IV.
(1816.)

Auch das Jahr 1816 repräsentirt in Franz Schubert's kurzem Erdenwallen eine Zeit rastlosen, durch keinen wichtigen Zwischenfall unterbrochenenen Schaffens, nur daß hier neben der immer mehr anschwellenden Liedermasse an Stelle der Oper (welche nur durch ein Bruchstück vertreten ist) die Cantate, und zwar in der Gestalt dreier »Gelegenheitscompositionen«, in den Vordergrund tritt, von welchen der auf einen poetischen Text in Musik gesetzte »Prometheus« über die beiden anderen wenig bedeutenden entschieden hinausragt.

Der Zeitfolge nach ist unter den Cantaten jene als die erste vorzuführen, welche Schubert anläßlich des Jubiläumsfestes des Hofcapellmeisters Salieri selbstdichtend in harmlose Reime brachte und ebenso anspruchslos mit Tönen umkleidete.

Am 16. Juni 1816 beging Antonio Salieri den fünfzigsten Jahrestag seines Eintrittes in den kaiserlichen Dienst. Dem bevorstehenden Jubelfest hatten er und seine Familie schon lange mit Freuden entgegengesehen und beschlossen, es mit einer angemessenen Feier zu begehen; diese jedoch auf[79] eine den Verdiensten des Jubilars entsprechende Weise zu erhöhen, war sein Monarch selbst bedacht1.

Am frühen Morgen des 16. Juni, desselben Tages, an welchem Kaiser Franz von seiner Reise nach Italien (zunächst von dem Schloß Bösenbeug) nach Schönbrunn zurückkehrte, begab sich Salieri, eingedenk des ersten Ganges, welchen er am 16. Juni 1766 mit seinem (mittlerweile verstorbenen) Meister Gaßmann durch die Straßen der Residenz gemacht hatte, begleitet von seinen vier Töchtern, zu einem Dankgebet in die italienische Kirche. Um 10 Uhr Vormittags fand sich vor seinem Haus (in der Spiegelgasse Nr. 1154) ein Hofwagen ein, der ihn in das Hôtel des Obersthofmeisters Fürsten zu Trauttmannsdorf-Weinsberg führte. Dieser erschien mit dem Hofmusikgrafen von Kuefstein im Vorsaal und führte Salieri in ein zur Feierlichkeit bestimmtes Gemach, wo ihm nach kurzer Ansprache in Gegenwart des im Kreise aufgestellten Hofmusik-Personales die große goldene Civil-Ehren-Medaille mit Kette umgehängt wurde. Salieri dankte für die ihm zu Theil gewordene Auszeichnung und den versammelten Künstlern für ihren Eifer, und nachdem er huldvoll entlassen worden, fuhr er, da eben Sonntag war, in die Hofcapelle, um dort seinen gewöhnlichen Dienst zu versehen und die Musik des Hochamtes (diesmal eine seiner Messen) zu leiten.

Die Mittagsstunden füllte ein fröhliches Mahl im Kreise seiner Kinder und einiger vertrauten Freunde aus. Gegen 6 Uhr Abends versammelten sich, einer vorläufig an sie ergangenen Einladung zufolge, seine sämmtlichen ehemaligen[80] und wirklichen Schüler und Schülerinnen in seiner Wohnung. Graf Kuefstein beehrte die Gesellschaft mit seiner Gegenwart. Sobald Alles versammelt war, begann die musikalische Feier. Salieri, von seinen vier gleichgekleideten Töchtern umgeben, nahm am Clavier Platz. Zur Rechten in einem Halbkreise saßen vierzehn theils ehemalige theils noch wirkliche Schülerinnen, nämlich die Damen: Rosenbaum und Fux (beide geborne Gaßmann), Correga, Flamm, Klüber, Schütz, Milani, Hähnel, Canzi, Franchetti, Teyber, Fery, Weiß und Mathes; zur Linken zwölf ebenfalls theils schon absolvirte theils noch wirkliche Schüler, und zwar Schüler in der Composition2: Carl Freiherr von Doblhoff, Josef Weigl, Stunz, Aßmayr und Franz Schubert. Hummel und Moscheles, eben auf Kunstreisen abwesend, beschränkten sich darauf, ihre Compositionen einzusenden. Als Schüler im Gesang erschienen: Mozatti, Fröhlich, Platzer und Salzmann. Dem Jubelgreise gegenüber waren zwei ausgezeichnete Plätze für die beiden oben erwähnten Vorgesetzten bereitet, in Mitte derselben aber die Büste Kaiser Josef II., seines ersten »Gebieters und Wohlthäters«, aufgestellt. Als Jedermann seinen Platz eingenommen, sprach Salieri den Anwesenden seinen Dank aus, worauf ein die Gefühle gegen Gott, Kaiser, Vaterland, Familie und Freunde ausdrückender Chor (Text und Musik von Salieri) gesungen wurde. Sofort begannen seine Schüler in der Composition, von dem Jüngsten angefangen, einer nach dem andern, die von ihnen für diese Gelegenheit componirten Gesangsstücke vorzutragen, nach welchen die Compositionen von Hummel und Moscheles an die Reihe kamen.[81]

Schubert fand sich zu dieser Feier, wie bereits erwähnt, mit einer von ihm gedichteten und in Musik gesetzten Cantate ein, die er als »Beiträge zur fünfzigjährigen Jubelfeier des k.k. ersten Hofkapellmeisters Anton Salieri von seinem Schüler Franz Schubert« – bezeichnete.

Die Composition besteht aus einem Vocalquartett für vier Männerstimmen (Adagio B-dur 4/4) auf die Worte:


Gütigster, Bester!

Weisester, Größter!

So lange ich Thränen habe

Und an der Kunst mich labe,

Sei beides Dir gebracht, (geweiht?)

Der beides mir verleiht.


An dieses schließt sich eine Arie mit Clavierbegleitung (Andantino G-dur 2/4):


So Gut als Weisheit ströme mild

Von Dir, o Gottes Ebenbild.

Engel bist Du mir auf Erden,

Gern' möcht' ich Dir dankbar werden,


worauf ein dreistimmiger Canon (Moderato G-dur 2/4)


Unser aller Großpapa

Bleibe noch recht lange da!


die Cantate3 abschließt, welche mehr durch die Gelegenheit, der sie ihre Entstehung verdankte, als durch ihren musikalischen Werth Interesse zu erregen geeignet ist.[82]

Ungleich bedeutender als diese war eine kurz darauf entstandene, bei Schubert bestellte Composition, welche von den noch lebenden Zeugen ihrer Aufführung einstimmig als ein schönes Werk gepriesen wird, und auch dem bescheidenen Tondichter, der ihr den Empfang des ersten Honorars zu danken hatte4, solche Befriedigung gewährte, daß er sie, mehrere Jahre später, zu öffentlicher Aufführung bringen wollte.

Es ist dies die Eingangs erwähnte Cantate: »Prometheus« für Solostimmen, Chor und Orchester. Mehrere Hörer der Rechte, unter diesen Graf Constantin Wickenburg (österr. Handelsminister a.D.) und als Hauptveranstalter Herr v. Managetta5 beschlossen, den Professor der politischen Wissenschaften, Heinrich Watteroth6, an seinem Namenstag (12. Juli) mit einer musikalischen Feier zu überraschen, welche in dem zu seinem Wohnhaus in der Vorstadt Erdberg gehörigen Garten stattfinden sollte. Der Studirende Filipp Dräxler von Carin (derzeit Hofrath und Kanzlei-Director des k.k. Obersthofmeisteramtes) dichtete auf Ersuchen mehrerer Collegen während eines Spazierganges durch die Gebirgsthäler von Baden die Cantate »Prometheus«, welche sofort dem ihm persönlich ganz unbekannten Schubert zur Composition übergeben wurde. Die Proben für die Aufführung fanden in dem Consistorial-Saal der Universität statt[83] und wurden daselbst eifrig betrieben. Die Aufführung, des ungünstigen Wetters wegen zu wiederholten Malen verschoben, konnte endlich am 24. Juli vor sich gehen.

Frl. Maria Lagusius (später verehelichte Griesinger, gest. 1861) und Josef Goetz hatten die Solopartien der »Gea« und des »Prometheus« übernommen; Studirende wirkten im Chor und Orchester mit. Die Anrede an den Gefeierten hielt Graf Wickenburg; auf diese folgte die Cantate und noch andere Musikstücke. Die Aufführung scheint eine gelungene gewesen zu sein, und der Eindruck, welchen das originelle, schön instrumentirte Werk zurückließ, war ein entschieden günstiger7. Der bedeutenden Musik wegen schlug es Dr.[84] Leop. v. Sonnleithner für die Concerte des Musikvereins vor, drang aber mit seinem Antrag nicht durch, da man »von einem so jungen, noch nicht anerkannten Tonsetzer« nichts wissen wollte. In Schubert's letzten Lebensjahren wurde es mehrfach verlangt, so auch von dem Stift Göttweih, wohin auch die Partitur und die von Schubert selbst herausgeschriebenen Stimmen gesendet wurden. Von dort auf Schubert's Verlangen zurückgestellt, da man es anderswo benöthigte, wurde die Cantate in seine Wohnung (damals auf der Wieden Nr. 694) gebracht, aus welcher sie um die Zeit von Schubert's Tod verschwand und bis jetzt nicht wieder zum Vorschein gekommen ist8.[85]

Eine dritte Composition gleicher Gattung ist die zu Ehren des Schuloberaufsehers Josef Spendou9 auf Textworte von Hocheisel für Soli, gemischten Chor und Orchester componirte, unter der Aufschrift: Empfindungsäußerungen des Witwen-Institutes der Schullehrer Wiens für den Stifter und Vorsteher desselben (Josef Spendou) veröffentlichte Cantate10.

Die Composition besteht aus Recitativen (für Baß), einer Arie, einem Duett und mehreren Chören.

Das erste Baßrecitativ (Grave G-Moll 4/4) »Da liegt er starr vom Tode hingestreckt« schildert, auf den todten Vater hindeutend, in kurzen kräftigen Sätzen die traurige Lage der verwaisten Kinder. An dasselbe reiht sich der Klagegesang der Witwe und der diesen begleitende Chor der sie tröstenden Kinder (Andante F-Moll 4/4). Ein zweites Baßrecitativ zeigt auf den Retter hin, welchen das nun folgende Duett der Witwe und Einer Waisen (Allegro mod. B-Dur 2/4) als solchen begrüßt. Folgt abermals eine Recitativstelle (Andante molto 4/4); auf dieses ein Chor der[86] Witwen und Waisen (Allegro maestoso D-Dur 4/4) zum Lob und Preis Spendou's, und endlich ein kurzes Baßsolo (Adagio con moto D-Dur 4/4), welches in den Schlußchor (B-Dur 4/4) leitet, der mit einem Quartett (Gattin, Waise, Tenor und Baß) beginnend, den Sologesang des Soprans (Gattin) bis zu Ende begleitet.

Die Recitative sind in dieser Cantate schön und ausdrucksvoll behandelt; die übrigen Gesangsstücke – ohne Zweifel auf den Vortrag durch die Waisenkinder berechnet – bewegen sich in schön dahinfließenden Melodien. Der hausbackene Gesangstext war nicht geeignet, den Tondichter zu schwungvoller musikalischer Darstellung einzuladen; der Zweck aber, den Wohlthäter der Witwen und Waisen durch angemessenen Gesang zu ehren, dürfte bei Aufführung der Cantate vollständig erreicht worden sein.

Die Kirchenmusik ist durch die Messe inC11, ein verhältnißmäßig weniger hervorragendes Werk, durch das große Magnificat12 in C, eine sogenannte Duett-Arie13 für[87] Sopran und Tenor, das Fragment eines Requiems14 und das Stabat mater – nach der deutschen Nachbildung von Klopstock – endlich durch ein Paar kleinere Einlagen15 reichlich vertreten.

Unter diesen Kirchencompositionen ist das Stabat mater für Soli, Chor und Orchester16 die umfangreichste und unstreitig auch bedeutendste. Es besteht aus vier Arien (je eine für Sopran und Baß und zwei für Tenor), einem Duett für Sopran und Tenor, zwei Terzetten für Sopran, Tenor und Baß, wovon das eine mit Chorbegleitung und aus fünf Chören für gemischte Stimmen. Diese letzteren bilden auch die gelungensten Theile des ganzen Werkes, und ist namentlich der Doppelchor (Nr. 5), ein Wechselgesang von Frauen- und Männerstimmen – von schönem Ausdruck. Auch das Sopransolo (Nr. 2) und das Terzett (Nr. 10) sind in edlem, echt kirchlichem Styl gehalten, und das erstere von ergreifender Wirkung. Die Baßarie könnte auch von Mozart sein, so sehr ist sie dem Styl dieses Meisters nachgebildet.[88]

Den im vorausgegangenen Jahre entstandenen zwei Sinfonien (in B und D) folgten in diesem Jahre abermals zwei sinfonische Werke: die Sinfonie in (C-Moll17) (die sogenannte tragische) und eine zweite in B-Dur. Von den zwei Sinfonien in B ist die eine bekannt als »Sinfonie ohne Trompeten und Pauken«, was vielleicht darin seinen Grund hatte, daß in jener Gesellschaft von Dilettanten, für welche damals Schubert seine Kammer- und Orchestermusik zu componiren pflegte, sich damals weder ein Trompeter noch ein Paukenschläger vorfand.

Der kleine Kreis von Freunden und Bekannten, welche sich nach und nach den schon erwähnten, bei Vater Schubert abgehaltenen Streichquartett-Uebungen angeschlossen hatten, erweiterte sich nämlich allmälig derart, daß Haydn's Sinfonien in Quartettauszügen mit doppelter Besetzung aufgeführt werden konnten. Zu den Theilnehmern zählten Hr. Josef Doppler (Geschäftsführer der Hofmusikalienhandlung C.A. Spina), welcher mit Franz schon von den Kinderjahren her[89] bekannt war, die Violoncellisten Kamauf und Wittmann und der Contrabaßspieler Redlpacher.

Als Vater Schubert's Wohnung für diese Zusammenkünfte nicht mehr ausreichte, nahm der Handelsmann Franz Frischling die Musiker in seiner Wohnung (Dorotheergasse Nr. 1105) bereitwilligst auf. Der Beitritt mehrerer neuer Mitglieder bewirkte, daß im Herbst 1815 schon kleinere Sinfonien (von Pleyel, Rosetti, Haydn, Mozart) aufgeführt werden konnten, und einige Zuhörer sich einfanden.

Der Raum wurde abermals zu enge, und so übersiedelte die Gesellschaft zu Ende des Jahres 1815 in die Wohnung des Otto Hatwig (vordem Mitglied des Burgtheater-Orchesters) im Schottenhof, und im Frühjahr 1818 in desselben neue Behausung im Gundelhof. Fortwährende regelmäßige Uebungen und das Hinzutreten tüchtiger Musiker ermöglichten die Aufführung der größeren Sinfonien von Haydn, Mozart, Krommer, Romberg und der beiden ersten von Beethoven, sowie der Ouverturen von Cherubini, Spontini, Câtel, Mehul, Boildieu, Weigl, Winter u.s.w. Für diese Gesellschaft nun schrieb Schubert die beiden erwähnten Sinfonien und im Jahre 1818 die Sinfonie in C, sowie auch 1817 die Ouverturen im italienischen Stil, von welch letzteren noch die Rede sein wird, und eine Ouverture in B18 (comp. im September 1816). Die Uebungen währten bis in den Herbst 1820, wo sie wegen Mangels einer geeigneten Localität eingestellt und nicht wieder aufgenommen wurden19.[90]

Auch zur Composition einer dreiactigen Oper: Die Bürgschaft20 nahm Schubert einen ernsten Anlauf, ohne aber damit zu Ende zu kommen. Diese Oper, mit dem Datum 2. Mai auf der Original-Partitur, enthält zwei vollständig ausgearbeitete Acte, und von dem dritten eine Arie mit Chor, im Ganzen 15 Musikstücke. Der Verfasser des Textbuches ist nicht angegeben, und das Libretto aufzufinden ist mir bis jetzt nicht gelungen. Einer mündlichen Mittheilung zufolge soll es von einem Studiosus herrühren21. Die Verse und die in denselben enthaltenen Ausdrücke entziehen sich stellenweise jeder Kritik und bilden den schlagendsten Beweis für die Unbefangenheit, mit welcher Schubert an die Composition von Operntexten ging. Gefiel ihm nur die Idee des Ganzen und fand er darin einige Anhaltspunkte für dramatische Entfaltung der Musik, so setzte er sich über andere Gebrechen mit unglaublicher Leichtigkeit hinweg. Was ihn von der Vollendung der Oper abgehalten (vielleicht doch auch des Dichters Machwerk), ist mir nicht bekannt geworden. Die Handlung[91] ist der Schiller'schen Ballade nachgebildet, welche Schubert um diese Zeit als solche ebenfalls componirt hat.

Die Oper beginnt mit einem Chor des um Rettung aus Noth und Tyrannei flehenden Volkes (All. mod. C-moll 4/4, von Violinen, Viola, Cello, Fagott, Horn, Posaunen und Baß begleitet). Moeros (Baß) tritt zu dem versammelten Volkshaufen und gibt seinen Rachegedanken in einer Arie22 (All. agitato F-moll 4/4) Ausdruck. Hierauf stimmt der Chor einen wildcharakteristischen Gesang an, der den flammenden Etna und den »meuterischen Thor«, der heute noch das Kreuz zieren Werde, zum Gegenstande hat23. Der Tyrann von Syrakus[92] gewährt dem Meuchler einen Tag Frist zur Ordnung seiner Angelegenheiten. Dieser dankt ihm für die Gnade in einer Arie24 (Moderato D-moll 4/4), Dionisos aber spricht seinen Zweifel über dessen Rückkehr in einem Recitativ25 aus.

Die Scene verwandelt sich in das Innere des Hauses des Theages. Sein Weib Anna singt eine Romanze von einem verloren gegangenen und als Schäfchen auf der Weide wiedergefundenen Kinde. Die beiden Kinder des Theages, Julus und Ismene, wiederholen jedesmal mit der Mutter den Schlußvers. Auf dieses reizende Musikstück folgt ein Zwiegesang der beiden Kinder: – die Erzählung eines Märchens. – Die nächste Nummer ist ein Duett zwischen Anna und Theages. Dieser, der sich für Moeros verbürgt, soll, da letzterer nicht zurückkehrt, in den Kerker geworfen werden. Anna wehklagt, Theages sucht sie zu trösten26. Der [93] Chor der Wache fordert Theages auf, ihm zu folgen27, und es entwickelt sich nun ein Ensemblestück (Anna, Julus, Ismene, Theages und Chor), mit welchem der erste Act schließt.

Der zweite ist von diesem durch eine Ouverture getrennt, die (mit einem Andante C-dur 3/8 beginnend, sodann in Allegro agitato übergehend) in eine Arie des auf der Rückkehr begriffenen Moeros hinüberleitet, in welcher er, seine Rettung aus den Fluthen erzählend, den Göttern dankt.

Die Scene verwandelt sich in Anna's Zimmer. Diese, von einem Traum über ihres Mannes Geschick aufgeschreckt, spricht ihre Angst und Seelenpein in stürmisch bewegten Recitativen aus. Julus und Ismene versuchen es, sie zu trösten. Ihr Zwiegesang endet mit einem Terzett, an welchem Anna sich betheiligt28.[94]

Philostratus, der Freund des Hauses, tritt ein und sucht das gesunkene Vertrauen in Moeros Treue wieder aufzurichten. Anna antwortet ihm beruhigter, es folgt ein Duett beider. Philostratus schließt diese Scene mit folgenden Worten:


Liebet unbeschreiblich ihn,

Er gibt zehnmal sein Leben hin,

Um Freundes Leben zu erretten,

Wenn nur von traurigen Ketten,


welch hehren Spruch Anna und die beiden Kinder wiederholen.

Der Schauplatz verwandelt sich in eine Waldgegend. Räuber lauern auf Beute und singen ein charakteristisches Quartett (Strofenlied). Das Orchester fällt in ein Allegro furioso ein ›Moeros‹ Kampf mit den Wegelagerern darstellend. Folgen nun mehrere Recitativstellen; Moeros besiegt die Räuber, findet sodann die labende Quelle und dankt den alles vermögenden »Schöpfern«. Forteilend ruft er noch aus:


Wenn ich verbliebe!

Mitleidiger Gott!

Ohn' Erbarmen – wär' er todt.

Und mir winkt ein Ziel,

Heiliger Andacht großes Gefühl.


Damit schließt der zweite Act.

Der dritte enthält nur mehr zwei ausgearbeitete Musikstücke. Er beginnt mit einem Chor des vor dem Richtplatz versammelten Volkes, welcher von einem kurzen Vorspiel (Andante H-moll 3/8) eingeleitet wird. Der Chor läßt sich also vernehmen:


Der Abend rückt heran,

Du büßt für deinen Wahn;

Man führt sogleich dich fort

Zum strengen Kerkerort.
[95]

Darauf antwortet Theages:


Schweigt, Ihr seid im Wahn

Durch Euch spricht der Tyrann,

Euch wurmt mein fester Muth,

Mein hohes Glaubensgut.


Nun folgt noch eine interessante musikalische Stelle. Theages, zum Tod bereit, ruft der Menge zu:


Ein böser Geisterchor,

Der sich voll Zweifel seitwärts steckt;

Nun schweigt, ich laß mich tödten,

Und werd' ihn so erretten,


während diese gleichzeitig in spottender, von dem Componisten charakteristisch wiedergegebener Weise ihm erwidert:


Die Sonne sinkt, nun gute Nacht,

Du hast's gebüßt, du hast's vollbracht,

Das hast für deinen Glauben,

Den dir kein Mensch kann rauben.

Seht, wie der Freund zu lösen eilt,

Und seinem Freund die Wunden heilt,

Da ihn die Stunden schlugen,

Die sie zusammentrugen.


Von dieser Stelle an erscheint das Solo und der Chor, doch ohne Text, durch fünf Seiten der Partitur weitergeführt, dann folgt noch eine kurze Gesangsstelle des Theages:


Wenn dreimal sich der Abend neiget,

Und er sich noch nicht findet,

Meint ihr, der Glaube schwindet?


Dieser Sologesang läuft noch durch sechs Seiten ohne Text weiter, und damit schließt die unvollendete Oper, von welcher wohl nie irgend ein Theil in die Oeffentlichkeit gedrungen ist.[96]

Auch an Instrumentalcompositionen anderer als der schon erwähnten Art (Clavier- und Kammermusik) fehlt es nicht; ein großer Theil derselben ist noch unveröffentlicht29. Von mehrstimmigen, ebenfalls wenig oder gar nicht gekannten Gesangsstücken sind zu erwähnen: »An die Sonne«, ein umfangreiches, in religiösem Styl gehaltenes Quartett für gemischten Chor mit Clavierbegleitung; »Das Grab« von Salis (Vocalquartett für Männerstimmen); »Chor der Engel30« aus Goethes Faust, für gemischte Stimmen; »Trinklied31« (für Tenorsolo und Männerchor mit Clavierbegleitung); »der Geistertanz« von Mathisson (Quartett für Männerstimmen) und ein Vocalterzett: »Am Seegestade«32.[97]

Was die Anzahl der Lieder betrifft, so reiht sich das Jahr 1816 auch in dieser Beziehung dem unmittelbar vorausgegangenen an, und stellen sich diese beiden Zeitperioden überhaupt als die liederreichsten dar. Es finden sich darunter die »Gesänge des Harfner«, »Der Wanderer33«, »Fragment aus dem Aeschylus«, »An Schwager Kronos« etc., durchweg Compositionen, die von der vollendeten Reise des neunzehnjährigen Tondichters im Liederfach lautsprechendes Zeugniß geben. Ein schönes (nicht veröffentlichtes) Lied ist: »Abschied«34, von Mayrhofer, nach einer Wallfahrtsmelodie[98] – also im Volkston – mit Clavierbegleitung bearbeitet.

Es gilt als eine unbestrittene Thatsache, daß Briefe, Tagebücher und andere Aufzeichnungen, wenn sie in größerer Anzahl vorhanden und durch längere Zeit fortgesetzt, in einen inneren Zusammenhang gebracht werden können, ganz hauptsächlich geeignet sind, die Kenntniß des Charakters einer bestimmten Person zu fördern und zu erweitern. Der reiche Briefschatz, welchen wir von den Mozart's besitzen, und die jüngst veröffentlichten Briefe Felix Mendelssohns gewähren einen tieferen Einblick in das Denken und Fühlen dieser Künstlernaturen, als die Darstellung ihres äußeren bewegten Lebens zu bieten vermag, und während sie nicht selten das Verständniß und die Würdigung ihrer Werke erleichtern, sind sie dem Biografen ein wichtiger Behelf für das Entwerfen eines getreuen Bildes dessen, der geschildert werden soll. Von Schubert sind bis jetzt wenige Briefe bekannt geworden, vielleicht weil er nicht schreibselig war (wofür übrigens kein Beweis vorliegt), vielleicht auch, weil Briefe verloren gegangen, oder aus falscher Scheu mit der Veröffentlichung derselben zurückgehalten wird.

Von Tagebuchnotizen liegen nur einige aus den Jahren 1816 und 1824 vor, welche hier und im weiteren Verlauf ihre Stelle finden. Ob Franz längere Zeit hindurch Aufschreibungen geführt, konnte ich nicht ermitteln35. Weder diese noch die Briefe sind geeignet, durch ihren Inhalt an sich[99] das Interesse des Lesers in höherem Grad in Anspruch zu nehmen, da Schubert sich fast nie veranlaßt fand, von seinem reichen inneren Leben selbst seinen vertrautesten Freunden Kunde zu geben; nachdem aber die Quellen über seine äußere Existenz ohnehin nur spärlich fließen, muß es dem Biografen wohl gestattet sein, alle Behelfe, deren er habhaft geworden, und wären diese noch so unbedeutend, wo möglich unverkürzt mitzutheilen, da sie im Ganzen immerhin Streiflichter auf das zu schildernde Individuum werfen, des äußerlichen Momentes nicht zu gedenken, daß derlei kleine Episoden die Monotonie der Aufzählung von Schubert's Compositionen, welch' letztere immerdar den hauptsächlichen Theil seiner Lebensgeschichte bilden wird, in erwünschter Weise unterbrechen.

Die vorgefundenen Fragmente aus Schubert's Tagebuch vom Jahre 1816 umfassen nur die Tage vom 13. bis einschließlich 16. Juni, und sind folgenden Inhaltes:

»13. Juni 1816. Ein heller, lichter, schöner Tag wird dieser durch mein ganzes Leben bleiben. Wie von ferne, leise hallen mir noch die Zaubertöne von Mozart's Musik. Wie unglaublich kräftig und wieder so sanft ward's durch[100] Schlesinger's36 meisterhaftes Spiel, in's Herz tief, tief eingedrückt. So bleiben uns diese schönen Abdrücke in der Seele, welche keine Zeit, keine Umstände verwischen und wohlthätig auf unser Dasein wirken. Sie zeigen uns in den Finsternissen dieses Lebens eine lichte, helle, schöne Ferne, worauf wir mit Zuversicht hoffen. O Mozart, unsterblicher Mozart! wie viele und wie unendlich viele solche wohlthätige Abdrücke eines lichten besseren Lebens hast du in unsere Seele geprägt. Dieses Quintett ist so zu sagen eines seiner größten kleineren Werke. Auch ich mußte mich produciren bei dieser Gelegenheit. Ich spielte Variationen von Beethoven, sang Goethe's ›rastlose Liebe‹ und Schiller's ›Amalia.‹ Ungetheilter Beifall ward jenem, diesem minderer. Obwohl ich selbst meine ›rastlose Liebe‹ für gelungener halte, als ›Amalia‹, so kann man doch nicht läugnen, daß Goethe's musikalisches Dichtergenie viel zum Beifall wirkte. Auch lernte ich Mad Jenny, eine außerordentlich geläufige Clavierspielerin, kennen; doch scheint ihr der wahre reine Ausdruck einigermaßen zu fehlen.

Am 14. Juni 1816. Nach einigen Monaten machte ich wieder einmal einen Abendspaziergang. Etwas angenehmeres wird es wohl schwerlich geben, als sich nach einem heißen Sommertage Abends im Grünen zu ergehen, wozu die Felder zwischen Währing und Döbling eigens geschaffen scheinen. Im zweifelhaften Dämmerschein in Begleitung[101] meines Bruders Carl ward mir so wohl um's Herz. Wie schön, dacht' ich und rief ich und blieb ergötzt stehen. Die Nähe des Gottesackers erinnerte uns an unsere gute Mutter. So kamen wir unter traurig traulichen Gesprächen auf den Punkt, wo sich die Döblinger Straße theilt. Und wie aus himmlischer Heimat hörte ich von einer haltenden Chaise herab eine bekannte Stimme. Ich schaute auf und es war Herr Weinmüller37, welcher eben ausstieg und sich in seinem herzlichen, biederen Tone empfahl. Gleich wandte sich unser Gespräch auf die äußere Herzlichkeit in Ton und Sprache der Menschen. Wie mancher bemüht sich, sein redliches Gemüth vergebens in ebenso herzlicher biederer Sprache zu zeigen; wie mancher würde darum zum Gelächter der Menschen dienen. Man kann solches nicht als ein erstrebtes Gut, sondern nur als Naturgabe ansehen.

15. Juni 1816. Gewöhnlich ist's, daß man sich von zu Erwartendem zu große Vorstellungen macht. So ging es auch mir, als ich die bei St. Anna gehaltene Ausstellung vaterländischer Gemälde sah. Unter allen Gemälden sprach mich ein Madonnenbild mit einem Kind von Abel am meisten an. Sehr getäuscht wurde ich durch den Sammtmantel eines Fürsten. Uebrigens sehe ich ein, daß man dergleichen[102] Sachen öfter und länger sehen muß, um den gehörigen Ausdruck und Eindruck zu finden und zu erhalten.«

Die nun folgenden mitunter etwas verworrenen Bemerkungen sind am 16. Juni 1816 Abends, nachdem Schubert von Salieri's Jubelfeier nach Hause gekommen war, niedergeschrieben:

»Schön und erquickend muß es dem Künstler sein, seine Schüler alle um sich versammelt zu sehen, wie jeder sich strebt, zu seiner Jubelfeier das Beste zu leisten; in allen diesen Compositionen bloße Natur mit ihrem Ausdruck, frei von aller Bizarrerie zu hören, welche bei den meisten Tonsetzern jetzt zu herrschen pflegt und einem unserer größten deutschen Künstler beinahe allein zu verdanken ist; von dieser Bizarrerie, welche das Tragische mit dem Komischen, das Angenehme mit dem Widrigen, das Heroische mit Heulerei, das Heiligste mit dem Harlequino vereint, verwechselt, nicht unterscheidet, die Menschen in Raserei versetzt, statt in Liebe auflöst, zum Lachen reizt, anstatt zu Gott zu erheben. Dieses Bizarre, aus dem Zirkel seiner Schüler verbannt, um dann auf die reine heilige Natur zu blicken, muß das höchste Vergnügen dem Künstler sein, der von einem Gluck geleitet, die Natur kennen lernt, und sie trotz der unnatürlichsten Umgebungen unserer Zeit erhalten hat.

Herr Salieri feierte, nachdem er 50 Jahre in Wien und beinahe eben so lange in kaiserlichen Diensten gewesen, sein Jubelfest, wurde von Sr. Majestät mit einer goldenen Medaille belohnt, ladete viele seiner Schüler und Schülerinnen ein. Die dazu verfertigten Compositionen seiner Compositionsschüler wurden nach der Ordnung, in welcher sie bei ihm eintraten, von Oben nach Unten, producirt. Das Ganze war von einem Chor aus dem Oratorium ›Jesu al limbo38,[103] beides von Salieri eingeschlossen. Das Oratorium echt Gluckisch gearbeitet; die Unterhaltung war für jeden interessant.

An diesem Tage componirte ich das erste Mal für Geld. Nämlich eine Cantate39 für die Namensfeier des Herrn Professors Watteroth von Dräxler. Das Honorar ist 100 fl. W.W.

Der Mensch gleicht einem Ball, mit dem Zufall und Leidenschaften ...

Ich hörte oft von Schriftstellern sagen: Die Welt gleicht einer Schaubühne, wo jeder Mensch seine Rolle spielt. Beifall und Tadel folgt in der andern Welt. Eine Rolle aber ist aufgegeben, also ist auch unsere Rolle aufgegeben und wer kann sagen, ob er sie gut oder schlecht gespielt hat? Ein schlechter Theater-Regisseur, welcher seinen Individuen solche Rollen gibt, die sie nicht zu spielen im Stande sind. Nachlässigkeit läßt sich hier nicht denken. Die Welt hat kein Beispiel, daß ein Acteur wegen schlechten Recitirens verabschiedet worden sei. Sobald er eine ihm angemessene Rolle bekommt, wird er sie gut spielen. Erhält er Beifall oder nicht, dies hängt von einem tausendfältig gestimmten Publikum ab. Drüben hängt der Beifall oder Tadel von dem Weltregisseur ab. Der Tadel hebt sich also auf.

Naturanlage und Erziehung bestimmen des Menschen Geist und Herz. Das Herz ist Herrscher, der Geist soll es sein.

Nehmt die Menschen, wie sie sind, nicht wie sie sein sollen.[104]

Glücklich, der einen wahren Freund findet; glücklicher, der in seinem Weibe eine wahre Freundin findet. Ein schreckender Gedanke ist dem freien Manne in dieser Zeit die Ehe; er vertauscht sie entweder mit Trübsinn oder grober Sinnlichkeit.

Monarchen dieser Zeit, ihr seht dies und schweiget! oder seht ihr's nicht? – Dann, o Gott! umschlei're uns Sinn und Gefühl mit Dumpfheit! doch nimm den Schleier einmal wieder ohne Rückschade!

Der Mann trägt Unglück ohne Klage, doch fühlt er es desto schmerzlicher. – Wozu gab uns Gott Mitempfindung?

Leichter Sinn, leichtes Herz: zu leichter Sinn birgt meistens ein zu schweres Herz. –

Ein mächtiger Antipode der Aufrichtigkeit der Menschen gegeneinander ist die städtische Höflichkeit. Das größte Unglück des Weisen und das größte Glück des Thoren gründet sich auf die Convenienz.

Der edle Unglückliche fühlt die Tiefe seines Unglücks und Glücks, ebenso der edle Glückliche sein Glück und sein Unglück.

Nun weiß ich nichts mehr! Morgen weiß ich gewiß wieder Etwas! Woher kommt das? Ist mein Geist heute stumpfer als morgen? Weil ich voll und schläfrig bin? Warum denkt mein Geist nicht, wenn der Körper schläft? Er geht gewiß spazieren. Schlafen kann er ja nicht!


Sonderbare Fragen!

Hör' ich alle sagen;

Es läßt sich hier nichts wagen,

Wir müssen's duldend tragen.

Nun gute Nacht

Bis ihr erwacht.«
[105]

Wie schon erwähnt, versah Franz seit dem Jahre 1814 das Amt eines Gehülfen in des Vaters Schulhaus. Nach dreijähriger Qual unerhörter Selbstverleugnung, und da sich ihm keine Aussicht auf baldige Befreiung aus seiner peinlichen Lage eröffnete, beschloß er, selbst um den Preis, Wien verlassen zu müssen, sich um eine musikalische Anstellung zu bewerben, wozu sich eben die Gelegenheit darbot.

Die damalige Central-Organisirungs-Commission hatte nämlich im December 1815 die Errichtung einer öffentlichen Musikschule an der deutschen Normalschul-Anstalt in Laibach bewilligt. Bezüglich der Lehrerstelle, mit welcher ein Gehalt von 450 fl. W.W. und eine Remuneration von 50 fl. verbunden war, wurde der Concurs ausgeschrieben, und der Termin zur Einbringung der Gesuche, der in Niederösterreich befindlichen Competenten, bei der Landesregierung, auf den 15. März 1815 festgesetzt.

Unter den Aspiranten befand sich auch Franz Schubert, dessen Eingabe folgendes Attest40 Salieri's beilag:


Io qui Sottoscritto affermo, quanto nella supplica di Francesco Schubert in riguardo al posto musicale di Lubiana sta esposto.

Vienna, 9 Aprile 1816.


Antonio Salieri,

primo maestro di cappella della

Corte Imp. reale.
[106]

Die Gesuche wurden durch die damalige Stadthauptmannschaft41 in Wien der n.ö. Regierung übermittelt, und jenes des Schubert an dieselbe in nachstehender Weise einbegleitet:


»Das anliegende Gesuch des Franz Schubert um die Musikdirectorsstelle in Laibach wird der hohen Landesstelle nachträglich zum hierortigen Berichte vom 3. April 1816 über die gleichlautenden Gesuche des Hanslischek und Wöß überreicht.

Man hat den Bittsteller aus dem Grunde nicht erst zu einer neuerlichen Prüfung seiner musikalischen Fähigkeiten angehalten, weil er ein Zeugniß ddo. 9. April 1816 des k.k. Hofkapellmeisters Anton Salieri seinem Gesuche beilegte, welches ihn zu der angesuchten Stelle fähig erkläret.

Da eben Salieri es ist, welcher auch die übrigen Bittwerber um diese Stelle prüfte, so ist dessen ausgesprochenes Urtheil für Schubert sehr rühmlich.

Nicht minder empfehlenswerth lautet die Aeußerung des Regierungsraths und deutschen Schul-Oberaufsehers Domherrn Josef Spendou42, über des Bittstellers Methode in Behandlung der Jugend.

Da Schubert ein Zögling des k.k. Convicts ist und Singerknabe an der k.k. Hofcapelle war, derzeit noch als Schulgehülfe am Himmelpfortgrund dienet, so dürften auch diese Umstände nach hierortigem Ermessen demselben zum Verdienste und Vorzuge angerechnet werden.

Wien, am 14. April 1816.

Mertens m.p. Freih. v. Haan m.p. Unger m.p.«
[107]

Schubert's Bewerbung blieb erfolglos; die Stelle wurde einem Anderen verliehen43, und der Schulgehülfe sah sich vorläufig dem Druck beengender Verhältnisse abermals überantwortet.

Die Stunde der Erlösung ließ übrigens nicht lange mehr auf sich warten. Zu Ende 1815 war nämlich der damals achtzehnjährige Studiosus Franz von Schober nach Wien gekommen, um seine Studien an der Universität daselbst fortzusetzen. Im Jahre 1798 zu Torup in Schweden geboren, wo sein (um 1784 dahin ausgewanderter) Vater das Amt eines Güterdirectors bekleidete, kehrte Franz von Schober nach dem im J. 1802 erfolgten Tode des Vaters, mit seiner Mutter Katharine (geb. Derffel aus Wien) und seinen Geschwistern zunächst nach Deutschland zurück, begann um 1808 seine Studien in dem Stift Kremsmünster, und begab sich nach Beendigung derselben aus Oberösterreich nach Wien, wo er für lange Zeit seinen bleibenden Aufenthalt nahm. Er fand schon im J. 1813 im Spaunschen Hause in Linz Gelegenheit, einige Lieder Schubert's, welche Josef Spaun von Wien aus dahin mitgebracht hatte, zu hören, und das hohe Interesse, welches ihm die schönen eigenthümlichen Melodien einflößten, trieb ihn, den Componisten selbst aufzusuchen. Er fand ihn im väterlichen Hause Schulaufgaben corrigirend und mit Geschäften derart überhäuft, daß es unbegreiflich scheint, wie er gerade um jene Zeit so massenhaft produciren konnte. Was Schober da von[108] Schubert's Compositionen hörte, war nur geeignet, seine Bewunderung für den jungen Tondichter zu steigern. Ueberzeugt, daß dieser, um seinem Beruf leben zu können, aus der geisttödtenden Lage in des Vaters Schule herausgerissen werden müsse, faßte er den Gedanken, Schubert zu sich zu nehmen. Er erwirkte dafür die Einwilligung seiner (Schobers) Mutter, und nachdem sich auch der alte Schubert damit einverstanden erklärt hatte44, zog Franz in Schober's Wohnung, damals in der »Landskrongasse« gelegen. Dort blieb er etwas über ein halbes Jahr, so lange nämlich, bis ein Bruder des Letzteren, österreichischer Husaren-Officier, mit Urlaub nach Wien kam, und das einzig verfügbar gewesene Zimmer in Beschlag nahm, wo sodann wegen Schubert's Unterbringung auf neuen Rath gesonnen werden mußte. Josef Spaun nahm sich der Sache an, und bewirkte, daß Schubert schließlich zu Mayrhofer zog, der in der Wipplingerstraße wohnte, und nun seine Behausung zwei Jahre hindurch mit Schubert theilen sollte45.[109]

Während der Bücherrevisor in seinem Amt eifrigst beschäftigt war, arbeitete Schubert mit gleicher Ausdauer zu Hause bis zur Essenszeit, nach welcher er entweder auf Schober's Zimmer kam, oder in das Kaffeehaus46, wo er mit diesem und anderen Freunden den Rest des Tages zubrachte. Die späteren Jahre verlebte Schubert zum großen Theil wieder im Schober'schen Hause.

Franz von Schober nimmt in Schubert's Leben eine hervorragende Stelle ein, da er zu diesem frühzeitig in ein nahes Verhältniß trat, und, kurze Unterbrechungen abgerechnet, den vertrauten persönlichen Verkehr mit ihm bis zu dessen Tod fortsetzte. Mit Ausnahme der Jahre 1817, 1824 und 1825, die Schober in Schweden und Preußen zubrachte, dann der zwei Jahre (1819–1821), während welcher Schubert der Zimmergenosse Mayrhofer's war47, hatte Schubert fortan Quartier im Schober'schen Hause, oder wenigstens ein Zimmer daselbst zur Verfügung gestellt48.[110]

Unter allen Freunden Schubert's hat Schober auf diesen den nachhaltigsten Einfluß ausgeübt, und der Kreis junger strebender Männer, der ihn umgab, wurde auch Schubert's vertrautere Umgebung. Die Musik als schaffende Kunst war zwar unter diesen fast gar nicht vertreten; dagegen fehlte es nicht an anderen Kunst- und Geistesrichtungen, welchen ein um so freierer Spielraum gestattet werden durfte, als ja das musikalische Element durch Franz Schubert auf das glänzendste repräsentirt war. Dieses Freundeskreises49, welchen Schober um sich versammelte, und dem Schubert als eines der geehrtesten und geliebtesten Mitglieder fortan enge verbunden war, wird später ausführlicher gedacht werden.

1

s. J. Mosel: »Salieri's Leben.« – Wiener Zeitung 19. Juni 1816.

2

Auch ein Lißt findet sich unter den Schülern aufgeführt. Franz Lißt stand damals im sechsten Lebensjahr.

3

Die Composition findet sich in Abschrift bei Jos. von Spaun, bei dem Musikalienhändler Hrn. Witzendorf und bei Frau Dr. Lumpe in Wien. Letztere besitzt auch ein Terzett mit Clavierbegleitung auf dieselben Worte, und ebenfalls componirt im Juni 1816, das von dem obigen Quartett zwar nicht wesentlich, aber doch in Einigem abweicht.

4

Franz erhielt dafür 40 fl. C.M. (S. Tagebuch.)

5

Vermuthlich der vor Kurzem verstorbene Hofrath Filipp v. Managetta.

6

Watteroth war der Schwiegervater des bekannten Schubertfreundes v. Witteczek.

7

In der Theaterzeitung erschien wenige Tage darauf folgendes Gedicht von Herrn F. v. Schlechta (derzeit jubil. Sectionschef des k.k. Finanz-Ministeriums):

An Franz Schubert, als seine Cantate »Prometheus« gegeben wurde.

In der Töne tiefem Leben,

Wie die Saiten jubelnd klangen,

Ist ein unbekanntes Leben

In der Brust mir aufgegangen.

In dem Sturmeston der Lieder

Klagt die Menschheit jammernd Ach,

Kämpfend steigt Prometheus nieder,

Und das schwere Dunkel brach.

Mich hat's wunderbar erhoben

Und der Wehmut neue Lust

Wie ein schimmernd Licht von oben

Kam in die bewegte Brust.

Und in Thränen und Entzücken

Fühlte ich mein Herz zerstücken,

Jauchzend hätte ich mein Leben

Wie Prometheus hingegeben.

8

Auch das Gedicht ist nicht mehr aufzufinden. – Im Jahre 1842 erließ Herr Alois Fuchs in der Wiener Musikzeitung einen Aufruf um Nachricht über die verloren gegangene Composition, der aber resultatlos blieb. In der »Reue Zeitschrift für Musik« Nr. 8 aus dem Jahre 1842 wurde dieser Aufruf bezogen und daran die Bemerkung geknüpft: »Wenn doch die wirklich vorhandenen, noch ungedruckten Compositionen Schubert's erst an's Tageslicht gebracht würden! So liegt in der Bibliothek in Berlin eine große Oper (Alfonso und Estrella) von ihm und in Wien über 50 größere Werke. Es geschieht nichts von selbst: die es angeht sollten sich darum bekümmern, daß die Welt endlich zur vollen Würdigung Schubert's gelange.« – Die Zurückstellung des »Prometheus« von Göttweih vermittelte Herr Frühwald, undDr. Leop. v. Sonnleithner (welchem ich diese Notiz verdanke) schickte die Partitur an Schubert, der ihn in einem Zettel, den Frühwald überbrachte, darum ersucht hatte. Leider wurde die Cantate, von welcher Schubert selbst die Stimmen herausgeschrieben hatte, nicht copirt. Auch nach Innsbruck war sie gesendet und daselbst vom Capellmeister Gänsbacher zur Aufführung gebracht worden. Im J. 1819 wurde der »Prometheus« im Sonnleithner'schen Hause gegeben, wobei Dr. Ignaz v. Sonnleithner den Prometheus sang. Schubert war im Jahre 1816 und auch diesmal bei der Aufführung anwesend, und die Zeugen jener Productionen, Dr. Leopold v. S., Albert Stadler, der nachherige Oberfinanzrath Ant. Müllner, v. Schlechta und Herr Jos. Hüttenbrenner wirkten (letzterer im J. 1819) im Chor mit. Im J. 1820 wollte Schubert die Cantate im Augarten aufführen, kam aber davon zurück, da die Probe nicht gut zusammenging. Die Aufführung der Cantate währte beiläufig 3/4 Einer Stunde.

9

Spendou war Domscolasticus, Dr. der Theologie, Regierungsrath, Mitglied der Studien-Hofcommission in Angelegenheiten der deutschen Schule, infulirter Prälat und Schuloberaufseher.

10

Die Cantate ist als op. 128 in dem von Ferd. Schubert verfaßten Clavierauszug im Stich erschienen.

11

Es ist dies Schubert's vierte Messe (auf dem Titelblatt als dritte bezeichnet). Sie ist für vier Singstimmen mit Orchesterbegleitung geschrieben, Herrn Holzer »zur freundlichen Erinnerung« gewidmet und als op. 48 bei Diabelli im Stich erschienen.

12

Das Magnificat ist für Solo und gemischten Chor mit Instrumentalbegleitung (Violine, Viola, Oboe, Fagott, Trompete, Pauke) und Orgel componirt. Es beginnt mit einem Chor (Allegro maestoso 4/4) Magnificat anima mea Dominum etc., auf diesen folgt ein Soloquartett (Andante 3/4) Deposuit potentes de sede etc. und aus dasselbe als Schluß ein Chor gemischter Stimmen mit Soloquartett (Allegro vivace 3/4) Gloria patri et filio et spiritui sancto Amen. Das Autograf mit dem Datum 25. Sept. 1816 besitzt Herr Spina.

13

Dieser umfangreiche Doppelgesang (ModeratoG-Dur 4/4) ist von Violine, Viola, Oboe, Fagott, Cello und Contrabaß begleitet. Die Textworte lauten:Auguste jam coelestium Divis recepte sedibus dignare te colestium piis adesse mentibus. Omnem per orbem gloriae tuae eriguntur simbola. Per te impetratae gloriae ubique stant insignia. – Das Autograf besitzt Herr Spina.

14

Das Requiem reicht bis (einschließlich) zur Fuge des Kyrie.

15

Klopstocks Halleluja (dreistimmig) in Lief. 41 enthalten, und ein Salve regina.

16

Das Stabat mater trägt das Datum Februar 1816. Die Instrumentalbegleitung besteht aus Violinen, Viola, Oboe, Posaunen und Contrabaß. – Im Jahre 1841 wurde es in Wien im Musikvereinssaal aufgeführt, wobei Staudigl, Lutz und Frl. Tuczek die Solo sangen. Im Jahre 1858 brachte die Wiener Singakademie das Terzett mit Chor zu Gehör; am 3. April 1863 kam es in der Altlerchenfelderkirche in Wien vollständig zur Aufführung.

17

Die C-Moll-Sinfonie, componirt im April, besteht aus vier Sätzen: einer Einleitung Adagio molto 3/4 mit daran sich schließendem Allegro, einem Andante (As-Dur 2/4), einem Menuett mit Trio (Allegro vivace Es-Dur 3/4) und dem Finale (Allegro C-Moll 4/4); jene in B hat ebenfalls vier Sätze: ein Largo und Allegro, ein Andante, Menuett und Finale. – Der zweite Satz der C-Moll-Sinfonie kam am 2. Dec. 1860 in einem Gesellschaftsconcert in Wien als sinfonisches Fragment zur Aufführung. – Eine Copie derB-Sinfonie besitzt der Wiener Musikverein, eine Abschrift von jener in C-Moll Dr. Schneider.

18

Das Autograf der B-Ouverture besitzt Dr. Schneider in Wien.

19

Von Hatwig übersiedelte die Gesellschaft noch in die Wohnung des Spediteurs Anton Pettenkoffer (am Bauernmarkt). Als dieser Wien verließ und kein geeignetes Locale unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, löste sich der Verein auf. – Zu den ständigen Mitgliedern zahlten in den Jahren 1815–1818 auch Ferdinand und Franz Schubert (letzterer als Altviolaspieler) und Josef Doppler (Fagott); Ferd. Bogner (Flöte) wirkte hie und da mit, desgleichen betheiligten sich als Gesangssolisten: v. Gymnich, Goetz, Tieze und Frl. Josefine und Babette Fröhlich. – S. Aufsätze über das musikalische Altwien von Dr. L. v. Sonnleithner in den »Recensionen« Jahrgang 1862.

20

Das Autograf besitzt Dr. Schneider.

21

In demselben Jahre (1816) erschienen: Die Freunde zu Syrakus, neues Schauspiel in Jamben und 5 Acten, von Elise Bürger (geb. Hahn), von welchem Proben in der Wiener Theaterzeitung (Sept. 1816) abgedruckt sind.

22

Moeros singt u.a. folgende Verse:

Muß ich fühlen in tiefer Brust!

Tiefes Elend, tiefe Schmach,

Und mit dieser Rachelust!

Und ich bin so klein und schwach!

Feste gibt es heute wieder

Bei dem König an dem Hof,

Uebermuth singt üpp'ge Lieder

Bei den Prassern zu dem Soff u.s.w.

23

Der Chor gibt nachstehenden Unsinn zum Besten:

Auf löscht ihm (dem Etna) die schmachtende Qual,

Erfrischt ihm den brändigen glühenden Mund

Mit purpurner Welle bis auf den Grund.

Er labe die brennende Sonne einmal

Und singe bachantische Lieder. –

Es lebe der meuter'sche Thor,

Er zieret das Kreuz mit dem schönen Leib.

Er stellet die Fülle vor;

Und langet und presset das lüsterne Weib,

Sie möchte ihn gerne für sich befreien;

Er lebe gesund und stark, der Blüten nur schmauset,

Nicht Krankheit und Pest.

Er muß sich dem Henkertod weih'n.

Er sei ihm ein Opfer, ein herrliches Fest.

Wir schauen's noch heute am Kreuze vollbracht.

24

Diese Gnade dank' ich dir,

Werd' sie stets dir denken,

Und ich eile froh von hier,

Mein Geschäft zu lenken.

25

Ob er wohl zurückkehrt?

Ich kann es nicht glauben,

Die That wär unerhört,

Sie ist gar nicht zu glauben.

26

Anna.

Du gehst in Kerker – du,

Du eilst in Kerker – du,

Zur finstern Kerkersnacht hinab,

Das geht nimmer rechtlich zu.

Theages.

Geliebtes Weib gib dich in Ruh

Ich geh in den Kerker, doch nicht zum Grab!

Anna.

Nein, nein, das war noch nicht erhört,

Das geht nicht an, du bürgst ihn nicht u.s.w.

27

Anna sagt bei dieser Gelegenheit:

Die rauhen Männer führen ihn

Zum finstern Kerkersort,

Er klirrt in Ketten fort,

28

Ja so sind wir ganz verlassen,

Statt des Freundes muß er sterben,

Herzlich muß ich Moeros hassen,

Da wir alle nun verderben.

29

Dahin gehören: Ein Streichquartett in F, ein Streichtrio, ein Violinconcert in D, ein Rondo für die Violine in A, eine Claviersonate in F, ein Adagio undRondo concertant für Pianoforte, der erste Satz und der Anfang eines Allegro einer Claviersonate in E, zwei Märsche für Pianoforte in E-Dur und H-Moll. Märsche mit Trio in E-Dur, zwölf Deutsche mit Coda und sechs Ecossaisen. Auf den letzteren findet sich, von Schuberts Hand geschrieben, die Bemerkung: Als Arrestant in meinem Zimmer in Erdberg componirt. Mai. Am Schluß stehen die Worte: Gott sei Dank! – Da Witteczek, Mayrhofer und Spaun einige Zeit hindurch in Erdberg wohnten, so hängt die Arrestantengeschichte wahrscheinlich mit einem Scherz zusammen, den diese sich mit Franz erlaubten, als er bei ihnen zu Besuch war. – Ferd. Schubert, in dessen Aufzeichnungen die hier genannten Compositionen sich vorfinden, erwähnt auch einer Sinfonie in C (componirt im September), von welcher aber keine Spur vorhanden ist. Die drei Sonatinen für Clavier und Violine (op. 137) gehören ebenfalls dieser Zeit an.

30

Erschien im J. 1839 als Beilage der »Neue Zeitschrift für Musik.«

31

Das »Trinklied« erschien im Jahre 1844 bei Mecchetti als Beilage der Wiener Musikzeitung.

32

Die Autografe von »Geistertanz« und »Am Seegestade« besitzt Herr A. Stadler in Wien.

33

Das Original des »Wanderer« ist in Händen des Dr. Carl Enderes in Wien. Es trägt das Datum October 1816. Der Tag der Composition ist, wie es scheint von Schubert, durchstrichen; ebenso sind in der Clavierbegleitung einige Stellen durch dicke Striche unkenntlich gemacht, und an ihrer Statt von Schubert eine andere Begleitung beigefügt worden. Auf das Gedicht des Lübeckers Georg Filipp Schmidt (geb. 1766, gest. 1849) machte ihn der Geistliche Horni in Wien aufmerksam, der es wahrscheinlich in den, von Deinhartstein im Jahre 1815 herausgegebenen »Dichtungen für Kunstredner« vorfand, wo es als »Der Unglückliche« von Werner bezeichnet ist, daher Schubert auf das Original schrieb: Von Zacharias Werner.

34

Das Gedicht ist Lunz – der Name eines in Niederösterreich im Oetschergebiet gelegenen Ortes – überschrieben und beginnt:

Ueber die Berge

Zieht ihr fort,

Kommt an manchen

Grünen Ort;

Muß zurücke

Ganz allein,

Lebet wohl,

Es muß so sein u.s.w.

35

Der bekannte Autografensammler Alois Fuchs bemerkt in seinen Schubertiana: Vor einigen Jahren fand ich zufällig bei einem Autografensammler in Wien das Fragment eines von Franz Schubert eigenhändig geführten Tagebuches, woran aber bereits mehrere Blätter fehlten. Auf meine Frage, wohin das Mangelnde gekommen sei, erwiderte mir der unglückliche Besitzer dieser Reliquie, daß er bereits seit geraumer Zeit einzelne Blätter dieser Handschrift an Schubertianer oder Autografensammler vertheilt habe. Nachdem ich über diesen Vandalismus meine Entrüstung geäußert, war ich bemüht, den Rest in folgenden Blättchen zu salviren. – Das Autograf des Tagebuchfragmentes besitzt Herr G. Petter in Wien.

36

Martin Schlesinger, geb. 1751 zu Wildenschwert in Böhmen, gest. in Wien am 12. August 1818, war ein vortrefflicher Violinspieler. Von seinen Compositionen sind wenige, und zwar unbedeutende im Druck erschienen.

37

Weinmüller (Carl), wurde 1765 in der Nähe von Augsburg geboren. Anfangs mit wandernden Theatergesellschaften herumziehend, ließ er sich um 1795 bleibend in Wien nieder, wo er, von Stufe zu Stufe steigend, bald der auserkorne Liebling des Publikums wurde. Er war im Besitz einer herrlichen Baßstimme, und seelenvoller, zum Herzen dringender Deklamation. Auch als Hofcapellsänger excellirte er. Um 1825 trat er in Pension und starb im März 1828 in seiner Villa in Döbling.

38

Jesus in der Vorhölle.

39

Prometheus.

40

Das Original dieses Attestes ist in meinem Besitz; die übrigen Daten sind Actenstücken der ehemaligen n.ö. Regierung entnommen, welche mir von dem Herrn Statthalterei-Vicepräsidenten Riedl von Riedenau freundlichst mitgetheilt wurden.

41

Eine Art Kreisamt; wurde 1819 aufgelöst.

42

Dessen bereits erwähnt wurde.

43

Salieri schlug einen gewissen Jacob Schaufl als den für die Laibacher Lehrerstelle geeignetsten vor.

44

In Nr. 42 Jahrgang 1847 der Wiener »Sonntagsblätter« erzählt Ferd. Nic. Schmidtler ein Geschichtchen aus dem Lichtenthal, wornach Schubert in Folge einer tüchtigen Ohrfeige, die er einem etwas begriffstützigen Schulmädchen applicirt, mit dem darüber ungehaltenen Vater eine heftige Scene bestanden, und von diesem endlich die licentia abeundi erhalten habe, worauf Franz das Lehramt aufgab. Ob und wie viel an der Erzählung Wahres, ist mir nicht bekannt geworden.

45

Obige Daten verdanke ich einer Mittheilung des Herrn von Schober. – Da Schubert sich im Schuljahr 1816 (laut Regierungs-Attest) noch in des Vaters Dienst befunden, Herr von Schober das Jahr 1817 in Schweden zugebracht, und Mayrhofer erst im Jahre 1819 gemeinschaftlich mit dem Tondichter gewohnt hat, so erscheinen Schobers Angaben, insoweit sie bestimmte Zeitabschnitte betreffen, mit diesen Thatsachen schwer in Einklang zu bringen.

46

Schubert pflegte das Bognersche Kaffeehaus in der Singerstraße zu besuchen, wo es einem Marqueur gelang, durch die komische Art, mit der er die von den Gästen gemachten Bestellungen in die Kaffeeküche hineinrief, Schubert's Lachmuskeln jedesmal in fieberhafte Bewegung zu versetzen.

47

Mayrhofer wohnte im Jahre 1816 in der Wipplingerstraße Nr. 420, im darauf folgenden Jahr (mit Spaun) in der Erdberggasse Nr. 97. Im Jahre 1818 kehrte er wieder nach 420 zurück, wo er (mit Schubert) bis 1821 blieb, und dann in das Haus Nr. 389 (ebenfalls Wipplingerstraße) zog.

48

Schubert wohnte zunächst bei Schober (Landskrongasse, später Göttweiherhof), dann bei Mayrhofer, Wipplingerstraße, sodann (1821 bis 1823) wieder bei Schober (Tuchlauben neben dem Musikverein), in den Jahren 1824–1826 auf der Wieden neben der Carlskirche Nr. 100, von 1826 auf 1827 in einem Hause auf der Carolinenthor-Bastei, dann abermals bei Schober (Bäckerstraße, Währing, Tuchlauben) und endlich vom September 1828 an bei seinem Bruder Ferdinand, neue Wieden Nr. 694, wo er starb.

49

Von hervorragenden Theilnehmern an den geselligen Zusammenkünften (Schubertiaden) sind noch Moriz v. Schwind, Bauernfeld, Spaun und Franz v. Schober am Leben. – Letzterer begab sich nach Schubert's Tod (zu Anfang der Dreißigerjahre) für einige Zeit nach Ungarn auf eine Herrschaft des Grafen L. Festetics, kehrte nach dem, 1833 erfolgten Tod seiner Mutter wieder nach Wien zurück, wo er die Verwaltung eines in der Nähe der Residenz gelegenen Gutes übernahm. Nachdem er später Italien und Frankreich bereist hatte, trat er als Legationsrath in die Dienste des Großherzogs von Weimar, übersiedelte aber um 1856 nach Dresden, wo er bis jetzt seinen Aufenthalt genommen hat. Die Familie Schober wurde 1801 in den österreichischen Adelstand erhoben. Eine Schwester Franz v. Schober's war an den berühmten Sänger Siboni verheirathet. – Schober's Gedichte, von welchen Schubert eine nicht unbedeutende Anzahl in Musik gesetzt hat, erschienen 1840 bei Cotta.

Quelle:
Kreissle von Hellborn, Heinrich: Franz Schubert. Wien: Carl Gerold's Sohn, 1865, S. 78-111.
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