115. Mozarteum.

[206] Straßburg 15. Oct. 1778.

Ich habe Ihre drei Briefe richtig erhalten, Ihnen aber unmöglich eher antworten können. Was Sie mir von dem Mr. Grimm geschrieben haben, weiß ich natürlicher Weise besser als Sie; es ist alles sehr höflich und gut, das weiß ich wohl, denn wenn es nicht also wäre, so hätte ich gewiß nicht so viel Ceremonien gemacht. Ich bin dem Mr. Grimm nicht mehr als 15 Louisd'or schuldig und an der Ermanglung der Wiederbezahlung ist er selbst Schuld, und das habe ich ihm auch gesagt. Nun, was nützt das Geschwätz, wir werden schon in Salzburg davon sprechen. Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie dem Padre Martini die Sache so sehr anbefohlen und auch deßwegen selbst an Mr. Raaff geschrieben. Ich habe auch niemals daran gezweifelt; denn ich weiß wohl, daß Sie es gewiß gerne sehen, wenn Ihr Sohn glücklich und vergnügt ist, und Sie wissen wohl, daß ich es nirgends besser sein kann als in München, indem ich, weil es so nahe bei Salzburg ist, Sie öfters besuchen kann. Daß die Mademoiselle Weber oder vielmehr meine liebe Weberin Besoldung bekommen und man ihr also endlich Gerechtigkeit hat widerfahren lassen, hat mich so sehr erfreut, wie man es von einem, der allen Antheil daran nimmt, erwarten kann. Ich empfehle sie Ihnen noch immer aufs Beste; doch, was ich so sehr gewünscht, darf ich leider nicht mehr hoffen, nämlich sie in Salzburgerische Dienste zu bringen, denn das, was sie oben hat, gibt ihr der Erzbischof nicht. Alles was möglich, ist etwa daß sie auf einige Zeit nach Salzburg kommt, eine Oper zu singen. Ich habe von ihrem Vater einen den Tag[206] vor seiner Abreise nach München in größter Eile geschriebenen Brief bekommen, wo er mir auch diese Neuigkeit berichtet. Die armen Leute waren alle wegen meiner in der größten Angst; sie haben geglaubt ich sei gestorben, indem sie einen ganzen Monat ohne Brief von mir waren, weil der vorletzte von mir verloren gegangen. Und sie wurden in ihrer Meinung noch mehr bestärkt, weil man in Mannheim sagte, meine selige Mutter wäre an einer erblichen Krankheit gestorben. Sie haben schon alle für meine Seele gebetet. Das arme Mädl ist alle Tage in die Kapuzinerkirche gegangen. Sie werden lachen? – Ich nicht, mich rührt es, ich kann nicht dafür.

Nun weiter. Ich glaube, ich werde ganz gewiß über Stuttgart nach Augsburg gehen, weil, wie ich aus Ihrem Brief ersehen, zu Donaueschingen nichts oder meistens nicht viel zu machen ist; doch werden Sie dieses alles durch einen Brief vor meiner Abreise von Straßburg noch erfahren. Liebster Vater! ich versichere Sie, daß wenn es mir nicht um das Vergnügen wäre, Sie bald zu umarmen, ich gewiß nicht nach Salzburg käme; denn diesen löblichen und wahren schönen Trieb ausgenommen thue ich wahrhaftig die größte Narrheit von der Welt. Glauben Sie gewiß, daß dieß meine eigenen Gedanken sind und nicht von andern Leuten entlehnte; man hat mir freilich, als man meinen Entschluß abzureisen wußte, Wahrheiten entgegengesetzt, die ich mit keinen andern Waffen zu bestreiten und zu besiegen im Stande war, als mit meiner wahren zärtlichen Liebe für meinen besten Vater, worauf man natürlich nichts anderes, als mich beloben konnte, jedoch mit dem Zusatz, daß wenn mein Vater meine jetzigen Umstände und guten Aussichten wüßte (und nicht etwa durch einen guten Freund eines Andern und zwar Falschen berichtet wäre), er mir gewiß nicht auf solche Art schreiben würde, daß ich – nicht im Stande bin im Geringsten zu widerstehen. Und ich dachte bei mir selbst, ja, wenn ich nicht so viel Verdruß in dem Hause, wo ich logirte, hätte ausstehen müssen und wenn das Ding nicht so wie ein Donnerwetter aufeinander gegangen wäre, folglich Zeit gehabt hätte die Sache recht mit kaltem Blut zu überlegen, ich Sie gewiß recht gebeten haben würde,[207] nur noch auf einige Zeit Geduld zu haben und mich noch zu Paris zu lassen. Ich versichere Sie, ich würde Ehre, Ruhm und Geld erlanget haben und Sie ganz gewiß aus Ihren Schulden gerissen haben. Nun ist es aber schon so, glauben Sie nur nicht, daß es mich reuet; denn nur Sie, liebster Vater, nur Sie können mir die Bitterkeiten von Salzburg versüßen, und Sie werden es auch thun, ich bin dessen versichert. Doch muß ich Ihnen frei gestehen, daß ich mit leichterm Herzen in Salzburg anlangen würde, wenn ich nicht wüßte, daß ich allda in Diensten bin; nur dieser Gedanke ist mir unerträglich. Betrachten Sie es selbst, setzen Sie sich in meine Person; zu Salzburg weiß ich nicht, wer ich bin, ich bin alles und bisweilen auch gar nichts. Ich verlange aber nicht gar so viel, und auch nicht gar so wenig, sondern nur etwas, – wenn ich nur etwas bin. In jedem andern Ort weiß ich es und jeder, wer zur Violin gestellt ist, der bleibt dabei, wer zum Clavier etc. Doch das wird sich alles richten lassen. Nun, ich hoffe, es wird alles zu meinem Glück und zu meiner Zufriedenheit ausfallen, ich verlasse mich ganz auf Sie.

Hier geht es sehr pauvre zu, doch werde ich übermorgen, Samstag den 17. ich ganz alleine (damit ich keine Unkosten habe) etlichen guten Freunden, Liebhabern und Kennern zu gefallen per souscription ein Concert geben, denn wenn ich Musik dabei hätte, so würde es mir mit der Illumination über 3 Louisd'or kosten, und wer weiß, ob wir so viel zusammenbringen. – Meine Sonaten müssen noch nicht gestochen sein, obwohl sie mir für Ende September versprochen waren. So geht es, wenn man nicht selbst dabei sein kann. Da ist auch wieder der eigensinnige Grimm daran Schuld. Sie werden vielleicht voll der Fehler herauskommen, weil ich sie selbst nicht habe durchsehen können, sondern einem Andern habe Commission geben müssen, und werde etwa ohne die Sonaten zu München sein. So etwas, das klein aussieht, kann oft Glück, Ehre und Geld oder aber auch Schande zuwege bringen. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 206-208.
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