250. Otto Jahn.

[447] Dresden 13. April 1789.

Um 7 Uhr früh.

Liebstes bestes Weibchen!

Wir glaubten Samstags nach Tisch in Dresden zu sein, kamen aber erst gestern Sonntags um 6 Uhr Abends an; – so schlecht sind die Wege. – Ich ging gestern noch zu Neumanns [Kriegsraths-Secretär], wo Mad. Duschek wohnt, um ihr den Brief von ihrem Manne zu geben. – Es ist im dritten Stock auf dem Gange, und man sieht vom Zimmer jeden der kömmt; als ich in die Thüre kam, war schon Hr. Neumann da und fragte mich, mit wem er die Ehre hätte zu sprechen. Ich antwortete: Gleich werde ich sagen wer ich bin, nur haben Sie die Güte Mad. Duschek herausrufen zu lassen, damit mein Spaß nicht verdorben wird, – in diesem Augenblick stand aber schon Mad. Duschek vor meiner, denn sie erkannte mich vom Fenster aus und sagte gleich, da kommt jemand der aussieht, wie Mozart. – Nun war alles voll Freude. – Die Gesellschaft war groß und bestund aus lauter meist häßlichen Frauenzimmern, aber sie ersetzten den Mangel der Schönheit durch Artigkeit. Heut geht der Fürst und ich zum Frühstück hin, dann zu Naumann [Capellmeister], dann in die Capelle. – Wir werden[447] morgen oder übermorgen von hier nach Leipzig gehen. Nach Empfang dieses Briefes mußt Du schon nach Berlin poste restante schreiben. Ich hoffe, Du wirst mein Schreiben von Prag richtig erhalten haben. Neumann's lassen sich alle Dir sammt Duschek empfehlen – wie auch dem Hr. und Fr. Schwägerin Langens. –

Liebstes Weibchen, hätte ich doch auch schon einen Brief von Dir! Wenn ich Dir alles erzählen wollte was ich mit Deinem lieben Portrait anfange, würdest Du wohl oft lachen. Zum Beispiel wenn ich es aus seinem Arrest herausnehme; so sage: grüß Dich Gott Stanzerl! – grüß Dich Gott Spitzbub – Krallerballer – Spitzignas – Bagatellerl – schluck und druck!101 – und wenn ich es wieder hineinthue so lasse ich es so nach und nach hinunterrutschen, und sage immer Nu – Nu – Nu – Nu! aber mit dem gewissen Nachdruck den dieses so vielbedeutende Wort erfordert und bei dem letzten schnell: Gute Nacht, Mauserl, schlaf gesund! – Nun glaube ich so ziemlich was dummes (für die Welt wenigstens) hingeschrieben zu haben, für uns aber, die wir uns so innig lieben, ist es gerade nicht dumm. – Heute ist der sechste Tag daß ich von Dir weg bin, und bei Gott mir scheint es schon ein Jahr zu sein. – Du wirst wohl oft Mühe haben, meinen Brief zu lesen weil ich in Eile und folglich etwas schlecht schreibe. – Adieu liebe einzige – der Wagen ist da – da heißt es nicht brav und der Wagen ist auch schon da – sondern – male. – Lebe wohl und liebe mich ewig so wie ich Dich; ich küsse Dich millionenmal auf das zärtlichste und bin ewig Dein Dich zärtlich liebender Gatte

W.A. Mozart.

P.S. Wie führt sich unser Carl auf? – Ich hoffe gut – küsse ihn statt meiner. An Hrn. und Fr. v. Puchberg alles Schöne. N.B. Du mußt in Deinen Briefen nicht das Maaß nach den meinigen nehmen, bei mir fallen sie nur deswegen etwas kurz aus, weil ich pressirt bin, sonst würde ich einen ganzen Bogen überschreiben, Du hast aber mehr Muße. – Adieu.

101

Anspielung auf einen scherzhaften Canon Mozarts. Köchel, Anh. I, 5.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 447-448.
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