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»Wien hat den großen Meister einst begraben,
An dem sich müde zeugte ein Jahrhundert,
Den nur der Herr nach tausend Jahren sendet.
Wo ist die Ruhestatt, die sie ihm gaben?
Das Monument? – Sie haben,
Fürwahr, sie haben keines ihm geschichtet!
Gut machen müsset ihr, was eure Ahnen
Verbrochen an des Künstlers heil'gen Manen –
Ihr ehret Euch, wenn ihr es ihm errichtet;
Doch bald, daß nicht des Meisters Geist erscheine
Und furchtbar mahne, wie der Gast aus Steine.« –
So sang der Dichter L.A. Frankl im Jahre 1835 – und das Jahr 1842 hat diesem Vorwurfe eine glänzende monumentale Widerlegung entgegen gestellt. Somit hat die Gegenwart die verjährte Schuld des Dankes und Preises an Mozart abgetragen, und endlich die oft wiederholte Rüge, daß dem hohen Genius des Tonfürsten kein Monument geweiht sei, auf schöne Weise beseitigt. – Da es sich alle Nationen jetzt zur Pflicht machen, ihre großen Geister vergangener Tage durch Denkmäler zu feiern – so war es nachgerade an der Zeit, auch den Meister durch ein Standbild zu ehren, der so mächtig in die Geschichte der Tonkunst eingriff, und einen Weg angab, der in unsern Tagen leider so wenig betreten wird. So ist auch wohl dieses Monument hervorgegangen aus dem Geiste unserer Zeit, in der man den großen Männern der Wissenschaften und Künste so gerne Denkmäler errichtet, als wolle man alle die Geister aus ihren Gräbern heraufbeschwören, welche sich durch Thatkraft, wahre Poesie und Ernst der Gesinnung auszeichneten, damit sie mahnend und weckend in unsere materielle, verflachte und blasirte Gegenwart hereinschauen. Man stellt ihre Bildsäulen auf öffentliche Märkte und Plätze hin, daß sie von ihren Piedestalen herab lautlose und doch eindringliche Standreden halten; daß sie sichtbare Wahrzeichen seien, was uns Noth thue; daß sie als eherne Wegweiser dastehen, die nach dem[3] rechten Pfade in Kunst, Wissen und Leben hinzeigen, damit es nicht dahin komme, daß uns ihr Streben und ihre Werke fremde und unverstandene Hieroglyphen werden. – Und gerade Mozarts Verherrlichung ward jetzt ein Bedürfniß – da die Musik in unserer Zeit so sehr im Argen liegt, und der lauten glänzenden Anerkennung ihres weihevollsten Priesters bedarf, um aus ihren krankhaften Fieberträumen aufgeweckt zu werden.
Mozarts Standbild möge also dreifachen Zweck erfüllen: unsern Dank und unsere Bewunderung seiner Schöpfungen der Nachwelt überliefern, als Palladium die heiligen Interessen der Tonkunst wahren, und der Vaterstadt eine bedeutsame Zierde sein. –
Keinen würdigeren Ort hätte man wählen können für das Denkmal des hochromantischen Tondichters als seine Vaterstadt, das hochromantische Salzburg mit seinen historischen Erinnerungen und wunderreichen Mährchen, die gespenstig aus den Marmoraugen seiner alten Paläste und Monumente hervorlugen und in den Hünengräbern seiner Berge spucken – dieses deutsche Rom, das in seiner himmlischen Natur wie ein Diamant in smaragdener Schale liegt. – Und dort auf dem weiten Platze, wo das Haus steht, in welchem Constanze Mozart vor wenigen Monden starb, um mit ihrem verklärten Manne vereint von Jenseits auf dessen irdische Apotheose herabzuschauen; wo vom nahen Dome oft Mozarts heilige Harmonien herüber tönen; wo die grünen Berge den malerischsten Hintergrund bilden – dort erhebt sich nun ein schöner Marmorbau, auf dem Mozarts glänzendes Erzbild wie eine verkörperte Vision in die blaue Luft emporragt.
In diesem Denkmale besitzt jetzt Salzburg eines der herrlichsten Monumente moderner Plastik. So poetisch und plastisch schön das Modell des genialen Schwanthaler ist, so gelungen und kunstvollendet ist der Erzguß des trefflichen Stiegelmaier. Die Statue stellt Mozart im Costüme seiner Zeit dar, das von dem darüber geworfenen Mantel größtentheils bedeckt wird; der Kopf ist nach dem Dome zu links, die Augen sind himmelwärts gewendet, der linke Fuß ruht auf einem Felsstück. Das Gesicht ist[4] nach dem einzig getreuen Wachsbildnisse Mozarts von Posch (im Besitze des Sohnes W.A. Mozart) portraitirt, und gibt die charakteristischen Gesichtszüge Mozarts in idealer Verklärung, und den Ausdruck von milder Hoheit und frommer Begeisterung in meisterhafter Darstellung. Figur und Drapperien sind in artistischer Hinsicht so großartig und schön gedacht und durchgeführt, als man es nur von einem Meister wie Schwanthaler erwarten kann. – Auf den vier Feldern des mittleren Marmorwürfels des Piedestales sieht man erzgegossene Reliefs – Allegorien, die des großen Sängers Schaffen und Wirken bezeichnen. Das vordere Relief stellt die Kirchenmusik dar – ein himmelwärts schwebender Engel mit der Orgel. Das linke Seitenfeld enthält eine Gruppe von drei Figuren – die Concertmusik bedeutend. Auf der Rückseite zeigt sich ein Adler, welcher mit der Leyer emporfliegt – das Symbol des Dichterfluges des hohen Genius. Das rechte Seitenfeld repräsentirt die dramatische Tonkunst – vor Lyra und Maske reicht die Personification der romantischen Musik der classischen Muse die Hand; diese beiden Gestalten, vorzüglich die letztere, sind in Charakteristik und Ausführung besonders ausgezeichnet. Als Inschrift trägt das Monument nur einfach den Namen »Mozart« – dieser Name allein ist ja schon ein Stück Kunstgeschichte.1 –
Hoch und erhaben steht jetzt das Denkmal in der Mitte Salzburgs, einfach und groß als eine Wahrheit – und Mozart ist ja die Wahrheit in der Musik! Zu diesem Standbilde sollten alle Musiker wallfahrten, wie zum Grabe ihres Propheten, sollten auf das Alpha und Omega seiner Lehre, auf Wahrheit und Schönheit schwören; und dann gekräftigt, als echte Streiter der wahren Kunst, gegen die moderne Lüge und Uebertreibung in der Musik ankämpfen. Dieß war gewiß auch der Sinn, den der edle Künstler Schwanthaler in Mozarts Statue legen wollte. Er hat ja Mozart dargestellt, wie er auf dem Gipfel des heiligen Berges[5] steht, den Seherblick aufwärts gewendet zum ewigen Gott, dem er seine weihevollen Lieder gesungen, dessen Engelschören er seine heiligen Gesänge abgelauscht hat; seine rechte Hand hält noch den Griffel, mit dem er seine unsterblichen Poesien in die Herzen fühlender Menschen grub; seine linke zeigt das schönste Blatt seines gottbegeisterten Schwanengesanges: »Tuba mirum spargens sonum.« Dieses Blatt ist sein vollgültiger Paß in die Ewigkeit, in das Land, dessen Wunderharmonien er uns traumwahr und himmelsreif enthüllte. Zu seinen Füßen liegt der Lorbeerkranz – er soll ja nicht seine hohe Stirne drücken, die das ironische Schicksal im Leben mit der Dornenkrone umgab; nicht sein Haupt, das nie nach Ruhm geizte, sondern allein dichtete, weil und was ihm der Gott in seinem Herzen eingab. So steht sein Denkmal da, wie ein schönes Mährchen aus Erz und Marmor; Mozart, das schönste Mährchen in der Tongeschichte, nein, kein Mährchen – die schönste Wahrheit! Wie Orpheus durch den Klang seiner Leyer Tempel baute – so bauten Mozarts Harmonien ihrem Dichter dieses Monument. Wie man sonst zum Grabe eines großen Mannes wallfahrtet, so muß man zu Mozarts lebenvollem Standbilde pilgern, das ihn in seiner Vollendung, in seiner Seligwerdung, das letzte Blatt seines Lebens enthaltend, darstellt. Ein poetischer Zufall wollte es, daß man sein Grab nicht kennt: wozu braucht auch er, der ewig leben wild, ein Grab? und somit umfängt Salzburg seine Wiege und seine Verklärung, die Erinnerung an die erste und an die letzte Stunde seines Erdenwallens. – Nicht für alle hat Mozart noch gelebt; aber es wird eine Zeit kommen, da wird er Allen aus seinem Geiste wiedergeboren, und Alle werden ihn verstehen und verehren – und diese Zeit ist nicht mehr ferne. Er ist ja der große Dichter, dessen Sprache alle Völker verstehen – weil er in der Seele Muttersprache, in Tönen, dichtete. – Vom Herzen kam seine Musik, darum dringt sie auch zum Herzen. So lange man Gott in Harmonien Hymnen darbringt, so lange Thalia in Melodien spricht, so lange die Menschen an Sang und Lied sich erfreuen – wird Mozart leben und herrschen.[6]
Bald stieg er in die Tiefe der Menschenbrust hinab, der Liebe und der Leidenschaften Sprache heraufzubeschwören; bald verrieth er uns den heiligen Gesang der Engel in gottseligen Weisen; bald führte er uns aus des Orkus Tiefe der Dämonen Reigen vor. Ein musikalischer Dante dichtete er uns in seinen Tonwerken eine zweite divina comedia, von Paradiese im glücklichen Menschenherzen an bis zum Posaunenruf des Weltgerichts – eine echtchristliche divina comedia, worin die Liebe versöhnt, vermittelt, beseligt, heiligt. – Welche Welt von erhabenen Melodien mag noch in seiner Brust geschlummert haben, als der Tod zu früh die Saiten seiner Zauberharfe zerriß, und ihn hinüberrief in das Vaterland der Harmonien, wo er jetzt den längst von ihm geahnten Sphärenklängen lauscht, die schon in seiner Brust als Erdenpilger ein unbewußtes Echo fanden.
Mozart war der reinste Genius des Dreiklanges: Wahrheit, Einheit und Schönheit, sie strömen seine Werke in ewig frischen Tonwellen aus, und bilden über seinem Haupte den himmlischen Regenbogen der Verklärung.
1 | Für eine strenge und in die Details dieses Kunstwerkes eingehende Kritik ist natürlich in diesen Blättern nicht der passende Platz. M. |
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