77. Mozarteum.

[95] Mannheim 20. Nov. 1777.

Gestern fing wieder die Galla an [zu Ehren des churfürstlichen Namenstags]. Ich war im Amt, welches ganz funkelnagelneu von Vogler componirt war. Ich war schon vorgestern Nachmittag in der Probe, ging aber gleich nach geendigtem Kyrie davon. So hab ich mein Lebtage nichts gehört. Es stimmt oft gar nicht; er geht in die Töne, daß man glaubt, er wolle einen bei den Haaren hinein reißen; aber nicht daß es der Mühe werth wäre, etwa auf eine besondere Art, nein, sondern ganz plump. Von der Ausführung der Ideen will ich gar nichts sagen. Ich sage nur das, daß es unmöglich ist, daß ein Voglerisches Amt einem Compositeur (der diesen Namen verdient) gefallen kann. Denn kurz, jetzt höre ich einen Gedanken, der nicht übel ist, – ja, er bleibt gewiß nicht lange nicht übel, sondern er wird bald schön? – Gott behüte! – übel und sehr übel werden, und das auf zwei- oder dreierlei Manieren; nemlich daß kaum dieser Gedanke angefangen, kommt gleich was anders und verderbt ihn; oder er schließt den Gedanken nicht so natürlich, daß er gut bleiben könnte; oder er steht nicht am rechten Ort; oder endlich er ist durch den Satz der Instrumente verdorben. So ist die Musik des Vogler. – Cannabich componirt jetzt viel besser als da wir ihn zu Paris gesehen. Was ich aber (und meine Mama auch) gleich hier an den Sinfonien bemerkt habe, ist daß eine wie die andere anfängt; allzeit von Anfang langsam und unisono.

Nun muß ich dem Papa wegen dem Hl. Kreuz in Augsburg etwas schreiben, das ich immer vergessen habe. – Ich habe recht viel Höflichkeiten dort empfangen, und der Hr. Prälat ist der beste Mann von der Welt, ein recht guter alter Dalk, der aber in einem Augenblick weg sein kann, indem es ihm stark an Othem fehlt; wie er erst letztlich an dem nemlichen Tag als wir weggereist sind, vom Schlag gezügt worden ist. Er und der Dechant und Procurator[95] haben uns beschworen, wie wir wieder nach Augsburg kommen, gleich im Kloster abzusteigen. Der Procurator ist so ein lustiger Mann, wie der Pater Leopold zu Seeon29. Mein Basl hat mir vorläufig gesagt, wie er ist; folglich sind wir in der ersten Zusammenkunft so bekannt gewesen, als kännten wir uns 20 Jahre. Ich habe ihnen die Messe ex F und die erste aus den kurzen Messen in C und das Offertorium im Contrapunkt in D minor dort gelassen. Meine Baase ist Oberaufseherin darüber. Das Offertorium habe ich accurat zurückbekommen, weil ich es fürs erste verlangt habe. Nun haben sie mich alle und auch der Hr. Prälat geplagt, ich möchte ihnen doch eine Litaney de venerabili geben. Ich sagte, ich habe sie nicht bei mir. Ich wußte es auch wirklich nicht gewiß. Ich suchte und fand sie nicht. Man ließ mir keinen Fried, man glaubte ich wollte sie nur verleugnen; ich sagte aber: »Hören Sie, ich habe sie nicht bei mir, sie ist zu Salzburg; schreiben Sie meinem Papa, es kommt jetzt auf ihn an; schickt er sie Ihnen, so ists wohl und gut; wo nicht, so kann ich auch nicht dafür.« Es wird wohl glaublicherweise bald vom Hrn. Dechant ein Brief an Papa erscheinen. Nun thun Sie was Sie wollen. Wenn Sie ihnen eine schicken wollen, so schicken Sie die letzte die ex E b: denn sie können alles besetzen; es kommen zur selben Zeit viele Leute zusammen, sie beschreiben sie gar, denn das ist ja ihr größtes Fest.Adieu.

29

Ein Kloster in Niederbaiern, wo Wolfgang oft mit seinem Vater war, weil er dort einen lieben Freund, den Pater Johannes hatte.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 95-96.
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