130. Mozarteum.

[240] München 24. Nov. 1780.

Der Mademoiselle Katharine Gilofsky de Urazowa bitte meinen unterthänigsten Respect zu vermelden, und in meinem Namen alles Schöne zu ihrem Namenstag anzuwünschen; besonders wünsche ich ihr, daß dieß das Letztemal sei, daß man ihr als Mademoiselle gratulire. Was Sie mir wegen Graf Seinsheim schreiben, ist schon lange geschehen; das hängt ja alles so an einer Kette. Ich habe schon einmal bei ihm zu Mittag gespeist, zweimal beim Baumgarten und einmal beim Lerchenfeld, davon die Baumgarten eine Tochter ist. Da ist kein Tag, wo nicht wenigstens jemand von diesen Leuten zum Cannabich kommt. Wegen meiner Oper seien Sie außer Sorge, mein liebster Vater, ich hoffe, daß alles ganz gut gehen wird. Eine kleine Kabale wird es wohl absetzen, die aber vermuthlich sehr komisch ausfallen wird; denn ich habe unter der Noblesse die ansehnlichsten und vermöglichsten[240] Häuser, und die ersten bei der Musik sind alle für mich. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr Cannabich mein Freund ist, wie thätig, wirksam, mit Einem Worte er ist ein Lauerer, wenn es darauf ankömmt, jemanden Gutes zu thun. Wegen der Geschichte von Mara will ich sie Ihnen ganz erzählen. Warum ich Ihnen nie etwas davon schrieb, ist Ursache weil ich mir dachte, wissen Sie nichts davon, werden Sie es schon hier selbst hören, und wissen Sie was, so ist es allzeit Zeit Ihnen die ganze Wahrheit davon zu schreiben, denn vermuthlich wird man wohl was dazu gemacht haben; wenigstens hier in der Stadt hat man sie auf gar vielerlei Art erzählt. Ich kann es aber am Besten wissen, weil ich zugegen war und folglich bei der ganzen Affaire Zuseher und Zuhörer war. Als die erste Sinfonie vorbei war, traf es Mad. Mara zu singen. Da sah ich ihren Herrn Gemahl hinter ihr mit einem Violoncell in der Hand herschleichen, ich glaubte es wird eine mit einem Violoncell obligate Arie sein. Der alte Danzi, ein sehr guter Accompagnateur, ist erster Violoncellist hier. Auf einmal sagt der alte Toeschi (auch Director, der aber in dem Moment, wenn Cannabich da ist, nichts zu befehlen hat) zum Danzi, NB. zu seinem Schwiegersohn: »Stehe er auf und lasse er den Mara hersitzen.« Als dieß Cannabich hört und sieht, schreit er: »Danzi bleiben Sie sitzen, der Churfürst sieht gerne, wenn seine Leute accompagniren.« Darauf ging die Arie an, Giov. Mara stand wie ein armer Sünder mit dem Baßl in der Hand hinter seiner Frau. Als sie in den Saal eintraten, waren sie mir beide schon unerträglich, denn so was Freches hat man nicht bald gesehen, Sie werden in der Folge davon überzeugt sein. Die Arie hatte einen zweiten Theil, Mad. Mara fand es nicht für gut das Orchester vorher zu avisiren, sondern ging mit ihrer angebornen Air d'effronterie unter dem letzten Ritornell herab um den hohen Herrschaften ihr Compliment zu machen. Unterdessen sing ihr Mann mit dem Cannabich an. Alles kann ich nicht schreiben, es würde zu lang; mit Einem Wort, er beschimpfte das Orchester, den Charakter des Cannabich. Natürlicherweise war Cannabich aufgebracht, kriegte ihn am Arm und sagte: »Hier ist der Platz nicht, Ihnen zu antworten.« Mara wollte noch[241] reden, er drohte ihm aber wenn er nicht schwiege, ihn hinausführen zu lassen. Alles war über die Impertinenz des Mara aufgebracht. Unterdessen war ein Concert von Ramm, da gingen die zwei lieben Eheleute zum Grafen Seeau klagen, sie fanden aber auch da, wie bei allen Leuten, daß sie Unrecht hatten. Endlich beging die Mad. Mara die Sottise selbst zum Churfürsten deßwegen hinabzugehen, und ihr Mann sagte unterdessen ganz stolz: »Meine Frau klagt jetzt eben beim Churfürsten, das wird dem Cannabich sein Unglück sein, es thut mir leid.« Er wurde aber ganz herrlich darüber ausgelacht. Der Churfürst antwortete auf die Klage der Mad. Mara: »Madame Sie haben wie ein Engel gesungen, obwohl Ihnen Ihr Mann nicht accompagnirt hat«; und als sie ihre Klage poussiren wollte, sagte er: »Ja, das geht mich nichts an, sondern Graf Seeau.« Als sie sahen, daß da nichts zu machen war, so gingen sie weiter, obwohl sie noch 2 Arien zu singen hatte. Das heißt auf Deutsch den Churfürsten affrontiren; und ich weiß gewiß, wenn nicht der Erzherzog und viele andere Fremde dagewesen wären, man würde ihnen ganz anders begegnet sein; aber auf diese Art war dem Graf Seeau bange, schickte ihnen gleich nach und sie kamen wieder zurück. Sie sang ihre 2 Arien ohne von ihrem Mann accompagnirt zu sein. Bei der letzten, ich glaube immer, daß es Hr. Mara mit Fleiß gethan, gingen (NB. nur in der Abschrift wo Cannabich spielte) drei Tacte ab. Als dieses kam, hielt Mara dem Cannabich den Arm, dieser fand sich gleich, schlug aber mit dem Bogen auf das Pult, und schrie laut: »Hier ist alles gefehlt.« Wie die Arie aus war, sagte er: »Hr. Mara, ich will Ihnen einen Rath geben, lassen Sie es Ihnen gesagt sein, halten Sie keinem Director von einem Orchester den Arm, denn Sie können sich sonst immer auf ein halb Dutzend Ohrfeigen Rechnung machen.« Maras Ton war aber nun schon ganz herabgestimmt, er bat um Verzeihung, entschuldigte sich aufs Beste. Das Schändlichste bei der ganzen Affaire war, daß Mara (ein elender Violoncellist wie alles hier sagt) gar sich nicht bei Hof hätte hören lassen, wenn nicht Cannabich gewesen wäre, der sich darum Mühe gegeben hat. In der ersten Academie, da ich[242] noch nicht hier war, spielte er Concert, accompagnirte seiner Frau, setzte sich, ohne weder dem Danzi noch Jemand was zu sagen, an Danzi seinen Platz, das ließ man so hingehen. Der Churfürst war mit seinem Accompagnement gar nicht zufrieden, sagte, er sehe lieber, daß seine Leute accompagnirten. Cannabich der das wußte, sagte es dem Grafen bevor die Academie anfing, er könne wohl auf der andern Seite mitspielen, aber Danzi muß auch spielen; und als Mara kam, sagte er es ihm, und doch beging er diese Impertinenz. Wenn Sie sie kennen sollten, diese 2 Leute, man sieht ihnen den Stolz, Grobheit und wahre Effronterie im Gesichte an.

Nun hoffe, wird wohl meine Schwester wieder gesund sein? Ich bitte Sie, schreiben Sie mir keinen so traurigen Brief mehr, denn ich brauche dermalen ein heiteres Gemüth, leichten Kopf und Lust zum Arbeiten, und das hat man nicht, wenn man traurig ist. Ich weiß, und fühle es bei Gott, wie sehr Sie ruhige Stunden verdienten, allein bin ich denn das Hinderniß? Ich möchte es nicht sein und leider bin ich es doch! Aber wenn ich meinen Zweck erreiche, daß ich hier ansehnlich ankommen kann, so müssen Sie den Augenblick von Salzburg weg. Das geschieht nicht, werden Sie sagen; mein Fleiß und Bemühung wird wenigstens der Fehler nicht sein. Sehen Sie nur, daß Sie bald zu mir herauf kommen, wenn nur der Esel, welcher einen Ring zerreißt, und durch die Gewalt einen Bruch bekommt, daß ich ihn darüber sch ..... höre wie einen Castraten mit Hörnern und mit seinem langen Dhr den Fuchsschwanz streicht, nicht so ... wäre. Wir können alle beisammen wohnen. Ich habe in meinem ersten Zimmer eine große Alcove worin zwei Betten stehen, – das ist nun für Sie und mich charmant. Nun aber wegen meiner Schwester, wird kein ander Mittel sein, als – daß man einen Ofen in das andere Zimmer setzen läßt, das wird eine Affaire von ungefähr 4 bis 5 Fl. sein; denn man möchte einheizen, daß der Ofen springen sollte und die Thür hinein offen lassen, so würde es doch nicht erträglich werden, denn es hat eine grimmige Kälte darin. Fragen Sie doch den Abbate Varesco, ob man bei dem Chor im 2. Act Placido è il mare, nachdem nach der ersten[243] Strophe der Elettra der Chor wiederholt worden, nicht aufhören könnte? wenigstens nach der zweiten, es wird doch gar zu lang. – Ich bin nun 2 Tage schon wegen meinem Katarrh zu Hause geblieben, und zum Glück daß ich nicht viel Apetit hatte, denn in die Länge, wäre es mir ungelegen für das Essen zu zahlen. Ich habe aber dem Grafen ein Billet darüber geschrieben; er ließ mir sagen, er wird schon darüber mit mir sprechen. Bei Gott! ich zahle keinen Kreuzer, er muß sich ja in die Seele schämen. –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 240-244.
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