83. Mozarteum.

[110] Mannheim 10. Dez. 1777.

Hier ist es dermalen nichts mit dem Churfürsten. Ich war vorgestern in der Academie bei Hof um eine Antwort zu bekommen. Der Graf Savioli wich mir ordentlich aus. Ich ging aber auf ihn zu. Als er mich sahe, schupfte er die Achseln. »Was«, sagte ich, »noch keine Antwort?« – »Bitte um Vergebung«, sagte er, »aber leider nichts.« – »Eh bien«, sagte ich, »das hätte mir der Churfürst eher sagen können.« »Ja«, sagte er, »er hätte sich noch nicht resolvirt, wenn ich ihn nicht dazu getrieben und vorgestellt hätte, daß Sie schon so lange hier sitzen und im Wirthshaus Ihr Geld verzehren.« »Das verdrießt mich auch am meisten«, versetzte ich, »das ist gar nicht schön; übrigens bin ich Ihnen, Herr Graf (denn man heißt ihn nicht Excellenz), sehr verbunden, daß Sie sich so eifrig für mich angenommen haben und bitte, sich im Namen meiner beim Churfürsten zu bedanken für die zwar späte doch gnädige Nachricht; und ich versicherte ihn, daß es ihn gewiß niemals gereut hätte, wenn er mich genommen hätte.« »O«, sagte er, »von diesem bin ich mehr versichert, als Sie es glauben.« Ich sagte hernach die Resolution dem Hrn. Wendling, welcher völlig roth wurde und ganz hitzig sagte: »Da müssen wir Mittel finden; Sie müssen hier bleiben, die 2 Monate aufs Wenigste, bis wir hernach miteinander nach Paris gehen. Morgen kömmt so der Cannabich von der Jagd zurück, da werden wir das mehrere reden.« Ich ging gleich von der Academie weg und gerade zur Mad. Cannabich. Dem Hrn. Schatzmeister, der mit mir weggegangen und der ein recht braver Mann und mein guter Freund ist, habe ich es im Hingehen erzählt. Sie können sich nicht vorstellen, wie sich der Mensch darüber erzürnt hat. Als wir[110] ins Zimmer traten, nahm er gleich das Wort und sagte: »Nu, da ist Einer, der das gewöhnliche schöne Schicksal vom Hof hat.« »Was«, sagte die Madame, »ist es also nichts?« – Ich erzählte dann Alles. Sie erzählten mir dann auch allerhand dergleichen Stückchen, die hier so passirt sind. Als die Mademoiselle Rose (welche 3 Zimmer weit entfernt war und just mit der Wäsche umging) fertig war, kam sie herein und sagte zu mir: »Ist es Ihnen jetzt gefällig?« – denn es war Zeit zur Lection. »Ich bin zu Befehl«, sagte ich. »Aber«, sagte sie, »heut wollen wir recht gescheut lernen.« »Das glaub ich«, versetzte ich, »denn es dauert so nicht mehr lang.« – »Wie so? – wie so? – warum?« – Sie ging zu ihrer Mama und dann sagte sie es ihr. »Was?« – sagte sie, »ist es gewiß? – ich glaub es nicht.« »Ja, ja, gewiß«, sagte ich. Sie spielte darauf ganz serieuse meine Sonate. Hören Sie, ich konnte mich des Weinens nicht enthalten. Endlich kamen auch der Mutter, Tochter und dem Hrn. Schatzmeister die Thränen in die Augen; denn sie spielte just die Sonate und das ist das Favorit vom ganzen Haus. »Hören Sie«, sagte der Schatzmeister, »wenn der Herr Capellmeister (man nennt mich hier nie anderst) weggeht, so macht er uns alle weinen.« Ich muß sagen, daß ich hier sehr gute Freunde habe, denn in solchen Umständen lernt man sie kennen; denn sie sind es nicht allein in Worten, sondern in der That. Hören Sie nur Folgendes. Den andern Tag kam ich wie sonst zum Wendling zum Speisen; da sagte er mir: »Unser Indianer (das ist ein Holländer, der von seinen eigenen Mitteln lebt, ein Liebhaber von allen Wissenschaften und ein großer Freund und Verehrer von mir) ist halt doch ein rarer Mann; er gibt Ihnen 200 Fl., wenn Sie ihm 3 kleine leichte und kurze Concerte und ein paar Quattro auf die Flöte machen. Durch den Cannabich bekommen Sie auf das Wenigste 2 Scolaren, die gut bezahlen, Sie machen hier Duetti auf das Clavier und eine Violine per souscription und lassen sie stechen. Tafel haben Sie sowohl mittags als abends bey uns. Quartier für sich haben Sie bei dem Hrn. Hofkammerrath, das kostet Sie alles nichts; für die Frau Mutter wollen wir die 2 Monate, bis Sie dieses alles nach Haus[111] geschrieben haben, ein wohlfeiles Quartierl ausfindig machen; und alsdann reist die Mama nach Haus und wir gehen nach Paris.« – Die Mama ist damit zufrieden; jetzt kommt es nur auf Ihre Einwilligung an, der ich schon so gewiß bin, daß wenn es jetzt schon zur Reise Zeit wäre, ich ohne eine Antwort abzuwarten, nach Paris ginge. Denn von einem so vernünftigen und für das Wohl seiner Kinder bisher so besorgten Vater kann man nichts Anderes erwarten. Der Hr. Wendling, welcher sich Ihnen empfiehlt, ist ein Herzensfreund mit unserm Herzensfreund Grimm. Er hat ihm als er hier war, viel von mir gesprochen; das war wie er aus Salzburg von uns herkam. Ich werde, sobald ich von Ihnen Antwort auf diesen Brief habe, an ihn schreiben; denn er ist jetzt, wie mir ein Fremder hier bei Tisch gesagt hat, in Paris. Ich würde Sie auch bitten, daß Sie mir, wenn es möglich wäre, indem wir vor dem 8. März nicht gehen werden, durch Hrn. Mesmer in Wien oder durch etwa Jemand zuwege brächten, daß ich einen Brief an die Königin von Frankreich bekommen könnte: wenn es leicht möglich ist! – denn sonst hat es auch weiter nicht viel zu bedeuten. Besser ist es, das ist richtig. Das ist auch ein Rath den mir Hr. Wendling gegeben hat. Ich stelle mir vor, daß Ihnen die Sachen, die ich Ihnen schreibe, wunderlich vorkommen, weil Sie jetzt in einer Stadt sind, wo man gewohnt ist, dumme Feinde, einfältige und schwache Freunde zu haben, die, weil ihnen das traurige Salzburger Brod unentbehrlich ist, immer den Fuchsschwanz streichen, folglich von heut bis morgen sind. Sehen Sie, das ist eben die Ursache, warum ich Ihnen immer Kindereien und Spaß und wenig Gescheutes geschrieben habe, weil ich die Sache hier habe abwarten wollen, um Ihnen den Verdruß zu ersparen und meine gute Freunde zu verschonen, denen Sie jetzt etwa unschuldigerweise die Schuld geben, als hätten sie unter der Hand entgegen gearbeitet, welches aber gewiß nicht ist. Ich weiß schon wer die Ursache ist! Ich bin aber durch Ihre Briefe gezwungen worden, Ihnen die ganze Geschichte zu erzählen. Ich bitte Sie aber um Alles in der Welt, kränken Sie sich nicht wegen diesem, Gott hat es so haben wollen. Bedenken Sie nur diese[112] allzu gewisse Wahrheit, daß sich nicht alles thun läßt, was man im Sinne hat. Man glaubt oft, dieses würde recht gut sein und jenes würde recht übel und schlecht sein, und wenn es geschähe, so würde man oft das Gegentheil erfahren. Nun muß ich schlafen gehen; ich werde die 2 Monate hindurch genug zu schreiben haben: 3 Concerts, 2 Quartetten, 4 oder 6 Duetti aufs Clavier, und dann habe ich auch im Sinn, eine neue grosse Messe zu machen und dem Churfürsten zu präsentiren. Adieu.

Ich werde künftigen Posttag an Fürst Zeit schreiben um die Sache in München zu betreiben. Wenn Sie ihm auch schreiben wollten, wäre es mir sehr lieb. Kurz und gut aber! Nur nicht kriechen! Denn das kann ich nicht leiden. Das ist gewiß, wenn er will, so kann er es gewiß machen, denn das hat mir ganz München gesagt. [Vgl. Nr. 56 und 60 f.]

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 110-113.
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