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[135] Aus einem Briefe von Georg August von Griesinger1

(1844)


In einem Hefte von Wielands Deutscher Merkur2 vom Jahre 1808 stand eine Rüge, daß niemand wisse, wo Mozart begraben sei, obschon er selbst[135] auf den Tod eines Papageis ein Lied komponiert habe.3 Ich las diese Stelle der Witwe Mozarts vor, die ich bei ihrem zweiten Gemahl,4 dem k. dänischen Geschäftsträger v. Nissen, sehr oft sah, und befragte sie, ob sie nicht geneigt wäre, mit mir auf den St. Marxer Gottesacker zu fahren, um die Grabstätte ihres Gatten auszuforschen. Sie zeigte sich sehr bereitwillig, und wir fuhren also in Begleitung ihres im vergangenen Sommer auch verstorbenen Sohnes Wolfgang hinaus.5 Sehr wohl erinnere ich mich der Äußerung der Wittwe, daß, wenn es auf den hiesigen Friedhöfen wie an manchen Orten im Gebrauch wäre, die Gebeine der Verwesten zu sammeln und aufzustellen, sie den Schädel ihres Mannes aus Tausenden wiedererkennen würde.

Auf dem Gottesacker angekommen, erfuhren wir, daß der Totengräber, dem dieses Geschäft i.J. 1791 oblag6, schon seit längerer Zeit gestorben sei, daß die Gräber von dem gedachten Jahre bereits wieder umgegraben worden wären, und daß man die zum Vorscheine kommenden Gebeine nicht aufzuhäufen, sondern wieder in die Erde einzuscharren pflege. Es bliebe also nichts übrig als sich nach den Reihen zu erkundigen, in denen i.J. 1791 die Ruhestätten der Toten bereitet wurden. Nur diese konnte uns der Totengräber angeben, nämlich die dritte und vierte, wenn man von dem Monumentalkreuze, das mitten auf der Höhe des Gottesackers aufgerichtet ist, herabkommt.

Ein genügenderes Ergebnis war nicht zu erlangen. Ich habe es in Wielands Deutschen Merkur einrücken lassen, aus dem es in die Vaterländischen Blätter gekommen sein wird.7

Fußnoten

1 G.A.v. Griesinger (1769–1845), seit 1804 Legationsrat der Sächsischen Gesandtschaft in Wien, bekannt als Freund und einer der ersten Biographen Baydns (Biographische Notizen über Joseph Haydn, Leipzig 1810).


2 Ein Irrtum; es handelt sich um die »Anfragen, Mozart betreffend«, die in den »Vaterländischen Blättern für den österreichischen Kaiserstaat«, I. Bd., S. 211 (1808), erschienen waren. Diese Anfragen greifen auf eine frühere »Anfrage, Mozart betreffend« zurück, die im Neuen Deutschen Merkur (Bd. III, 9. Stück) im September 1799 veröffentlicht worden war. Das Grab (Massengrab) war damals bereits zerstört. Alle späteren Nachforschungen waren also von vornherein ergebnislos.


3 Gemeint ist Mozarts Gedicht: »Hier ruht ein lieber Narr, mein Vogel Star ...« (1787); zu finden im 2. Bande der Mozart-Biographie von Arthur Schurig.


4 1808 war Konstanze noch nicht Frau v. Nissen!


5 Wolfgang verließ Wien im Oktober 1808; folglich muß der Friedhofsbesuch im Sommer 1808 stattgefunden haben.


6 Vgl. zu der Grabesfrage den Anhang II in der Mozart-Biographie von Arthur Schurig (Erstausgabe Bd. II, S. 348–352). Die dortige Angabe (S. 348), Konstanze habe 1809 das Grab ihres Mannes gesucht, ist nach Griesingers Bericht zu ändern. Ebenso ändert sich S. 349 die Angabe, daß die Massengräber alle 10 Jahre zerstört worden wären. Der Name des Totengräbers von 1791 ist nicht bekannt. Betont sei auch an dieser Stelle, daß der im Mozart-Museum seit 1901 aufgestellte und leider noch immer nicht beseitigteangebliche Schädel Mozarts unecht ist.


7 Griesinger irrt hier; im Deutschen Merkur steht keine Notiz hierüber, sondern lediglich in den Vaterländischen Blättern, Jahrgang 1808, S. 252.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 136.
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