122. Mozarteum.

[223] München 29. Dez. 1778.

Dieses schreibe ich in der Behausung des Hrn. Becke [des Flötisten Nr. 60 f.]. Ich bin den 25. Gott Lob und Dank glücklich hier angelangt, allein es war mir bis dato unmöglich, Ihnen zu schreiben. Ich spare mir alles, wenn ich werde das Glück und Vergnügen haben, Sie wieder mündlich zu sprechen, denn heute kann ich nichts als weinen, ich habe gar ein zu empfindsames Herz. Unterdessen gebe ich Ihnen nur Nachricht, daß ich den Tag, ehe ich von Kaisersheim abgereiset bin, meine Sonaten richtig erhalten habe, und sie folglich der Churfürstin hier selbst überreichen werde, daß ich nur abwarten werde, bis die Oper57 in Scene ist und alsdann gleich abreisen werde, ausgenommen ich befände es sehr nützlich und sehr glücklich für mich, wenn ich noch einige Zeit hier bleibe; und da weiß ich gewiß, ja ich bin gewiß[223] versichert, daß Sie nicht allein damit zufrieden, sondern mir es selbst anrathen würden. Ich habe von Natur aus eine schlechte Schrift, das wissen Sie, denn ich habe niemals schreiben gelernt, doch habe ich mein Lebtag niemals schlechter geschrieben als diesmal, denn ich kann nicht, mein Herz ist gar zu sehr zum Weinen gestimmt. Ich hoffe Sie werden mir bald schreiben und mich trösten, ich glaube, es wird am Besten sein, wenn Sie mir poste restante schreiben, da kann ich doch den Brief selbst ablangen. Ich wohne bei den Weberischen, doch besser würde es sein, ja am Besten, wenn Sie Ihre Briefe an unsern Freund Becke adressiren wollten.

Ich werde (unter uns gesagt, im größten Geheimniß) eine Messe hier schreiben, alle guten Freunde rathen es mir. Ich kann nicht beschreiben, was Cannabich und Raaff für Freunde von mir sind! Nun, leben Sie wohl, bester, liebster Vater! schreiben Sie mir bald.

Glückseliges neues Jahr! Mehr kann ich heut nicht zu Wege bringen. –

Dieser Brief ist so flüchtig wie kein anderer geschrieben und verräth die heftigste Gemüthsbewegung. Mozart hatte sich die ganze Reise hindurch auf nichts so sehr gefreut wie auf das Wiedersehen seiner lieben Weberin in München. Hatte er doch sogar dem Bäsle »eine große Rolle« dabei zugedacht. Nun aber mußte er erfahren, daß Aloysia ihm untreu geworden. »Mozart erschien«, erzählt Nissen, »wegen der Trauer über seine Mutter nach französischer Sitte in einem rothen Rock mit schwarzen Knöpfen, fand aber bei der Aloysia veränderte Gesinnung für ihn. Sie schien den um welchen sie ehedem geweint hatte, nicht mehr zu kennen. Deshalb setzte sich Mozart flugs ans Clavier und sang laut: Ich laß das Mädel gern das mich nicht will.« Dazu kam, daß der Vater über das lange Ausbleiben Wolfgangs im höchsten Grade ungehalten war, weil er fürchtete der Erzbischof werde die Anstellung widerrufen, und Wolfgang nun in große Sorge gerieth, sein geliebter Vater werde ihn zu Hause nicht freundlich empfangen.

57

Schweitzer's »Alceste«. Vgl. S. 221.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 223-224.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Mozarts Briefe
Mozarts Briefe