61. Mozarteum.

[47] München 29. Sept. 1777.

– – Das ist wahr! sehr viel gute Freunde: aber leider die meisten, die nichts oder wenig vermögen. Ich war gestern um halb 11 Uhr beim Graf Seeau und habe ihn aber viel ernsthafter und nicht so natürlich wie das erste Mal befunden. Doch war es nur Schein; dann heute war ich[47] beym Fürst Zeill [Bischof von Chiemsee, vgl. Nr. 56] und der hat mir Folgendes mit aller Höflichkeit gesagt: »Ich glaube hier werden wir nicht viel ausrichten, ich habe bei der Tafel zu Nymphenburg heimlich mit dem Churfürsten gesprochen. Er sagte mir: Jetzt ist es noch zu früh, er soll gehen, nach Italien reisen, sich berühmt machen. Ich versage ihm nichts, aber jetzt ist es noch zu früh.« – Da haben wirs! Die meisten grossen Herrn haben einen so entsetzlichen Welschlands-Paroxismus. Doch rieth er mir zum Churfürsten zu gehen und meine Sache vorzutragen wie sonst. Ich habe heut mit Hrn. Woschitka [Violoncellist bei der Münchener Hofcapelle und Mitspieler bei den Privatmusiken des Churfürsten] über Tisch heimlich gesprochen, und dieser bestellte mich morgen um 9 Uhr, da will er mir eine Audienz gewiß zuwege bringen. Wir sind nun gute Freunde. Er hat absolument die Person wissen wollen; ich sagte ihm aber: »Seyen Sie versichert, daß ich Ihr Freund bin und bleiben werde, ich bin Ihrer Freundschaft auch völlig überzeugt, und das sey Ihnen genug.« – Nun wieder auf meine Historie zu kommen. Der Bischof in Chiemsee sprach auch ganz allein mit der Churfürstin. Die schupfte die Achseln und sagte, sie wird ihr Möglichstes thun; allein sie zweifelt sehr. Nun kommts wegen Graf Seeau. Graf Seeau fragte den Fürst Zeill (nachdem dieser ihm alles erzählt hatte): »Wissen Sie nicht, hat denn der Mozart nicht so viel von Haus, daß er mit ein wenig Beihilfe hier bleiben könnte? Ich hätte Lust ihn zu behalten.« Der Bischof gab ihm zur Antwort: »Ich weiß nicht, aber ich zweifle sehr. Doch dürfen Sie ihn ja nur darüber sprechen.« Das war also die Ursache warum er am folgenden Tag so gedankenvoll war. – Hier bin ich gern, und ich bin der Meinung wie viele meiner guten Freunde, daß wenn ich nur ein Jahr oder zwey hier bliebe, ich mir durch meine Arbeit Verdienst und Meriten machen könnte und folglich eher vom Hof gesucht würde, als ihn suchen sollte. Herr Albert hat seit meiner Ankunft ein Project im Kopfe, dessen Ausführung mir nicht unmöglich scheint. Nämlich er wollte 10 gute Freunde zusammen bringen, wo ein jeder monatlich nur 1 Ducaten spendiren dürfte; das sind den Monat 10 Ducaten, 50 Gulden,[48] jährlich 600 Fl. Wenn ich nun hernach von Graf Seeau nur jährlich 200 Fl. hätte, wären es 800 Fl. – Wie gefällt dem Papa dieser Gedanke? – Ist er nicht freundschaftlich? – Ist es nicht anzunehmen, wenn es allenfalls Ernst würde? – Ich bin vollkommen damit zufrieden, ich wäre nahe bei Salzburg, und wenn Ihnen mein allerliebster Papa, ein Gusto käme (wie ich es doch von ganzem Herzen wünschte) Salzburg zu verlassen und in München Ihr Leben zuzubringen, so wäre das Ding sehr lustig und leicht. Denn wenn wir in Salzburg mit 504 Fl. leben mußten, so könnten wir wohl in München mit 600 oder 800 Fl. leben? –

Heute als den 30. ging ich nach Abrede mit Mr. Woschitka um 9 Uhr nach Hof. Da war alles in Jagduniform. Baron Kern war dienender Kammerherr. Ich wäre gestern Abends schon hineingegangen, allein ich konnte H. Woschitka nicht vor den Kopf stoßen, welcher sich selbst antrug mich mit dem Churfürsten sprechen zu machen. Um 10 Uhr führte er mich in ein enges Zimmerl, wo S. Ch. Durchlaucht durchgehen müssen, um vor der Jagd Messe zu hören. Graf Seeau ging vorbey und grüßte mich sehr freundlich: »Befehl mich, liebster Mozart!« – Als der Churfürst an mich kam, so sagte ich: »Euer Churf. Durchlaucht erlauben, daß ich mich unterthänigst zu Füssen legen und meine Dienste antragen darf.« – »Ja, völlig weg von Salzburg?« – »Völlig weg, ja, Euer Churf. Durchlaucht.« – »Ja warum denn? – Habt's eng z'kriegt?« – »Ey beyleibe, Euer Durchlaucht, ich habe nur um eine Reise gebeten, er hat sie mir abgeschlagen, mithin war ich gezwungen, diesen Schritt zu machen, obwohlen ich schon lange im Sinn hatte weg zu gehen, dann Salzburg ist kein Ort für mich, ja ganz sicher.« – »Mein Gott, ein junger Mensch! – Aber der Vater ist ja noch in Salzburg?« – »Ja Euer Churf. Durchlaucht, er legt sich unterthänigst u.s.w. Ich bin schon dreimal in Italien gewesen, habe 3 Opern geschrieben, bin Mitglied der Academie in Bologna, habe müssen eine Probe ausstehen, wo viele Maestri 4 bis 5 Stunden gearbeitet und geschwitzt haben, ich habe es in einer Stunde verfertigt. Das mag zum Zeugniß dienen, daß ich im Stande bin einem jeden Hof zu dienen; mein einziger Wunsch ist E. Ch. Durchl. zu[49] dienen, der selbst ein grosser .....« – »Ja, mein liebes Kind es ist keine Vacatur da, mir ist leid. Wenn nur eine Vacatur da wäre!« – »Ich versichere Euer Durchl., ich würde München gewiß Ehre machen.« – »Ja das nutzt alles nicht, es ist keine Vacatur da.« – Dieß sagte er gehend; nun empfahl ich mich zu höchsten Gnaden. Hr. Woschitka rieth mir, ich sollte mich öfters beim Churfürsten sehen lassen. Heut Nachmittag ging ich zum Graf Salern. Seine Gräf. Tochter ist nun Kammerfräulein, sie ist mit auf der Jagd. Ich und Ravani waren auf der Gasse wie der ganze Zug kam. Der Churfürst und die Churfürstin grüßten mich sehr freundlich. Die Gräfin Salern kannte mich gleich, sie machte mir sehr viele Complimente mit der Hand. Baron Rumling, den ich in der Anticamera vorher sah, war niemals so höflich mit mir wie dieses Mal. Wie es mit dem Salern gegangen, schreib ich aufs Nächste. Recht gut, sehr höflich und aufrichtig.

P.S. Ma très chere soeur, ich schreibe Dir aufs Nächste eigenst einen Brief ganz für Dich, meine Empfehlung an A.B.C.M.R. und mehr dergleichen Buchstaben. Adieu. –

Einer bauete hier ein Haus und schrieb darauf: Das bauen ist eine grosse Lust, das so viel kost hab' ich nicht g'wust. Ueber Nacht schrieb ihm einer darunter: Und daß es so viel kosten thut, hättst wissen soll'n, Du – –

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 47-50.
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