An Felix.

Ein Strahl, ein Strahl aus Deinen Feueraugen,

Und kühn und fessellos schlägt meine Brust –

Sie eilt, sich tief in's Wonnemeer zu tauchen,

Ringt sich empor zu höchster Sonnenlust.

Ein frohes Lied, Begeist'rung soll es hauchen,

Des Heil'gen Nähe liebend sich bewusst –

So drängt und treibt zu dem gewagten Spiele

Ein schöpfungsreicher Schauer der Gefühle.


Nicht Dir allein, o Felix, glüht dies Feuer,

Der Musen Liebling und des Glückes Sohn!

Wohl bist dem Herzen Du unendlich theuer

Und reiche Kraft erwarte reichen Lohn.

Doch schau empor, Du Gottes Vielgetreuer,

Empor, empor zur Schönheit ew'gem Thron.

Von dorther braust die Quelle Deiner Lieder

Und sammelt sich in Deinen Tönen wieder.


Heil uns, das Schöne lebt! und Dich vor Allen

Erkor zum Träger dieses Lebens Gott –

Vernichtung droht' der Geisterwelt, verfallen

In leeren Tand trieb sie mit Heil'gem Spott,

Da schwurst Du mit des Kindes erstem Lallen

Dem Nichtigen, dem Flachen ewig Tod,

Und was zur Wiege Engel Dir gesungen,

Ist freudig nun in alle Welt erklungen.


An Dir hält fest, wen noch entzückt das Schöne,

Du letzter Spross aus jener grossen Zeit,

Wo noch vereint die ächten Göttersöhne

Sich fest umschlangen, gleichem Dienst geweiht.

Du stehst allein! Doch in dem Reich der Töne

Erschliessest Du uns neu die Ewigkeit.

Ein tiefer Ernst in Deiner Augen Blitzen

Trägt uns empor zu Gottes ewigen Sitzen.[15]


Doch diesen Ernst, wie weisst Du ihn zu mildern,

Wie sanft umweht uns Deines Geistes Flug,

Wie schmückst Du uns mit anmuthsvollen Bildern

Die schöne Bahn, die Dich zum Ziele trug!

Dies Wohlgefühl, wer wagt es je zu schildern,

Das voll und stark in aller Herzen schlug.

So oft mit zauberischen Fantasieen

Du strebtest uns in's Feeenreich zu ziehen!


Und jenen Geist, der mit Titanen-Händen

Die Erde mit dem Himmel kühn verband,

Der nur die freien Blicke mochte senden

Hinauf in's wahre Geistervaterland,

Wo Cherubim jetzt seinen Sang vollenden,1

Du bist es, der zuerst ihn ganz erkannt;

Du giebst ihn uns in seinen Werken wieder

Und segnend schaut der Meister auf Dich nieder.


Und jetzt, wo in des heil'gen Tempels Hallen

Voll Kraft und Milde tönt der Preisgesang,

Der mit des Künstlers edel glüh'ndem Wallen

Sich einst aus Händels grosser Seele rang –2

Dir, Herrlichster, Dir danken wir vor Allen,

Wenn Grosses auch der schwachen Kraft gelang,

Und jedes Herz ist froh Dir zugewendet,

Der muthig all' dies Herrliche vollendet.


So wirst Du auch des Herzens Drang vergeben

Der keck und vorlaut zu dem Meister trat,

Denn es erglüht zu froh bewegtem Leben

Wem einmal Du in Lieb' und Ernst genaht.

Entfalten muss sich auch das jüngste Streben

Und wie es mag, gestalten sich zur That. –

So gönnst Du auch der unscheinbaren Blume

Die Stätte wohl in Deinem Heiligthume.


1

Beethoven.

2

Nach der ersten Aufführung des Messias von Händel in der erleuchteten Paulinerkirche unter Mendelssohn's Direction am 16. November 1837.

Quelle:
Lampadius, Wilhelm Adolf: Felix Mendelssohn Bartholdy. Ein Gesammtbild seines Lebens und Wirkens. Leipzig: Leuckart, 1886., S. 1.
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