238. Hofapotheke in Salzburg.

[426] Wien 18. Aug. 1734.

Ma très chère soeur.

Potz Sapperment! – Jetzt ist es Zeit, daß ich schreibe, wenn ich will, daß Dich mein Brief noch als eine Vestalin antreffen soll! – Ein paar Tage später, und – weg ist's! – Meine Frau und ich wünschen Dir alles Glück und Vergnügen zu Deiner Standesveränderung und bedauern nur von Herzen, daß wir nicht so glücklich sein können bei Deiner Vermählung gegenwärtig zu sein; wir hoffen aber Dich künftiges Frühjahr ganz gewiß in Salzburg sowohl als in St. Gilgen als Frau von Sonnenburg sammt Deinem Herrn Gemahl zu umarmen. Wir bedauern nun nichts als unsern lieben Vater, welcher nun so ganz allein leben soll! – Freilich bist Du nicht weit von ihm entfernt und er kann öfters zu Dir spazieren fahren – allein jetzt ist er wieder an das verfluchte Capellhaus gebunden! – Wenn ich aber an meines Vaters Stelle wäre, so würde ich es also machen; – ich bittete den Erzbischof nun (als einen Mann, der schon so lange gedient hat) mich in meine Ruhe zu setzen – und nach erhaltener Pension ging ich zu meiner Tochter nach St. Gilgen und lebte dort ruhig. – Wollte der Erzbischof meine Bitte nicht eingehen, so begehrte ich meine Entlassung und ging zu meinem Sohn nach Wien, – und das ist's, was ich hauptsächlich Dich bitte, daß Du Dir Mühe geben möchtest ihn dazu zu bereden; – und ich habe ihm heute in dem Briefe an ihn schon das Nämliche geschrieben. Und nun schicke ich Dir noch 1000 gute Wünsche von Wien nach Salzburg, besonders, daß ihr beide so gut zusammen leben möget, als wie – wir zwei. – Drum nimm von meinem poetischen Hirnkasten einen kleinen Rath an; denn höre nur:


Du wirst im Ehstand viel erfahren,

was Dir ein halbes Räthsel war;

bald wirst Du aus Erfahrung wissen,

wie Eva einst hat handeln müssen

daß sie hernach den Kain gebar.

Doch Schwester, diese Ehstandspflichten

wirst Du von Herzen gern verrichten,

denn glaube mir, sie sind nicht schwer.[427]

Doch jede Sache hat zwo Seiten:

Der Ehstand bringt zwar viele Freuden,

allein auch Kummer bringet er.

Drum wenn Dein Mann Dir finstre Mienen,

die Du nicht glaubest zu verdienen,

in seiner übeln Laune macht:

so denke, das ist Männergrille,

und sag: Herr, es gescheh dein Wille

– – – – – – – – – – – – – – – – – –

Dein aufrichtiger Bruder

W.A. Mozart.


Am 14. September 1784 meldet der alte Mozart seiner Tochter: »Mein Sohn war in Wien sehr krank, – er schwitzte in der neuen Opera des Paisiello [Rè Teodoro, 23. Aug.] durch alle Kleider und mußte durch die kalte Luft erst den Bedienten anzutreffen suchen, der seinen Ueberrock hatte, weil unterdessen der Befehl erging keinen Bedienten durch den ordentlichen Ausgang ins Theater zu lassen. Dadurch erwischte nicht nur er ein rheumatisches Fieber, das weil man nicht gleich dazu that, in ein Faulfieber ausartete. Er schreibt: Ich habe 14 Tage nach einander zur nämlichen Stunde rasende Colik gehabt, die sich allzeit mit starkem Erbrechen gemeldet hat; nun muß ich mich entsetzlich halten. Mein Doctor ist Herr Sigmund Barisani [Sohn des erzbischöflichen Leibarztes zu Salzburg und Mozarts vertrauter Freund], der ohnehin die Zeit als er hier war, fast täglich bei mir war; er wird hier sehr gelobt, ist auch sehr geschickt, und Sie werden sehen, daß er in Kurzem sehr avanciren wird.«

Im nächsten Winter besuchte der Vater den Sohn und blieb vom 10. Februar bis zum 25. April dort, vollauf beschäftigt mit den vielen musikalischen Genüssen der Kaiserstadt, unter denen die Leistungen des eigenen Sohnes, der fast in jedem Concerte mitzuwirken hatte, weitaus die hervorragendsten waren. (Vgl. Jahn, III, 266 ff.) Damals bewog ihn auch Mozart, so wie er selbst es bereits gethan, in den Freimaurerorden einzutreten, und der Berührung von Fragen des Ordens in der Correspondenz der Beiden haben wir höchst wahrscheinlich die Vernichtung der Briefe aus dieser Zeit zuzuschreiben;[428] denn von jetzt an ist nur ein einziger Brief Mozarts an den Vater erhalten oder doch bekannt geworden.

Mozart, der, wie wir besonders aus dem Schreiben vom 5. Febr. 1783 ersahen, stets den größten Wunsch hegte, einmal wieder eine deutsche Oper zu schreiben, hatte von Mannheim aus, wo man durch die »Entführung« von Neuem auf ihn aufmerksam geworden war, von dem Theaterdichter und Dramaturgen Anton Klein einen Operntext – ohne Zweifel Rudolf von Habsburg – zugesendet bekommen. Darauf antwortet er nun in diesen Tagen der gedrängtesten Beschäftigung Folgendes:

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 426-429.
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