111. Mozarteum.

[189] Paris 7. Aug. 1778.

Allerliebster Freund!

Nun erlauben Sie, daß ich vor Allem mich bei Ihnen auf das Nachdrücklichste bedanke für das neue Freundschaftsstück, so Sie mir erwiesen, nemlich daß Sie sich meines liebsten Vaters so sehr angenommen, ihn so gut vorbereitet und so freundschaftlich getröstet haben [vgl. S. 162 f.]. Sie haben Ihre Rolle vortrefflich gespielt, – dies sind die eigenen Worte meines Vaters. Bester Freund! Wie kann ich Ihnen genug danken! Sie haben mir meinen besten Vater erhalten! – Ihnen habe ich ihn zu danken. Erlauben Sie also daß ich gänzlich davon abbreche und gar nicht anfange mich zu bedanken, denn ich fühle mich in der That zu schwach, zu unvollkommen, – zu unthätig dazu. Bester Freund, ich bin so immer Ihr Schuldner. Doch Geduld! – Ich bin bei meiner Ehre noch nicht im Stande Ihnen das Bewußte zu ersetzen, aber zweifeln Sie nicht, Gott wird mir die Gnade geben, daß ich mit Thaten zeigen kann, was ich mit Worten nicht auszudrücken im Stande bin. Ja das hoffe ich! – Unterdessen aber, bis ich so glücklich werde, erlauben Sie mir, daß ich Sie um die Fortsetzung Ihrer schätzbaren und werthesten Freundschaft bitten darf, und zugleich daß Sie die meinige neuerdings und auf immer annehmen, welche ich Ihnen auch mit ganz aufrichtigem gutem Herzen auf ewig zuschwöre. Sie wird Ihnen freilich nicht viel nutzen! Desto aufrichtiger und dauerhafter wird sie aber sein. Sie wissen wohl, die besten und wahrsten Freunde sind die armen. Die Reichen wissen nichts von Freundschaft! – Besonders die darinnen geboren werden, – und auch diejenigen, die das Schicksal dazu macht, verlieren sich öfters in ihren Glücksumständen! – Wenn aber ein Mann, nicht durch ein blindes sondern billiges Glück, durch Verdienste in vortheilhafte Umstände gesetzt wird, der in seinen erstern mißlichen Umständen seinen Muth niemals fallen lassen, Religion und Vertrauen auf seinen Gott gehabt hat, ein guter Christ und ehrlicher Mann war, seine wahren Freunde zu schätzen gewußt hat,[190] mit einem Wort, der ein besseres Glück wirklich verdient hat, – von so einem ist nichts Uebles zu fürchten! –

Nun will ich Ihren Brief beantworten. Jetzt werden Sie wohl alle wegen meiner Gesundheit außer Sorge sein, denn Sie müssen unterdessen 3 Briefe von mir erhalten haben, – der erste von diesen, dessen Inhalt in der traurigen Nachricht des Todes meiner seligen Mutter besteht, ist Ihnen bester Freund, eingeschlossen worden. Ich weiß es, Sie entschuldigen mich auch, wenn ich von dieser ganzen Sache schweige; meine Gedanken sind doch immer dabei. – Sie schreiben mir, ich soll jetzt nur auf meinen Vater denken, ihm aufrichtig meine Gesinnungen entdecken und mein Vertrauen auf ihn setzen. Wie unglücklich wäre ich nicht, wenn ich diese Erinnerung nöthig hätte! – Es ist sehr nützlich für mich – daß Sie mir sie machten; allein ich bin vergnügt (und Sie sind es auch) daß ich sie nicht brauche. In meinem letzten an meinen lieben Vater habe schon so viel geschrieben als ich bis dato selbst weiß, und ihn versichert, daß ich ihm allzeit alles umständlich berichten und meine Meinung aufrichtig entdecken werde, weil ich mein ganzes Vertrauen auf ihn habe und seiner väterlichen Sorge, Liebe und wahrer Güte gänzlich versichert bin – gewiß wissend daß er mir auch einmal eine Bitte, von welcher mein ganzes Glück und Vergnügen meines übrigen Lebens abhängt, und welche (wie er es auch von mir nicht anders erwarten kann) ganz gewiß billig und vernünftig ist, nicht abschlagen wird. Liebster Freund! lassen Sie dieses meinen lieben Vater nicht lesen. Sie kennen ihn, er würde sich allzeit Gedanken machen und zwar unnütz.

Nun von unserer Salzburger Historie! – Sie wissen, bester Freund, wie mir Salzburg verhaßt ist! – Nicht allein wegen den Ungerechtigkeiten, die mein lieber Vater und ich dort ausgestanden, welches schon genug wäre, um so einen Ort ganz zu vergessen und ganz aus den Gedanken zu vertilgen! – Aber lassen wir nun Alles gut sein, es soll sich Alles so schicken, daß wir gut leben können. – Gut leben und vergnügt leben ist zweierlei, und das letzte würde ich (ohne Hexerei) nicht können; es müßte wahrhaftig nicht natürlich zugehen! – und das ist nun nicht möglich, denn bei den[191] jetzigen Zeiten gibt es keine Hexen mehr. – Doch mir fällt etwas ein, es gibt so gewisse Leute in Salzburg, die da gebürtig sind und die Stadt davon wimmelt, – man darf diesen Leuten nur den ersten Buchstaben ihres wahren Namens verwechseln [Fexen, Hexen], so können sie mir behülflich sein. – Nun es mag geschehen, was will, mir wird es allzeit das größte Vergnügen sein, meinen liebsten Vater und liebste Schwester zu umarmen, und zwar je eher je lieber. Aber das kann ich doch nicht läugnen, daß mein Vergnügen und meine Freude doppelt sein würde, wenns wo anders geschähe, weil ich überall mehr Hoffnung habe vergnügt und glücklich leben zu können! – Sie werden mich vielleicht unrecht verstehen und glauben, Salzburg sei mir zu klein? – Da würden Sie sich sehr betrügen. Ich habe meinem Vater schon einige Ursachen darüber geschrieben. Unterdessen begnügen Sie sich auch mit dieser, daß Salzburg kein Ort für mein Talent ist! – Erstens sind die Leute von der Musik in keinem Ansehen, und zweitens hört man nichts; es ist kein Theater da, keine Oper! – Wenn man auch wirklich eine spielen wollte, wer würde dann singen? – Seit 5 bis 6 Jahren war die Salzburgerische Musik noch immer reich am Unnützlichen, Unnothwendigen, aber sehr arm am Nothwendigen und des Unentbehrlichsten gänzlich beraubt, wie nun gegenwärtig der Fall ist! – Die grausamen Franzosen sind nun Ursache, daß die Musik ohne Capellmeister ist!51 – Jetzt wird nun, wie ich dessen gewiß versichert bin, Ruhe und Ordnung bei der Musik herrschen! – Ja so geht es, wenn man nicht vorbauet! – Man muß allzeit ein halb Dutzend Capellmeister bereit haben, daß wenn einer fehlt, man gleich einen andern einsetzen kann. Wo jetzt einen hernehmen – und die Gefahr ist doch dringend! – Man kann die Ordnung, Ruhe und das gute Vernehmen bei der Musik nicht überhand nehmen lassen! – sonst reißt das Uebel immer weiter – und auf die letzt ist gar nicht mehr zu helfen. Sollte es denn gar keine Eselohren-Perücke, keinen Lauskopf mehr geben, der die Sache wieder in den vorigen hinkenden[192] Gang bringen könnte? – Ich werde gewiß auch mein Möglichstes dabei thun. Morgen gleich nehme ich eine Remise auf den ganzen Tag und fahre in alle Spitäler und Siechenhäuser und sehe ob ich keinen auftreiben kann. Warum war man doch so unvorsichtig und ließ den Misliweczeck so wegwischen? und war so nahe da [S. 56]. Das wäre ein Bissen gewesen; so einen bekommt man nicht so leicht wieder, der just frisch aus dem Herzog Clementischen Conservatorio herauskömmt! Und das wäre ein Mann gewesen, der die ganze Hofmusik durch seine Gegenwart in Schrecken würde gesetzt haben. – Nun, mir darf just nicht so bang sein; wo Geld ist, bekommt man Leute genug! – Meine Meinung ist daß man es nicht zu lange sollte anstehen lassen, nicht aus närrischer Furcht, man möchte etwa keinen bekommen; denn da weiß ich nur gar zu wohl, daß alle diese Herrn schon so begierig und hoffnungsvoll darauf warten, wie die Juden auf den Messias; – allein weil es nicht in diesen Umständen auszuhalten ist und folglich nothwendiger und nützlicher wäre, daß man sich um einen Capellmeister, wo nun wirklich keiner da ist, umsähe, als daß man (wie mir geschrieben worden) überall hinschreibt, um eine gute Sängerin zu bekommen.52 Ich kann es aber unmöglich glauben! – eine Sängerin, wo wir deren so viele haben! – und lauter vortreffliche. Einen Tenor, obwohl wir diesen auch nicht brauchen, wollte ich doch noch eher zugeben, aber eine Sängerin, eine Primadonna! – wo wir jetzt einen Castraten haben [Cecarelli]. Es ist wahr, die Haydn ist kränklich, sie hat ihre strenge Lebensart gar zu sehr übertrieben. Es gibt aber wenige so! – Mich wundert, daß sie durch ihr beständiges Geißeln, Peitschen, Cilicia- Tragen, übernatürliches Fasten, nächtliches Beten ihre Stimme nicht schon längst verloren hat! – Sie wird sie[193] auch noch lange behalten – und sie wird auch anstatt schlechter immer besser werden. Sollte aber endlich Gott sie unter die Zahl ihrer Heiligen setzen, so haben wir noch immer fünf, wo jede der andern den Vorzug streitig machen kann! – Nun da sehen Sie, wie unnothwendig es ist! – Ich will es nun aber aufs Aeußerste bringen! – Setzen wir den Fall, daß wir nach der weinenden Magdalena keine mehr hätten, welches doch nicht ist; aber gesetzt, eine komme jähe in Kindsnöthe, eine komme ins Zuchthaus, die dritte würde etwa ausgepeitscht, die vierte allenfalls geköpft und die fünfte holte etwa der T–? – was wäre es? – Nichts! – Wir haben ja einen Castraten. Sie wissen was das für ein Thier ist? Der kann ja hoch singen, mithin ganz vortrefflich ein Frauenzimmer abgeben. Freilich würde sich das Kapitel [vom Dom] drein legen, allein drein legen ist doch immer besser als – legen, – und man wird diesen Herrn nichts Besonderes machen. Lassen wir unterdessen immer den Hrn. Cecarelli bald Weibs- bald Manns-Person sein. – Endlich weil ich weiß, daß man bei uns die Abwechslungen, Veränderungen und Neuerungen liebt, so sehe ich ein weites Feld vor mir, dessen Ausführung Epoche machen kann.53 Meine Schwester und ich haben schon als Kinder ein wenig daran gearbeitet, was werden nicht große Leute liefern? – O wenn man generös ist, kann man alles haben, und mir ist gar nicht bang (und ich will es über mich nehmen, daß man den Metastasio von Wien kommen lassen kann oder ihm wenigstens den Antrag macht, daß er etliche Dutzend Opern verfertigt, wo der Primouomo und die Primadonna niemals zusammen kommen. Auf diese Art kann der Castrat den Liebhaber und die Liebhaberin zugleich machen und das Stück wird dadurch interessanter, indem man die Tugend der beiden Liebhaber bewundert, die so weit geht, daß sie mit allem Fleiß die Gelegenheit vermeiden, sich im Publico zu sprechen.

Da haben Sie nun die Meinung eines wahren Patrioten![194] – Machen Sie Ihr Möglichstes daß die Musik bald einen H ... bekommt, denn das ist das Nothwendigste. Einen Kopf hat sie jetzt, das ist aber eben das Unglück. Bevor nicht in diesem Stück eine Veränderung geschieht, komme ich nicht nach Salzburg. Alsdann aber will ich kommen und will umkehren, so oftv. s. [volti subito] steht.

Nun etwas vom Krieg [wegen der bayrischen Erbfolge]. Soviel ich höre, werden wir in Deutschland auch bald Frieden haben. Dem Herrn König von Preußen ist halt ein wenig bang. In Zeitungen habe ich gelesen, daß die Preußen ein kaiserliches Detachement überfallen haben, aber die Croaten und 2 Regimenter Cürassiere die in der Nähe waren und den Lärmen gehört haben, kamen den Augenblick zu Hülfe, attaquirten den Preußen, brachten ihn zwischen 2 Feuer und nahmen ihm 5 Canonen. Der Weg, den der Preuße nach Böhmen genommen hat, ist nun ganz verhauet und verhackt, daß er nicht mehr zurück kann. Die Böhmischen Bauern thun den Preußen auch gewaltigen Schaden, und bei den Preußen ist ein beständiges Desertiren. Das sind aber Sachen, die Sie längst schon und besser wissen als wir hier. Nun will ich Ihnen aber was Hiesiges schreiben. Die Franzosen haben die Engländer zum Weichen gebracht; es ist aber nicht gar zu hitzig hergegangen. Das Merkwürdigste ist, daß in Allem, Freund und Feind, 100 Mann geblieben sind. Ungeachtet dessen ist doch ein entsetzlicher Jubel hier und man hört von nichts Anderm reden. Man sagt jetzt auch, daß wir hier bald Frieden haben werden. Mir ist es einerlei, was das Hiesige betrifft; in Deutschland ist es mir aber sehr lieb, wenn bald Friede wird, aus vielen Ursachen.

Nun leben Sie wohl – – – Dero wahrer Freund und verbundenster Diener

Wolfgang Romatz.

51

Der alte Capellmeister Lolli war vor Kurzem gestorben.

52

Bullinger hatte auch, um Wolfgang desto sicherer zu gewinnen, schreiben müssen, daß der Erzbischof, da die Haydn nicht mehr genüge, eine andere Sängerin zu engagiren beabsichtige, und es wurde darauf hingedeutet, daß man seine Wahl wohl auf Aloysia Weber lenken könne. Jahn II, 307. Die Haydn war eine Tochter des Organisten Lipp und vom Erzbischof ihrer Ausbildung wegen nach Italien gesendet worden. Sie stand ihres Lebenswandels wegen nicht im besten Rufe.

53

Der Erzbischof Hieronymus liebte es im altfritzischen Aufklärungssinne mit energischer Hand Neuerungen zu machen, von denen allerdings manche nothwendig und wohlthätig genug waren.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 189-195.
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