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[58] Original: im Mozarteum


An Karl Mozart in Mailand


Wien, am 17. Januar 1810.


Lieber Karl!


Meine Antwort auf Deinen Brief vom 30. Dber fängt damit an, Dir zu sagen, wie weh es mir thut, von Dir zu hören, daß Du noch immer an Zahn- und Ohrenschmerzen leidest. Ich habe die schrecklichste Vorstellung davon, obwohl ich, Gott sey es gedanckt, nie daran gelitten habe. Sollte denn gar kein Heilungsmittel für Dich dagegen seyn? Wärst Du bey mir, so wäre Dir gewiß schon geholfen, denn ich glaube, daß Haußmittel hierin oft am besten thuen. Du mußt Dirs durch eine starcke Verkältung zugezogen haben. Ich werde einmahl mit Dr. Martini davon sprechen und Dir Nachricht davon geben. Und nun zur Beantwortung Deines Briefes![58]

Dein gütiger Vater hat schon nach Deinem Wunsche an den bewußten Herrn geschrieben, wovon ich Dir Copie beylege, welche Du aber sogleich nach Durchlesung zerreißen mußt. Ich lege Dir sie nur deswegen bey, weil ich weiß, wie angenehm es einem ist, zu wißen, was man von einem sagt.

Die Copie der Stücke in Partitur von der Clemenza di Tito [von W.A. Mozart] wirst Du auch mit nächstem Postwagen erhalten; auch die Introtuzion von Winter1, welche mir sehr gelobt wurde, die ich aber gar nicht kenne. Sie soll aber nur mit deutschem Texte seyn. Du wirst also für die Übersetzung desselben sorgen. Die Copeatur kommt gegen 25 Gulden, welche Du mir ersetzen mußt. Was die Preiße der Pianoforte betrift, muß ich Dir sagen, daß sie jetzt so hoch stehen, daß ich nicht glaube, daß Du Dir eins kaufen kannst. Das letzte, was ich in Comision von Stein2 kaufte und welche ich für die Besten erkenne, kostete 800 Gulden. Nun sind sie aber des schlechten Curs wegen mehr als um die Hälfte gestiegen. Bey nächster Gelegenheit sollst Du die Lista der Preiße wegen bekomen. Nun will ich Dir aber das Opfer bringen, Dir, wenn es sich thuen lässt, das3 von Deinem Vater zu schicken. Es ist noch so gut wie es war, und ich möchte sagen, noch beßer als es war, erstens weil ich sehr acht darauf gab, und zweitens weil Walter, von dem es ist, so freundschaftlich war, mirs einmahl wieder ganz neu zu befüttern und herzustellen. Ich hatte es seither vielmahl verkaufen können; allein ich habe es so lieb wie meine Kinder und gönne es daher keinem Menschen als Dir, wenn Du mir versprichst, so acht darauf zu haben wie ich und es nie von Dir lässt. Und schließ ich in der Überzeichung, daß Dir dieser Brief viele Freude machen wird, worüber sich niemand mehr freud als Deine Dich liebende


Mutter Nißen.


[Nachschrift Nissens:] Ich grüße Sie und füge hiezu die Nachricht, daß Ihre gute Mutter, meine liebe Frau, vergessen hat, daß die Introduction, wovon die Rede ist, nicht eigens für die Clemenza componirt ist, sondern[59] daß Winter sie aus seiner Oper: Babylons Pyramiden (wovon noch ein Herr Gallus4 einen Akt componirt hat) genommen hat, und daß sie in Absicht auf die Verschwörung gegen Titus eine sehr schöne Wirkung macht.

Fußnoten

1 Peter H. Winter (1754–1825), bereits S. 39 erwähnt.


2 Andreas Stein, der Sohn und Geschäftsnachfolger von Johann Andreas Stein in Augsburg.


3 Das Instrument (Flügel-Pianoforte), aus der Werkstatt von Anton Walter in Wien, steht heute im Mozart-Museum zu Salzburg. Leopold Mozart erwähnt es in seinem Briefe aus Wien vom 12. März 1785.


4 Johann Mederitsch genannt Gallus (1765–1835), seit 1796 in Wien. Die »Pyramiden von Babylon« (eine Fortsetzung der Zauberflöte) ist erstmalig 1797 aufgeführt.


Quelle:
Mozart, Constanze: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente 1782 bis 1842. Dresden 1922, S. 60.
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