracelsus vorbei geht es über die Brücke der Salzach, die trüb und dunkel mächtig vorüberbraust. Die Stadt selbst machte einen etwas düstern Eindruck auf mich, indem ein trübes Wetter die alten Gebäude noch mehr verfinsterte, und überdies die Festung, die auf dem höchsten Gipfel des Mönchberges liegt, in alle Gassen der Stadt ihren Geistergruß herabwinkt. Da leider gleich nach unserer Ankunft Regen eintrat, welches hier sehr oft der Fall ist, so konnten wir, außer den vielen Palästen und herrlichen Kirchen, deren wir im Vorbeifahren ansichtig wurden, wenig zu sehen bekommen. Durch Herrn Pauernfeind, ein dem Herrn v. Vogl bekannter Kaufmann, wurden wir bei dem Grafen von Platz, Präsident der Landrechte, eingeführt, von dessen Familie, indem ihnen unsere Namen schon bekannt waren, wir freundlichst aufgenommen wurden. Vogl sang einige Lieder von mir, worauf wir für den folgenden Abend geladen und gebeten wurden, unsere sieben Sachen vor einem auserwählten Kreise zu produciren, die denn auch unter besonderer Begünstigung des schon in meinem ersten Briefe erwähnten Ave Maria's34 Allen sehr zu Gemüthe gingen. Die Art und Weise, wie Vogl singt und ich accompagnire, wie wir in einem solchen Augenblick Eins zu sein scheinen, ist diesen Leuten etwas ganz Neues, Unerhörtes. Nachdem wir den andern Morgen den Mönchberg bestiegen, von welchem man einen großen Theil der Stadt übersieht, mußte ich erstaunen über die Menge herrlicher Gebäude, Paläste und Kirchen.[363] Doch gibt es wenig Einwohner hier, viele Gebäude stehen leer, manche sind nur von einer, höchstens zwei bis drei Familien bewohnt. Auf den Plätzen, deren es viele und schöne gibt, wächst zwischen den Pflastersteinen Gras, so wenig werden sie betreten. Die Domkirche ist ein himmlisches Gebäude nach dem Muster der Peterskirche in Rom, versteht sich im verkleinerten Maßstabe. Die Länge der Kirche hat die Form eines Kreuzes, ist von vier ungeheuren Höfen umgeben, von denen jeder einzelne einen großen Platz bildet. Vor dem Eingange stehen die Apostel in riesenhafter Größe aus Stein gehauen. Das Innere der Kirche wird von vielen marmornen Säulen getragen, ist mit den Bildnissen der Churfürsten geschmückt, und in allen seinen Theilen wirklich vollendet schön. Das Licht, welches durch die Kuppel hereinfällt, erleuchtet jeden Winkel. Diese außerordentliche Helle macht eine göttliche Wirkung und wäre allen Kirchen anzuempfehlen. Auf den vier Plätzen, welche die Kirche umgeben, befinden sich große Springbrunnen, die mit den herrlichsten und kühnsten Figuren geschmückt sind. Von hier gingen wir in das Kloster zu St. Peter, wo Michael Haydn residirt hat. Auch diese Kirche ist wunderschön. Hier befindet sich, wie Du weißt, das Monument des M. Haydn. Es ist recht hübsch, aber steht auf keinem guten Platz, sondern in einem abgelegenen Winkel. Auch lassen diese herumliegenden Zettelchen etwas kindisch; in der Urne befindet sich sein Haupt. Es wehe auf mich, dachte ich mir, dein ruhiger klarer Geist, du guter Haydn, und wenn ich auch nicht so ruhig und klar sein kann, so verehrt dich doch gewiß Niemand auf Erden so innig als ich. (Eine schwere Thräne entfiel meinen Augen, und wir gingen weiter. –) Mittags speiseten wir bei Herrn Pauernfeind,[364] und als uns Nachmittags das Wetter erlaubte auszugehen, bestiegen wir den zwar nicht hohen, aber die allerschönste Aussicht gewährenden Nonnenberg. Man übersieht nämlich das hintere Salzburger Thal. Dir die Lieblichkeit dieses Thales zu beschreiben, ist beinahe unmöglich. Denke Dir einen Garten, der mehrere Meilen im Umfange hat, in diesem unzählige Schlösser und Güter, die aus den Bäumen heraus- oder durchschauen, denke Dir einen Fluß, der sich auf die mannigfaltigste Weise durchschlängelt, denke Dir Wiesen und Aecker, wie eben so viele Teppiche von den schönsten Farben, dann die herrlichen Massen, die sich wie Bänder um sie herumschlingen, und endlich stundenlange Alleen von ungeheueren Bäumen, dieses Alles von einer unabsehbaren Reihe von den höchsten Bergen umschlossen, als wären sie die Wächter dieses himmlischen Thals, denke Dir dieses, so hast Du einen schwachen Begriff von seiner unaussprechlichen Schönheit. Das übrige von Salzburgs Merkwürdigkeiten, welche ich erst auf der Rückreise zu sehen bekommen, lasse ich auch bis dahin, indem ich meine Beschreibung chronologisch verfolgen will.«


»Den 21. September, Steyr.


Du siehst aus dem angemerkten Datum, daß zwischen dieser und jener Zeile mehre Tage verflossen sind, und wir von Gmunden leider auf Steyr umsiedelten. Um also meine Reisebeschreibung (die mich schon reuet, weil sie mir zu lange dauert) fortzusetzen, folgt wie folget Folgendes: Der folgende Morgen war nämlich der schönste Tag von der Welt und in der Welt. Der Untersberg, oder eigentlich der Oberste glänzte und blitzte mit seinem Geschwader und dem gemeinen[365] Gesindel der übrigen Berge herrlich in oder eigentlich neben der Sonne. Wir fuhren durch das oben beschriebene Thal, wie durch's Elisium, welches aber vor jenem Paradies noch das voraus hat, daß wir in einer scharmanten Kutsche saßen, welche Bequemlichkeit Adam und Eva nicht hatten. Statt den wilden Thieren begegneten uns mancherlei allerliebste Mädchen, – – –. Es ist gar nicht recht, daß ich in einer so schönen Gegend so miserable Späße mache, aber ich kann heut' einmal nicht ernsthaft sein. So steuerten wir denn, in Wonne versunken über den schönen Tag und über die noch schönere Gegend gemächlich fort, wo uns nichts auffiel, als ein niedliches Gebäude, welches Monat-Schlößchen heißt, weil es ein Churfürst in einem Monat für seine Schöne aufbauen ließ. Das weiß hier jeder Mensch, doch stößt sich Niemand daran. Eine Toleranz zum Entzücken. Auch dieses Gebäudchen sucht durch seine Reize das Thal zu verherrlichen. Nach einigen Stunden gelangten wir in die zwar merkwürdige, aber äußerst schmutzige und grausliche Stadt Hallein. Die Einwohner sehen alle wie Gespenster aus, blaß, hohläugig und mager zum Anzünden. Dieser schreckliche Contrast, den dieser Anblick des Ratzenstadtl's etc. auf jenes Thal erzeugt, machte einen höchst fatalen Eindruck auf mich. Es ist, als wenn man von dem Himmel auf einen Misthaufen fiele, oder nach einer Mozart'schen Musik ein Stück von dem unsterblichen A. hörte. Den Salzberg, sammt den Salzwerken anzusehen, war Vogl nicht zu bewegen, dessen große Seele, angetrieben durch die Gicht, nach Gastein strebte, wie in finsterer Nacht der Wanderer nach einem lichten Punkt. Wir fuhren also weiter über Golling, wo sich schon die ersten hohen, unübersteiglichen Berge zeigten, durch deren fürchterliche[366] Schluchten der Paß Lueg führt. Nachdem wir dann über einen großen Berg langsam hinaufkrallten, vor unserer Nase, sowie zu beiden Seiten schreckliche Berge, so daß man glauben könnte, die Welt sei hier mit Brettern vernagelt, sieht man plötzlich, indem der höchste Punkt des Berges erreicht ist, in eine entsetzliche Schlucht hinab, und es droht einen im ersten Augenblicke einigermaßen das Herz zu schüttern. Nachdem man sich etwas von dem ersten Schreck erholt hat, sieht man diese rasend hohen Felswände, die sich in einiger Entfernung zu schließen scheinen, wie eine Sackgasse, und man studirt umsonst, wo hier der Ausgang sei. In dieser schreckenhaften Natur hat auch der Mensch seine noch schreckenvollere Bestialität zu verewigen gesucht. Denn hier war es, wo auf der einen Seite die Baiern und die Tiroler auf der andern Seite der Salzach, die sich tief, tief unten brausend den Weg bahnt, jenes grauenvolle Morden vollbrachten, indem die Tiroler, in den Felsenhöhlen verborgen, auf die Baiern, welche den Paß gewinnen wollten, mit höllischem Lustgeschrei herabfeuerten, welche getroffen in die Tiefe herabstürzten, ohne je sehen zu können, woher die Schüsse kamen. Dieses höchst schändliche Beginnen, welches mehre Tage und Wochen fortgesetzt wurde, suchte man durch eine Capelle auf der Baiern Seite und durch ein rothes Kreuz in dem Felsen auf der Tiroler Seite zum Theil zu bezeichnen, und zum Theil durch solche heilige Zeichen zu sühnen. Du herrlicher Christus, zu wie viel Schandthaten mußt Du Dein Bild herleihen. Du selbst, das gräßlichste Denkmal der menschlichen Verworfenheit, da stellen sie Dein Bild auf, als wollten sie sagen: Seht! die vollendetste Schöpfung des großen Gottes haben wir mit frechen Füßen zertreten, sollte es uns etwa Müh[367] kosten, das übrige Ungeziefer, genannt Menschen, mit leichtem Herzen zu vernichten? – Doch wenden wir unsere Augen ab von so niederschlagenden Betrachtungen und schauen wir lieber, daß wir aus diesem Loch hinauskommen. Nachdem es nun eine gute Weile abwärts geht, die beiden Felswände immer näher zusammenrücken und die Straße sammt dem Strom auf zwei Klaftern Breite eingeengt werden, so wendet sich hier, wo man es am wenigsten vermuthet, unter einem herüberhängenden Felsen bei dem zornigen Wüthen der eingezwängten Salzach, die Straße zur angenehmen Ueberraschung des Wanderers. Denn nun geht es, obwohl noch immer von himmelhohen Bergen eingeschlossen, auf breiterem Wege und eben dahin. Mittags kamen wir in Werffen an. Ein Markt mit einer bedeutenden Festung, von den Salzburger Churfürsten erbaut, wird jetzt vom Kaiser renovirt. Auf unserer Rückreise bestiegen wir selbe, es ist v....... hoch, gewährt aber eine herrliche Aussicht in das Thal, welches auf einer Seite von den ungeheuren Werffner Gebirgen, die man bis Gastein sieht, begrenzt ist. Himmel, Teufel, das ist etwas Erschreckliches, eine Reisebeschreibung, ich kann nicht mehr. Da ich so in den ersten Tagen des Octobers nach Wien komme, so werde ich Dir dieses Geschreibsel selber übergeben und das Uebrige mündlich erzählen.«


Am 13. Sept. richtete Bauernfeld an den dicken Freund, der damals wieder bei Vogl in Steyr war, folgende Zeilen:


»Lieber Schubert!


Ich weiß kaum, ob Du die Züge dieses kennst, der Dir da schreibt, und ob Du nicht zur bessern Orientirung zu der Unterschrift Deine Zuflucht nehmen mußt; wisse es also:[368] Ich bin der Bauernfeld. – – Ich grüße und küsse Dich herzlich – jetzt aber gleich zum Allernothwendigsten, denn Du mußt diesen Brief so bald als möglich bekommen und in einer Viertelstunde muß er auf die Post.

Erstens schreibe sogleich, ob Du Dein Zimmer behalten willst, denn Dein Hausherr fragt in Einem fort.

Zweitens: Moriz Schwind und ich machen Dir die Proposition, ein ordentliches Quartier zu nehmen und uns alle drei zusammenzustecken; bist Du es zufrieden, so bestätige es mit einem holden Ja.

Drittens: Selbiger Plan wird aber nicht sogleich ausgeführt, sondern erst im October oder November. Ich werde bis dahin bei Schober wohnen und Du irgendwo. Ich bitte Dich, antworte mir sogleich auf alles dieses, und klar und deutlich.

Wie geht's Dir, dickster Freund? Ich glaube, Dein Bauch wird zugenommen haben; Gott erhalte ihn und lasse ihn gedeihen! Schober ist in Atzenbruck; Schwind ging gestern dahin, ich werde ihm wahrscheinlich bald folgen, aber nur auf einige Tage. Schreibe mir nur gleich und setze der Adresse bei: abzugeben im lithografischen Gewölbe des Hrn. Trenschenski im Zwettelhof. Lebe wohl, lebe wohl, lebe wohl!

Wenn Du mir sein ordentlich schreibst, so werde ich Dich vielleicht mit einem verständigen und gehaltreichen Brief bedienen.

Dein Freund

Bauernfeld.«
[369]

Wenige Tage darauf (18.–19. Sept.) antwortete ihm Schubert von Steyr aus mit folgenden Zeilen:


»Lieber Freund!


Wirklich war mir Dein Geschreibsel nicht mehr im Gedächtniß; die alles zerstörende Zeit und Deine bis zur Grobheit schnelle Hand haben es so weit gebracht. In letztem Falle denk' ich dies gleich zu thun. Was das Quartier im Frühwirthischen Hause anbelangt, so bin ich gesonnen, es zu behalten, habe ihm dieses auch schon durch mein väterliches Haus wissen zu machen gesucht; es sei nun, daß man ihn vergessen hat, oder daß er ängstlich und umständlich ist, so seid auf jeden Fall Einer oder alle zusammen so gut, ihm in meinem Namen 25 fl. W.W. zu geben und zu versichern, daß ich Ende October komme. Was unser Zusammenleben betrifft, so wäre mir's zwar sehr angenehm, da ich aber dergleichen Junggesellen- und Studentenplane schon kenne, so möchte ich nicht gerne, daß ich am Ende zwischen zwei Stühlen auf der Erde säße. Sollte sich indessen was Gescheidtes finden, so gibt es ja immer noch Mittel, mich von meinem Hausherrn auf gute Art zu trennen. Jene erwähnten 25 fl. wären ihm für October einzuhändigen, welche ich mit meiner Ankunft pünktlichst zurückbezahlen werde. Auf Sch. und Kupelwieser bin ich sehr begierig, auf jenen, wie ein Mensch nach gescheiterten Planen, auf diesen wie einer, der von Rom und Neapel kommt, aussieht. Schwindt ist ein wahrer Garnhaspel, denn von seinen zwei Briefen, die er mir geschrieben, ist einer confuser als der andere. Ein solcher Gallimathias von Verstand und Unsinn ist mir noch nicht vorgekommen. Wenn[370] er nicht in dieser Zeit sehr schöne Sachen gemacht hat, so ist ihm ein so hirnloses Gerede nimmer zu verzeihen. Grüße mir diese drei, auch Rieder und Dietrich, wenn Du sie sehen solltest. Rieder lasse ich gratuliren zu seiner Professur. Steiger35 und Louis Hönig36 besuchten mich in Gmunden, welches mich sehr freute. Wenn Ihr zu Eurem übrigen großen Verstand nur ein Quentel hinzugethan hättet, so würdet Ihr mich mit Eurer Gegenwart beehrt haben. Aber das ist von Euch auf Brand und Mord verliebten Jungen nicht zu verlangen. Wie oft werdet Ihr wieder unglücklich gewesen sein und Eure Seufzer und Klagen in Bier und Punsch ersäuft haben. Ha, ha, ha! bald hätte ich vergessen Dir zu sagen, daß ich in Salzburg und Gastein gewesen, deren Gegenden vie kühnste Fantasie überflügeln. Lebe wohl.


Dein Schubert.«


»Grüße mir alle Freunde. Schreibe mir, aber was Gscheidt's, etwa ein musikalisches Gedicht.


NB. Eben sagt mir Vogl, daß es möglich wäre, daß er Ende dieses oder Anfangs October mit Haugwitz nach Italien reisete; in diesem Falle komme ich auch früher, Anfangs October.«
[371]

Vogl begab sich in der That nach Italien, um Heilung seines Gichtleidens zu suchen, und verweilte daselbst bis zum Frühjahr 1826, in welchem er seine Hochzeit feierte. Für Schubert, der aus mehrfachen Gründen an Vogl's Gesellschaft gebunden war37, gab es dann auch kein längeres Verweilen mehr; er begab sich nach Linz, wo sich eben Freund Gahy befand, mit welchen vereint er einen Einspänner miethete, der die beiden Wanderer am dritten Tag nach ihrer Abreise von dort glücklich bei dem Fruhwirth'schen Hause absetzte. Die gute Laune, welche Schubert während des ganzen Aufenthaltes in Oberösterreich begleitet hatte, verließ ihn auch auf der Heimreise nicht; diese aber trat er gerade zu rechter Zeit an, denn in den Taschen war (wie mir Hr. Gahy mittheilte) bei seinem Anlangen in Wien bereits die vollständigste Ebbe eingetreten.

So endete eines der äußerlich glücklichsten Jahre in des Tondichters Leben, dem es leider nicht mehr beschieden war, die schönen Fluren des ihm lieb gewordenen Ländchens[372] in späterer Zeit – wie er dies so sehr wünschte – noch einmal zu begrüßen.

Was Schubert's musikalische Thätigkeit in diesem Jahr anbelangt, so sind die Lieder aus W. Scott's »Fräulein am See«38, welche er schon fertig nach Oberösterreich mitbrachte, und die Claviersonate inA-Moll39 (op. 42), die er (Aufzeichnungen zufolge) in Gastein vollendet hat, als schöne, bedeutende Compositionen hervorzuheben. Den ersteren reiht sich noch ein Kranz durchweg gelungener und derzeit wohlbekannter40 Lieder an, und es ist wohl kein bloßer Zufall, daß zwei derselben: »Heimweh« und »Die Allmacht«41 in Gastein entstanden sind, da Franz an diesem Ort mit Ladislaus Pyrker zusammentraf, der seinen Tondichtungen gleich im Beginne lebendigen Antheil bezeugt hatte. Der »Trauermarsch« (op. 55) und »Marche heroique« (op. 66), ersterer anläßlich des Todes des Kaisers Alexander, letzterer zur Feier der[373] Thronbesteigung des Kaisers Nicolaus von Rußland als vierhändiges Clavierstück componirt, gehören ebenfalls dieser Zeit an42.

Nicht veröffentlicht, und darum beinahe ganz unbekannt ist das Vocalquartett »Der Tanz« von Schnitzer, mit Clavierbegleitung – eine für die Familie Kiesewetter bestimmte Gelegenheitscomposition, deren Textworte den Zweck hatten, der Tochter des Hauses, Irene (nachmals verehlichte Freiin Prokesch von Osten), einer leidenschaftlichen Tänzerin, unter Hinweisung auf die Folgen der Tanzwuth, Mäßigung in dem Genuß dieses Vergnügens zu predigen43.

Schubert's Musik (Allegro giusto C-Dur 6/8), leicht und tanzmäßig gehalten, die Sopranparthie mit Rouladen reichlich ausgestattet, gibt den Sinn des Gedichtes trefflich wieder und wurde zu jener Zeit häufig in Privatzirkeln aufgeführt.[374]

Eine in neuester Zeit als »Reliquie« im Stich erschienene »letzte« Sonate für Clavier in C verdient, obzwar sie unvollendet blieb, darum Erwähnung, weil sie im ersten Satz groß angelegt ist und die Kennzeichen eines bedeutenderen Werkes an sich trägt44.

Endlich ist noch einer Clavierbegleitung von Schubert zu gedenken, welche sich mit der Schlußstrofe eines dramatischen Gedichtes: »Der Falke«45 betitelt, zum Melodram verbindet und dasselbe zu declamatorisch-musikalischem Abschluß bringt.

In dem hier in Rede stehenden Jahr widerfuhr Schubert die – von ihm wahrscheinlich nicht angestrebte – Ehre, als Ersatzmann in den Repräsentantenkörper des Musikvereins gewählt zu werden. Ueber seine allfällige Thätigkeit in dieser Stellung ist nichts weiter bekannt geworden.

Im Spätsommer 1825 – noch vor Schubert's Rückkehr aus Oberösterreich – war Franz von Schober nach zweijähriger Abwesenheit in Preußen wieder nach Wien zu längerem Aufenthalt heimgekehrt.[375]

Der durch sein und Kupelwieser's Wanderleben in seinen Grundfesten erschütterte Schubertbund consolidirte sich wieder, und zu Ende des darauffolgenden Jahres schlug der Tondichter bei Schober abermals seine Wohnung auf.

1

Aus einem, von dem Grafen Johann Mailath im Jahre 1832 herausgegebenen Tagebuch der berühmten Hofschauspielerin Sofie Müller (welche im Jahre 1824 von Mannheim nach Wien gekommen war, und im Jahre 1830 in Hietzing gestorben ist) geht hervor, daß Jenger, Vogl und Schubert in den ersten Monaten des Jahres 1825 mehrere Male bei ihr zu Besuch und zu Tische waren, und daß sie selbst Schubert'sche Lieder, besonders eben neuentstandene, gerne sang, oder Vogl's Vortrag mit Begeisterung zuhörte. Als solche neue Lieder sind erwähnt: »Die junge Nonne«, jene aus dem »Pirat«, das »Fragment aus Aeschilus«, »Ihr Grab«, »Der Einsame« und »Drang in die Ferne.« Der »alte« Lange (Hofschauspieler, Pianist, Maler und Operncompositeur, gest. 1827 in Wien) wohnte diesen Productionen zuweilen bei. Am 30. März, dem Tag vor Vogl's Abreise, waren sie zum letzten Mal bei ihr versammelt; Schubert's wird in dem Tagebuch noch im April und December erwähnt. Er spielte da mit Jenger die Ouverture »seiner Oper« und producirte die Lieder aus »Fräulein am See«. Die Müller brachte den Sommer in Gratz zu, wo sie mit Pachler's bekannt wurde, welcher Familie wir im Jahre 1827 begegnen wer den. – Jenger (Johann Baptist), 1797 im Breisgauischen geboren, war ein intimer Freund Schubert's und vortrefflicher Begleiter seiner Lieder auf dem Clavier. Er accompagnirte hauptsächlich B. Schönstein. – Jenger starb 1855 als Hofkriegsrath-Beamter in Wien.

2

Aus den letzten Tagen vor Schubert's Abreise datirt auch das hier folgende Briefchen sammt Gedicht des jüngeren Schellmann, der sich damals zur Ablegung der Rigorosen in Wien aufhielt. Der kurze Inhalt des in meinem Besitz befindlichen Schreibens ist folgender: »Lieber Schubert! Sie noch zu grüßen, meine bei Ihnen vergessenen Handschuhe und das geliehene Buch zu holen, das sind die Zwecke, weßhalb ich hier bin – und die alle, bis auf das Buch, wovon ich die Hälfte fand, scheiterten. Leben Sie wohl, grüßen Sie mir alle Steyrer, meine Eltern, Vogl, die Pepi und besonders meinen Schatz, den sie leicht auskundschaften. Nehmen Sie dieses Blatt mit – es wird Sie an ein Versprechen erinnern.

V. S.

Das Sternchen.

(Mit Bleistift geschrieben.)

1.

Ein Sternchen möcht' ich sein

Mit hellem, goldnem Schein,

Und säh' sie Nachts aus ihrem Haus

Zum schmalen Fensterchen heraus,

Wollt' ich so freundlich strahlen,

Ich müßte ihr gefallen.

2.

Und was mein Mund nicht laut

Zu sagen sich getraut

Von meiner Liebe heißem Schmerz,

Das wollt' ich strahlen in ihr Herz,

Das Sternchen sollt' ihr's sagen,

Sie müßte mich beklagen.«

(Wahrscheinlich sollte Schubert dieses Gedicht in Noten setzen.)

3

Schubert kam am 29. Mai nach Steyr, und blieb daselbst bis zu Anfang Juni. Die Zeit vom 28. Juli bis halben August, und vom 12. bis 21. September brachte er abermals dort zu; in Linz hielt er sich 14 Tage, in Steyeregg auf dem Gut des Grafen Weißenwolf acht Tage auf. Die Reise nach Gastein fällt in die Zeit zwischen dem zweiten und dritten Aufenthalt in Steyr. Auf diesen Ausflügen befand sich Schubert fast ununterbrochen in Vogl's Gesellschaft.

4

In Gmunden war es Hofrath Schiller, damals Oberamtmann des Salzkammergutes; in Ebenzweier der 85jährige, aber geistig noch rüstige Klodi, Besitzer des Schlosses und der Herrschaft Ebenzweyer; in Linz die Spaun's, unter diesen der durch literarische Arbeiten bekannt gewordene landständische Sindicus Anton Spaun; in Steyeregg die gräflich Weißenwolf'sche Familie, wo sie gastliche Aufnahme fanden, anderer Freunde in Steyr, St. Florian u.s.w. nicht zu gedenken.

5

Die Originalien sämmtlicher hier vorzuführenden an Schubert gerichteten Briefe aus den Jahren 1825 bis einschließlich 1828 sind – mit wenigen Ausnahmen – durch Vermittlung des Herrn J. Herbeck in meinem Besitz gelangt.

6

»Verschiedene Empfindungen an einem Platz«, ein ziemlich umfangreiches Gedicht, in welchem die Empfindungen des Mädchens, des Jünglings, des Schmachtenden und des Jägers geschildert werden. Schubert hat es nicht componirt.

7

Schubert wohnte damals im Fruhwirt'schen Hause Nr. 100 neben der Carlskirche bei einem Oelverschleißer.

8

Ob Schubert auf den freundlichen Brief der Milder geantwortet, ist mir nicht bekannt geworden; in dem Antwortschreiben an seinen Vater (vom 25. Juli 1825) findet sich eine auf den Brief der Milder Bezug habende Stelle.

9

Das Original besitzt Freiherr v. Spaun in Wien.

10

Der Brief wird um eine Stelle gekürzt wiedergegeben, welche auf eine noch lebende, mit Schubert vertraute Person Bezug hat.

11

Damit sind wohl die Gesänge von W. Scott gemeint, die er zu Anfang dieses Jahres componirt hatte.

12

Max v. Spaun, Hofkammer-Secretär (gest. 4. April 1844), war im Jahre 1825 Regierungspraktikant in Linz. Er war der jüngste Bruder des Hofrathes Josef Freiherr v. Spaun und der Maria v. Spaun, verehelichten Ottenwalt.

13

Herr v. Schober hatte Wien auf ein paar Jahre verlassen und Schubert meinte wohl, er werde vielleicht nicht so bald zurückkehren.

14

Trawegen war Kaufmann in Gmunden. Carl Schubert scheint ihn schon im Jahre 1818 besucht oder überhaupt seine Bekanntschaft gemacht zu haben; denn er schreibt an Franz: »Traweger, der sich mir als Deinem Bruder sehr gefällig und liebevoll bezeigte, läßt Dich herzlich grüßen und sagen, Du möchtest auf ihn bedacht sein, wenn Du vier- oder achtstimmige Männersingstücke hättest.«

15

Schwind hatte ein Bild: die Hochzeit des Figaro darstellend, gemalt. Helmina Chezy erwähnt (in den »Denkwürdigkeiten«) dieses Bildes in folgender Weise: »Mein ältester Sohn Wilhelm schuf sich schnell einen Dichterkreis von ausgezeichneten Leuten, von denen er mir täglich zu erzählen pflegte. Er befreundete sich dort mit Bauernfeld, Ernst v. Feuchtersleben, Andreas Schumacher, Christian Huber und anderen verheißnißvollen Dichtern, deren Knospe sich reich entfaltete. Auch Moriz Schwind, der geniale Künstler, gefiel sich sehr in ihrem Kreise. Schwind arbeitete in jenem Sommer an seiner köstlichen Zeichnung: ›Die Hochzeit des Figaro‹. Welche Kraft, welche Gedankenfülle, welch' überschwänglicher Humor, welche Heiterkeit! Wer mag das köstliche Kunstwerk besitzen? Nur in den besten Werken der florentinischen Schule habe ich eine so innige Verschmelzung der Romantik mit dem Geist der Antike gefunden!« – Auch Wilhelm Chezy erwähnt in den »Erinnerungen« dieses Bildes, welches damals viel Aufsehen machte.

16

Vermuthlich »Melusine«, die Beethoven componiren sollte, und welche später K. Kreutzer in Musik setzte und im Josefstädter-Theater aufführte.

17

Mit Amalie dürfte die Tochter des Hofrathes Schiller in Gmunden gemeint sein.

18

Die Lieder wurden auch der Gräfin gewidmet.

19

Wird op. 42 gemeint sein.

20

Das ehemals Weigert'sche (jetzt Wittmann'sche) Gasthaus, wo die Familie Schubert zusammenzukommen pflegte. Franz ging nicht gerne dahin, denn der Wirth fälschte den Wein, der ihm dann Kopfweh verursachte.

21

Schubert's Bruder, Landschaftsmaler.

22

Schubert's Schwager, Schullehrer,

23

Schubert's Geschwister.

24

Es ist adressirt: »An Herrn Michael von Vogl, Mitglied der k.k. Hofkapelle und Kammersänger, für Herrn Franz Schubert in Steyr.«

25

In A-Moll, op. 42.

26

Wie bereits erwähnt, endete Barbaja's Pacht und die damit vereinigte Administration des Theaters an der Wien am 13. März 4825. Der später bekannt gewordene Director Carl (von Bernbrunn), vom Isarthor-Theater in München, gastirte daselbst vom August 1825 bis März 1826 und schloß im August 1826 einen Pachtvertrag mit dem Grafen Palffy ab. Im Jahre 1835 brachte er das Theater käuflich an sich.

27

Des alten Clodi Tochter in Ebenzweyer.

28

Der Brief ist adressirt an Herrn Franz Schubert, Compositeur in Steyr bei Herrn Vogl.

29

Der Brief ist an Herrn Franz Schubert, bei Herrn Vogl in Steyr adressirt. Der Adresse ist beigefügt: »Im Falle der Abwesenheit wird gebeten, dies Herrn Vogl nachzusenden.«

30

Wilhelm Rieder, derzeit k.k. Custos in der Gemälde-Gallerie am Belvedere, wurde damals Professor der freien Zeichnung an der Ingenieur-Akademie in Wien.

31

Carl Hönig, Hof- und Gerichts-Advocat in Wien.

32

Der Lustort, dessen bereits (bei 1821) erwähnt wurde.

33

Worschizek (Johann Hugo), geb. 1791 zu Wamberg in Böhmen, gest. am 19. Nov. 1825 in Wien – mithin ein paar Monate, nachdem obiger Brief geschrieben worden war. Worschizek componirte eine große Anzahl von Clavier- und Gesangsstücken, auch eine Cantate, eine Sinfonie und Kirchenmusik, zum Theil geschätzte Werke. Er war k.k. Hoforganist, welche Stelle nach seinem Tod Simon Sechter erhielt.

34

Die bekannte Hymne aus den Gesängen von W. Scott's »Fräulein vom See«.

35

Steiger (Johann) von Amstein, Montanistiker und derzeit Ministerial-Secretär in Wien, war mit Schubert wohl befreundet.

36

Hönig (Ludwig), Bruder des Advokaten Dr. Carl Hönig in Wien, dessen Haus u.a. auch Schubert, Schwindt, Schober und Bauernfeld besuchten. – Anna Hönig, Dr. Carl Hönig's Tochter, verheirathete sich später mit Mayerhofer v. Grünbühel, dessen bereits Seite 219) gedacht wurde.

37

So bedauert Schubert in folgendem Briefchen an Steiger, daß er wegen Vogl's Abreise ihn und die Freunde nicht zu dem Pfleger Clodi in Ebenzweier begleiten könne. »Lieber Steiger! Es ist mir sehr leid, daß ich Euch nicht zu Clodi begleiten kann, da wie heute an den Alter-See fahren und diese Fahrt nicht verschoben werden kann, indem Vogl beschlossen hat, Morgen!! von Gmunden abzureisen. Dies erfuhr ich erst heute früh, daher wirst Du mich entschuldigen. Sei nicht böse, mir ist recht leid. Abends hoffe ich Euch noch in Euerm Gasthaus zu sehen. In Hinsicht der Besichtigung der Salzarbeiten fragt nur in dem Kuffen Handelamt nach H. Kinnsberger, welcher gestern mit mir sprach. Dein Schubert.« Das Original dieser Zeilen (aus des Consuls Wagner Autografen-Sammlung) besitzt die k. Bibliothek in Berlin.

38

Sie sind als op. 52 der Gräfin Sofie v. Weißenwolf, geb. v. Breuner, dedicirt, auf deren Schloß in Oberösterreich Schubert und Vogl einige Zeit zubrachten. Diese Dame, geb. 1794, war seit 1815 an den Grafen Johann Nep. Ungnad Graf Weißenwolf (geb. 1779), Herr v. Steieregg, Spielberg u.s.w., Erblandhofmeister und Oberstlieutenant in der österr. Armee, vermählt. Die Gräfin war musikalisch und im Besitz einer Altstimme. Sie starb 1847.

39

Schubert widmete sie dem Erzherzog Rudolf.

40

»Der blinde Knabe«, »Sängers Habe«, »Im Wald«, »Auf der Brücke« u.s.w. Wenig gekannt sind die zwei groß angelegten Gesänge aus dem Schauspiel: »Lacrimas«.

41

Sie sind dem Dichter (L. Pyrker) gewidmet.

42

Schubert schrieb die beiden Märsche einzig und allein aus Luft am Componiren, ohne von Jemanden dazu bestimmt worden zu sein. Wie mir Herr Lickl mittheilte, bemühte sich damals der Tondichter vergebens, diese Clavierstücke bei Steiner oder sonst wo an Mann zu bringen, während andere ganz unbedeutende Compositionen willige Abnehmer fanden.

43

Das Gedicht enthält die folgenden zwei Strofen:

Es redet und träumet die Jugend so viel

Von Tänzen, Galoppen, Gelagen,

Auf einmal erreicht sie ein trügliches Ziel,

Da hört man sie seufzen und klagen.

Bald schmerzet der Hals und baldschmerzet die Brust

Verschwunden ist alle die himmlische Lust;

Nur diesmal noch kehr' mir Gesundheit zurück,

So flehet vom Himmel der hoffende Blick.

44

Sie erschien bei Whistling in Leipzig und ist mit dem Datum April 1825 versehen. Die vier Sätze sindModerato C-Dur 4/4, Andante A-Moll 6/8, Menuetto As-Dur 3/4 mit Trio H-Dur 3/4, und einRondo-Fragment Allegro C-Dur 2/4.

45

Verfasser des Gedichtes ist Freiherr Adolf v. Pratobevera. Die Schlußworte spricht Ritter Kuno vor seinem Dahinscheiden. Schubert schrieb auf Ersuchen die Clavierbegleitung dazu, in welcher Form die Verse bei der scenischen Darstellung des Gedichtes recitirt wurden.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 334-376.
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