136. Mozarteum.

[252] München 27. Dez. 1780.

Ich habe die ganze Oper, den Brief von Schachtner, Ihren Zettel und die Pillulen richtig erhalten. Wegen der 2 Scenen die abgekürzt werden sollen, ist es nicht mein Vorschlag, sondern nur mein Consentement; und warum ich sogleich nämlicher Meinung war, ist weil Raaff und del Prato das Recitativ ganz ohne Geist und Feuer so ganz monoton herab singen und die elendesten Acteurs, die jemals die Bühne trug, sind. Wegen der Unschicklichkeit, Unnatürlichkeit und fast Unmöglichkeit des Weglassens habe letzthin mich verflucht herumgebalgt mit dem Seeau. Genug, wenn alles gedruckt ist, welches er absolument nicht hat zugeben wollen, aber doch endlich, weil ich ihn grob angefahren, zugegeben hat. – Die letzte Probe ist herrlich gewesen, sie war in einem grossen[252] Zimmer bei Hof, der Churfürst war auch da. Dießmal ist mit dem ganzen Orchester (versteht sich, das im Opernhaus Platz hat) probirt worden. Nach dem 1. Act sagte mir der Churfürst überlaut Bravo, und als ich hinging ihm die Hand zu küssen, sagte er: »Diese Oper wird charmant werden, er wird gewiß Ehre davon haben.« Weil er nicht wußte, ob er so lange dableiben kann, so mußte man ihm die concertirende Arie und das Donnerwetter zu Anfang des 2. Acts machen; nach diesem gab er mir wieder auf das freundlichste seinen Beifall und sagte lachend: »Man sollte nicht meinen, daß in einem so kleinen Kopf so was Großes stecke.« Er hat auch anders Tags früh beim Cercle meine Oper sehr gelobt. – Die nächste Probe wird wohl vermuthlich im Theater sein. Apropos, Becke sagte mir die Tage, daß er Ihnen nach der vorletzten Probe wieder geschrieben hätte, und unter Andern, daß des Raaffs seine Arie im 2. Act wider den Text geschrieben sei; »so hat man mir gesagt«, sagte er, »ich verstehe zu wenig wälsch, ist es wahr?« – »Hätten Sie mich eher gefragt und hernach erst geschrieben, ich muß Ihnen sagen, daß derjenige zu wenig wälsch kann, der Ihnen das gesagt hat. Die Arie ist ganz gut auf die Worte geschrieben, man hört das mare und das mare funesto und die Passagen sind auf minacciar angebracht, welche dann das minacciar, das Drohen, gänzlich ausdrücken.« Und überhaupt ist das die prächtigste Arie in der Oper und hat auch allgemeinen Beifall gehabt.

Ist es wahr, daß der Kaiser krank ist? Ist es wahr, daß der Erzbischof nach München kommen soll? Hören Sie, der Raaff ist der beste, ehrlichste Mann von der Welt, aber – auf den alten Schlendrian versessen, daß man Blut dabei schwitzen möchte, folglich sehr schwer für ihn zu schreiben, – sehr leicht auch, wenn Sie wollen, wenn man so Alletag-Arien machen will, wie par exemple die erste Arie Vedromi intorno; wenn Sie sie hören werden, sie ist gut, sie ist schön, aber wenn ich sie für Zonca geschrieben hätte, so würde sie noch besser auf den Text gemacht sein; er liebt die geschnittenen Nudeln zu sehr und sieht nicht auf die Expression. Mit dem Quartett habe ich jetzt eine Noth mit ihm gehabt. Das[253] Quartett, wie öfter ich es mir auf dem Theater vorstelle, wie mehr Effect macht es mir, und hat auch allen, die es so auf dem Clavier gehört haben, gefallen; der einzige Raaff meint, es wird nicht Effect machen, er sagte es mir ganz allein: »Non c'è da spianar la voce, – das ist zu eng.« Als wenn man in einem Quartett nicht viel mehr reden als singen sollte! – Dergleichen Sachen versteht er gar nicht. Ich sagte nur: »Liebster Freund, wenn ich nur eine Note wüßte die in diesem Quartett zu ändern wäre, so würde ich es sogleich thun, allein ich bin noch mit keiner Sache in dieser Oper so zufrieden gewesen, wie mit diesem Quartett; und hören Sie es nur einmal zusammen, so werden Sie ganz anders reden. Ich habe mir bei Ihren 2 Arien alle Mühe gegeben Sie recht zu bedienen, werde es auch bei der dritten thun und hoffe, es zu Stande zu bringen, aber was Terzetten und Quartetten anbelangt, muß man dem Compositeur seinen freien Willen lassen.« Darauf gab er sich zufrieden. Neulich war er ganz unwillig über das Wort in seiner letzten Arie – rinvigorir und ringiovenir – besonders vienmi à rinvigorir – fünf i. Es ist wahr, beim Schluß einer Arie ist es sehr unangenehm.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 252-254.
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